Der Ruhrpilot

Adolf Sauerland

NRW: Bürger sollen Oberbürgermeister abwählen können…Der Westen

NRW II: Zerschlagung der WestLB rückt näher…Welt

NRW III: Islamischer Religionsunterricht bald möglich…RP Online

NRW IV: Linke will Rot-Grün stützen…Spiegel

Ruhrgebiet: Revier ist produktiver als NRW-Durchschnitt…Bild

Kultur: „Verkäufe sind eine Option“…Welt

Essen: Für Paß ist die Messe-Not jetzt kein Thema für Bürger…Der Westen

Duisburg: 21 Namen und Rohre erinnern an Opfer der Loveparade…Der Westen

Wikileaks: …zur angeblichen Domscheit-Berg–Assange-Schlammschacht…Netzpolitik

NRW-Piraten mit Finanzproblemen?

Die Piratenpartei NRW hat ihren ersten Skandal. Und worum dreht es sich? Ums Geld.

Die WAZ berichtet über Unregelmäßigkeiten. Zudem wurden Mitgliedsbeiträge und Spenden wohl nicht korrekt verbucht. Auf dem Landesparteitag wurde dem ehemaligen Schatzmeister die Entlastung jedenfalls verweigert:

Bei den Piraten sieht man das Problem eher sportlich:

Landeschef Marsching war angesichts der Ungereimtheiten „der Gedanke an einen Skandal“ gekommen. Jetzt spricht er aber von einem „Lernprozess“ innerhalb der jungen Partei, die von ihren Wahlerfolgen und dem Zulauf an Mitgliedern überrannt worden sei. „Manche Strukturen hinken noch weit hinterher“, gesteht er. Die Art der beanstandeten Buchführung nennt Masching „Schuhkarton-Wirtschaft“. Aber: „Grob fahrlässig ist das nicht.“

Dresden: Menschenkette am 13. Februar 2011

Am 13. und am 19. Februar wollen tausende Neonazis aus dem In- und Ausland in Dresden aufmarschieren. Anlass bietet ihnen der alliierte Luftangriff auf Dresden im Februar 1945. Sie überhöhen die Opferzahlen, um mit ihrem infamen Wort vom „Bomben-Holocaust“ auf Deppenfang gehen zu können.

Tatsächlich ging man lange Zeit davon aus, dass in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 Hunderttausend oder gar mehrere Hunderttausend Menschen umgekommen seien. Inzwischen ist sicher, dass die Opferzahl „nur“ zwischen 18.000 und 25.000 Menschen liegt.
Bei Wikipedia steht: Diese Angriffe waren nicht die schwersten im Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg. Doch wenn Sie diesen Link anklicken, werden Sie feststellen: in Europa schon. Dass die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki mehr Menschenleben gekostet hatten, ist klar.
Zwischen 18.000 und 25.000 Tote – unvorstellbar! Der NPD reicht diese Opferzahl dennoch nicht aus. Letztes Jahr schrieben die Nazis in ihrer Parteizeitung „Deutsche Stimme“: „Zum 65. Jahrestag des Feuersturms geht es um unsere Toten. Zum 65. mal jährt sich am 13. Februar der Feuersturm von Dresden. Hunderttausende kamen dabei um …“
Wie bitte?!
„Hunderttausende kamen dabei um, wurden heimatlos.“
Ach so.

Die NPD hatte auf Teufel komm raus mobilisiert. Zum Beispiel so: „Das ist dieses Jahr besonders wichtig. Zum einen, weil der 65. Jahrestag des Untergangs Dresdens ein markantes Datum im Geschichtskalender ist. Und zum anderen, weil auch die Gegner eines würdigen Gedenkens in diesem Jahr alles daran setzen werden, diesen Tag für sich zu vereinnahmen.“ Die Ruhrbarone hatten ausführlich – auch mit einem Liveticker – darüber berichtet, wie die Sache im letzten Jahr verlaufen ist. Sie endete mit einer Blamage für die Nazis; gebremst werden sie von diversen Bündnissen demokratischer Organisationen und Persönlichkeiten. Die Braunen hatten es geahnt:
Es wird ein überparteiliches Aktionsbündnis (»… kein Platz für Angst und Gewalt«) geben, eine Menschenkette von der Synagoge bis zum Altmarkt – und das übliche Lumpengesindel mit Israelfahnen und »Bomber Harris, do it again!«-Plakaten wird es auch wieder geben.“

Nun muss man sich weder von der „Deutschen Stimme“ noch von diesen „antideutschen“ Knallköpfen distanzieren, die den Bomber Harris um ein Do-it-again bitten. Sollten Sie sich dennoch über die linksradikalen selbsternannten Israel-Freunde voriges Jahr echauffiert haben oder an diesem Sonntag echauffieren, achten Sie bitte bei Ihren Flüchen darauf, dass Sie nicht das Wort Lumpengesindel in den Mund nehmen! Hinterher stellt man Sie noch in eine Ecke, in die Sie nicht gehören.
Denn auch in diesem Jahr wollen sich die Nazis wieder aus gegebenem Anlass zusammenrotten. Und abermals werden sich Demokraten Ihnen in den Weg stellen: „Zum 13. Februar rufen Oberbürgermeisterin Helma Orosz sowie Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft, den Kirchen, der Jüdischen Gemeinde zu Dresden, dem Sport und der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und den demokratischen Fraktionen des Dresdner Stadtrates auf, eine Menschenkette zum Gedenken an die Zerstörung Dresdens vor 66 Jahren zu bilden.

Werbung


Der Ruhrpilot

NRW: Rot-Grün spart nicht…RP Online

NRW II: Videostreit um Einkaufszentren…RP Online

Dortmund: Hafen-Anrainer fürchten Umweltzone…Der Westen

Duisburg: Umweltzone umstritten…RP Online

Bochum: Stadt bekommt mehr Zeit zur Planung der Umweltzonen-Ausweitung…Der Westen

Duisburg II: Leiharbeit bei der DVG auf verschlungenen Wegen…Der Westen

Bochum II: Projektentwickler ECE geht in die Offensive…Ruhr Nachrichten

Umland: Der Preis der Regionale…Zoom

Ägypten: Ist Kai Pflaume wichtiger als Kairos Revolution?…Welt

Ägypten II: MIt libertären Grüßen…Isis

next: Ich möchte Bodo Hombach und Thomas Knüwer auf dem Panel sehen!…Pottblog

Haut bloß ab! Aber z. z. …

Leonhard Kuckart - Bild: senioren-union-nrw.de

Haut bloß ab! Aber z. z. – zack, zack. Ziemlich zügig. Wir wollen Euer Geknötter nicht mehr hören, Eure Giftfressen nicht mehr sehen – ja, schon richtig: wir wollen Euch überhaupt nicht mehr sehen. „Wem es nicht gefällt, der kann gehen“, sage ich immer. Und ich finde, dass das Christliche wieder Inhalt der Politik werden muss. Also: Liebe, Güte und Barmherzigkeit. Und vor allem die Nächstenliebe. Doch bei dieser Sorte von Knötteropas hört bei mir der Spaß auf. Leitlinie christlicher Politik muss sein: „Lasset die Kinder zu mir kommen!“

Was aber meint Leonhard Kuckart, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Seniorenunion, dem wir die Anregung, dass das Christliche wieder Inhalt der Politik werden müsse genauso verdanken wie den Hinweis: „Wem es nicht gefällt, der kann gehen“? Kuckart findet, Kindergeschrei sei für viele eine unzumutbare Lärmbelästigung. Genau wie das Hämmern eines Pressluftbohrers. Und deshalb sei die vom Bundesumweltminister und – pikanterweise – seinem CDU-Landesvorsitzenden Röttgen geplante generelle Zulassung von Kitas in Wohngebieten als Verstoß gegen das Grundgesetz zu werten, weil Rechte anderer verletzt würden. „Ein Dauerpegel von 90 Dezibel“, so Kuckart, „bleibt eine unzumutbare Lärmbelästigung – gleich, ob die Quelle nun sympathisches Kindergeschrei ist oder das Hämmern des Pressluftbohrers.“ Auch Senioren hätten schließlich ein Recht auf Erholung.

Wohlbemerkt: Kuckart hält die unzumutbare Lärmbelästigung namens Kindergeschrei durchaus für sympathisch, jedenfalls solange sie nicht ältere Menschen um ihr wohlverdientes Mittagsschläfchen bringt. Deshalb macht er Front gegen eine Änderung, sprich: Liberalisierung des Bundesimmissionsgesetzes. Umwelt, wichtige Sache. Und Kinder erst einmal. Im Prinzip ist Leonhard Kuckart sehr dafür – gerade auch als Landesvorsitzender der Seniorenunion, in deren Mitgliedschaft die „Christdemokraten für das Leben“ vertreten sind. Kampf gegen Abtreibungen und „Redefreiheit für Sarrazin“, also „strengere Maßstäbe für die Integration von Migranten“ – wer also konservatives Klientel sucht, findet es hier, schreibt der Westen. Kuckart arbeitet auch mit seinen 79 Jahren unermüdlich am konservativen Profil seiner Partei.

„Hellwach“ bezeichnet sich die Seniorenunion selbst – in ihrem Logo. „Demokratie heißt auch Kampf“, weiß Leonhard Kuckart dazu beizusteuern. Wenn irgend so einer wie dieser Grünschnabel von Jens Spahn Bedenken gegen eine außerplanmäßige Rentenerhöhung vorzutragen wagt, dann ist Kuckart nämlich hellwach. Und kämpft – gegen links, gegen Ausländer, gegen den ganzen neumodischen Kram in der CDU und seit neuestem auch gegen das ganze Kindergeschrei. Kindertagesstätte – allein schon dieses Wort. Was ist in Deutschland nicht alles schief gelaufen?! Leonhard Kuckart – ein Prototyp eines verbiesterten Knötteropas.

Nichts gegen Knötteropas. Ich selbst bin auf dem besten Wege. Meine Kolumnen legen Zeugnis darüber ab. Liebeserklärungen gibt es allenfalls posthum, auch hier stehen Kuckarts Chancen nicht besonders gut. Ich bin auch nicht mehr der Jüngste, hatte es auch nicht immer leicht und knötter nun einmal für mein Leben gern. Aber sich mit Schwächeren anzulegen, gehört sich nicht. Kann auch vorkommen. Aber mit Kindern? Oder deren Eltern? Die Hand, die füttert, beißt man nicht. Städte seien „altersungeeignet“, meint Kuckart. Nun denn, ab dafür!

Er soll sie alle mitnehmen, der Kuckart. All die anderen furchtbaren Knötteropas, die, weil sie sich selbst nicht leiden können, auch allen Anderen den Spaß am Leben vermiesen wollen. Und all die verbissenen Giftziegen, die ihrem Herrmann („nun tu doch endlich mal was!“) nicht mehr das Leben schwer machen können und seitdem eine noch ätzendere Wirkung auf ihre Außenwelt entfalten. „Wem es nicht gefällt, der kann gehen“, sagt Kuckart. Bitte sehr! Wir wollen mit Euch ohnehin nicht in Mehrgenerationenhäusern leben. Wir würden einen Teufel tun und Euch Kinderhassern unsere Kinder anvertrauen, wenn wir einmal Hilfe brauchen. Ob Eure leiblichen Kinder einmal Lust haben werden, Euch zu pflegen, wenn es so weit sein sollte?

Ziemlich unwahrscheinlich. Entweder ist es Euch gelungen, Eure Unmenschlichkeit der eigenen Brut anzuerziehen. Dann sieht es schlecht für Euch aus. Oder aus denen sind wider Erwarten doch recht umgängliche Wesen geworden. Dann auch. Ich kann Euch für beide Varianten einige Beispiele nennen. Ich glaube, Ihr wisst, wie es um Euch steht; deshalb nimmt Euer Hass jetzt schon eine derart skurille Form an, dass Ihr Kinderlärm mit Presslufthämmern vergleicht und Kitas ins Gewerbegebiet verbannen wollt. Ihr seid so etwas von pervers, Ihr armen Schweine! Und Ihr seid nicht wenige. Ihr stellt bei weitem nicht die Mehrheit in Eurer Generation, d.h. auch viele CDU-wählende Alte sind ganz liebevolle Großmütter oder patente Großväter. Sie freuen sich, wenn die Kinder mit den Enkeln zu Besuch kommen. Und wenn sie können, fahren sie auch selbst zu ihnen hin und passen mal auf. Ihr wisst schon: diese „komischen“ Nachbarn, die sogar hin und wieder ein liebes Wort für die Türkenblagen übrig haben.

Auf diese Alten, auf diese vielen, möchten wir nicht verzichten. Auch dann nicht, wenn sie nicht mehr helfen können und wenig auf die Straße kommen. Denen helfen wir dann. Gern. Aber Ihr, die Ihr offen oder heimlich mit diesem Kuckart sympathisiert, die sogar neidisch auf kleine Kinder sind, weil in denen etwas lebt – Euch Giftfressen wollen wir nicht mehr sehen. Bleibt im Haus, steckt Euch Ohropax in die Lauscher, macht die Äuglein zu und vor allem Euren – für meinen Geschmack viel zu – großen Mund! Oder noch besser: Haut ab! Verpisst Euch. Z. z. – zack, zack. Ziemlich zügig. Wenn es Euch hier nicht passt, geht doch rüber! Ihr glaubt gar nicht, was es für ruhige Fleckchen gibt, auch in Deutschland. Gerade im Osten. Große Teile Brandenburgs entvölkern sich gerade. Keine Kinder, keine Türken, wunderschön. Herrliche Ecken. Und auch die Preise sind niedriger als hier. Also: wisst Ihr Bescheid. Und kommt bloß nicht wieder. Tschüss!

Weiterführender Link zum Glasauge (Welt Online)
„Das Gesetz kommt nur über unsere Leichen“
Leichen-Union fühlt sich von Kindergräbern gestört

Emotionales Armdrücken

Andreas Bittl und Dagny Dewath/Foto: Birgit Hupfeld

Heute Abend  ist es wieder so weit: Das Fräulein Julie spielt im Rottstr.5-Theater verrückt. Was passiert, wenn ein alter, Frauen hassender Schwede, Foucault und eine Rasierklinge aufeinander treffen? Kürzung in ihrer schönsten Form. Mit „Fräulein Julie“, einer Tragödie von August Strindberg, holt das Bochumer Rottstr5-Theater Herrschafts- und Geschlechterdiskurse auf die Bühne. Arne Nobel pflastert den strindbergschen Stände-Switch mit den wackeligen Steinplatten triebhaften Kalküls und naiver Begierden, bei dem einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Es ist der rasante Absturz in die Perspektivlosigkeit eines nimmergrünen Beziehungsgeflechts.

Weil der Lieblingswein von Strindberg und Michel Foucault Bier ist, trafen sie sich zu einem Sit-In in der Rottstr5. Strindbergs Tragödie von 1888 ist sein meist gespieltes Stück. Aber noch nie hat es eine Inszenierung gegeben wie jene, die aktuell im Rottstr5-Theater zu sehen ist: In einer postatomaren Zeit nach der Bombe wurde das feudale System revitalisiert. Ein bisschen Mad Max, aber immer noch Reclam. Mit Mut zur Klinge und Kürzung verhelfen Dramaturgie und Regie Strindbergs Klassiker zu appellativer Durchschlagskraft, mit der sich nahtlos an aktuelle Diskurse anknüpfen lässt.

Das Miteinander generiert sich orientierungslos. Im Wust aus Menschen, Geschlechtern, Hierarchien fällt es schwer, auf Augenhöhe unerschlossenes Land, ohne Gepäck aus der alten Welt zu betreten. Die Beteiligten hängen noch immer in und an den tradierten Herrschaftsverhältnissen und müssen einsehen: Ein Befehl klingt immer unfreundlich, auch wenn er auf den Wunsch eines anderen hin ausgesprochen wird.

Naturalistisches Küchendrama

Regisseur Arne Nobel ist dafür bekannt, dass er seinen Inszenierungen gerne ein gewisses Quantum Radikalität verpasst. Im Original liefert die Figurenkonstellation den Tod der Köchin nicht mit. Als Repräsentantin der gegebenen gesellschaftlichen Ordnung bildete sie ursprünglich das Gegengewicht zum sittenwidrigen Verhältnis von Julie (Dagny Dewath) und Jean (Andreas Bittl). Doch wird der Tod der Köchin in der Spielversion des Off-Theaters letztlich zur logischen Konsequenz dieses aufreibenden Küchendramas.

Jean (Andreas Bittl) hofft auf seinen Aufstieg/Foto: Birgit Hupfeld

Monsieur Jean, der Knecht des Fräuleins, ist eigentlich verlobt mit Kristin, der Köchin des Hauses (Kerrin Banz). Er ist viel gereist, ein bisschen gebildet und deswegen überzeugt, er würde ihr als Verlobter nicht schaden. Gleichsam erwacht das Interesse der Herrin des Hauses an Jean, ihrem Untergebenen. Noch gilt, wenn sie befiehlt, muss er gehorchen. Jean will rauf und Julie will runter. Was folgt ist eine Nacht erotischer Verwirrung, eine Anleitung zum Unglücklichsein, ein naturalistisches Küchendrama. Das Setting der Story wird mithilfe des Bühnenarrangements komplettiert, in dem die Darsteller ständig ihre Plätze wechseln. Die Grenzen zwischen Ernst und Scherz, Hierarchie und Haltlosigkeit verschwimmen zunehmend.

Jean und Julie erobern einander, bezwingen und demütigen sich. Die Ebenen dieses kurvenhaften Emotionsverlaufs geraten ins Wanken, beinah wie bei Jean Genet wechseln ständig die Machtverhältnisse sowie ihre Maskeraden und plötzlich ist man mitten drin im Kampf um Herrschaft und Geschlechterverhältnisse. Fräulein Julie muss schon bald einsehen, dass sie nicht weiß, wie die Welt von unten aussieht. Jean und sie erahnen, aber unterschätzen die prägende Kraft der Klassenunterschiede. In der Sexszene der beiden sind ihre Körper auf ihre Silhouetten reduziert. Ihre Wirkmächtigkeit verdankt sie nicht zuletzt dem hervorragenden Einsatz des Lichts. Der Akt selbst ist kein wildes Rammeln, sondern entbrennt in stilvoller Körperästhetik hinter einem riesigen, halbdurchsichtigen Vorhang und verweist als Moment der Verschleierung auf die triebhaften Kräfte, die unter der sichtbaren Oberfläche der Zurückhaltung brodeln. Das Verlangen kulminiert in Begehren und entlädt sich im Akt. Die Entflammten bleiben nach der Apokalypse der Zweisamkeit in einer emotionalen Ruine zurück, bei der sich Drohung und Bedrohung abwechseln. Von Mäßigung, Halt und Orientierung sind sie weit entfernt.

Ruine eines Verlangens

Am Ende müssen Jean und Julie einsehen, dass es nicht reicht, „auf Purple Haze zu schlafen“, damit ihre Träume wahr werden. Beide ringen um Kontrolle, statt um Liebe. Sie will, dass er gut zu ihr ist. Er jedoch begreift nicht. Schließlich beschwert sich die hintergangene Köchin, sie wolle nicht länger in einem Haus wohnen, in dem man keinen Respekt mehr vor der Herrschaft hat. Ein Fehler. Am Ende kommt Solidarität nicht einmal unter den beiden Frauen auf, als Julie vorschlägt, man könne zu dritt fliehen. Nein, in diesen Verhältnissen verträgt man sich nicht.

Zwei, die keineswegs zimperlich miteinander umgehen/Foto: Birgit Hupfeld

Mittendrin findet sich die Darbietung einer großartigen Dagny Dewath, zwischen Dominanz und Geworfenheit und ein Andreas Bittl, der spielt als befände er sich in einem Rammstein-Video. Präzise zeichnen sie alle kaleidoskopischen Zersplitterungen der Emotionalität nach. Charmant richten sie einander mit ihren Worten und ihrem Spiel regelrecht hin. Dewath gelingt es mit der Intensität ihrer Mimik, alle Nuancen von Raserei, über Wut, bis hin zu quälender Verzweiflung zu erörtern, bis plötzlich sogar den Zuschauern die Tränen in den Augen stehen. Es gibt diese großen Szenen, in denen man ihr jede Regung, jedes Wort abnimmt. Alle Schauspieler verleihen dieser beeindruckenden Darbietung streckenweise ein geradezu erschütterndes Maß an Authentizität. Ihr leidenschaftliches Spiel straft die Wirklichkeit des Lebens als bloß verblassten Abglanz radikaler Emotionalität Lügen.

Am Ende geht es wie so oft um die verlorene Ehre. Sie fragt ihn, ob er wisse, was ein Mann einer Frau schuldet, die er entehrt hat. Er bedauert, dass das Gesetz nicht vorsieht, was mit einer Frau geschieht, die einen Mann verführt. Da waren sie wieder, die Geschlechterverhältnisse. Diese Inszenierung glänzt mit Aktualität, weil sie nicht bloß eine theatralische Lektion ist. Sie zeigt Ertrinkende auf dem Kampfplatz der Hierarchie, Scham und Schande, die noch immer keine antiquierten Zwangsvorstellungen sind.

Die nächste Vorstellung findet heute, um 19.30 Uhr statt.

Werbung


Der Ruhrpilot

Barbara Steffens

NRW: …kämpft für Quoten…Süddeutsche

NRW II: Korruptionsverdacht bei Bauprojekten…Der Westen

Dortmund: Krankgeschriebener Amtsleiter will Bürgermeister werden…Ruhr Nachrichten

Bochum: Steven Sloane plant Umzug nach Berlin…Der Westen

Duisburg: Ermittler suchten Akten zur Landesarchiv-Affäre…Der Westen

Essen: Für die Messe ist es eins vor zwölf…Der Westen

Umland: Kein Dioxinskandal im Hochsauerland. Drei Fragen – drei Antworten…Zoom

Hartz IV: Was für ein grandioses Debakel für die SPD…Querblog

Debatte: Integration statt Kulturkampf!…Spiegelfechter

Internet: Rechtliche Frage beim Setzen falscher Links…Netzpolitik

„Thomas Bernhard war ein Scheusal sondergleichen“

Heute wäre Thomas Bernhard 80 Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass zeigt der TV-Sender TW1 die Themenwoche „80 Jahre Thomas Bernhard“. Im Rahmen dieser Reihe kommt auch Bernhards langjähriger „Lebensmensch“ Karl Ignaz Hennetmair zu Wort, mit dem ich kürzlich über seine Freundschaft zu dem österreichischen Autor, dessen Wutausbrüche und den „Märchenonkel“ Marcel Reich-Ranicki sprach. Naturgemäß ist es ein nicht ganz gewöhnliches Gespräch geworden. Gleich zu Beginn fährt mir Hennetmair, ganz im Sinne des Übertreibungskünstler Thomas Bernhard, „in die Parade“ und lässt sich in unvergleichlicher Art und Weise über Österreich aus.

Herr Hennetmair, lassen Sie uns über Thomas Bernhard reden. Sie waren…

… verzeihen Sie, dass ich Ihnen gleich zu Beginn in die Parade fahre, aber es ist nichts weniger als eine unglaubliche Perversität, dass das österreichische Feuilleton, das sich angesichts seiner durch und durch primitiven Berichterstattung schämen sollte, sich als solches zu bezeichnen, heuer nur mehr über den grässlichen Peter Handke oder die anderen scheußlich einfallslosen, vom Staat gleichwohl hoch alimentierten sogenannten Schriftsteller berichtet, und nur alle paar Jahre, wenn denn mal ein runder Geburtstag ansteht, an einen Jahrhundertschriftsteller wie der Thomas es war, erinnert.

Nun, ehrlich gesagt habe ich mit dem österreichischen Feuilleton nicht das Geringste am Hut.

Seien Sie froh! Die Zeitungen in Österreich sind ganz und gar stumpfsinnig, ja geradezu gemeingefährlich. So etwas gibt es nur hier, nirgends sonst.

„Niemand ist perfekt, außer Thomas Bernhard wenn er schimpft“, schrieb Siegfried Unseld seinerzeit. Offenkundig hat er sich geirrt. Sie stehen Bernhards Schimpfkanonaden in nichts nach.

Das mag sein. Wenn man sich jahrzehntelang mit Thomas Bernhards Leben und Werk auseinandersetzt, hat das naturgemäß Folgen.

Man läuft Gefahr, seine von Misanthropie und Hass auf alles Österreichische geprägten Satzkaskaden zu übernehmen? Das klingt zugegebenermaßen beängstigend.

Das ist der Preis, den man für die Lektüre seiner Bücher zahlen muss. Und fürs Protokoll: Die österreichische Presse ist bekannt für ihre Niederträchtigkeit. Das wissen alle – mit Ausnahme der Österreicher!

Wagen wir einen zweiten Versuch, Herr Hennetmair. Sie waren einer der wenigen Menschen, deren Nähe Thomas Bernhard zuließ. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Schauen Sie, der Thomas hat die sogenannten Intellektuellen wegen ihres affektierten Auftretens gehasst. Die Landbewohner wiederum verachtete er wegen ihres Stumpfsinns. Ich hingegen war weder das eine noch das andere. Als früherer Ferkelhändler und später dann als Realitätenvermittler stand ich irgendwie dazwischen. Ich glaube, er hat schlicht und einfach meine ehrliche, unverstellte Art gemocht, die in seinem Milieu, dem Kunstbetrieb, nicht existierte.

Was schätzten Sie an dieser Freundschaft?

Wenn man in der tiefsten österreichischen Provinz einen Geistesmenschen wie ihn trifft, ist das ein Glücksfall. In ihm fand ich inmitten dieser ganzen Geschmacklosigkeit einen Gesprächspartner. Die Welt wäre ja eine ganz und gar sinnlose, wenn es nicht Menschen wie Thomas geben würde, die uns mit ihrem Geist von unserer lächerlichen Existenz ablenken.

In seinem Werk reflektierte Thomas Bernhard geradezu monomanisch Krankheit und Tod. Wie müssen wir uns vor diesem Hintergrund den privaten Bernhard vorstellen?

Wenn er arbeiten konnte, schrieb er sich die Verzweiflung vom Leib, so dass wir abends ganz entspannt Krimis oder Sportschau schauen konnten. Der Thomas war dann ein sehr heiterer Mensch. Ungemütlich wurde er nur, wenn er nichts zu Papier brachte.

Was genau bedeutet „ungemütlich“?

Er brauchte immer ein Ventil, um Druck abzulassen. Wenn er nicht schreiben konnte, gingen wir als Ausgleich kilometerlang spazieren; da hat er dann über den Tod monologisiert. Monologe, die er anschließend Wort für Wort in seinen Büchern wiederholt hat, wie ich später feststellte.

Haben Sie diese Spaziergänge mit der Zeit nicht gelangweilt?

Es heißt, er hätte immer wieder ein und dasselbe Buch geschrieben – ein Riesenschmarrn! Wie bei seinen Büchern geriet man unweigerlich in einen Sog, wenn der Thomas Vorträge hielt. Minetti hat mit Recht gesagt, dass er in Bernhards Sätzen zu Hause ist. So ist es auch bei mir.

In Ihrem 2001 publizierten Tagebuch „Ein Jahr mit Thomas Bernhard“ beschreiben Sie, wie schwierig es war, nicht seinen Zorn zu erregen. War es eine Freundschaft auf Augenhöhe?

Das war es uneingeschränkt. Ich habe ihm immer geradeheraus meine Meinung gesagt. Alles andere hätte er auch nicht akzeptiert. Dessen ungeachtet war die Freundschaft zu ihm eine ungeheure Herausforderung. Es glich meinerseits gelegentlich einem Tanz auf dem Vulkan.

Inwiefern?

An einem Tag war er der liebste Mensch auf Erden. Dann wiederum glich er dem Bruscon aus seinem „Theatermacher“ und ließ an nichts und niemanden ein gutes Haar. Diese Wut zu ertragen konnte anstrengend sein. Bei aller Liebe, Thomas war immer auch ein Scheusal sondergleichen.

1975 kam es zwischen Ihnen beiden zum Bruch. Haben Sie es jemals bereut, sich mit ihm eingelassen zu haben?

Niemals! Mir war immer klar, dass es schwieriger ist, mit einem Geistesmenschen befreundet zu sein als mit einem Idioten. Dem Idioten können Sie ja alles sagen, ohne dass er es versteht. Gegenüber dem Geistesmenschen muss man aber stets acht geben. Der Künstler ist naturgemäß feinfühliger als der Fleischhauer.

Warum sprechen Sie bis heute nicht über den Grund des Bruchs?

Na, weil ich finde, dass das nur den Thomas und mich etwas angeht. Er hat eben andere Menschen oft ohne jeden Grund beschuldigt. Und da habe ich ihm jedes Mal gesagt: „Ich schau dich lebenslänglich nicht mehr an, wenn du mich so beschuldigst.“ Ich habe nur Wort gehalten.

Um welche Beschuldigung handelte es sich genau?

Guter Versuch, aber schon allein dem Thomas zuliebe sage ich kein Sterbenswort. Das nehme ich mit ins Grab.

Bernhards Biographin Gitta Honegger schrieb, dass er homosexuell gewesen sei und dass das bei Ihrer Entzweiung womöglich eine Rolle spielte. Wie stehen Sie dazu?

Na, das ist doch wirklich ein ganz großer Schmarrn. Ich weiß von mindestens einem Fall, wo er mit einer Dame weggegangen ist und bei ihr übernachtet hat. Man darf halt nicht alles glauben, was die Leute zwischen Buchdeckel klatschen. Jedes Jahr ein neues infames Gerücht. Was die Honegger heute, war der Marcel Reich-Ranicki früher.

Sie spielen darauf an, dass Reich-Ranicki einmal schrieb, Bernhard sei infolge seines lebenslangen Lungenleidens impotent gewesen.

Ja, eine Ungeheuerlichkeit sondergleichen. Jeder weiß, dass Reich-Ranicki gerne den Märchenonkel gibt und sich Geschichten ausdenkt, weil ihm die Wirklichkeit zu fad ist. Aber wie ich wird der ja bald enteignet, dann hat es sich ohnehin. Dann spielt es keine Rolle mehr, wer was sagt.

Enteignet? Wie meinen Sie das?

Na, Sie sind noch jung, bei Ihnen dauert es hoffentlich noch eine Weile. Aber früher oder später werden wir in dieses dunkle Nichts unter unser aller Füssen gestoßen. Das ist ja die eigentliche Gemeinheit im Leben. Dagegen werde ich wie Thomas Bernhard bis zum Schluss aufbegehren.

Das Interview erschien, in anderer Version, zuerst auf Cicero Online.