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Ruhr2010 IV: Finale Duisburg…Der Westen

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Energie: Die deutschen Stromversorger verlieren ihre Kompetenzen…Frontmotor

Loveparade: Die Staatsanwaltschaft ermittelt – aber nicht gegen Adolf Sauerland

Adolf Sauerland

Am Samstag, den 24. Juli 2010, fand in Duisburg die Loveparade statt. Sie endete mit 21 Toten und mehreren Hundert – zum Teil Schwer- – Verletzten. Bis heute hat sich niemand von der Stadt Duisburg oder vom Veranstalter bei den verletzten Opfern der Loveparade gemeldet – mit keinem Wort. Bis heute hat niemand die Verantwortung – oder auch nur einen kleinen Teil von ihr – für diese Katastrophe übernommen. Bis heute ist niemand in dieser Sache offiziell beschuldigt worden, wurde niemand zur Rechenschaft gezogen. Bis heute ist nicht einmal gegen irgendjemanden in dieser Sache ermittelt worden. Letzteres soll sich allerdings in Kürze ändern. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, prüft die Staatsanwaltschaft Duisburgderzeit intensiv, in welchen Fällen das Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen unbekannt zu einem namentlichen wird. Vermutlich bereits um die Jahreswende herum soll mit Ermittlungen gegen eine Reihe von Mitarbeitern von Veranstalter, Polizei und Stadt begonnen werden“.

Heute früh, kurz nach fünf, kam SZ Online mit dieser Enthüllung. Die Überschrift: „Sauerland bleibt unbehelligt“, die Unterüberschrift: „Keine Ermittlungen gegen Duisburgs Oberbürgermeister“, die Meldung beginnt mit: „Gegen den Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) wird wegen der Katastrophe auf der Loveparade vorerst kein Ermittlungsverfahren eingeleitet.“ Um die Jahreswende herum wolle die Staatsanwaltschaft Duisburg ihre bislang gegen Unbekannt gerichteten Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung zu namentlichen machen. Diese werden sich dann laut SZ gegen „eine Reihe von Mitarbeitern von Veranstalter, Polizei und Stadt“ richten, aber eben nicht gegen Adolf Sauerland. Auch von Sauerland-Kritikern ist wiederholt öffentlich vorgetragen worden, dass der Oberbürgermeister zwar politisch für die Katastrophe verantwortlich sei, und deshalb folgerichtig hätte zurücktreten müssen, dass jedoch kaum anzunehmen sei, dass der Chef der Stadtverwaltung persönlich mit den Details der Veranstaltungsplanung derart vertraut gewesen sei, dass sich daraus strafrechtliche Schuld ableiten ließe.

Adolf Sauerland hatte in den Monaten vor der Loveparade einen Großteil seiner Arbeitszeit der Vorbereitung dieser Veranstaltung gewidmet, nach dem 24. Juli jedoch häufig darauf hingewiesen, in dieser Sache „nichts unterschrieben“ zu haben. Sauerland stand wie kein Anderer für dieses Projekt. Er persönlich setzte alle Hebel in Bewegung, um die Finanzierungsengpässe im Vorfeld der Loveparade zu überwinden. Einwänden aus der Verwaltung, die die Loveparade aus Sicherheitsgründen für nicht genehmigungsfähig hielten, hielt der Duisburger Sicherheitsdezernent entgegen, dass der Oberbürgermeister die Durchführung der Veranstaltung wünsche. In der Duisburger Stadtverwaltung herrschte im Vorfeld ein Klima der Einschüchterung, in dem sich jegliche Kritik an der Loveparade verboten hatte. Wer dennoch wagte aufzubegehren, wurde negativ sanktioniert.

Und dennoch: sollte Sauerlands Einlassung zutreffen, in dieser Sache „nichts unterschrieben“ zu haben, könnte es gut sein, dass für die Staatsanwaltschaft Duisburg überhaupt keine Möglichkeit besteht, gegen ihn namentlich zu ermitteln. Dass sie strafrechtlich gegen seine Dienstobliegenden ermitteln wird, dürfte für reichlich Empörung sorgen. Diese darf jedoch in einem Rechtsstaat niemanden interessieren. Dass allerdings schon zu einem recht frühen Zeitpunkt Zweifel an der Unabhängigkeit und Unbefangenheit der Staatsanwaltschaft Duisburg entstehen mussten, ist hier allerdings schon von Interesse. Nach der Katastrophe verzichtete die Behörde nämlich darauf, im Rathaus die Dokumente zur Loveparade vollständig sicherzustellen. Die Strafverfolger begnügten sich mit den von der Stadt zur Verfügung gestellten Aktenordnern. Wesentlicher als der Umstand, dass hier nicht alle Ordner rausgerückt wurden, ist die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft Duisburg sämtliches elektronisches Datenmaterial, also eMail-Korrespondenz, Notizen etc., unberücksichtigt ließ.

Ende August, immerhin auch schon ein Monat nach dem Ereignis, hinderte die Staatsanwaltschaft Duisburg die mit den polizeilichen Ermittlungen befasste Kölner Kripo an einer Razzia im Duisburger Rathaus. Am 26. September berichtete Focus Online: „Der Kölner Kripochef Norbert Wagner reiste vergeblich zum Leiter der Duisburger Ankläger. Verärgert registrierte die Polizei, dass die Staatsanwaltschaft Ende August die Stadt lediglich um die Herausgabe einiger Akten bat. Um den Krach zu vertuschen, soll die Justiz laut FOCUS sogar darauf gedrungen haben, den Durchsuchungswunsch der Polizei aus der Ermittlungsakte zu tilgen. Darauf wollte sich die Kriminalpolizei allerdings nicht einlassen.“ Schon am 8. September wurde auf einer Sitzung des Landtagsrechtsausschusses bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Duisburg, die Ermittlungen zum Loveparade-Desaster am 24.Juli leitet, selbst an deren Vorbereitungen beteiligt war.

All diese Ungereimtheiten konnten NRW-Justizminister Kutschaty (SPD) nicht daran hindern, die Duisburger Staatsanwaltschaft in Schutz zu nehmen. Zweifel an der Unbefangenheit der Staatsanwaltschaft Duisburg seien völlig unbegründet, erklärte Kutschaty, während er gleichzeitig die Vorwürfe, die nach Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt riechen, substanziell bestätigte. Kutschaty blieb im Amt, obwohl meines Erachtens ein Rücktritt fällig gewesen wäre, und der Strafverfolgungsbehörde, die den Verdacht nicht losgeworden ist, Ermittlungen bewusst verhindert zu haben, wurde bis heute das Verfahren nicht entzogen. Wenn eine Behörde wie die Staatsanwaltschaft Duisburg in Kürze also hingehen und Strafverfahren gegen eine Reihe von Personen eröffnen, Herrn Sauerland jedoch unbehelligt lassen sollte, dürfte sich der Hauch von Bananenrepublik in Duisburg festsetzen. Zur Erinnerung: den Ermittlern wurden die noch fehlenden Akten bei einer Tasse Kaffee im OB-Büro übergeben.

Heute, also nach der Enthüllung in der SZ, zitiert Spiegel Online aus einem Schreiben des Anwalts des Duisburger „Panikforschers“ Schreckenberg, das am 8. November bei der Staatsanwaltschaft Duisburg einging. Der Professor für Physik von Transport und Verkehr, der möglicherweise zum Kreis der potenziell Beschuldigten gehören könnte, lässt darin behaupten, überhaupt nicht an der Planung der Loveparade beteiligt gewesen zu sein. Gewiss: in einer Situation, in der die Verantwortung zwischen den Beteiligten wie bei einem Schwarze-Peter-Spiel hin- und hergeschoben wird, empfiehlt es sich weder, Partei zu ergreifen, noch jede Äußerung einer Seite für bare Münze zu nehmen. Dennoch: wenn Schreckenberg behauptet, nicht zu den Sitzungen des Arbeitskreises Sicherheit eingeladen worden zu sein, wäre ihm das Gegenteil nur allzu leicht nachzuweisen. Schreckenberg habe „wiederholt und nachhaltig vor dem Karl-Lehr-Tunnel“, durch den sowohl die herein- als auch die herausströmenden Massen geleitet wurden, gewarnt, heißt es in der Stellungnahme des Anwalts. Dies dürfte Schreckenberg nachzuweisen haben. Wie auch immer, dem Fazit seines Anwalts wird man kaum widersprechen können: „Zusammenfassend kann man sagen, dass Nachfragen, Anregungen und Verbesserungsvorschläge nicht gewünscht waren.“

Letztlich hätten auch „Nachfragen, Anregungen und Verbesserungsvorschläge“ diese Katastrophe nicht verhindern können. Selbst ohne Kenntnis der Problematik des Karl-Lehr-Tunnels hätte jedem normalen Zeitungsleser klar sein können, dass nur ein Verzicht auf diese Veranstaltung hätte Menschenleben retten können. Ohne jede Hintergrundrecherche, allein auf Berichte der Lokalpresse gestützt, schrieb ich zwei Tage vor der Tragödie: Das, was sich am Samstag im Duisburger Kessel abspielen wird, geht letztlich auf das Konto des für diese Fehlplanung ungeheuren Ausmaßes Verantwortlichen. Es ist ohne Beispiel, dass Zehntausende, wenn nicht gar Hunderttausende – zumal noch von psychoaktiven Substanzen beeinflusste – Menschen abgedrängt, abgeblockt und eingekesselt werden müssen. Mir ist es egal, was unter diesen Umständen aus dem viel beschworenen Werbewert für die Stadt Duisburg wird. Ich hoffe und bete, dass die Zahl und die Schwere der Verletzungen im überschaubaren Rahmen bleiben werden, dass viele gesund, und dass alle überhaupt wieder nach Hause kommen werden.

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Der Ruhrpilot

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Früher war alles besser… oder: Frontantrieb ist doof!

Schneeauslage
Auslage im Schnee

Alle reden vom Wetter, also ich auch. Liegt draußen ja auch genug rum von dem Zeug, also von dem was uns das Wetter so mitgebracht hat. Und außerdem hat zum Wetter ja jeder was zu sagen, da kann und will jeder mitreden.

Viele fragen sich, warum heutzutage das Wetter immer gleich als Katastrophe kommt. Aktuell sorgen knapp 15 Zentimeter Schnee für den Ausnahmezustand. Die einen sehen statt Elefanten nun Eisbären durch die Straßen stromern und in Nachbars Garten trainieren vorrausschauende Eltern mit ihrem Nachwuchs den Bau von Iglus. Nur so am Rande, bei der sphärischen Form dieser Art von Gebäude, da bekommt die Imobilienblase irgendwie eine andere Bedeutung. Wenn dann endlich dauerhaft die Eiszeit hereinbricht, dann klappt es auch wieder mit dem preiswerten Bau des Eigenheims, so ganz ohne Bausparvertrag und variable Zinsbindung, aber ich schinde nur wieder Zeilen.

Ich bin ja der Ansicht, es liegt an einem gewissen Grad der Entwöhnung oder gar Verweichlichung, Heute wird das Auto versilberplant und verstandheizt, daß es eine Freude ist. Damals, früher also, als noch alles besser war, was haben die Leute da gemacht? Da haben die Leute nicht geflucht, wenn sie aus Versehen die Karre vom Nachbarn freigeschippt hatten, ne, da haben sie die eigene sogar extra eingebuddelt…

Womit ich, hintenrum, beim Frontantrieb gelandet bin. Kaum fällt also Schnee, stehen wir (wenn wir uns nicht gerade auf die Schnauze gelegt haben, weil der Nachbar wieder mal nicht ordentlich gefegt hat) auf Bahnsteigen, an Bushaltestellen oder auf der Autobahn und fragen uns, warum den weißen Krempel keiner wegräumt, damit endlich der Bus kommt oder die Bahn (die ja mal ’ne ganze Zeit so gar nicht vom Wetter geredet hat, sondern einfach gefahren ist, aber damit bin ich wieder bei der guten alten Zeit) oder damit endlich einer den sommerbereiften Wagen von uns abtransportieren kann.

Manche sagen, es würde an der Privatisierung der kommunalen Betriebe liegen, mit Schneeräumen würde sich kein Geld verdienen lassen, also mache man es gar nicht erst (kauft einem ja auch keiner wieder ab, wenn man es eingesammelt hat). Oder es würde am am unfähigen Management der privatisierten Beamten liegen, die wieder mal nicht in der Lage gewesen sind, die Anforderungen und Bedürfnisse des Marktes zu erkennen. Sonst hätten sie ja schließlich ausreichend Streumittel eingekauft. Ich sage: Alles falsch! Es liegt am Frontantrieb! …und am Wasser im Motor.

Schönes Wochenende und schönen Winter noch!

Digital Underground

Es war einmal in Australien. 1997 veröffentlichte die Journalistin Suelette Dreyfus zusammen mit Julian Assange Underground: Tales of Hacking, madness and obsession on the Electronic Frontier. Die Blaupause zum Leben des jungen Hacktivisten.Vom Commodore 64 zu den International Subversives. 1987 besorgte sich Assange sein erstes Modem. Seitdem hat nicht nur sein Leben an Fahrt gewonnen. Wer in der vorweihnachtlichen Zeit ein wenig von der allgemeinen Hysterie Abstand nehmen möchte, kann sich zur entspannten Lektüre zurückziehen und nachlesen, wie damals alles begann. Das gesamte Buch für lau gibt es nicht bei Amazon, sondern hier.

I like that. Call me subversive, but I’m chuffed ‘Underground’ is engaging enough to make people miss bus stops. (Suelette Dreyfus)

While this anecdote is a strong account, it’s also representative one. Every chapter in underground was formed from many stories like it. They’re unseen, because a book must not be true merely in details. It must be true in feeling. True to the visible and the invisible. A difficult combination. (Julian Assange)

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Radio String Quartett Vienna plays Mahavishnu im Dortmunder Domicil, Sonntag 19.12.2010

Wenn man von der Elektrifizierung des Jazz mit all seinen Fusionen spricht, darf von den Platten des Mahavishnu Orchestra nicht schweigen. Aktuell „übersetzen“ vier junger Wiener die legendären Kompositionen in die Sprache einer  Streichquartett-Besetzung. Und sie treffen damit den Geist der Originale elektrisierend genug, dass  der einstige Mahavishnu-Bandleader John Mc Laughlin die Liner Notes verfasste für das aktuelle Album “Radio String Quartet Vienna – celebrating Mahavishnu Orchestra”. Bernie Mallinger und  Johannes Dickbauer, Violine, Cynthia Liao, Viola sowie Asja Valcic, Violoncello, demonstrieren am Sonntagabend im Dortmunder Domicil, warum ihre Adaptionen von Titeln wie „The Inner Mounting Flame“ und „Birds Of Fire“ innerhalb kürzester Zeit den Sprung in die europäische Spitzenklasse der Streichquartette geschafft haben.

Sonntag 19|12|10 20:00 Uhr

www.domicil-dortmund.de

Wir sind Wort des Jahres!

Heute war es wieder so weit: die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) hat das Wort des Jahres bekannt gegeben – beziehungsweise „gewählt“, wie es in den Agenturmeldungen heißt. Lassen Sie sich bitte nicht dadurch irritieren, dass hin und wieder, z.B. in der ARD-Tagesschau, von der deutschen Gesellschaft für Sprache die Rede ist! Das ist natürlich Unfug. Erstens, weil wir noch nicht so weit sind, dass die deutsche Gesellschaft befugt wäre, über die Sprache – welche auch immer – ein allgemein anerkanntes Urteil abgeben zu dürfen. Und zweitens, weil es dann mit der Abkürzung irgendwie nicht hinkäme: GfdS.

Nun ist nicht nur bei der ARD, sondern allerorten ist zu lesen, „Wutbürger“ stehe für die Empörung in der Bevölkerung, „dass politische Entscheidungen über ihren Kopf hinweg getroffen werden“. Wie kann aber nur ein Bürger, der ja immerhin ein Mensch ist, auch dann doch, wenn er zum Wutbürger mutiert sein sollte, stehen für eine Empörung, die doch für einen Gemütszustand steht, mithin für eine Sache? Sollte hier etwa die Gesellschaft für deutsche Sprache einen Menschen (oder gar mehrere) mit einer Sache (oder Sachen) verglichen haben? Dann wäre ich aber wirklich wütend.

Sehen wir uns also die entsprechende Pressemitteilung der GfdS an, um den Sachverhalt zu klären. Darin heißt es: „Als Wort des Jahres wurde Wutbürger gewählt. Diese Neubildung wurde von zahlreichen Zeitungen und Fernsehsendern verwendet, um einer Empörung in der Bevölkerung darüber Ausdruck zu geben, dass politische Entscheidungen über ihren Kopf hinweg getroffen werden.“ Aha. Es sind also die Zeitungen und Fernsehsender, die die deutsche Sprache dazu missbrauchen, einer Empörung in der Bevölkerung Ausdruck zu geben („verleihen“ fände ich hier auch angemessener), indem sie diese Gebung Bürger – und sei es „Wutbürger“ – nennen.

Nun gut, da kann die GfdS nichts für. Aber leider – oh ja, leider, leider, leider – ist die Pressemitteilung an dieser Stelle noch nicht zu Ende. Oder heißt es „am Ende“? Egal, Originalton der Gesellschaft für deutsche Sprache: „Das Wort dokumentiert ein großes Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger, …“ Au Backe! Das Wort „dokumentiert“. Auch schon klasse: schreibe ich „Text“, dokumentiere ich damit eine systematische Ansammlung von Worten, die einen Sachverhalt darlegen sollen. Schreibe ich „Tisch“, dokumentiere ich damit ein Möbelstück, das den Menschen zum Abstellen von z.B. Speisen, Fernbedienungen etc. dienen möge. Schreibe ich „Wutbürger“, dokumentiere ich also ein Bedürfnis, und zwar ein großes Bedürfnis.

Das Wort – wir erinnern uns: „Wutbürger“ – dokumentiert nämlich ein großes Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger. Vermutlich der Wutbürger, sorry: der Wutbürgerinnen und Wutbürger. Deutsche Sprache, schwere Sprache. Wobei mir einfällt: wir haben einen Anspruch darauf, verlangen zu können, dass die deutsche Sprache beherrscht wird. Zumindest einigermaßen. Zumindest von der Gesellschaft für deutsche Sprache. Aber dies könnte jetzt vom Thema wegführen. Und das wollen wir nicht, obgleich dies freilich in der Wut passieren kann.

Jedenfalls wollen wir, die Wutbürger, über unsere „Wahlentscheidung hinaus ein Mitspracherecht bei gesellschaftlich und politisch relevanten Projekten“ haben, wie die GfdS ganz richtig feststellt. Dass ein Bahnhof ein politisch relevantes Projekt ist, steht außer Frage. Aber ist es auch die Wahl zum Wort des Jahres? Und wenn sie es ist, stellt sich dann nicht die Frage: Wer gibt der Empörung in der Bevölkerung darüber Ausdruck, dass politische Entscheidungen über ihren Kopf hinweg getroffen werden? Und: wer ist eigentlich „der Kopf“ (Singular!) der Bevölkerung? Liebe Brüder und Schwestern! Lasset uns bei der Beantwortung dieser Fragen nicht auf die Expertinnen und Experten vertrauen! Lasset uns selbst eine Gesellschaft für deutsche Sprache bilden! Wutbürgerinnen und Wutbürger aller deutschen Länder, vereinigt Euch! Deutsche Sprachvielfalt statt von oben diktiertem Einheitssprech. Beginnen wir in Stuttgart: wir können Alles, verstehen aber nur Bahnhof.