Der Ruhrpilot

Ruhr2010: Die Kulturhauptstadt geht – wir bleiben!…Bo Alternativ

NRW: …muss jedes Jahr eine Milliarde sparen…Xtranews

NRW II: Jäger fordert neue Sparopfer der Städte…Der Westen

NRW III: Politik kritisiert Top-Gehälter bei WestLB…RP Online

Umland: Köln ist nach 1972 wieder eine echte Millionenstadt…Welt

Ruhrgebiet: Thomas Westphal neuer Chef der  Revier-Wirtschaftsförderung…Pottblog

Ruhrgebiet II: Sozialticket kommt erst Mitte 2011…Der Westen

Bochum: Streit mit Stadt-Kämmerer…Ruhr Nachrichten

Dortmund: Im Dortmunder Phoenix-See steigt der Pegel…Der Westen

Hagen: Konferenz für Personal- und Betriebsräte…Zoom

Studie: Kinderpornographie im Netz kein großes Geschäft…heise

Wirtschaft: Hartz IV als moralische Besserungsanstalt…Weissgarnix

Wirtschaft: Sohn vom Sohn vom Sohn vom Sohn…Frontmotor

Veranstaltung: “Das überwachte Netz” in Freiburg…Law Blog

Gott wohnt in der Nordstadt – Ein Portrait von beiden

3,80 Euro für Pommesmayo, Currywurst, Cola. Wir sind im Herzen der Nordstadt. 55.000 Menschen wohnen in diesem Dortmunder Stadtteil, in dem sich prachtvolle Altbauten wie Perlen aneinanderreihen. Hier leben all die Abgehängten und Gestrandeten dieser Gesellschaft, die, denen Drogen und Alkohol durch den Tag helfen, die ohne Jobs und Geld, die Hälfte mit Migrationshintergrund. Und Gott, Boris Gott.

Der Musiker wohnt zurzeit am Hafen, einen Steinwurf vom PCB-Verseucher Envio entfernt. Die Nordstadt beginnt direkt hinter dem Hauptbahnhof, seit zehn Jahren ist Gott hier, gekommen aus Kehl am Rhein, dem Sauer- und dem Münsterland. 1977 haben seine Eltern sich scheiden lassen, da war er gerade fünf. Seine Mutter war damals eine der ersten Alleinerziehenden, sie lebten von Sozialhilfe, „Armut war für mich ziemlich präsent“, sagt er. Die Schattenseiten des Lebens sind bis heute sein Thema. Und so kam er wohl auch in die Nordstadt, der er viele seiner Lieder gewidmet hat. In „Bukowski-Land“ zum Beispiel reimt sich Bordsteinrand auf Nordstadtstrand. „Hier sind alle irgendwie fremd, und in dieser Fremdheit ist man wieder gleich“, beschreibt Gott das Lebensgefühl.

Sucht und Wahnsinn

Zunächst hat Boris Gott Diplompädagogik studiert, dann als Sozialarbeiter in einem Obdachlosenbrennpunkt in Ahlen gearbeitet. Später war er rechtlicher Betreuer in Mülheim. „Auch da hatte ich es mit Extremen zu tun, mit Leuten, die am Rand leben. Als Betreuer ist man von Sucht und Wahnsinn, von Demenz und von Armut umgeben“, erzählt er aus dieser Zeit. Gott und ich sitzen zunächst vorm Café Fink, direkt am Nordmarkt, einer der dunkelsten Seiten der Stadt. Das fällt jedoch nicht auf, weil die Sonne an diesem Spätsommertag auf die Menschen mit den Bierflaschen in der Hand scheint und noch die finstersten Ecken erhellt. Viele erhabene Häuserzeilen mit Gründerzeitflair schmücken die Straßen, viele saniert, viele nicht. Die Nordstadt ist das größte zusammenhängende Altbaugebiet der Region.

Seit einem Jahr gibt es das Café Fink, von der Straße aus erkennt man es nur an der roten Fassade. Kein Schild weist den Weg – dazu wäre ein Bauantrag nötig gewesen. Vor einigen Jahren gab es viele Kampfhunde auf dem Nordmarkt, heute kriegt man hier für kleines Geld Maultaschen auf schwarzen Gemüsegnocchis in Senfsauce. Dem Sänger gefällt die Stimmung in seinem Stadtteil: „Was woanders hinter verschlossenen Türen stattfindet, ist hier ganz offensichtlich. Im Grunde ist es ein harmonisches Miteinander, ich bin noch nie angemacht oder überfallen worden. Wenn die Leute hier Stress haben, dann untereinander in ihren Gruppen.“ Die Migrationsdebatte hält er vor allem für ein Medienproblem: „Man sieht immer nur entweder den türkischen Bollo-Gangsta-Rapper oder den toll integrierten Superaufsteiger.“

Überzeugter Spießer

Vor zwei Jahren hat Gott seinen Job an den Nagel gehängt und arbeitet seitdem hauptberuflich als Musiker. Einfach war die Entscheidung nicht. „Mit Musik Geld verdienen zu wollen, ist schon sehr idealistisch, und ich bin überzeugter Spießer“, erklärt er. Mittlerweile hat er sogar sein eigenes Label gegründet, Nordmarkt Records. Im November erscheint die neue Platte. Musikalisch ist er Autodidakt, spielt und singt, seit er vierzehn ist. Herausgekommen sind dabei so Zeilen wie die im Stück „Irgendwo in DO“: „Ein Penner krakeelt, grad ist Gott explodiert. Wenn das stimmt, wird das kein guter Tag.“ Apropos Gott. Es ist ein Künstlername, und Boris ist nicht der uneheliche Sohn von Karel Gott, der heißt nämlich wirklich so, fast zumindest. Trotzdem sagt er: „Karel Gott hat mich durchaus beeinflusst, Biene Maja fand ich damals großartig.“

Ein gewisser Schlagereinfluss lässt sich nicht verhehlen. Meine allererste Assoziation war ein Mix aus Stephan Sulke und Rio Reiser. Der Vergleich freut den Musiker, er summt „Uschi, mach kein Quatsch“. Selbst nennt er seine Musik Folkpop mit Ü 30-Blues, wahlweise Ruhrpottpop. Die eingängigen Melodien bringen auch seriöse Ü 60-Damen zum begeisterten Mitklatschen, gleichzeitig kichern sie bei mancher Textzeile verlegen. Beim bodo-Jubiläum letztens selbst gesehen.

Arbeiter- und Straßenstrich

Wir fahren ein Stück mit dem Auto. Direkt an den Nordmarkt grenzt die Schleswiger Straße, bekannt für den bulgarischen Arbeiterstrich. Dunkelhaarige Männer jeden Alters stehen hier vor den Häusern und warten auf Arbeit. Tagelöhner, die zur türkischsprachigen Minderheit in Bulgarien gehören. Für ein paar Euro am Tag entrümpeln sie Wohnungen, schleppen Steine, übernehmen Hilfsarbeiten. Oft haben sie keine eigene Wohnung, sondern teilen sich die Betten, schlafen in Schichten wie zur Zeit der Industrialisierung. Manche übernachten in den Autos, die vor den Häusern parken.

Weiter geht es, überall Gewusel, viele Menschen, viel Verkehr, vorbei am Baumarkt. Hinter Hornbach beginnt der Straßenstrich. Stark geschminkte, langbeinige Frauen in sehr engen Leggins auf sehr hohen Schuhen sind auf dem Weg zur Arbeit. Der Straßenstrich an der Bornstraße grenzt im Westen an das riesige Gelände der Westfalenhütte, deren Fläche etwa dreimal so groß ist wie das der Dortmunder Innenstadt. 25.000 stolze Hoeschianer haben in der Hochphase hier gearbeitet, heute sind es noch 1.300. Ein Viertel der Menschen im Stadtteil hat keine Arbeit.

Pommes Rot-Weiß


Dann kommen wir zur Pommesbude am Borsigplatz. Sie bietet nicht nur unschlagbare Preise, sondern auch echte Dortmunder Tradition. Genau hier war früher der „Wildschütz“, die Kneipe, in der 1909 der BVB gegründet wurde. Heute heißt der Laden „Pommes Rot-Weiß“ und drinnen hängen viele Erinnerungen an Schwarz-Gelb. Herbert Grönemeyer ist mit seiner Bochum-Hymne und der häufig widerlegten Behauptung, der VfL mache mit seinem Doppelpass jeden Gegner nass, reich und berühmt geworden. Gott winkt ab, er interessiert sich nicht für Fußball und möchte dem örtlichen Ballsportverein kein Lied widmen.

Weiter zum Hafen. Trotz des Spätsommertages weht der Wind nordseegleich. 1899 löschte hier der erste Dampfer seine Fracht, gebaut worden war der Hafen für die Montanindustrie. Eisenerz wurde importiert, Kohle exportiert. Heute hat die Logistik das Ruder übernommen, ungezählte Container stapeln sich im Hafen, Waren werden aus aller Welt und in alle Welt verteilt. Viel Importkohle wird umgeschlagen. Boris Gott mag den Hafen, geht gern hier spazieren.


Unfreiwillig hip

An den Hafen schließt sich der Fredenbaumpark an. Er gehört zu den großen Parkanlagen der Stadt und grenzt direkt an den Dortmund-Ems-Kanal. Da ist er also, der Nordstadtstrand. „Im Sommer kann man hier super schwimmen gehen, das wissen viele Leute gar nicht“, erzählt der Sänger. Gott ist damals zufällig in der Nordstadt gelandet, aber „es war Liebe auf den ersten Blick. Schicksal.“ Was er noch an seinem Stadtteil mag: „Die Leute hier sind unfreiwillig hip geworden, weil die Achtziger zurückgekommen sind und sie immer noch die Klamotten aus den Achtzigern tragen.“

Licht und Schatten, Schwarz und Weiß, das sind seine Themen, ganz persönlich und auch in seiner Musik. Er mag die Extreme, sieht den Stadtteil als Metapher für das Leben an sich. Auf der Bühne trägt er ein schwarzes Hemd und eine weiße Weste, weiße Schuhe. Sein „Ruhrpott-Dreikampf“ führte den Musiker von der Kneipe in die Pommesbude zum Arbeitsamt. Er spielte an jeweils zwanzig Orten, zuletzt am 1. Mai bei der „Hartz IV Tour Ruhr 2010“ vor zwanzig Arbeitsämtern.


Im November erscheint die neue CD mit dem Titel „Es ist nicht leicht ein Mensch zu sein“. Da gehts um den „Bahnhofs-Blues“, der ähnliche Hitqualitäten hat wie seinerzeit „RTL & Rohypnol“, um „Sonnenschein“ und „Niemandsland“. Manchmal verlässt Gott das Ruhrgebiet und ist „Nackt in Brunsbüttel“.

Wir fahren zurück, vom Kanalufer wieder mittenrein, ins dunkle Herz des Ruhrgebiets. Wie heißt es bei Gott? „Heute ist ein schöner Tag, hier im Norden meiner Stadt. Junkies leuchten, Mütter schreien, es ist schön hier zu sein.“

(Alle Fotos: Barbara Underberg)

Jugendmedienschutz-Staatsvertrag: NRW wird zustimmen…

Marc Jan Eumann, Staatssekretär im Ministerium für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien Foto: Landtag NRW

Der neue Jugendmedienschutzstaatsvertrag will Kinder und Jugendliche auch im Internet vor Gewalt, Pornografie und Glückspiel schützen. Kritiker halten das Gesetzespaket für nicht praktikabel und fürchten einen Einstieg in die Zensur des Internet.

„Es geht um unsere Werte.“ Marc Jan Eumann, Staatssekretär im Ministerium für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien sitzt im zwölften Stock des Düsseldorfer Stadttores, gehört zu den Befürwortern der Novelle des Jugendmedienschutzstaatsvertrags. Wenn NRW ihm in Dezember zustimmen wird, tritt er bundesweit in Kraft.

Wenn alle Bundesländer ihm bis Ende Dezember zugestimmt haben, tritt er in Kraft. Ein Großteil der Bundesländer hat ihm bereits zugestimmt, doch ein Land würde ausreichen, um die Novelle zu kippen.

Die Werte, um die es Eumann geht, will er auch im Internet verteidigen. Eumann sorgt sich darüber, dass Kinder mit Pornografie, Nazi-Propaganda oder Gewalt konfrontiert werden. Er will sie vor solchen Einflüssen schützen – und ein Mittel dazu ist für ihn der Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV). Federführend von der Landesregierung Rheinland-Pfalz entworfen, regelt er, wie Jugendliche im Internet und im Fernsehen vor jugend- und entwicklungsgefährdenden Einflüssen geschützt werden können. Im Fernsehen ist das ganz einfach: Pornografie im Free-TV ist verboten, Filme für Jugendliche ab 16 Jahren dürfen erst ab 22.00 Uhr gesendet werden und müssen gekennzeichnet sein. Gewalt und Erotik findet im TV erst nach Einbruch der Dunkelheit statt.

Im Internet soll das künftig ähnlich sein. Alle in Deutschland tätigen Internetzugangsanbieter werden ab dem 1. Januar ihren Kunden kostenlos eine Software anbieten, mit der nur noch Internetseiten aufgerufen werden können, die sich selbst nach Altersklassen eingeteilt haben. Wie bei der freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft wird es Internetinhalte wie die Internetseite der „Sendung mit der Maus“ geben, die rund um die Uhr mit dieser Software angesteuert werden können. Es wird aber auch Seiten geben, die die Software erst am späten Abend frei gibt. Internetseiten, die sich nicht klassifizieren lassen wollen werden von den Programmen ignoriert und sind nicht mehr anzusteuern.  Die Installation der Software ist freiwillig. Das unter Umständen Eltern aus Problemhaushalten sie häufig nicht aufspielen werden, dass findige Teenager Wege finden werden sie zu umgehen, weiß Eumann: „Es kann doch nicht sein, dass wir vor der Aufgabe, unsere Kinder vor gefährlichen Inhalten zu schützen, kapitulieren, nur weil es im Zeitalter digitaler Medien komplizierter geworden ist.“ Für ihn ist der jetzige JMStV ohnehin nur ein erster Schritt. Die Bundesländer haben beschlossen, ihn innerhalb der nächsten drei Jahre zu überprüfen und dann ein Nachfolgegesetz auf den Weg zu bringen. Jürgen Rüttgers hat als nur noch geschäftsführender Ministerpräsident nach der verlorenen Landtagswahl noch als Ministerpräsident den Staatsvertrag unterschrieben. Die SPD hatte das den JMStV im Wahlkampf kritisiert und versucht, bei der Internetgemeinde zu punkten. Die zwei Prozent für die Piratenpartei bei der Bundestagswahl und der Ärger wegen der Zustimmung zu von der Leyens Netzsperren saßen den Genossen in den Knochen. Eumann hält das Wahlversprechen für gehalten: „Was wir an dem JMStV zu kritisieren hatten, wurde geändert. Ich halte den Staatsvertrag für nicht perfekt, aber er ist besser als der bestehende. Er wird jetzt im Parlament diskutiert, es wird eine Anhörung geben, und wenn es eine Mehrheit gibt, kann er am 1. Januar in Kraft treten.”

Doch auch in der SPD gibt es noch Kritik am JMStV, so haben die Jusos beispielsweise den JMStV abgelehnt. Dort sieht man die Kritikpunkte am JMStV, die vor allem Echtzeitkommunikation wie Facebook, Twitter aber auch Blogs, Foren und Gästebücher betreffen, noch nicht als ausgeräumt und befürchtet einen Bruch des Wahlprogrammes durch die Mutterpartei, was der Piratenpartei gerade im Bereich der jüngeren Wähler zugute kommen würde.

Matthias Bolte, in der Landtagsfraktion der Grünen zuständig für Netzpolitik, hält den Staatsvertrag für stark verbesserungswürdig. Aber auch er spricht sich für eine Zustimmung aus: „Rüttgers hat den Vertrag unterschrieben, wir werden ihn jetzt beraten und nehmen die Beratungen als Auftakt für seine Reform in drei Jahren – aber ich sehe nicht, dass wir nicht zustimmen werden. Schon formaljuristische Gründe sprechen gegen eine Ablehnung – es muss Vertrauen bei vom Land geschlossenen Verträgen geben.“

Mit dieser Argumentation könnte jedoch auch eine neue rot-grüne Bundesregierung die Laufzeitenverlängerung der Atomkraftwerke rechtfertigen.

Bolte will auf die Netzgemeinde zugehen und gemeinsam nach Kompromissen im Bereich des Jugendschutzes suchen. Ein kompliziertes Feld: „Der Anspruch nach effektivem Schutz von Kindern und Jugendlichen und Wunsch nach möglichst viel Freiheit im Internet werden schwer zusammen zu bringen sein.“

Markus Beckedahl, der Netzaktivist und Betreiber des Blogs Netzpolitik.org würde gerne in einen Dialog mit der Politik treten. Bei den Diskussionen um den JMStV hat er von der Dialogbereitschaft der Politik nicht viel gemerkt: „Wir hatten sogar Schwierigkeiten, Beobachter in die eigentlich offenen Konsultationssitzungen zu schicken. Dort wurde nur mit den üblichen Lobbygruppen gesprochen.“

Ihn stört nicht nur, dass auch der wohl bald gültige JMStV Netzsperren nicht kategorisch ausschließt, sondern sich an das alte Rundfunkrecht anlehnt: „Wie sollen die Betreiber von hochdynamischen Seiten wie Facebook, in denen die Benutzer die Inhalte bestimmen, wissen, was gerade zu sehen ist?“ Schon ein freizügiges Video von Popstar Lady Gaga könnte zu Problemen führen, wenn es um eine Uhrzeit zu sehen wäre, in der Kinder vor dem Rechner sitzen. Für Beckedahl wirft das Gesetz mehr Fragen auf, als es beantwortet: Wird es kostenpflichtige Abmahnungen in Fällen falscher Einordnung geben? Wie teuer wird die Zertifizierung, und könnte sie nicht das Aus für kleine Blogs bedeuten, denen die Kosten und die Mühen zu groß sind? Und was kommt, wenn die Freiwilligkeit nicht erfolgreich ist – Netzsperren für weite Teile des Internets? Markus Beckedahl hält den Ansatz des Gesetzes für falsch und unrealistisch. Kinder wurden schon immer mit Dingen konfrontiert, die auf sie verstörend wirken konnten. „Die Heile-Welt-Schaffung ist nicht möglich. Man muss die Kinder stark machen und auf die Welt mit all ihren Problemen gut vorbereiten. Es geht um Medienkompetenz und darum, dass Eltern ihre Kinder mit der Technik nicht alleine lassen, sondern sich um sie kümmern.“

Bei der ersten Diskussion des JMStV im nordrhein-westfälischen Landtag in der vergangenen Woche wurde das Vertragswerk an den zuständigen Ausschuss verwiesen. Doch schon vor Beginn der Beratungen steht fest: NRW wird zustimmen.

Mitarbeit: Jens Matheuszik, Pottblog

Werbung

Der Ruhrpilot

Kohle: Konflikt zwischen Grünen in NRW und Bund…RP Online

Kohle II: „Ausstieg nicht im Sturzflug“…FR Online

Unis: Bildungs-Protest-Perspektiven-Treffen…Bo Alternativ

Kultur: Weltmusik aus dem Kolenpott…Hometown Glory

Ruhrgebiet: Ein Kumpel als Diktator…taz

Dortmund: Rechter Mörder aus Haft entlassen…S4

Bochum: Rasanter „Sturm“ voller Effekte und Bilder…Ruhr Nachrichten

Essen: 35.000 Besucher beim Zechenfest auf Zollverein…Der Westen

Duisburg: OB Sauerland–ein selbstinszeniertes Opfer ?…Xtranews

WM 2010: Deutschland gegen Polen…Exportabel

Events: dmexco, reVierphone, OMClub…Pottblog

Wissen: Kennt jemand die Bedeutung der unteren Skala auf diesem Winkelmessgerät?…Zoom

Bionerd23: Experimente mit Quecksilber

Wie fühlt sich Quecksilber auf der nackten Haut an? Ja, sicher interessant – ich möchte es trotzdem lieber nicht wissen, obwohl es vermutlich ungefährlicher ist als Bungeespringen. Manche können ihrer Neugier allerdings nicht wiederstehen.

BildBionerd23, die mir erstmals durch das Video über den Radioaktivitäts-Fund im Prenzlauer Berg, Berlin aufgefalen war, ist eine ungewöhnliche Frau. Manche sagen, sie sei eine Reinkarnation von Marie Curie, die übrigens auch ihr Vorbild ist.

Allerdings: Marie Curie wußte damals noch nicht, was sie tat und daß es ihr Leben kosten würde. Bionerd23 scheint dagegen Experimente mit gefährlichen Dingen geradezu zu lieben, die sie dann auf Youtube zeigt. Meist sind es so kuschlige Sachen wie Pechblende, Uran, Strontium 90 oder Cäsium 137. Oder sie filmt, wie der Arzt ihr eine Spritze mit radioaktivem Technetium setzt und kocht nachher ihren Urin ein, um ein weiteres radioaktives Element in ihre Sammlung aufzunehmen.

Hier ist sie dagegen mal nicht „strahlend“ und läßt sich „nur“ Quecksilber über die Hand laufen:

Experimente mit Quecksilber

Experimente mit Quecksilber 2

Experimente mit Quecksilber 3

Experimente mit Quecksilber 4

Durchaus gruslig, sehr interessant, und auf jeden Fall 1000 mal intelligenter und ungefährlicher als die unzähligen Youtube-Videos, auf denen irgendwelche kompletten Vollidioten Quecksilberdampf-Hochdrucklampen oder Leuchtstofflampen in der Mikrowelle explodieren oder mit Feuerwerk explodieren lassen!

Dennoch: Sich Quecksilber direkt über die nackte Haut laufen zu lassen und zu sagen, es fühle sich angenehm an…na einen Handkuß sollte man dieser Dame besser nicht geben! (aber vielleicht ist das ja gerade, was sie damit bezweckt…).

Methylquecksilber ist dagegen eine der giftigsten Substanzen überhaupt, hat in Japan Schlimmeres angerichtet als Contergan und hat schon Wissenschaftler qualvoll sterben lassen, weil es auf ihren Latexhandschuh geraten war.

Also bitte: Anschauen, aber nicht nachmachen!

Gute Gründe für den Glauben

Christuskirchen Foto: Ayla Wessel/Kulturagentür

Aller Aufwand erwies sich letztlich als vergebene Liebesmüh: die groß angelegte Langzeit- und Querschnittsstudie konnte die Existenz Gottes nicht beweisen. Von unserem Gastautor Werner Jurga.

Auch für ein Leben nach dem Tode konnte kein zweifelsfreier Nachweis erbracht werden. Zahlreiche Indizien ergaben sich jedoch zur Stützung der Hypothese von der Reinkarnation. Die vielen Zeugnisse deuten jedoch darauf hin, dass ausschließlich Menschen höherer Stände in den Genuss einer Wiedergeburt kommen, während für Angehörige des Fußvolkes mit dem letzten Atemzug definitiv Feierabend zu sein scheint. So konnten viele Interviewpartner davon berichten, im Vorleben Kaiser, König, Prinzessin oder Courtisane gewesen zu sein, wohingegen das Forscherteam auf der Suche nach ehemaligen Stallknechten, Waschfrauen oder an von einer Kinderkrankheit hinweg gerafften Straßenkindern nicht fündig geworden ist.

„Ich denke, also bin ich“. Wie kein anderer Satz markiert eben dieser den Beginn der Aufklärung. „Cogito ergo sum” – das war der Beweis. Ergo: das Cogito war der Beweis für das Sum. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Diesem Satz folgt ein seitenlanges Traktat Descartes´, mit dem der Universalgelehrte beabsichtigte, die Existenz Gottes zu beweisen. Diese Absicht ging gründlich in die Hose, die ganze Schrift ist nicht weiter erwähnenswert, ein einziger Unfug. Okay, auch ein Descartes hat mal seine schlechten Tage. Wie wir alle, wenn wir uns Dinge vornehmen, die nicht menschenmöglich sind. Wenn man Gott wäre, vielleicht … – so aber, als Normalsterblicher kann das einfach nicht gut gehen: die Existenz Gottes beweisen. Mal ehrlich: wenn Sie Gott wären, würden Sie dann einer von Ihnen geschaffenen Kreatur erlauben, Ihr Dasein wissenschaftlich zu beweisen?! Na also!

Descartes´ Gottesbeweis: einfach lächerlich. Aber egal: der erste Satz war der Bringer. „Ich denke, also bin ich“ kennt jeder, ein echter Hit. Evergreen. Etwas idealistisch, zugegeben. „Ich bin, also denke ich“ wäre mir plausibler vorgekommen. Aber wir sind halt alle Kinder unserer Zeit. Wir sind aufgeklärt, meinen wir. Descartes leitete die Epoche der Aufklärung ein. Klar: wenn man schon meint, die Existenz Gottes beweisen zu müssen, ist es um selbige schlecht bestellt. Nicht nur, dass man bis dato davon ausgegangen ist, dass sie sich von selbst verstehe. Sondern auch die von Descartes vermutlich nicht bedachte Implikation: heute beweist einer, dass es Gott gibt. Morgen kommt der nächste und beweist das Gegenteil. Übermorgen stellt jemand fest, dass Gott eine Frau ist. Armer Gott!

Nach dem gegenwärtig allgemein anerkannten Schöpfungsmythos stellt ein Urknall den Anfang aller Dinge dar. Gegenüber dem lieben Gott hat die Theorie des Urknalls den unbestreitbaren Vorteil, dass sie zu beweisen ist. Und tatsächlich: sie ist bewiesen. Es hat nachweislich geknallt. Man kann heute noch, wenn man entsprechende Instrumente zur Hand hat, das Rauschen hören. Damit ist die Angelegenheit empirisch belegt. Auch theoretisch erweist sich der Urknall als gut belastbar. Zumindest für die Phase vom Knall bis heute, die Zeit davor – so haben es die Physiker festgelegt – ist „nicht definiert“. „Nicht definiert“, Ende, Aus. Tja, es ist schon geil, wenn man die Definitionsmacht hat.

Fest steht: es hat urig geknallt. Wir wissen halt bloß noch nicht, wo und vor allem warum. Es knallt ja nicht einfach so; es muss doch einen Grund geben, warum es „auf einmal“ so – ich möchte fast sagen: nachhaltig – geknallt hat. Da Sie mir ohnehin nicht glauben würden, wenn ich behauptete, dass es daran gelegen habe, dass der liebe Gott gerade mit Streichhölzern gespielt habe, schlage ich vor, wir einigen uns darauf, dass kein metaphysischer, sondern ein ganz „natürlicher“, also physischer Grund für den Big Bang vorliegen dürfte. In Kürze werden die Physiker auch dieses Rätsel entschlüsselt haben.

Damit wäre dann wirklich das letzte Rätsel entschlüsselt, wenn wir davon absehen, dass es freilich auch für den Auslöser des Urknalls eine Ursache geben muss. Und auch dafür wieder einen Auslöser, eine Ursache, einen Grund. Und so weiter und so fort. Ein Regressum ad infinitum. Unendlichkeit am Anfang, sprich: Anfangslosigkeit. Beweist dies irgendetwas? – Ja. Die Welt / das Universum ist prinzipiell erkennbar, und wir werden die Welt letztlich nicht erkennen können. Denn jede beantwortete Frage wird eine Reihe neuer Fragen auf. Lenin hat Recht, der liebe Gott aber auch. Auch der kritische Rationalist, der sich jenseits leninistischer Ideologen und verbohrter Moraltheologen wähnt, muss damit irgendwie zurecht kommen.

Was bleibt, ist die Ethik. Aber wo kommt die nun wieder her? Fest steht, dass diejenigen, die sich schwerer Verstöße gegen die Ethik schuldig gemacht haben, keinen Monopolanspruch auf Ethik erheben können. Damit sind wir aber bei der Beantwortung der Frage, wo denn wohl die Ethik herkomme, keinen Schritt weiter. Ethik aus einer dem Menschen vermeintlich innewohnenden Vernunft herzuleiten, erscheint abwegig. Einerseits sind Geschichte und Gegenwart voll von Beispielen unethischen – insofern also unvernünftigen – Verhaltens. Zweitens könnte ich etliche Beispiele dafür anführen, dass das – ethisch kaum vertretbare – Ausschalten unliebsamer Konkurrenten ein hohes Maß an Rationalität aufweist. Wer an die Allmacht der Vernunft glaubt, braucht kein Strafgesetzbuch.

Die eingangs erwähnte, groß angelegte Langzeit- und Querschnittsstudie über die Religiosität ist nicht völlig ergebnisfrei abgeschlossen worden. Vielmehr konnte sie nachweisen, dass Menschen, die an Gott glauben, zufriedener, gesünder und auch – am einfachsten zu quantifizieren – länger leben. Ein, wie ich finde, guter Grund, an Gott zu glauben. Das Blöde ist: die Sache funktioniert nur, wenn man auch wirklich an Gott glaubt, und nicht einfach nur so tut, als ob. Man weiß nicht warum. Ob es daran liegt, dass der liebe Gott alles sieht? Oder an bislang unerforschten psycho-neuro-immunologischen Abläufen? Wie gesagt: man weiß es nicht. Dennoch: man muss wirklich glauben und nicht nur so tun, als ob. Scheiße! Wie soll man das denn bloß machen. Das scheint mir ja ein ganz schönes Arschloch zu sein, dieser Gott.

Werbung

Der Ruhrpilot

Kultur: Ansturm bei Apple-Store-Eröffnung im Centro…Der Westen

Kultur II: 10. Museumsnacht…Ruhr Nachrichten

Kultur III: Die Eröffnung…Macnotes

Kultur IV: Goebbels wird neuer Chef der Ruhrtriennale…Welt

TV: Von einem, der aus Versehen konservativ wurde…Spiegel

NRW: „Die Grünen stehen still“…Welt

Wirtschaft: Mehr Hartz…Pottblog

Bochum: Diesseits der Bannmeile…Coffee And TV

Debatte: Sarraz(i)ynismus-Gesetz…DL

Kollosaler Nazibau: Die Kongreßhalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände Nürnberg

50.000 Nazis auf einmal erschlagen? Das hätten diese beinahe selbst zustande gebracht, als sie das Kolloseum in Rom mit einem monströsen Bau in Nürnberg noch übertrumpfen wollten.

P1030041crDie Dutzendteiche in Nürnberg waren eigentlich seit dem Mittelalter ein Wasserspeicher, aus dem Stadt und Fabriken versorgt wurden, und ein Naherholungsgelände, um eine Vokabel der 70er wieder aufzugreifen, mit Volksfest und Tiergarten.

Bis in den 30ern die Nazis an die Macht kamen. Da hatte das Vergnügen nun dem Aufmarsch und dem Blick auf den Führer zu weichen. Der Tierpark, ein Leuchtturm (!) und ein Teil der Teiche verschwanden.

P1030043crDas Zeppelinfeld im ehemaligen Nürnberger Reichsparteitaggelände kennt man, auf dem zuvor ebenjene Luftschiffe landeten. Hitler ließ dort stattdessen SA, SS, Wehrmacht & Co. aufmarschieren. Die Amerikaner nutzten das Gelände nach 1945 dann für etwas ganz anderes, nämlich als soldier field. Heute finden unter anderem Rockkkonzerte auf dem Betonfeld statt, ansonsten wird der ehemalige Park nun als Park-Platz genutzt.

P1030044crWeniger bekannt ist die Kongreßhalle. Auch für diese wurden KZ-Zwangsarbeiter zu Tode geschunden und Unmengen Stein angeschleppt. Sie sollte größer und eindrucksvoller als das Kolloseum in Rom werden – eine 70 m hohe Versammlungshalle für 50.000 Parteimitglieder. Damit diese nicht im Regen stehen, sollte sie von einem Flachdach von 175 x 155 m überdeckt werden – freitragend, ohne Stützsäulen.

P1030045crDoch dann ging den Nazis das Geld aus – es entstand nur ein 39 m hoher Torso ohne Dach. Das allerdings hätte ohnehin nie gehalten – eine solche Größe ist freitragend auch mit modernen Materialien nicht als Stein-Flachdach realiserbar: Das Vorbild, das Kolloseum in Rom, hatte Zelttuch verwendet.

Heute ist das gesamte Gelände frei zu besichtigen, nur in einem Teil des Kongreßhallen-Torsos sind Lagerräume und Büros untergebracht. Auch die Kongreßhalle huldigt heute einem anderen Kult: dem Automobil – auch sie wird als Parkplatz genutzt.

Aber es wäre eine Ironie der Geschichte geworden, wenn auf diese Art den selbsternannten nazi-germanischen Göttern der Himmel auf den Kopf gefallen wäre…

(Alle Bilder: Jo Frank)