Wechselt Eure Autoversicherung. JETZT

Gerade wollte ich meine Autoversicherungsrechnung für das kommende Jahr bezahlen. Ich bin bei der DEVK in Essen. Dabei fiel mir auf, dass zwar der Betrag für die Haftpflicht gesenkt wurde, weil ich schadensfrei fahre. Dafür stieg aber der Betrag für die Vollkasko – um einen ähnlichen Betrag.

Ich habe mich beim DEVK-Call-Center erkundigt, warum das so ist und erhielt zur Auskunft, dass meine Regionalklasse hochgestuft worden sei, weil in meiner Gegend haufenweise Unfälle passieren würden. Auf Nachfrage hieß es, das würden alle Versicherungen so machen. Alle Versicherungen hätten in meinem Ort die gleiche Regionalklasse.

Ich wohne auf dem Land. Hier kenne ich fast jeden Unfall persönlich. Hier passiert nix. Ein Blechschaden ist hier tagelang Ortsgespräch.

Deswegen fiel es mir schwer zu glauben, dass die Regionalklasse wegen vieler Unfälle anderer Leute gestiegen sei, und ich deswegen mehr zahlen soll.

Ein einfacher Preisvergleich brachte dann auch heraus, dass diese Aussage Unfug war. Die Regionalklassen können bei den Versicherungen voneinander abweichen. Die Versicherungen legen also selbst die Klassen fest, in die sie ihre Kunden einstufen.

Gut. Da hat das DEVK-Call-Center dann wohl Mist erzählt.

Ich habe nochmal da angerufen und gefragt, ob die Versicherung bereit ist, über den Preis zu sprechen.

Besonders verwundert hat mich, dass ich in der Schadensfreiheitsklasse (SF) 13 bei 45 Prozent liegen sollte, obwohl in der SF 13 eigentlich max 40 Prozent üblich sind. Da wäre doch sicher Spielraum, um mich als Kunden zu halten, sagte ich.

Den Unfug wegen der Regionalklassen lies ich mal unberücksichtigt. Wer wird schon gerne beim Behumpsen erwischt.

Ich erhielt als Auskunft: Nein, das sei man nicht. Die DEVK wolle nicht verhandeln.

OK. Ich bin nicht Chef der DEVK. Das Call Center wird schon Gründe haben, warum sie die Preispolitik so fahren, wie sie sie fahren.

Ich habe jetzt meine beiden Wagen auf jeden Fall zu einer anderen Versicherung gebracht und spare damit knapp 300 Euro. Ich denke, ich werde meinen Eltern und meiner Frau auch sagen, dass es sich lohnt, mal einen Preisvergleich zur KFZ-Versicherung zu machen. Und zu wechseln.

Das geht noch bis zum 30. November, das Wechseln für das kommende Jahr.

Man muss nicht stumpf immer die Versicherungs-Rechnung bezahlen. Wenn man sieht, was die anderen anbieten, wird es billiger.

P.S. Lustig, dass mir die DEVK Essen mit ihrem Call Center geholfen hat, 300 Euro zu sparen. Wenn die nicht versucht hätten, mich zu beschmieren, hätte ich nie die Versicherung gewechselt.

Über Ferrostaal spricht man wieder

Bei Ferrostaal wird alles neu. Der Laden mit der wohl höchsten Korruptionsdichte Deutschlands soll künftig saubere Geschäfte machen. Zweifel am Erfolg sind angebracht.

Die Geschichte von Ferrostaal ist lang, lässt sich aber schnell erzählen. Im Jahr 1920 gegründete entwickelte sich das einst in den Niederlanden angesiedelte Unternehmen nach dem zweiten Weltkrieg zum Umschlagplatz deutscher Industriegüter und Dienstleistungen. Ganz sauber ging es da wohl nicht immer zu, das war bis in die 90er-Jahre auch egal. Mit dahin durften im Ausland gezahlte Schmiergelder hierzulande von der Steuer abgesetzt werden.

Vor dem neuen Jahrtausend änderten sich aber die Steuergesetze und auch die öffentliche Wahrnehmung. Die Gewährung geldwerter Vorteile hatte nun nicht mehr nur ein Geschmäckle, sie wurden illegal. Bei Ferrostaal hat man das auch realisiert, Ex-Chef Matthias Mitscherlich bemühte sich sogar um eine Verbesserung. Wie gut er darin war, dass müssen wohl bald die Richter entscheiden. Neben anderen Managern und Ferrostaal ermittelt die Staatsanwaltschaft München auch gegen ihn.

Nachdem Mitscherlich seinen Platz geräumt hat, will nun Jan Secher das Unternehmen von der Strafbank holen. Eine Compliance-Struktur wurde eingezogen, einige Mitarbeiter mussten gehen. Er ist auf dem richtigen Weg.

Nun kommt der zweite Schritt. Zum Wochenanfang segnete der Aufsichtsrat eine neue Strategie ab. Aus heiklen Geschäften ziehen sich die Essener zurück, so vom Verkauf von U-Booten. Die Zukunft des Unternehmens soll nun im Projektgeschäft liegen, also dem Bau von Anlagen für die Petrochemie und das Öl- und Gas-Business.

Das dürfte ganz im Interesse des Eigners sein. Der Staatsfonds IPIC aus Abu Dhabi war eigens bei Ferrostaal eingestiegen, um die Industrialisierung des eignen Landes voran zu treiben. Abu Dhabi rüstet sich für die Zeit nach dem Öl. Als MAN seine Tochter Ferrostaal zum Verkauf stellte, griffen die Scheichs schnell zu. Groß war aber der Frust, als die Schmiergeldaffäre ans Tageslicht kam.

Aber werden die neue Compliance-Regeln und die neue Struktur reichen, um Ferrostaal vor dem Untergang zu retten? Bei Thyssen, Daimler und auch einigen anderen Firmen hört man, dass das Vertrauen in Ferrostaal erschüttert ist. Secher und seine Truppe muss also intensiv um Vertrauen werben.

Dafür muss er auch mal an die Öffentlichkeit. Ich habe seit seinem Amtsantritt im Juni nichts von ihm gelesen. Ferrostaal spricht nicht, über Ferrostaal wird geschrieben. Solang das so ist, zweifele ich an der Zukunftsfähigkeit.

Klage gegen Kernkraft

Warnschild am radioaktiv verseuchten Fluss Techa bei Majak, dem Zielort deutscher Castortransporte

Zur Stunde lässt die schwarz-gelbe Bundesregierung ihr umstrittenes Atomgesetz durch den Bundesrat laufen. Doch die Kernkraft-Kritiker haben schon einen Plan B in der Schublade: „Wir werden vor dem Bundesverfassungsgericht im Februar geltend machen, dass die Länder sehr wohl von den Folgen der Laufzeitverlängerung betroffen sind“, sagt Johannes Remmel, NRW-Umweltminister.

NRW ist zusammen mit Rheinland-Pfalz federführend bei der Klage in Karlsruhe. „Wir mögen alle unterschiedliche Gründe gegen eine längere Laufzeit der Atomkraftwerke haben, in der Klage sind wir uns aber einig“, so der grüne Minister. Die Bundesländer seien verantwortlich für die Sicherheit vor Ort und insofern nun wesentlich länger belastet.

Seit Monaten beschäftigen die SPD-geführten Bundesländer Juristen, um die Klage vor dem höchsten deutschen Gericht vorzubereiten. Ihrer Meinung nach müssen die Länder in der Frage der längeren Atomkraftlaufzeiten zustimmen, weil sie mit zusätzlichen Aufgaben und Risiken verbunden ist. „Politisch haben die Länder vielfältige Motive“, so Remmel. So fürchten ostdeutsche Länder etwa um Konkurrenz für ihre Braunkohlekraftwerke, andere vor allem um Investitionen in Erneuerbare Energien. „Diese Verlängerung ist eine bewusste Provokation und die Aufkündigung eines mehrheitlichen gesellschaftlichen Konsens.“

Politisch ist für die rot-grünen Länder der Atomkonflikt eines der wichtigsten politischen Projekte. Sie wissen sich in ihrem Widerstand mit der Mehrheit der Bevölkerung einig. Auch die heutige Bundesratsdebatte ist eine willkommene Arena: So hat zum Beispiel das nordrhein-westfälische Kabinett in dieser Woche intern lange gerungen, wer in Berlin reden darf und wie lange.

Tatsächlich werden die rot-grünen Atomkraftgegner in ihrer Klage auch von konservativer Seite unterstützt: So spricht sich auch der Verband kommunale Unternehmen (VKU) gegen eine längere AKW-Laufzeit aus – und der Hauptgeschäftsführer des VKU ist ein Christdemokrat. Einzelne städtische Gesellschaften bereiten zudem ihrerseits juristische Schritte vor. „Heute sprechen noch mehr glasklare ökonomische Gründe gegen längere Laufzeiten als 2000: Die Gelddruckmaschinen für die großen Energiekonzerne generieren keine zusätzlichen Arbeitsplätze – sie verhindern sie“, sagt Minister Remmel.

Auch die CDU hatte im Jahr 2000 beim rot-grünen Gesetz zum Atomausstieg öffentlich kritisiert, dass die Länder damals ebenfalls nicht beteiligt wurden. Sie haben aber letztendlich keine Klage in Karlsruhe eingereicht. Sollten die Richter der heutigen Klage nicht recht geben, bleibt den Atomkraftgegnern nur die Hoffnung auf die kommenden Wahlen. „Wir werden nach der nächsten Bundestagswahl 2013 den Spuk beenden“, so Remmel.

Gute Gründe gegen den Steag-Kauf durch die Städte

Heute hat RWI-Präsident Christoph R. Schmidt gute Gründe gegen den Kauf des Kraftwerksbetreibers Steag durch die Ruhrgebietsstädte genannt. Es gibt aber noch ein paar mehr.

Der Kohleabbau im Ruhrgebiet wird uns noch lange teuer zu stehen kommen. Lange nachdem der letzte Knappenchor sein letztes „Glückauf der Steiger“ geschallert haben wird, kostet er noch Geld: Mehr als ein Drittel des Ruhrgebiets liegt unterhalb des Grundwasserspiegels. Damit Städte wir Bottrop, Gelsenkirchen oder Gladbeck nicht absaufen muss das Wasser abgepumpt werden – für alle Ewigkeiten. Der Begriff der  Ewigkeitskosten des Bergbaus ist also nicht symbolisch gemeint. Und um die bewältigen zu können braucht die Kohle-Stiftung Geld. Geld, dass sie aus dem Verkauf des Konzerns  Evonik erhalten soll. Irgendwo zwischen sieben und zehn Milliarden Euro müssen zusammen kommen. Das wird dannwahrscheinlich immer noch nicht reichen, um die Ewigkeitskosten zu decken, aber die Bealstung der öffentlichen Haushalten mildern. Und Evonik soll in Einzelteilen verkauft werden: Die Chemie, früher mal Degussa, die Immobilien, (THS und Evonik-Immobilien und schließlich der Kohlekraftwerksbetreiber Steag. Um den geht es hier.

Denn den wollen die Städte kaufen – ein Konsortium von Revier-Stadtwerken will so zu einem der größten Kraftwerksbetreiber Deutschlands aufsteigen. Und nicht nur das: Die Steag betreibt auch Kraftwerke im Ausland. In der Türkei zum Beispiel. Und in Indonesien.

Das ist mit wirtschaftlichen Risiken verbunden. Das Geschäft wird über Kredite finanziert. Die Kommunalpolitiker wollen diese Risiken gerne eingehen. Ihre Lässigkeit hat einen Grund: Sie handeln nicht mit dem eigenen Geld, sondern mit dem der Bürger. Und mit Fremderleute Geld geht man bekanntlich immer etwas großzügiger um.

In der WAZ hat sich heute Christop M. Schmidt, der Präsident des RWI, gegen den Kauf der Steag durch die Städte geäussert:

„Das ist letztendlich eine Zockerei, die die Essener Bürger teuer zu stehen kommen kann, wenn sie schief geht.“

Schmidt bezweifelt auch, dass die Ratsmitglieder die Kompetenz zu einer solchen Entscheidung haben:

„Sie muten sich sehr viel zu. Das ist ein Bissen, der sich als zu groß entpuppen kann.“ Wolle man wirklich im Rat über knifflige Fragen entscheiden, wo man stärker investiert oder wie man heikle Projekte retten kann?“

Hohes Risiko für den Steuerzahler und mangelnde Kompetenz – das sind zwei Gründe, die gegen den Steag-Deal sprechen.

Aber es gibt noch weitere gute Gründe: Die im Ruhrgebiet schon ohnehin viel zu engen Verflechtungen zwischen Städten und Energiewirtschaft würden weiter zu nehmen. Wessen Interessen werden dann in den Räten vertreten? Die der Verbraucher oder die der Unternehmen, die, ob städtisch oder nicht, ihr Geld ja auf Kosten der Verbraucher verdienen wollen?

Und schließlich ist jeder Volkseigene Betrieb eine gute Gelegenheit für die Parteien, ihre Mitglieder zu versorgen. Ob kompetent oder nicht – für viele wird sich ein nettes, gut bezahltes Pöstchen finden. Und die so versorgten wisse, wem sie ihre Karriere zu verdanken haben und werden loyal bleiben. Schon heute arbeiten nicht wenige Kommunalpolitiker für die großen Energieunternehmen.

Ein Filz, für den wir alle teuer bezahlen.

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Der Ruhrpilot

NRWs linke Ladtagsfraktion bejubelt Stasispiitzelzeitung
NRWs linke Ladtagsfraktion bejubelt Stasispiitzelzeitung

NRW: Linke erwägt Etat-Billigung…Kölner Stadtanzeiger

JMStV: Meinungsschnippsel aus NRW…Netzpolitik

NRW II: Linke bleibt im Visier des Verfassungsschutzes…RP Online

NRW III: Land pocht auf Nachtruhe am Flughafen Dortmund…Der Westen

NRW IV: Linke macht Druck bei Aus für Studiengebühren…Der Westen

Ruhrgebiet: Mobbing gegen deutsche Schüler auch im Revier…Der Westen

Ruhr2010: Der Platz des gebrochenen Versprechens…Der Westen

Ruhr2010 II: Gisela – merkwürdig, denkwürdig, besuchenswert…Musik in Dresden

Bochum: Manfred Busch bleibt Chef der Kämmerei…Ruhr Nachrichten

Fußball: Erstes Geständnis im Fußball-Wettskandal…Ruhr Nachrichten

Integration: „Gewaltverherrlichende Machokultur“…Stern

Umland: Szenen einer Ehe – Schwarz-Grün steckt in Hamburg in der Krise…Welt

Umland II: 250.000 Euro für den Flughafen Meschede-Schüren…Zoom

Curved Yellow Fruits

Curved Yellow Fruits + Gloria Swanson, Freitag, 26. November, 19.30 Uhr, ROTTSTR5 Theater, Bochum, Eintritt: 6 Euro

Rund um das Grenzgebiet zwischen Rock, Funk und Jazz bietet die vierköpfige Band dem Zuhörer ein vielfältiges Klangerlebnis. Mal treffen vertrackte Basslinien auf melancholische Vocals, mal lateinamerikanische Rhythmen auf psychedelische Gitarrensounds. Es geht den Musikern aus dem Ruhrgebiet in erster Linie darum, die diversen Einflüsse einem übergeordnetem Konzept zu unterwerfen. Keine lose Ansammlung bewährter Standards, sondern größtmögliche Vielfalt in der Einheit.

Friede, Freude, Aufsichtsrat

Ekkehard D. Schulz Foto: ThyssenKrupp

Zum Abschluss seiner Karriere wird es versöhnlich. ThyssenKrupp-Chef Ekkehard Schulz kann im Einvernehmen mit den Betriebsräten den Standort in Düsseldorf-Benrath schließen.

Noch im vergangenen Jahr tobte ein heftiger Kampf zwischen der Führung um Schulz und den Arbeitnehmern. Mit harten Ankündigungen – Stellenabbau, Verkauf von Tochtergesellschaften – hatten die Konzernoberen die Belegschaft in Wallung gebracht. In der Kritik stand vor allem Schulz, der es nicht lassen konnte, von betriebsbedingten Kündigungen zu sprechen. Die wollte er zwar nicht, er wollte sie aber auch nicht ausschließen.

Ziel war, die Macht der Betriebsräte zu brechen. Gelungen ist ihm dies nicht. Auch wenn mit dem Konzernumbau Aufsichtsräte in den Sparten wegfielen und der Betriebsrat damit weniger Mitspracherecht hat, faktisch geht gegen die Belegschaft nichts. Dies zeigt sich beim Umbau der Edelstahlsparte.

Das Düsseldorfer Werk ist eines von vier in Deutschland. Und es ist das kleinste, innerhalb einer defizitären Sparte ist das ein verlorener Posten. Den Betriebsräten ist es daher leicht gefallen, dem Umbau zuzustimmen. ThyssenKrupp sichert einen sozialverträglichen Umbau zu; keiner der 550 betroffenen Mitarbeiter fällt in die Arbeitslosigkeit. Wichtig war dem Betriebsrat vor allem aber, dass kräftig investiert wird.

Im Unternehmen geht nämlich die Furcht um, dass mit dem neuen Edelstahlwerk in den USA Kapazitäten in Deutschland geschlossen werden könnten. Alleine die Verlagerung der Kapazitäten von Benrath nach Krefeld wird sich der Konzern nun rund 250 Millionen Euro kosten lassen.

Die Maßnahme ist sicherlich richtig und im Sinne von Unternehmen und Belegschaft. Die aus Sicht von Schulz positive Begleiterscheinung wird sein, dass die Betriebsräte ihm keine Steine beim Weg in den Aufsichtsrat in den Weg legen werden. Auf der Sitzung am Freitag wird das Gremium einem Vorschlag der Krupp-Stiftung zustimmen, dass Schulz mit seinem Ausscheiden aus dem Vorstand am 21. Januar direkt in den Aufsichtsrat wechseln kann.

Dass ist zwar nicht wirklich im Sinne des Corporate-Governance-Kodex, aber der ist nun wirklich nicht so wichtig. Auch wenn der maßgeblich von Thyssen-Krupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme entworfen wurde.

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Sarrazin, das Lehmbruck-Museum und der Couch-Künstler

Horst Wackerbarth hatte eine Idee: Er fotografiert eine rote Couch. Immer an anderen Standorten. Das ist nett. Nun rechtfertigt er die Einladung  Tilo Sarrazins ins Duisburger Lehmbruck Museum.

Die geplante Veranstaltung mit Tilo Sarrazin in Duisburg ist – wenig überraschend – in die Kritik geraten. Gestern hat nun Horst Wackerbarth mit einem Brief auf die Kritiker reagiert. Wir dokumentieren ihn nachfolgend:
Stellungnahme von Horst Wackerbarth zur Veranstaltung im Lehmbruck Museum am 29.11.10 ab 18 Uhr „Thilo Sarrazin liest & diskutiert mit dem Künstler und dem Publikum“:
In diesen Tagen erreichen mich zahlreiche Anrufe und Emails von Einzelpersonen  und organisierten Gruppen, mit der Aufforderung und/oder der Bitte die Veranstaltung am 29. November mit/gegen Thilo Sarrazin abzusagen.
Man dürfe Thilo Sarrazin und seinen umstrittenen Aussagen kein öffentliches Forum geben und/oder es sei eine billige Masche für das Lehmbruck Museum und die Ausstellung „Here & There“ Reklame zu machen.
Hierzu nehme ich Stellung:
1. Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ hat sich über 650.000 Mal verkauft. Das Thema wird in allen führenden Talkshows und allen relevanten Medien, Print und TV, rauf und runter behandelt.
Thilo Sarrazin hat faktisch sein Forum, die große Öffentlichkeit. Bei der Veranstaltung im Lehmbruck Museum ist der Kontext aber ein völlig anderer.
2. Die Veranstaltung im Lehmbruck ist keine Talkshow oder Selbstdarstellung für Thilo Sarrazin und dessen Buch. Denn die Ausstellung „Here & There“ ist das lebendige, menschliche Gegen-modell zu den in „Deutschland schafft sich ab“ vertretenen Thesen.
Die  Gegensätze können größer nicht sein:
– Technokrat vs. Künstler
– „preußischer“ Beamter vs. Weltbürger
– Statistiken, Wahrscheinlichkeitsrechnungen, Prognosen
vs. Biografien von Individuen
– Populismus vs. Kunst
3. Mein Lebenswerk „ The Red Couch – A Gallery of Mankind“ bringt alle Menschen auf Augenhöhe. Die Rote Couch ist eine Bühne für Integration und Gegensätze. Seit „Here & There“ ist die Funktion der Roten Couch erweitert um eine Kommunikationsplattform für Menschen, die sich im normalen Leben nicht begegnen oder sogar aus dem Weg gehen, zum Beispiel:
– Der Neo-Nazi mit Kampfhund und Trabi und der Türke, jüdischen Glaubens vor dem
ehemaligen Hauptquartier der Gestapo in Weimar, der Stadt von Goethe, Schiller,
Beethoven, aber auch Buchenwald.
–  Die Einbürgerung vor dem Duisburger Rathaus und die Abschiebung in der JVA Büren.
– Die Polizeibeamtin mit türkischem Hintergrund und der Ultra-Fussballfan mit
italienischem Hintergrund.
– Der Vorstandsvorsitzende der TUI und die türkisch-marokkanische Auszubildende eines
Reisebüros.
– Der Kardinal aus Mittelamerika in der Moschee in Duisburg-Marxloh, usw.
Auf der Couch ist auch Platz für eine „Auseinander-Setzung“ mit Herrn Sarrazin!
Deshalb war ich mit dem Vorschlag von Raimund Stecker, Thilo Sarrazin in die Ausstellung einzuladen, einverstanden und nehme an der Veranstaltung teil.
Horst Wackerbarth, Düsseldorf im November 2010
P.S.:  Das Lehmbruck Museum, ein Haus für Internationale Skulptur, befand sich zwei Jahrzehnte im „Dornröschen-Schlaf“.
Vom Bestand und der Bedeutung her Bundesliga spielte es leider Regionalliga. Wenn der neue Direktor Raimund Stecker u. a. Shirin Ebadi (Iran, Friedensnobelpreisträgerin 2003), Günther Grass (Nobelpreisträger Literatur 2008) und jetzt Thilo Sarrazin einlädt, ist dies auch der Versuch, das Museum aktiv am gesellschaftlichen Diskurs teilhaben zu lassen und das ist sinnvoll.

Geständnis eines Euro-Befürworters

 
Ja, ich gestehe: auch ich hatte zu denen gehört, die damals – also so vor zehn, fünfzehn Jahren – die Einführung einer europäischen Gemeinschaftswährung befürwortet hatten. Ja, ich weiß: es erscheint bigott, etwas zuzugeben, was ohnehin nicht zu leugnen ist. Ich möchte nicht dastehen, wie ein überführter Politiker, der scheibchenweise nach jeder neuen Enthüllung ein neues Teilgeständnis nachschiebt. Ich packe aus. Alles.

Ja, ich hatte für den Euro geworben – überall, zu jeder sich bietenden Möglichkeit. Selbst dann noch, als er längst eingeführt war, die Leute dies jedoch noch nicht bemerkt hatten, weil sie noch die guten alten Scheine und Münzen im Portemonnaie hatten und die Preise im Supermarkt mit dem D-Mark-Zeichen ausgezeichnet waren. Ich hatte für den Euro geworben, wohl wissend, dass ich ohnehin nicht die Mehrheit von meiner Auffassung überzeugen werde … – und, dass es darauf aber auch nicht ankommen würde.

Ich wusste, dass die politische Elite dieses Landes das Projekt in jedem Fall durchziehen würde. Dennoch hielt auch ich es für geboten, in der Bevölkerung zumindest für ein Mindestmaß an Verständnis zu werben. So machte ich mir die Argumente zu eigen, die in der Kampagne für den Euro landläufig benutzt worden waren. Das, wenn schon nicht unbedingt überzeugendste, so doch stärkste war, dass die Gemeinschaftswährung so stark werde wie die geliebte D-Mark.

Aus diesem Grund hatten die Deutschen die sog. Maastricht-Kriterien als Aufnahmebedingungen in die Eurozone durchgesetzt. Obgleich ich wusste, dass diese Kriterien nicht nur absolut willkürlich gesetzt, sondern auch ökonomisch durch nichts zu rechtfertigen waren, ging ich mit ihnen hausieren. Auf skeptische Rückfragen konnte ich sogar versichern, dass die Maastricht-Kriterien nicht nur die Aufnahmebedingungen waren, sondern auch fortwährend als Spielregeln gelten würden, deren Nichteinhaltung bestraft werden würde.

Freilich war mir völlig klar, dass es völlig idiotisch ist, wenn für jede Phase des Konjunkturzyklus die gleichen Vorgaben für Inflation und Staatsverschuldung gelten. Mir war auch klar, dass solange es keine einheitliche europäische Wirtschafts- und Fiskalpolitik gibt, gleiche Kriterien für sich unterschiedlich entwickelnde Volkswirtschaften völlig unsachgerecht, ja: letztlich gar nicht einzuhalten sind. Insbesondere mit einheitlichen Leitzinsen, die von einer nach deutschem Vorbild in Deutschland errichteten unabhängige Zentralbank festgelegt werden, würde das Projekt Euro niemals gelingen können, wenn es nicht zu einer zentralen Wirtschaftspolitik, also zu einer europäischen Wirtschaftsregierung käme.

Dies war absolut klar. Klar war aber auch, dass es besser war, diese ökonomische Binsenweisheiten hinter dem Berg zu halten, wenn man zu einem Quäntchen mehr Legitimation der Gemeinschaftswährung beitragen wollte. Eine Währungsunion ohne Wirtschaftsunion würde niemals funktionieren können, und so vertraute ich auf die „normative Kraft des Faktischen“. Etwas amüsiert nahm ich zur Kenntnis und wertete es als Zeichen, dass sich der Euro auf dem richtigen Weg befände, dass ausgerechnet die Deutschen die ersten waren, die gegen den von ihnen noch einmal auf die Maastricht-Kriterien draufgesattelten Stabilitätspakt verstoßen hatten, woraufhin sie, um der „Strafe“ zu entgehen, sogleich die Regeln an die Realität anpassten.

Spätestens jetzt war ich sehr zuversichtlich, dass der Weg zu einer echten Wirtschaftsunion frei ist, womit unausweichlich auch eine politische Union vorgegeben wäre. Ich wollte das mit der Wiedervereinigung größer und souverän gewordene Deutschland unumkehrbar in den europäischen Integrationsprozess eingebettet wissen. Ich war ein überzeugter Anhänger der vom damaligen Bundeskanzler vorgegeben Linie, dass die deutsche und die europäische Einigung zwei Seiten einer Medaille seien, also: zu sein hätten. In diesem Punkt wurde Helmut Kohl auch vom damaligen Vorsitzenden meiner Partei, Oskar Lafontaine, umstandslos unterstützt.

Ich beschäftigte mich zu dieser Zeit intensiv mit Norbert Elias, der mich gelehrt hatte, dass das Erlangen einer größeren Integrationsstufe unvermeidlich mit einer temporären Entdemokratisierung einhergeht. Außerdem sträubte sich in mir alles, den Deutschen in dieser zumindest für den ganzen Kontinent entscheidenden Frage ein „nationales Selbstbestimmungsrecht“ zuzubilligen. Da sich auch alle demokratischen Parteien für den Euro stark gemacht hatten, hatte ich diesbezüglich nicht die geringsten Bedenken. Im Gegenteil: ich hielt es für meine Pflicht als Demokraten, für den Euro zu werben. Mit der – wie ich damals annahm – daraus zwingend entstehenden Wirtschaftsunion, die eine politische Union nach sich ziehen werde, würde das Risiko Deutschland ganz wesentlich entschärft werden.

Ja, ich gestehe: auch ich hatte vor der Irreführung der deutschen Öffentlichkeit nicht zurückgeschreckt. Ich gebe zu, dass gerade die ablehnende Haltung der Mehrheit mir Ansporn war, meinen kleinen Beitrag dazu beizutragen, dass mit dem Euro klar Schiff gemacht wird. Dabei hätte mir klar sein sollen, dass es auf Dauer nicht gelingen kann, ein Wirtschaftsmodell (und damit verbunden ein politisches Modell) gegen den Willen des Volkes stabil zu halten. Dass der Euro jetzt am Rande des Zusammenbruchs steht, ist letztlich eine Folge seiner nach wie vor mangelnden Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung.

Wenn der Euro scheitert, dann nicht wegen der Refinanzierungsprobleme von Staaten wie Griechenland, Irland oder Portugal. Jedes dieser Länder erwirtschaftet nur ein bis zwei Prozent des BIP in der Eurozone. Umgekehrt wird ein Schuh draus: die Refinanzierungsprobleme dieser kleinen Länder erklären sich aus der Euro-Krise – nicht umgekehrt. Der Schutzschirm für den Euro kann diese drei Staaten auch nach Abkopplung vom Kapitalmarkt mit dem nötigen Geld versorgen. PIG (Portugal, Irland, Griechenland) geht; für PIGS (das „S“ steht für Spanien) wird es schon nicht mehr reichen. Und auch die Spanier müssen schon jetzt einen Zinssatz berappen, der so hoch ist wie der der Griechen im Mai.

Dass die Zinssätze in dermaßen absurde Höhen spekuliert worden sind, liegt nicht allein an der Unfähigkeit der Merkel-Regierung. Sie geht letztlich zurück auf den Unmut der Deutschen, in einer europäischen Wirtschaftsunion leben zu wollen. Auch jede andere Regierung stünde vor kaum zu meisternden Problemen, wollte sie eine Ausweitung des Schutzschirms der Bevölkerung gegenüber legitimieren. Der Schutzschirm ist vom Volumen auf 600 Mrd. Euro und zeitlich bis Ende 2012 limitiert. Jeder weiß, dass beides vorn und hinten niemals ausreichen wird – auch der „Markt“, der gnadenlos die Antwort der Deutschen einfordert, ob sie nun den Euro haben wollen oder nicht.

Dabei liegt die Antwort im Grunde längst auf dem Tisch. Auch das Gefasel über ein „geordnetes Insolvenzverfahren“, das für die „Sünder“ ab 2013 gelten solle, kann darüber nicht hinwegtäuschen. Es steht zu befürchten, dass der Euro die nächsten beiden Jahre nicht überleben wird. Ich hatte die Hartnäckigkeit der Deutschen unterschätzt. Die Folgen eines Scheiterns der Gemeinschaftswährung wären verheerend. Ich weiß: die Deutschen übersehen nicht, was auf sie zukäme, wenn sie es statt mit dem Euro wieder mit der guten, alten D-Mark oder – was auf Dasgleiche hinausliefe – mit einem kleinen Währungsverbund der „starken“ Nachbarländer zu tun hätten. Gegen das, was in diesem Fall auf sie zukäme, sind die ökonomisch-sozialen Verwerfungen, unter denen die Griechen, Iren und Portugiesen derzeit zu leiden haben, fast kaum der Rede wert.

Das haben sie nicht verdient – meine deutschen Landsleute. Ich hatte das nicht gewollt. Keiner von uns hatte das gewollt. Es tut mir leid. Entschuldigung!