Der Bau des Eon-Kohlekraftwerks in Datteln gehört zu den größten Streitpunkten innerhalb der Landesregierung. Doch nicht nur zwischen SPD und Grünen wird über die Zukunft des Baus gestritten. Auch im Umfeld der Grünen wird über das Kraftwerk gestritten.
Wie ich heute in der Welt am Sonntag schreibe, sieht es ganz danach aus, dass die Verwaltung des Regionalverbandes Ruhr nach arbeitsreichen Monaten im November dem Ruhrparlament ein Papier vorlegend wird, das Eon die Möglichkeit einräumen könnte, sein Kraftwerk in Datteln weiter zu bauen. Im Moment haben Gerichte die Bauarbeiten weitgehend gestoppt.
Das sorgt natürlich bei den Grünen und Umweltorganisationen für Aufsehen. Vor allem der Grüne RVR-Planungschef Thomas Rommelspacher steht in der Kritik. In einem uns vorliegenden Brief von Ingrid Täger, Sprecherin der Grünen in Waltrop an Mario Krüger, Fraktionschef der Grünen in Dortmund und Vorstandsmitglied der Grünen Ruhr kritisiert Träger die Unterstützung der Grünen bei der Wahl des ehemaligen Eon-Vorstandes Dänzer-Vanotti zum RVR-Chef und greift Rommelspacher und seinen designierten Nachfolger Martin Tönnes an. Ihr Verdacht: Die Grünen lassen sich Datteln IV abkungeln:
es ist nicht ganz leicht, die Kontroverse über die grüne Wahl eines Atomlobbyisten zum RVR-Direktors fortzuführen, weil, sofern dies weiter öffentlich wird, dies für die Grünen schädlich sein kann. Denn dieses Personalpakt ist kaum einem Wähler vermittelbar und deshalb wohl auch der Wunsch dies möglichst nicht weiter zu diskutieren. Allerdings finden wir, dass diese Personalentscheidungen und nicht ihre teilöffentliche Diskussion die Ursache für eine mögliche Parteischädigung ist.
Wir sollten also dieses skandalöse Personalpaket wieder aufschnüren und akzeptable Kandidaten für diese zentralen Führungspositionen in Kooperation mit der SPD benennen.
Die von den RVR-Grünen in ihrem Antwortschreiben vorgebrachten Argumente sind in fünf zentralen Punkten falsch bzw. eindeutig interessengeleitet
1) Der zukünftig zu wählende RVR-Direktor Dänzer Vanotti ist nicht nur einer der bekanntesten langjährigen Atomlobbyisten in NRW, sondern sitzt zugleich im Aufsichtsrat von EON und der Deutschen Bahn AG. Die Deutsche Bahn AG ist der wesentliche Stromabnehmer für das EON Kraftwerk in Datteln. Mit der grünen Wahl zum RVR-Direktor ist er Planungsträger, Vorhabensträger von EON Datteln und größter Abnehmer in einer Person. Aus der Sicht der grünen Energiepolitik machen damit die RVR-Grünen den Bock zum Gärtner.
2) Diese zentralen Personalentscheidungen sind nicht mit normalen Koalitionsverhalten zu erklären, sondern nur möglich, weil die RVR-Vertreter keine direkte demokratische Legitimation haben. Weder würde ein solch einseitiger Lobbyist als „Regierungschef“ direktgewählt, wie die OBs in den Kommunen, noch würde die SPD ihn zum Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl machen. Einen solchen Regierungschef kann man also nur weit weg von der Wählerschaft installieren, weil er sonst null Wahlchancen hätte. Davon ganz abgesehen, würden natürlich auch die Landesgrünen keinen Atomlobbyisten im Parlament zum Ministerpräsident wählen.
3) Nach RVR-Gesetz ist die Position von Dänzer Vanotti und des Grünen Tönnes öffentlich auszuschreiben und auch nach beruflicher Qualifikation zu besetzen. Der EON-Lobbyist hat als RVR-Direktor das Außenvertretungsrecht des RVR und das Dienstrecht und ist damit deutlich über dem Grünen Tönnes in seiner angestrebten Position als Planungsbereichsleiter des RVR angesiedelt, was Dänzer sicherlich für EON-Datteln zu nutzen weiß. Durch die Ausschreibung gab es für die SPD-Fraktion im Übrigen genügend andere fachlich geeignete Kandidaturen, aber sie hat mit den Grünen im RVR, wie ja auch aus eurem Brief hervorgeht, diesen EON-Lobbyisten abgestimmt. Ihr hättet jederzeit Veto einlegen können, um sich auf einen akzeptableren Kandidaten als Chef des Ruhrgebiets zu einigen.
4) Ihr seit diesen notwendigen Konflikt nicht eingegangen, weil ihr offensichtlich andere damit verknüpfte Entscheidungen für wichtiger haltet. Denn wenn ihr der SPD bei der Besetzung des RVR-Direktors reinredet, wäre auch zu erwarten, dass die SPD auch bei der grünen Besetzung des Planungsbereichsleiters interveniert. Denn hier wollt ihr euren Fraktionssprecher in die lukrativ bezahlte Position bringen, was bereits in vielen Zeitungen heftig überregional kritisiert wurde und für die SPD Anlass genug sein könnte, dem einen Riegel vorzuschieben. Die SPD dürfte auch deshalb nicht von eurer zu erwartenden Personalentscheidung (klar wird erst formal ausgeschrieben…) begeistert sein, weil so Begehrlichkeiten nach Patronage auch in der eigenen Fraktion geweckt werden. Wer möchte nicht als ehrenamtlicher Parlamentarier, ohne vom Volk überhaupt gewählt werden zu müssen, mal eben zum gut bezahlten Berufspolitiker als Bereichsleiter oder Direktor des RVRs aufsteigen??? Bei diesem Personalpaket handelt es sich also sehr wohl um einen Kuhhandel. Die Grünen und die SPD haben mit diesen beiden untragbaren Kandidaten jeweils eine politische Leiche im Keller liegen und beschließen in einem Nichtangriffspakt beide ins Obergeschoss zu befördern.
5) Damit ist klar, dass euer Personalpaket nur durch das extreme Demokratiedefizit des RVRs jenseits des Wahlvolks möglich ist. Umso wichtiger wäre es dann, dass zumindest die parteiinterne Demokratie und Kontrolle funktioniert, um dieses Defizit zumindest etwas auszugleichen. Das ist leider aber auch nicht der Fall. So richtetet sich ja gerade Michael Tönnes, der am meisten von diesem Deal als grüner RVR-Sprecher und bald Planungsbereichsleiter profitieren dürfte, in dem Schreiben von euch an uns, um zu erklären, dass es große „Verantwortungsethik“ ist, wenn er in letzter Konsequenz den Posten bekommt. Es gibt offensichtlich keinen mehr bei den Grünen, der diese Vermischung von Privatinteressen mit grünen Führungspositionen problematisieren will.
Deutlicher kann nicht demonstriert werden, dass der RVR als Raumschiff völlig losgelöst von demokratischen Kontrollmechanismen zum Selbstbedienungsladen zu mutieren droht.
Grüne Grüße
Ingrid Täger
In seiner Antwort an Träger gibt ihr Mario Krüger weitgehend recht. Auch er sieht Rommelspacher in der Datteln-Frage auf dem falschen Weg:
Die Idee über ein Zielabweichungsverfahren das Thema des Dattelner Eon-Kraftwerkes einvernehmlich regeln zu wollen ist an Absurdität und politischer Naivität nicht zu übertreffen. Seit Sommer dieses Jahres hat Thomas Rommelsbacher sich in der fixen Idee eines Koppelgeschäfts mit EON (Stichwort: EON nimmt einige Kohleheizkraftwerke älterem Baujahrs außer Betrieb; dafür wird im Gegenzug das Planrecht für die in Bau befindliche Dattelner Anlage geheilt) verrannt. Mehrere Gesprächstermine (so u.a. am vorletzten Samstag mit Martin Tönnes, Rainer Priggen, Börje Wiechert, Susanne Beck und Johannes Remmel) haben hieran nichts ändern können. Zwischen den Beteiligten ist vereinbart worden, dass eine entsprechende Vorlage in den RVR-Gremien nicht zu suchen hat. Insofern wird die RVR-Planungsverwaltung mit ihrem Dezernenten Rommelsbacher an der Spitze bis Mai nächstes Jahres mit der Beantwortung diverser Anfragen beschäftigt werden.
Die Grünen wissen um die Bedeutung von Datteln IV. Winken sie den Bau des Kraftwerkes durch, würden sie ihre Anhänger verprellen. Die Hamburger Grünen sind für ihre Zustimmung zum Bau des Kraftwerks Moorburg in Hamburg massiv kritisiert worden – in NRW wäre das kaum anders.
Stimmen sie aber gegen den Bau des Kraftwerks riskieren sie nicht nur die rot-grüne Koalition im RVR. Auch der Fortbestand der Koalition in NRW wäre fraglich. Der Grüne Umweltminister Johannes Remmel zumindest ist, was Datteln betrifft, nicht auf Konfrontationskurs. Im Interview mit der Frankfurter Rundschau sagte er: „Ob Kraftwerke gebaut werden oder nicht, ist die Entscheidung der Betreiber. Sie müssen nur die Vorschriften einhalten. “ Und die könnte die Landesregierung ändern – wenn sie noch bevor der RVR über den Standort Datteln entscheidet das angekündigte Klimaschutzgesetzt zumindet im Kabinett beschließen würde. Das ist allerdings nicht absehbar.