Stoppt Landesregierung in NRW Kraftwerk Datteln?

RVR-Planungsdzernent Thomas Rommelspacher hat sich durchgesetzt. Das Land NRW hat begonnen, den rechtlichen Rahmen zu schaffen, um das Kraftwerk Dattel zu verhindern oder zu verzögern.
In einer Pressemitteilung heisst es:
Kabinett verabschiedet Eckpunkte des Klimaschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen
Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz teilt mit:
Nordrhein-Westfalen wird Vorreiter beim Klimaschutz. Das Landes kabinett hat in seiner gestrigen Sitzung Eckpunkte für das neue Klima schutzgesetz NRW verabschiedet. „Die Folgen der Klimaveränderungen sind weltweit und auch in Nordrhein-Westfalen bereits deutlich sicht- und spürbar“, sagte Klimaschutzminister Johannes Remmel. Um die Folgen des Wandels zu begrenzen, sei es daher notwendig, den globalen Temperaturanstieg insgesamt auf zwei Grad zu begrenzen. Remmel: „Nordrhein-Westfalen kommt bei der Erfüllung der Klima schutzziele eine besondere Verantwortung zu, da hier etwa ein Drittel aller in Deutschland entstehenden Treibhausgase emittiert werden.“
In Nordrhein-Westfalen soll jetzt ein Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht werden, durch das die Ziele rechtsverbindlich und verbindliche Mechanismen und Vorgaben für die Erarbeitung, Umsetzung, Über prüfung, Berichterstattung und Fortschreibung der klimapolitisch not wendigen Maßnahmen festgeschrieben werden. Die Verabschiedung der Eckpunkte durch das Kabinett ist nun der erste Schritt und skizziert die zentralen Inhalte des zu erarbeitenden Klimaschutzgesetzes. Auf der Basis des Gesetzes legt die Landesregierung dem Landtag in 2011 einen Klimaschutzplan vor, der die erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung des Klimazieles sowie Zwischenziele festlegt.
Eckpunkte des Klimaschutzgesetzes NRW sind unter anderem:
– die verbindliche Verminderung der Treibhausgasemissionen in Nordrhein-Westfalen bis 2020 um mindestens 25 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990;
– die Steigerung der Energieeffizienz, die Energieeinsparung und der Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie
– die Begrenzung der negativen Auswirkungen des Klimawandels;
– die Einrichtung eines Klimaschutzrates;
– die Einführung von Klimaschutzzielen als Ziele der Raumordnung
– und eine CO2-neutrale Landesverwaltung bis 2030.

Kabinett verabschiedet Eckpunkte des Klimaschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen
Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz teilt mit:
Nordrhein-Westfalen wird Vorreiter beim Klimaschutz. Das Landes kabinett hat in seiner gestrigen Sitzung Eckpunkte für das neue Klima schutzgesetz NRW verabschiedet. „Die Folgen der Klimaveränderungen sind weltweit und auch in Nordrhein-Westfalen bereits deutlich sicht- und spürbar“, sagte Klimaschutzminister Johannes Remmel. Um die Folgen des Wandels zu begrenzen, sei es daher notwendig, den globalen Temperaturanstieg insgesamt auf zwei Grad zu begrenzen. Remmel: „Nordrhein-Westfalen kommt bei der Erfüllung der Klima schutzziele eine besondere Verantwortung zu, da hier etwa ein Drittel aller in Deutschland entstehenden Treibhausgase emittiert werden.“

In Nordrhein-Westfalen soll jetzt ein Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht werden, durch das die Ziele rechtsverbindlich und verbindliche Mechanismen und Vorgaben für die Erarbeitung, Umsetzung, Über prüfung, Berichterstattung und Fortschreibung der klimapolitisch not wendigen Maßnahmen festgeschrieben werden. Die Verabschiedung der Eckpunkte durch das Kabinett ist nun der erste Schritt und skizziert die zentralen Inhalte des zu erarbeitenden Klimaschutzgesetzes. Auf der Basis des Gesetzes legt die Landesregierung dem Landtag in 2011 einen Klimaschutzplan vor, der die erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung des Klimazieles sowie Zwischenziele festlegt.

Eckpunkte des Klimaschutzgesetzes NRW sind unter anderem:

– die verbindliche Verminderung der Treibhausgasemissionen in Nordrhein-Westfalen bis 2020 um mindestens 25 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990;

– die Steigerung der Energieeffizienz, die Energieeinsparung und der Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie

– die Begrenzung der negativen Auswirkungen des Klimawandels;

– die Einrichtung eines Klimaschutzrates;

– die Einführung von Klimaschutzzielen als Ziele der Raumordnung

– und eine CO2-neutrale Landesverwaltung bis 2030.

Da sich nun der Rechtsrahmen für die Genehmigung des Kraftwerkstandortes Datteln ändert, hat Rommelspacher gute Argumente das Verfahren zeitlich auszudehnen oder den Kraftwerksstandort ganz zu verhindern.

Streit um Kraftwerk Datteln

Die Grünen eilen von Umfragehoch zu Umfragehoch. Das in Bau befindliche Kohlekraftwerk in Datteln hat die Partei jedoch in Schwierigkeiten gebracht. Genehmigen sie den Bau, droht ein Imageschaden mit bundesweiten Auswirkungen.

Das Eon-Kraftwerk in Datteln hat das Zeug zur Landmarke: Man sieht es schon aus weiter Entfernung. 187 Meter hoch ist der Kühlturm. 1100 Megawatt Strom soll das Werk einmal produzieren. Strom für die Bahn und den Eon-Konkurrenten RWE, in dessen Netzbereich es liegt. Doch im Augenblick liegt die Baustelle weitgehend still. Das

Oberverwaltungsgericht Münster hat im September vergangenen Jahres entschieden, dass der Bau gegen die Ziele der Landesplanung verstößt. Für Eon ein Desaster: 1,2 Millionen Euro kostet die Anlage, die von Eon-Ingenieuren in Gelsenkirchen entwickelt wurde.

„Eon hat auf Risiko gespielt und verloren“, sagt Dirk Jansen, Geschäftsleiter beim BUND in NRW. Das Kraftwerk sei ein Schwarzbau. Zum Abriss gäbe es keine Alternative. Was Jansen aber auch sieht: „ Es gibt starke Kräfte aus der Ruhrgebiets-SPD, die noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt haben und versuchen, das Kraftwerk durch die Hintertür zu genehmigen.“ Der Weg dazu nennt sich Zielabweichungsverfahren. In ihm wird festgestellt, ob trotz aller in der Vergangenheit gemachten Fehler, die zum Baustopp durch das Oberverwaltungsgericht geführt haben, das Kraftwerk doch noch gebaut werden kann. Verantwortlich für dieses Verfahren ist der Regionalverband Ruhr. Der zuständige Bereichsleiter ist ein grünes Urgestein: Thomas Rommelspacher, ehemaliger Landtagsabgeordneter und Essener Ratsherr. Dass er dem als Regionalrat für die Planung in Datteln zuständigen Ruhrparlament einen Entwurf vorlegen wird, der den Bau eines Kraftwerks an dem Standort als möglich erklären wird, gilt als sicher. Seit August kursiert im RVR ein entsprechendes Papier. Rommelspacher wird nicht anders können, als den Bau des Eon-Kraftwerks zu genehmigen. Bis zur Entscheidung im RVR wird die Landesregierung kaum die gesetzlichen Grundlagen schaffen, die ihm ein Verbot ermöglichen. Zumal es nicht nur in der Ruhrgebiets-SPD mächtige Befürworter des Kraftwerks Datteln gibt. Schon im Sommer hat sich der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Norbert Römer, für den Bau ausgesprochen. In der vergangenen Woche plädierte dann auch noch Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger für das Kohlekraftwerk.

Bei Eon ist die Stimmung im Moment gut. „Wir sind sicher, die nötigen Genehmigungen zu bekommen“, sagt Eon-Sprecherin Franziska Krasnici. Man habe alle offenen Fragen beantwortet.

Dass Eon Grund zum Optimismus hat, glaubt auch Lars Holtkamp von den Waltroper Grünen. Die fühlen sich von ihren Vertretern im RVR verkauft. Der Vorwurf: Anstatt offensiv Druck gegen den Kraftwerksbau zu machen, habe man in erster Linie die Versorgung der eigenen Leute im Blick gehabt: „Die Grünen im RVR haben den ehemaligen Eon-Vorstand Christoph Dänzer-Vanotti als künftigen Regionaldirektor akzeptiert, damit der jetzige Grünen-Fraktionsvorsitzende Martin Tönnes zum RVR-Chefplaner gewählt wird.“ Für Holtkamp und seine Parteifreunde in Waltrop, die täglich auf den 187 Meter hohen Kühlturm des Kraftwerks blicken, ist Dänzer-Vanotti als Kernkraftbefürworter und ehemaliger Eon-Mitarbeiter nicht wählbar. Sie wollen, dass sich die Grünen klar gegen Dänzer-Vanotti und den Bau des Kraftwerks in Datteln positionieren – auch wenn der Preis dafür wäre, dass Tönnes nicht auf den lukrativen Posten des Bereichsleiters Planung wechseln kann.

Martin Tönnes denkt nicht daran, sich klar zu positionieren. „Wir stehen am Beginn eines Verfahrens. Ich weiß nicht, was in dem Papier stehen wird, das uns im November präsentiert wird. Wir werden es lesen, analysieren, Fragen formulieren und mit unserem Koalitionspartner, der SPD diskutieren, wenn es Diskussionsbedarf gibt.“ Auf die Frage, ob eine Zustimmung der Grünen zu Datteln denkbar wäre, mag Tönnes nicht antworten. Auf die Frage, ob seine Fraktion das Kohlekraftwerk Datteln in jedem Fall ablehnen wird, auch nicht. Datteln ist für Tönnes eine Verfahrensfrage. Kein Anlass für einen politischen Konflikt – dessen erstes Opfer er selbst werden könnte.

Hinter den Kulissen brennt es bei den Grünen. Denn während die Waltroper ihren Parteifreunden vorwerfen, grüne Ideale für ein paar Pöstchen verschachert  zu haben, greift der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Dortmunder Rat, Mario Krüger, Thomas Rommelspacher an. In einem Briefwechsel gibt er ihm die Schuld am Datteln-Streit: „ Seit Sommer dieses Jahres hat Thomas Rommelspacher sich in der fixen Idee eines Koppelgeschäfts mit EON (Stichwort: EON nimmt einige Kohleheizkraftwerke älterem Baujahrs außer Betrieb; dafür wird im Gegenzug das Planrecht für die in Bau befindliche Dattelner Anlage geheilt) verrannt.“

Holtkamp kann die Attacke von Krüger gegen den RVR-Planer nicht nachvollziehen: „Das Problem heißt Tönnes.“ Dass Krüger ihm beispringt sei allerdings nachvollziehbar – immerhin sitze man ja in Dortmund in einer Ratsfraktion.

Während bei den Grünen die Fieberkurve steigt, verweisen die Sozialdemokraten gelassen auf den Koalitionsvertrag der beiden Parteien im Ruhrparlament: „Dort steht“, sagt ein führender Sozialdemokrat, „dass wir nach Recht und Gesetz entscheiden. Wenn in der Vorlage des RVR stehen wird, dass Datteln kommen kann, erwarten wir die Zustimmung der Grünen. Steht drin, es kann nicht gebaut werden, werden wir uns dieser Auffassung anschließen.“

Klar ist: Lassen die Grünen an der Frage Datteln die Koalition krachen, wird Martin Tönnes nicht mit den Stimmen der SPD zum Regionalplaner gekürt. Und auch wenn die Grünen, wie von ihren Waltroper Parteifreunden gefordert, den Ex-Eon-Mann Dänzer-Vanotti durchfallen lassen, bleibt Tönnes weiterhin Mitarbeiter der Landtagsfraktion. Dort ist man bemüht den Konflikt einzudämmen. Allein den richtigen Dreh hat man noch nicht gefunden. Bei Datteln gibt es nur ein Ja oder ein Nein. Man ist bemüht, den Konflikt herunterzuspielen. Man weiß um das Konfliktpotential: Das Kraftwerk in Datteln könnte der erste große Streit der rot-grünen Koalition der Harmonie in Düsseldorf bedeuten. Und wäre spätestens dann bundesweit in den Schlagzeilen.

Indes wittert die Ruhrgebiets CDU Morgenluft. Dänzer-Vanotti hat sich in der vergangenen Woche den Revier-Christdemokraten vorgestellt und mit seinem klaren Bekenntnis zum Industriestandort Ruhrgebiet gepunktet. Und für den Bau des Eon-Kraftwerks in Datteln ist die CDU sowieso. „Wir werden alles tun, um Datteln zu ermöglichen,“ sagt RVR-Unions-Fraktionsvorsitzender Roland Mitschke. „Ein Aus wäre ein verheerendes Signal. Nicht nur für das Ruhrgebiet sondern für den Industriestandort Deutschland.“

Eine Mehrheit für den Bau des Kraftwerks Datteln im Ruhrparlament steht also – mit oder ohne die Grünen.

Der Ruhrpilot

Ruhrgebiet: Große Umweltzone kündigt sich an…Der Westen

Ruhr2010: „Herkules“ von Lüppertz wird abtransportiert…Welt

Energie: Stadtwerke wollen Evonik-Tochter kaufen…Spiegel

NRW: will riesige Erdgasfelder anzapfen…Der Westen

Bochum: Programmkinos hoch prämiert…Der Westen

Duisburg: Das Goldengrün…Xtranews

Debatte: Nachgedacht…Hometown Glory

Medien: WAZ bietet Android-App mit Lokalnachrichten an…Pottblog

Google: Don gegen Streetview-Handlanger…Blogbar

Blogs: Das 5000. Posting…Kueperpunk

IT: RIM knickt auch vor Indien ein…Netzpolitik

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Polizisten mit kleinen Nummern dran

Die Staatsgewalt geht vom Volke aus. Das ist zumindest an guten Tagen in diesem Lande so. Wer schon mal sein Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit wahrgenommen hat, der hat eine sehr klare Vorstellung vom staatlichen Gewaltmonopol. Schon das massive Auftreten der Polizei als Variante der Klonkrieger nach George Lucas macht nachhaltig Eindruck. Richtige Gewalt ist das noch nicht, aber von struktureller Gewalt darf man bereits sprechen.

Manchmal greift die Ordnungsmacht „richtig durch“, auf der Suche nach vermeintlichen Gewalttätern und möglicherweise Vermummten. Das führt regelmäßig zu „Kollateralschäden“ in Form von verletzten Demonstranten und Bürgern. Die staatliche Reaktion auf die Proteste gegen den Bahnhof in Stuttgart hat die Polizeigewalt zu einem Thema in den Medien gemacht. In der letzten Woche wurde in Stuttgart ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum Einsatz im Schlossgarten ins Leben gerufen. Dabei ist staatliche Gewaltanwendung auf Demonstrationen eher die Regel – auch wenn es in den letzten Jahren auf der Straße etwas ruhiger geworden ist.

Wer gegen Übergriffe der Polizei vorgehen will, der erlebt nicht selten seine zweite Überraschung. Die Kollegen der beschuldigten Polizisten haben plötzlich eine völlig andere Erinnerung an den Vorfall und aus dem Betroffenen manchmal ein Beschuldigter. Soweit kommt man zumindest dann, wenn der einzelne Beamte identifiziert werden kann. In den meisten Fällen ist das schon die erste Schwierigkeit, da unsere staatlichen Klonkrieger kaum auseinanderzuhalten sind. Moderne Handys und youtube haben hier für etwas Abhilfe gesorgt – die Polizei filmt also nicht mehr alleine. Da liegt die Forderung nach einer Kennzeichnung mit einer Identifizierungsnummer eigentlich auf der Hand. Viele Bürgerrechtsgruppen und Amnesty International fordern das schon seit langem.

Die Interessenvertretung der Polizei lehnt das grundsätzlich ab: Man will die Kollegen nicht unter Generalverdacht stellen. „Wir befürchten, dass dies nur darauf abzielt, einzelne Beamte mit Verfahren zu überziehen“, erklärt Frank Richter, NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei. Dieser Logik kann der gesunde Menschenverstand selbst mit viel Anstrengung kaum folgen. Wenn durch die Kennzeichnung nur eine einzige unangemessene Gewaltanwendung gegen Menschen verhindert werden kann, dann ist das schon ein großer Erfolg. Im Programm der Grünen zur Landtagswahl 2010 in NRW findet sich die Forderung nach einem Beschwerdemanagement für die Bürger und nach einer Kennzeichnung der Beamten: „ „Dazu gehört auch eine Dienstnummer, die deutlich sichtbar an der Uniform getragen werden soll“. Im Koalitionsvertrag mit den Sozialdemokraten ist davon nichts mehr zu lesen. Es bleibt also abzuwarten, wie engagiert die Koalition in NRW für die Bürgerrechte eintritt.

Der Bochumer Kriminologe und Polizeiwissenschaftler Professor Thomas Feltes fordert externe Kontrollgremien für die Polizei und unabhängige Untersuchungskommissionen: „Die Ereignisse in Stuttgart zeigen erneut, dass solche Gremien unbedingt notwendig sind.“ Vergleichbare Einrichtungen gibt es bereits seit einigen Jahren in anderen Ländern. Nachprüfbare Zahlen zu polizeilicher Gewalt gibt es dagegen kaum. Nach Angaben von Amnesty International hat es zum Beispiel 2008 in Berlin 548 Fälle gegeben, bei denen wegen Körperverletzung im Amt ermittelt wurde. Bisher ist es hier zu keiner einzigen Verurteilung der verdächtigten Beamten gekommen. Der aktuelle Bericht „Täter unbekannt – Mutmaßliche Misshandlungen durch die Polizei“ von Amnesty International listet exemplarisch eine Reihe von Vorfällen auf – mit Solingen und Duisburg sind zwei Städte in NRW vertreten. „Mehr Verantwortung bei der Polizei“ fordert die aktuelle Kampagne von Amnesty. „Überall in Deutschland wird momentan die Frage diskutiert, wie rechtswidrige Polizeigewalt verhindert werden kann“, sagt Katharina Spieß, Polizeiexpertin von Amnesty in Deutschland,. „Nicht zuletzt die Empörung vieler Menschen über den Polizeieinsatz gegen die Stuttgarter Demonstranten hat dazu beigetragen.“ Die Organisation will mit einer Online-Aktion den Vorsitzenden der Innenministerkonferenz(IMK), den Hamburger Innensenator Heino Vahldieck, dazu auffordern, in der nächsten IMK-Sitzung am 18. und 19. November in Hamburg das Thema rechtswidrige Polizeigewalt auf die Tagesordnung zu setzen.

Das Königsblog geht nach Hause

Das Königsblog wird geschlossen – ein Nachruf von unserem Gastautor Trainer Baade.

Enthusiasmus ist jener Bestandteil am Fußball, der ihn überhaupt erst zu dem macht, was er in unseren Breiten ist. Ohne Enthusiasmus gäbe es den ganzen Rummel um diese Sportart nicht, die streng genommen nur ein Spiel ist und die wir doch so ernst nehmen. Natürlich wissen wir, dass wir das Spiel nicht zu ernst nehmen dürfen — aber könnten wir uns noch so intensiv damit beschäftigen, wenn wir es nicht mehr ernst nähmen, lohnte es die Beschäftigung dann überhaupt noch? Zu ernst aber, das wäre ein Problem.

Ein Problem, welches sich langsam in den Alltag fräße und zu viel Zeit einnähme, so dass man sein eigenes Leben nicht mehr genießen könnte. Auf dass die Menschen drumherum darunter litten, egal, ob 30 Jahre älter oder 30 Jahre jünger. Aus diesem Grund entschloss sich wohl Torsten Wieland, der Betreiber des Schalker Königsblogs, dass der Fußball und sein Schreiben darüber zu viel Zeit in seinem Leben einnähmen, weshalb er genau diesen Zustand nun beendete. Königsblog ist tot, oder um es weniger dramatisch zu formulieren: Eins der besten Fußballblogs in Deutschland hat seinen Betrieb eingestellt.

Dahinter liegen sicher Gründe, die langfristig dazu führen, dass der Betreiber des Königsblogs sein Schalke-Sein besser wird genießen können. Allein, das fällt den Tausenden an Lesern seines Blogs heute schwer zu glauben. Völlig unerwartet kam die gestrige Nachricht von Torsten Wieland, dass er sein Blog einstelle. Insbesondere die Tatsache, dass sein Blog von vielen Nicht-Schalkern gelesen wurde, zeigt, welchen Stellenwert eine objektive, wohltuend analytische und gleichzeitig von Leidenschaft geprägte Herangehensweise an einen Fußballclub bundesweit haben kann. Nicht zuletzt sind Blogs, und der Enthusiasmus, aus dem sie entstehen, ein Baustein des heutigen Fanseins.

Über das besagte Schalke-Fansein hinaus war das Königsblog stets mehr als nur ein Vereins-Blog. Die vielen Hinweise auf Podcasts oder andere hörens- und lesenswerte Stücke drückten immer eine umfassendere Liebhaberei zum Fußball aus. Auf welche wir von nun an verzichten werden müssen. Jedenfalls beim täglichen Rundumgang durch die Blogs des Landes. Nicht aber verzichten müssen wir auf Torsten Wieland und seine Schalke-Liebe. Er ist ja weiterhin bei Twitter aktiv und wird sich im Netz äußern. „Schade“, ist das Wort der Stunde, und auch der FC Schalke sollte das nun sagen. Er verliert einen vorzüglichen Fürsprecher im Internet. Und alle Fußball-Anhänger eine lesenswerte Lektüre.

Marl – durch Abriss zur „InnovationCity Ruhr“

Glückliches Bochum. Es landete bei Städteranking des Manager-Magazins auf Platz 29, wurde Vorletzter vor Chemnitz. Andere Städte der Region traf es in der Vergangenheit härter.

Recklinghausen etwa sah sich schon des Öfteren am Tabellenende, landete bei älteren Erhebungen mit 90 oder 125 Teilnehmern auf Platz 89 oder 124. Noch schlechter dran im Ruhrgebiet sind Randexistenzen wie die Stadt Marl. Die Stadt im Norden des Reviers kennen ältere Fußballfans noch vom einst beinahe glorreichen TSV Marl-Hüls, Fernsehprofis vom Grimme-Preis und Jüngere vom Da-Wegziehen nach dem Abitur. Die Stadt würde allzu gerne nur einmal in irgendeiner Rangliste auftauchen. Sie sollte aufgeben.

Man muss sich der Resignation hingeben, in Demut, der letzten Zuflucht des Stolzes. Denn Resignation ist ein großes Gefühl, leider völlig unterschätzt. Öffentlich will sich niemand ihr zu bekennen. Warum nicht? Marl hätte beste Aussichten  jede Pottgemeinde, die sich derzeit als „Innovation City“ versucht, zu schlagen. Durch ein wirklich innovatives Konzept: Das Aufgeben des urbanen Willens, den Verzicht, das Eingestehen der Niederlage. Marl sollte bei den „shrinking cities“ ein letztes Mal den Versuch unternehmen in einem Ranking weit vorne zu landen durch einen Totalabriss. Sie könnte zur Modellstadt werden für viele andere Gemeinden im Revier, für Bergkamen, Witten oder Gladbeck.

Letzte Woche beim hochkarätigen Festival „TV: Tour de Ruhr“ im Adolf-Grimme-Institut bestand die Chance einen Pakt des endgültigen Untergangs zu schließen. Gut 200 Einwohner sahen Peter Lilienthals Film „Marl – Versuch einer Stadt“ aus dem Jahre 1964, eine großartige Dokumentation über delirierenden Größenwahn, über die normale Stadtplanung der 60-er Jahre halt. Marl kassierte Gewerbesteuern ohne Ende, von den Zechen und den Chemischen Werken Hüls (CWH) und träumte von 160 000 Einwohnern. Derzeit sind es etwa die Hälfte. Meinen beim Festival lässig in den Saal geworfenen Aufruf zur Resignation hockten die Marler in westfälischer Sturheit aus, als sei Verharren schon Aktivität. Sie verpassten ihre Chance.

Lieber verlor man sich in Debattenbeiträgen der dümmsten Art, verwies auf den desolaten Haushalt, den Streit der der Politiker im Rat und steigerte sich in die idiotischste aller Forderungen: Der Jugend müsse mehr geboten werden. Was denn, bitteschön? Trendige Saufräume, hippe Verrichtungsboxen zum fröhlichen Kennenlernen der Sexualität, damit man noch mal ordentlich saufen und ficken kann, bevor man sich nach dem letzten Sommer endgültig zum Studium in einer lebbaren Stadt verabschiedet? Das wäre pure Geldverschwendung, denn zurück kommt keiner. Hans-Christian Ströbele, Sönke Wortmann, Heinrich Breloer, Bernhard Sinkel, selbst Peter Neururer  sind vernünftiger Weise für immer abgehauen. Am anderen Ende des Lebens wird auch nach Jürgen Möllemanns freiem Fall auf dem örtlichen Flugplatz niemand die Stadt zum Venedig des Ruhrpotts erheben, Motto: „Marl sehen und sterben“.

Die Bewohner, als Bürger versteht sich dort offensichtlich kaum noch jemand, müssen sich eingestehen, dass sie vom Kapitalismus belogen wurden. Aus den Ackerdörfern wurde nach 1900 eine Stadt, schließlich brauchten Zechen und später die Chemischen Werke Unterkünfte für ihre Arbeiter, dazu den üblichen Kram, Schulen, ein paar Läden, etwas Verwaltung. Das klang nach dem Zweiten Weltkrieg nach einem Versprechen ewigen Fortschritts, war aber eine Lüge. Was soll man anderes erwarten von Konzernen, die heute ihren Namen, morgen ihren Eigentümer und übermorgen ihren Standort wechseln? Wenn sich Kohle und Chemie nicht mehr rechnen, interessiert die Unternehmer herzlich wenig, was mit ihren ehemaligen Schützlingen passiert. Aus Entlassenen werden ganz schnell Verlassene. Noch sitzt man aus.

Im leeren Zentrum verrottet ein übles Einkaufszentrum aus den 70-er Jahren, an dem jede Stadt, die heute einer Shopping Mall in der City entgegengeilt, lernen kann, wie es dort in 30 Jahren aussehen wird. Nebenan steht ein einst als kühn und modern empfundenes Rathaus, marode, und verursacht Energiekosten, dass man der Stadt nur wünschen kann, noch RWE-Aktien zu besitzen.

Marl hat schon verloren. Einwohner, die Philharmonia Hungarica, Arbeitsplätze, das Wunderauto Loremo, Hoffnung.  Die BASF hat ihre Zeche Auguste Victoria an die RAG abgetreten, in sechs Jahren wird sie geschlossen. Aus der CWH-Wohnungsgesellschaft wurde Veba-Wohnen, wurde Viterra, wurde Deutsche Annington. Tropfte früher der Wasserhahn, stand Stunden später der Klempnertrupp im Badezimmer, heute erhöht die Vermieterin darob die Nebenkosten. Ab und zu wird ein Altbaukasten mit außen angeschraubten Blechbalkonen aufgerüstet, ansonsten verlässt auch der Mietzins die Stadt auf Nimmerwiedersehen.

Vereinzelt macht sich noch Optimismus breit. Entweder bessert sich die Lage wirklich oder jahrelanger Drogenkonsum entfaltet seine Wirkung. Marl ist die einzige Einpendlerstadt im Kreis Recklinghausen. Klingt gut, heißt aber: Die Leute wollen dort zwar arbeiten. Aber da wohnen – um Gottes Willen. Die Kriminalitätsrate ist zurückgegangen. Klingt auch gut, bedeutet aber: Die kriminelle Klasse hat kapiert, dass sie ihrer qualifizierten Tätigkeit anderswo profitabler nachgehen kann. Mit anderen Worten: In Marl ist nichts mehr zu holen ist.

Wäre Marl eine Stadt am Amazonas, einst gebaut um eine jetzt ausgebeutete Kupfermine, sie wäre längst verwaist, der ständige Kampf gegen den Verfall längst aufgegeben. Westfalentum und Subventionen verhindern ökologische und ökonomische Vernunft an der Lippe.

Dabei erfüllte das Aufgeben der Stadt alle Kriterien der „InnovationCity Ruhr“ – der Ort würde nicht auf halbe, sondern auf null Energie gesetzt. Auf den Brachen könnten sich wie gefordert „grüne Firmen“ ansiedeln. Detroit als Stadtleiche macht gerade vor, wie das geht. Eine verwaiste Stadt wäre vorübergehend eine tolle Location fürs Geocaching und wilde Gotcha-Spieler. Später dann und völlig von allein käme man in Einklang mit der Natur. Nicht so schnell wie die üppige Tropenvegetation, sondern langsam und westfälisch gründlich eroberten sich Bruchwälder geraubtes Terrain zurück. Greenpeace und Al Gore würden Urkunden verteilen. Man sollte sofort die Pumpen abstellen und so die Ewigkeitskosten des Bergbaus drastisch reduzieren. Christoph Zöpel hat schon mal in diese Richtung gedacht, leider nur einmalig. Mit dem Ja zur Resignation wäre es vorbei mit dem elendigen Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt kein großer Wille steht.

Als Zöpel noch NRW-Städtebauminister war, hat er den damals schon maroden Stadtkern besucht, dabei das 17-stöckige Hochhaus „Goliath“ besichtigt. Es stand halb leer. Zöpel schlug vor, einfach ein paar Stockwerke abzutragen. Für die Zuschüsse solle man mal im Ministerium anrufen. Die Stadtspitze war schockstarr baff. Aus- und Übersiedler ließen den Klotz mit seinen 153 Wohnungen eine Weile überleben, bevor er endgültig verkam. 2006 wurde er gesprengt. Das wäre ein guter Auftakt gewesen. Was machten aber die Verantwortlichen? Sie räumten den Schutt beiseite und setzten ein Elektrokaufhaus dahin. In einem anderen Stadtteil riss man jetzt drei Hochhäuser aus den 60-er Jahren ab, die anfangs von Zahnärzten bewohnt wurden und später von Menschen, die selten zum Zahnarzt gehen. Die Fläche wird gerade bebaut. Vielleicht gehört zu viel Mut zur Resignation.  Eines macht Hoffnung. Vor dem Film gab es bei Grimmes am Donnerstagabend Biografien der Podiumsteilnehmer. Der städtische Bau-Beigeordnete Wolfgang Seckler führte für die Jahre 1982 bis 1986 den Besuch der Siegener Schule für Technik an, „Abschluss: Sprengmeister Bauwerkssprengungen“.

Der Autor wurde in Marl geboren. Er wuchs dort auch auf.

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