Bundestag: Gute Gründe gegen Benedikt

Der Papst im Internet

Alle sind ganz wuschig, weil der Papst vor dem Bundestag reden wird. Nur die Grünen sind skeptisch. Zu Recht. Denn es gibt gute Gründe, den Mann nicht ans Mikrofon zu lassen.

Sicher, Benedikt ist ein Staatsoberhaupt, und immer wieder haben Staatsoberhäupter vor dem Bundestag gesprochen. Dass er Oberhaupt eines lächerlich kleinen Staates ist, spielt keine Rolle. Wichtiger ist, was für einem Staat er vorsteht. Der Vatikan ist eine Autokratie, kein demokratischer Staat. Eine kleine Gruppe von Männern kungelt das Staatsoberhaupt aus, der Rest hat zu spuren. Ich habe kein Problem, wenn die Chefs demokratischer Staaten vor dem Bundestag reden. Aber Benedikt steht keinem demokratischen Staat vor. Das reicht eigentlich.

Aber es gibt noch ein paar andere Gründe, denn der Mann ist ja auch Anführer einer recht großen Organisation: Der katholischen Kirche. Die ist Marktführer im Segment Christentum – sowas wie das Coca-Cola unter den Kirchen.

Die katholische Kirche ist keine angenehme Organisation: Wäre sie eine Partei, sie wäre in Deutschland verboten. Frauen und Schwule werden aufs Übelste diskriminiert. Verbrecher in den eigenen Reihen solange geschützt wie es geht – ob Mafia-Kontakte oder Kinderschänder – man pocht erst einmal auf die eigene Gerichtsbarkeit. Das tut jede Räuberbande auch – bis die Polizei ihr rüde erklärt, was ein Rechtsstaat ist. Allein die Positionen zu Aids und Verhütung zeugen von einer tiefsitzenden Menschenverachtung.

Über die Geschichte wollen wir hier mal nicht reden: Die Verbrechen der katholischen Kirche sind ohne Zahl. Sie war gegen jeden Fortschritt. Wäre es nach ihrer Führung gegangen, wir würden heute noch im Mittelalter leben.

Nein, es gibt gute Gründe, Benedikt nicht vor dem Bundestag sprechen zu lassen. Und die Anführer anderer Religionsgemeinschaften auch nicht. Ich will im Bundestag Demokraten sehen. Benedikt ist keiner.

Ruhr2010-Finale ohne UZDO

Morgen wollte die Intiative für ein unabhängiges Zentrum in Dortmund (UZDO) im Museum am Ostwall  zum Abschluss der Kulturhauptstadt eine Veranstaltung durchführen. Daraus wird nichts.

Morgen endet die Kulturhauptstadt. Und in Dortmund wird zum dritten Mal der U-Turm eröffnet. Könnte man eigentlich auch monatlich machen. Eigentlich wollte  das UZDO eine weitere Veranstaltung durchführen. Wird sie aber nicht, wie die Initiative mitteilt:

Während am 18.12 also die Kulturhauptstadt am U abgefeiert wird, kommt es zu einer Antifa Demonstration und einem Trauerspiel am MaO, wo die Künstler/innen ihre Ausstellung abbauen werden – zugunsten von Leere, Tristesse und Immobilienspekulaton. Nach der strikt konditionierten Nutzung des MaO am 04./ 05.12 hat die Initiative UZDO beschlossen, sich nicht erneut den städtischen Auflagen zu unterwerfen und diese an ihr Publikum weiterzureichen. In einer Zwangsjacke lässt sich schlecht etwas bewegen. Mit Kreativität hat das nichts zu tun. Mit Wandel sowieso nicht.

Für den 18.12 wurde dem UZDO eine Abendveranstaltung verboten und
lediglich eine Nachmittagsnutzung mit städtischem Wachpersonal genehmigt.

Das ist eine völlig inakzeptabele und unabgebrachte
Disziplinierungsmaßnahme und zeigt, wie weit der kreative Wandel der
Stadtverwaltung in Dortmund fortgeschritten ist. Die AG kritische
Kulturhauptstadt wird letztlich Recht behalten: Ruhr.2010?
Metropolenträume in der Provinz!

Die ganze Erklärung gibt es hier.

Der Ruhrpilot

NRW: Landtag lehnt JSMsT einstimmig ab…Pottblog

NRW II: Linkspartei stimmt mehrheitlich dem Nachtragshaushalt zu…Xtranews

Steag: Dortmund stimmt zu…Der Westen

Steag: Bochum stimmt zu…Ruhr Nachrichten

Ruhr2010: Kulturtrip durch Industrieruinen…FR Online

Ruhr2010: Loveparade-Demo in Duisburg…Der Westen

Überwachung: Zum Stand der Vorratsdatenspeicherung in Berlin und Brüssel…Netzpolitik

Pop: Karl und Marx ohne Friedrich und Engels…Unruhr

Bochum: Haushalt nicht genehmigungsfähig…Ruhr Nachrichten

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Rüttgers sichert rot-grünes Überleben

"Bin dann mal weg", sagt Jürgen und stützt Hannelore

Es ist der Tag X im Landtag, die wichtigste Abstimmung der rot-grünen Minderheitsregierung: Heute wurde der Nachtragshaushalt im Düsseldorfer Parlament verabschiedet. Nur Wahlverlierer Jürgen Rüttgers fehlte – und hat alleine mit seiner Abwesenheit die Mehrheit für den umstrittenen Etat gesichert.

Denn Ministerpräsidentin Hannelore Kraft braucht für ihre Gesetze und ihr Überleben nur mindestens eine Enthaltung aus der Opposition. Die hatten ihr ohnehin schon die Linken versprochen – und auch mit ihrer gesamten elfköpfigen Fraktion geliefert.

Damit wird Deutschlands einzige SPD-Ministerpräsidentin ungehindert weiterregieren können – voraussichtlich sogar bis zur regulären kommenden Wahl. Der Nachtragshaushalt galt als schwierigste Hürde für die Minderheitsregierung im größten Bundesland.

Der neue Etat sieht eine Neuverschuldung von rund 8,4 Milliarden Euro vor. „Wir haben in der Tat Rekordschulden“, sagt Norbert-Walter Borjans, NRW-Wirtschaftsminister (SPD). Auch ohne das Zutun der Landesregierung wäre es aber dazu gekommen so Borjans, der wegen seiner vielen Zuständigkeiten intern auch „Super-Walter“ genannt wird. Schwarz-Gelb habe keine ausreichende Vorsorge für WestLB-Altlasten, Kita-Kosten und Kommunen getroffen. CDU und FDP haben umgehend eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof gegen den Haushalt angekündigt.

CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann hielt eine wehmütige Abschiedsrede auf die alte schwarz-gelbe Landesregierung. Das neue Fünf-Parteien-System ist gerade für konservative Christdemokraten aus dem Sauerland und dem bäuerlichen Westfalen immer noch nicht Realität . „Wir hätten einen besseren Haushalt gemacht“, so der Westfale Laumann. Jetzt paktiere die Linke und mische an der Machtzentrale mit, dies sei „brandgefährlich.“

Rund ein halbes Jahr nach der Wahl hat sich der neue Düsseldorfer Landtag mit seinen erstmals fünf Parteien arrangiert. Bis auf einige aufgeregte verbale Scharmützel im Parlament läuft der Politikbetrieb ruhig. „Wir haben ab und zu eine skurrile Debatte mit den Linken“, sagte der Grüne Fraktionschef Reiner Priggen. Manchmal ginge bei ihnen die „revolutionäre Kavallerie“ durch. „Aber natürlich arbeiten wir auch mit ihnen zusammen“, so der Grüne pragmatisch.

Denn auch die als Chaotentruppe verschrieene linke Fraktion ist nun spätestens mit dem Nachtragshaushalt im geordneten parlamentarischen System angekommen. Zwar hielten sie nach der Verabschiedung in einer nahezu unbemerkten Geste Schilder mit der Aufschrift „Mehr soziale Gerechtigkeit“ hoch, aber ihre Reden hätten auch von Genossen oder Grünen gehalten werden können. „Wir enthalten uns konsquenterweise, weil der Haushalt nicht unsere roten Haltelinien wie dem Stellenabbau überschreitet“, sagte Linken-Fraktionschef Wolfgang Zimmermann.

Ansonsten sprach der Gewerkschafter wenig revolutionär von „Primärhaushalt“, „Konjunkturerwartungen“ und „nominale Ausgaben der EU“. Einig waren sich hingegen sowohl SPD, Grüne und Linke darin, dass die Einnahmen des Landes erhöht werden müssen, um die enormen Schulden in den kommenden Jahren zu senken. Dazu sollte es eine Vermögenssteuer und höhere Spitzensteuersätze geben. Die neue Einigkeit am Rhein könnte also zukünftig auch die Bundespolitik verändern: NRW will im Bundesrat Anträge für neue Steuern und Einnahmen stellen, um beim kommenden Haushalt weniger Schulden machen zu müssen.

Lenin und die Bahn, Talent und Schicksal, Freiheit und Sicherheit

Foto: JohnnyB via Wikipedia

Wissen Sie, was Kommunismus ist? – Ja richtig: in der Theorie eine tolle Sache; aber die Praxis … Schön und gut; das war aber nicht die Frage. Was das ist, der Kommunismus, hatte ich gefragt. Okay, ich sage es Ihnen. Kommunismus ist nach Lenin Sowjetmacht plus Elektrifizierung. Das hat er selbst gesagt, der Lenin. Sowjetmacht – okay, die kann ich Ihnen auf die Schnelle jetzt nicht im einzelnen erklären. Wir merken uns: mit einer Sowjetmacht haben wir es dann zu tun, wenn etwas so organisiert ist wie die Deutsche Reichsbahn. 

Die war nämlich richtig klasse organisiert. Das hat er selbst gesagt, der Lenin. Da konnte man – in diesem Fall: er – sogar eine Revolution mit machen. Und eine Revolution ist eine tolle Sache, wenn da der Kommunismus bei rauskommt – jedenfalls in der Theorie. Also, so ungefähr … Einfacher zu erklären ist freilich der Begriff „Elektrifizierung“. Elektrifizierung heißt, dass irgendwo Strom hinkommt, wo vorher keiner war. 

Kommunismus in der Praxis, Sie wissen ja Bescheid: einfach schrecklich. Zwang und Unterdrückung, alle Leute eingesperrt, und wer motzt, kriegt Ärger. Und von wegen: der Kunde ist König! Ihr kriegt gleich „Kunde“! Kleinbürgerliches Konsumentenbewusstsein. So etwas wird im Kommunismus natürlich entschieden bekämpft. Meistens nicht ohne Erfolg: die Leute wollen zwar immer noch eine Marlboro, eine Markenjeans oder einfach nur raus, trauen sich aber nicht, das zu sagen. Muss reichen. 

Was Sie hier auf dem Foto sehen, ist ein „Talent“. Ja, der Zug; der heißt so. Wie die Rheinische Post schreibt, werden die DB-„Talente“ von den Fahrgästen sehr gerne gesehen: Im Gegensatz zu den NWB-Fahrzeugen vom Typ „Lint“ mit zwei Türen an jeder Seite gibt es im „Talent“ nämlich drei Türen. Der „Talent“ verkehrt jetzt nämlich endlich wieder im Nahverkehr am linken Niederrhein – auf der Strecke der Regionalbahn Duisburg-Xanten über Moers und Rheinberg. Da freut sich der Niederrheiner; denn eigentlich müsste dort ja der „Lint“ fahren.  

Der „Talent“ gehört nämlich der DB-Regio, also der Deutschen Bahn, also Kommunismus, als Servicewüste. Die Bahn ist zwar eine Aktiengesellschaft, aber eben nicht an der Börse. Und je mehr versucht wird, die Bahn börsentauglich, also kundenfreundlicher, zu machen, desto mehr Strecken werden schon jetzt aus dem kommunistischen Zwangsregime entlassen. Denn der Markt weist aus, was bleibt, und was verschwinden muss. Zum Beispiel so eine an und für sich unrentable Strecke links am Niederrhein entlang. 

Wenn man den Bahnverkehr dort jedoch marktwirtschaftlich, also dynamisch, organisiert, dann fluppt das auch dort. Im Interesse des Kunden, also des Fahrgastes. Und deshalb fährt da jetzt nicht mehr die DB, sondern die NWB, die NordWestBahn. Privat vor Staat. Der Markt, also seine unsichtbare Hand, regelt das. Deutschlands größtes privates Bahnunternehmen gehört den Osnabrücker Stadtwerken, den Oldenburger Wasserwerken und noch einer Berliner Verkehrsfirma. Wow! Kein Wunder, dass bei solch einer Ballung privaten Unternehmergeistes auch das an und für sich Unrentable auf einmal profitträchtig wird. 

Okay, in den Nahverkehrszügen der NWB ist es ein wenig eng. Und einige jammern sowieso immer, Rollstuhlfahrer zum Beispiel sind geradezu bekannt dafür. Mit denen gibt es ständig Ärger. Für jeden Scheiß rennen die zur Presse. Anstatt dass sie einmal dankbar zurückblicken, wie es so vor 20 oder 30 Jahren ausgesehen hatte: wenn man sich ein halbes Jahr vorher angemeldet hatte, bekam man mit etwas Glück einen Platz im Gepäckwagen. Nun ja, das ist halt eine Schattenseite dieses kleinbürgerlichen Konsumentenbewusstseins: diese Undankbarkeit. 

Hier, dieser taz-Artikel: mal beschweren sie sich darüber, dass in die neue Regio-S-Bahn nicht hineinkommen. Wenn sie aber doch mal drin sind, ist es auch wieder nicht gut. 80 Zentimeter, so breit ist der Gang, durch den RollstuhlfahrerInnen zu ihren Plätzen gelangen. Links die Außenwand der Toilette, rechts Klappsitze. Sind die besetzt, kommt man mit Rollstuhl erst durch, wenn die Fahrgäste aufstehen. Nervig. Aber so ist Marktwirtschaft: der Kunde ist König, und das heißt: auch die NWB reagiert sofort: Die Nordwestbahn, die die S-Bahn betreibt, hat indes angekündigt, Fahrgäste mit Schildern aufzufordern, RollstuhlfahrerInnen Platz zu machen. Auch das Personal soll geschult werden, „darauf aufmerksam zu machen“. 

Jetzt wollen die auch noch klagen und mit diesem Schnickschnack so ein dynamisches Unternehmen in den Ruin treiben. Wie auch immer: Probleme, die am Niederrhein so nicht aktuell sind. Während die NWB jetzt ganz flott ihre Mitarbeiter schult, wird einstweilen gar nicht mit dem NWB-Triebwagen Marke „Lint“ gefahren, sondern mit dem beliebten „Talent“. Der ist zwar – wie gesagt –  von der DB, jedoch nicht kommunistisch, weil nicht elektrifiziert. „Lint“ natürlich auch nicht, logisch. Denn die ganze Strecke am linken Niederrhein ist nicht elektrifiziert. Es lebe die Freiheit! In diesem Fall: die Diesellok. 

Niederrheinexpress (RB 31) am Gleis 4 des Moerser Bahnhofes - Foto: Carschten via Wikipedia

Der „Talent“ kommt deshalb gegenwärtig am linken Niederrhein zum Einsatz, weil sich im August in Geldern – ebenfalls linker Niederrhein – ein Auffahrunfall zugetragen hatte. Nein, nicht mit dem Straßenverkehr, um Himmels willen! Nur NWB-Triebwagen sind zusammengestoßen – nicht nur zwei, sondern gleich drei. Alle kaputt. Das beeinträchtigt freilich auch das dynamischste Privatunternehmen; aber nun ja: Unfälle kommen eben vor. Da kann man nichts machen. Oder gestern: da soll – wie es in der Rheinischen Post laut Zugdurchsage hieß (oder umgekehrt) – „ein Baum“ auf den Gleisen zwischen Alpen und Xanten gelegen haben. 

„Ein Baum“ – Respekt! Da muss der Triebwagen tatsächlich eine Menge Talent gehabt haben. Wie dem auch sei: jedenfalls ist wohl irgendetwas am Bremssystem kaputtgegangen, wie ein Fahrgast der betroffenen Regionalbahn berichtet. So etwas kann passieren; also musste der Zug – Sicherheit geht nun einmal vor – erst einmal eine Weile stehen bleiben. Und so einen Bremsschaden repariert man nun einmal nicht so eben im Handumdrehen. In Sicherheitsfragen geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. In der Rheinischen Post ist zu lesen: Auf der Strecke der Regionalbahn Duisburg-Xanten mussten 55 Fahrgäste im Regionalzug am Mittwoch vier Stunden lang ausharren, weil das Bremssystem des Triebwagens ausgefallen war

Um 16:10 Uhr machte sich der Zug in Duisburg auf in Richtung Xanten, wo er um 16:55 Uhr ankommen sollte. Leider hatte sich dann kurz vor dem Ziel, also gegen 16:45 Uhr, das kleine Malheur ereignet. Gegen 21.15 Uhr war laut RP das Bremssystem des Zugs offenbar wieder repariert, der Talent setzte sich endlich Richtung Xanten in Bewegung. Viereinhalb Stunden – da kann man auf der Autobahn in diesen Tagen weiß Gott Schlimmeres erleben. Und da gibt es auch keine Toilette. Das heißt: der „Talent“ hat natürlich Toiletten. Aber wenn ein Zug steht, darf man die selbstverständlich nicht benutzen. Das weiß aber doch jeder! Dass da eine Frau angefangen hat zu weinen, nur weil sie mal musste – tja Gott: das sind die Nerven. 

Aber ansonsten blieb alles ruhig. Sehr disziplinierte Fahrgäste. Kein Mensch ist in Panik geraten. Warum auch? Es bestand zu keinem Zeitpunkt für die Passagiere auch nur die geringste Gefahr. Dennoch ist – sicher ist sicher – die freiwillige Feuerwehr Alpen angerückt – mit 50 oder 60 Mann. Gegen 20:00 Uhr – recht flott, die wurde nämlich nicht früher verständigt. Die Feuerwehrleute hatten dann sogleich darüber beraten, ob man den Zug evakuieren solle. Dem hatten die Fachleute der NordWestBahn jedoch einen Riegel vorgeschoben. So etwas hätte ja nur völlig unnötige Gefahren heraufbeschworen. „Wir durften aus Sicherheitsgründen nicht aussteigen. Das wurde uns klar gesagt“, erzählte eine Reisende. Und da es alle erzählen, wird es wohl so stimmen. Ist ja auch klar. Sicherheit geht nun einmal vor. 

Freiheit steht halt immer in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Sicherheit. Absolute Freiheit kann es nicht geben, entartet zur Anarchie. Und Kundenfreundlichkeit bedeutet als allererstes, dass man sich um die Sicherheit des Geschäftspartners sorgt. Was nützt einem der schönste Tee, wenn man tot ist. Aha! Und die Niederrheiner hatten das dann auch eingesehen und die Anordnungen, wie es sich gehört, befolgt. Ein bisschen geweint schon, aber kein Pippi gemacht, und vor allem: kein Mensch hatte es gewagt auszusteigen. Freiheit und Verantwortung – das gehört nun einmal zusammen. Und wenn der „Talent“ gestern Abend um Viertel nach Neun nicht weitergefahren wäre, säßen sie da noch heute. Irgendwo am linken Niederrhein in Menzelen-West in Höhe der Schulstraße. Nicht der schlechteste Flecken Erde.

„Senor Coconut“ am 17.12. auf Zollverein

Großes Aha löste aus, als Mitte der 90er Jahre Stücke der Elektronik-Pioniere Kraftwerk plötzlich in Mambo-Rhythmus und sattes Latin-Flavour inclusive  Marimba- und Vibrafon gepackt den Dancefloor eroberten. Verantwortlich zeichnete der Frankfurter Uwe Schmidt, der bis dahin unter verschiedenen Pseudonymen als Technoproduzent wirkte, dann aber – einer spontanen Eingebung folgend – die „Emigration“ nach Chile vollzog, um von nun an als „Senor Coconut“ mit der rhythmischen Vielfalt Lateinamerikas intensiv Umgang zu pflegen. Die Früchte dieses musikalischen Tapetenwechsels waren nicht zuletzt viele weitere originelle Coverversionen, von denen auch sein aktuelles Album „Around the World“ durchzogen ist. Aktuell schaut der schillernde Verwandlungskünstler wieder in seinem Heimatland vorbei – und gastiert morgen abend mit groß besetzter Band in der Essener Zeche Zollverein.

Krautscheid zum JMStV

Jens vom Pottblog hat Andreas Krauscheid, den medienpolitischen Sprecher der CDU im NRW-Landtag, interviewt.

Mit ihrer Entscheidung, dem JMStV überraschend nicht zuzustimmen, hat die CDU in NRW den gesamten Jugendemdienschutz Staatsvertrag gekippt. SPD und Grüne in NRW zogen nach, waren eher Getriebene und hatten das Heft des Handelns nicht mehr in der Hand.

Krautscheid, der erst für den JMStV war, begründet seinen Meinungswechsel im Interview mit Jens erstaunlich offen:

Aber ich glaube auch, dass wir in den letzten Wochen und Monaten durch die Diskussion im Netz, aber ganz besonders für mich auch eindrücklich durch die Anhörung, die wir am 4. November im Landtag gemacht haben, doch ein stückweit schlauer geworden sind. Also die Kampagne, wenn man sie so nennen will, oder die Diskussion, die im Netz stattgefunden hat, hat Wirkung gezeigt, sie ist dann auch ins Parlament geschwappt.

Das ganze Interview gibt es beim Pottblog.

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Who the fuck is Alice?

Alice Schwarzer hat in Duisburg eine Vorlesung über Männer, Frauen und Gewalt gehalten. Dabei bezog die oftmals scharf kritisierte Feministin auch Stellung zum Fall Jörg Kachelmann. Doch was ist von der Frauenrechtlerin übrig? Oder: Who the fuck is Alice?

Alice Schwarzer ist und bleibt Deutschlands Feministin Nr.1 Foto: C.Hahn
Alice Schwarzer ist und bleibt Deutschlands Feministin Nr.1 Foto: C.Hahn

Die Tickets für die Vorlesung von Deutschlands Feministin Nr. 1 waren schnell vergriffen – auf dem Duisburger Campus tummelten sich am Dienstag Abend ungewohnt viele ältere Generationen. Im September wurde bekannt, dass Alice Schwarzer die diesjährige Mercator-Professur der Universität Duisburg-Essen erhält. Eine Aufgabe, die Weltoffenheit, aber auch Diskussionsbereitschaft erfordert.

Der erste Vortrag sollte sich um „die Funktion der Gewalt im Verhältnis der Geschlechter“ drehen. So richtig konnte sich kaum Einer vorstellen, was eine Alice Schwarzer darunter versteht. Im Vorfeld der Vorlesung spekulierten einige Besucher im Foyer des Audimax – wird sie sich zu Kachelmann äußern? Ja, sie wird. Freiwillig und direkt, wie manch einer der anwesenden 68-er es von Alice Schwarzer gewohnt ist.

Die Antwort

Seit vierzig Jahren ist Alice Schwarzer in Sachen Gleichberechtigung unterwegs – gegen Sexismus, gegen Diskriminierung und gegen den Abtreibungsparagraphen 218. Vierzig Jahre, die Alice Schwarzer zu einem Medienmagnet gemacht haben. Wann immer der Begriff der Gleichberechtigung in einer Polit-Talkshow fällt, ist die Mutter der deutschen Gleichberechtigung nicht weit. Dabei sagt sie selbst, dass sie es bedauert, immer auf die Frauenkiste reduziert zu werden. Leider haben wir in Deutschland nur die eine Ansprechpartnerin, wenn es um Frauenkram geht.

Alice Schwarzer bei der offenen Diskussion. Foto: C.Hahn
Alice Schwarzer bei der offenen Diskussion. Foto: C.Hahn

Kritiker behaupten, Schwarzers Ansichten seien veraltet und mittlerweile wirklich nicht mehr zeitgemäß. Und so war auch ihre Vorlesung am Dienstag nicht wirklich eine Überraschung. Wer ihr Buch “Die Antwort” (2007) nur grob überflogen hat, wird schnell erkannt haben, wohin das Ganze führt. Das Thema des sexuellen Missbrauchs ist wichtig und muss angesprochen werden – leider scheint Alice Schwarzer ihre bekannten Thesen aus aktuellem Anlass einfach mit ein paar frischeren Zahlen aktualisiert zu haben.

Das eigentliche Problem der ganzen Veranstaltung: Seit einigen Wochen begleitet Alice Schwarzer den Kachelmann-Prozess für die BILD-Zeitung. Hätte sie den Namen “Kachelmann” in ihrer Vorlesung nicht fallen lassen, wäre sie eindeutig glaubhafter. Denn wenn das Thema “Männer, Frauen und Gewalt” heißt, gehört dazu einiges mehr als ein Wettermoderator, über deren Schuld oder Unschuld wir bis heute nichts wissen. Wenn Frau Schwarzer den Kachelmann-Fall ziemlich am Anfang einer Vorlesung als “Schauprozess” tituliert, bleibt ein fader Nachgeschmack. Objektivität sieht anders aus.

Alice Schwarzer als BILD-Girl

Gerade weil das Thema des sexuellen Missbrauchs durch den Fall Kachelmann medial wieder präsent geworden ist, muss darüber geredet werden. Doch die Art wie Alice Schwarzer sich als BILD-Reporterin engagiert, lässt Zweifel an ihrer Unvoreingenommenheit aufkommen. Die BILD-Zeitung präsentiert jeden Morgen auf Seite 1 ein neues Nackedei, daneben steht nun die Berichterstattung zu Kachelmann. Gender-Bewusstsein geht anders. Meint man.

Denn Schwarzer sieht darin keinen Widerspruch – vielmehr hat die vermeintlch Kachelmann-freundliche Berichterstattung von Qualitätsmedien wie ZEIT oder SPIEGEL Alice Schwarzer gestört: „Es gab diese beiden gewaltigen Leitmedien, die die Stimmung in Deutschland zum Kippen brachten. An der Stelle habe ich mich eingemischt“, sagt Schwarzer.

Ist der Feminismus tot?

Doch wie viel Idealismus hat Alice Schwarzer noch? Ihre Arbeit für die BILD lässt sich vielmehr im Kontext ihres Lebens betrachten: 1978 verklagt Alice Schwarzer zusammen mit anderen Frauen den Stern (sog. Sexismusklage). Die Titelbilder seien zu sexy, ja geradezu sexistisch. Erfolg hatte sie damals wenig, aber es war immerhin ihre erste Aktion gegen pornografische Bilder. 2004 nahm Alice Schwarzer “Die goldene Feder” der Bauer Verlagsgruppe an – ein Verlag, der kurz vorher den deutschen Playboy verlegt hat. 2007 hat Alice Schwarzer Werbung für die BILD gemacht, 2010 schreibt sie selbst Beiträge für das Boulevardblatt.

Immer wieder wurde in den letzten Jahren Kritik an der Vorzeige-Feministin laut. Jeder neuer, moderner Feminismus („Wellness-Feminismus“) wird von Alice Schwarzer abgelehnt und sie geht noch weiter: „Ich bin mit Verlaub nicht abzulösen!“, stellt Alice Schwarzer 2008 fest. Da scheint es fast ironisch, wenn Frau Schwarzer bei ihrer Vorlesung in Duisburg über mangelnde Solidarität bei Frauen spricht.

Schwarzer: ironisch und humorvoll

Alice Schwarzer sagt von sich selbst, sie sei humorvoller geworden und versuche, Vielem eine Prise Ironie entgegen zu bringen. Sie ist vielleicht eine Über-Feministin, am Ende aber nur eine Durchschnittsfrau. Denn nicht nur sie ist humorvoll: Die meisten jungen Frauen heute sind selbstbewusst und das mit einem Augenzwinkern. Sie können den Mann mal als Macho nehmen und mal als Freund. Aber immer als Mensch.

Innerhalb weniger Tage waren die Karten für Schwarzers Vorlesung vergriffen. Foto: C.Hahn
Innerhalb weniger Tage waren die Karten für Schwarzers Vorlesung vergriffen. Foto: C.Hahn

Und auch wenn Alice Schwarzer oft als verbissen bezeichnet wird: Vor ihrer ausgeprägten Toleranz gegenüber Boulevardmedien konnte man sie wenigstens als Feministin ernst nehmen. Durch ihr Verhalten in den letzten Jahren und insbesondere in den letzten Monaten hat Frau Schwarzer ihr Lebenswerk nach und nach degradiert.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass ausgerechnet ein Mann das Bedürfnis vieler junger Frauen von heute auf den Punkt bringt, wenn Harald Schmidt ironisch anmerkt: “Wir werden nie vergessen, dass sie den Feminismus nach Deutschland gebracht hat, aber aus dem Tagesgeschäft soll sie sich bitte raushalten.”

Wetter und Panik

Früher gab es Wetter. Heute gibt es Panik.

Noch bis vor ein paar Jahren war das mit dem Wetter so: Es kam, man ertrug es stoisch, und dann wurde es wieder anders. Gut, wer an der Küste lebte hatte immer mal ein Auge auf Strumfluten, aber ansonsten? Egal. Das hat sich geändert. Das Wetter ist eine Aneinanderreihung von Katastrophenereignissen geworden: Fällt im Sommer zwei Wochen kein Regen, bekommen wir Berichte von traurigen Bauern zu sehen, die etwas Staub durch ihre Hände rieseln lassen. „Das war mein Acker“ sagen sie mit belegter Stimme in die Kamera und man möchte mit ihnen mehr Mitleid haben als mit den Bewohnern der Sahelzone.

Über banale  Frühjahrs- und Herbststürme wird heute berichtet wie über feindliche Heere. Sturmtief „Dörte“  kommt nicht einfach, nein, es greift an mit dem festen Willen der Vernichtung. Als ob jemand der Dörte heißt mehr vernichten könnte als eine Packung Butterkekse.

In den nächsten Stunden wird es schneien. Das Tief heißt Petra. Mit einer  Petra war ich mal in einer Klasse. Wir haben Winter. Da kommt so was schon einmal vor. Auf DerWesten haben sie einen Liveticker eingerichtet.  Die Unwetterzentrale hat die zweithöchste Warnstufe ausgerufen. Bild prognostiziert 20 Zentimeter Neuschnee. Ach, und es soll Eisregen geben.

Es ist eben Winter. Man bleibt nach Möglichkeit zu Hause. Oder ist vorsichtig. Wie immer, wenn es glatt wird und viel  schneit. Einen Liveticker, der mir meldet, dass irgendein Trottel nach einer Mutprobe mit der Zunge an einem Laternenpfahl hängen geblieben ist, brauche ich nicht.  Ich wünsche mir wieder eine ganz normale Wettervorhersage und keine Frontberichterstattung.