Live-Streaming @ Consciousness

Im September hatte ich zusammen mit meinen Buddies im Kunstmuseum Bochum die 7-Tage-Nonstop-Lesung „Tugend und Laster“ veranstaltet. Das Ganze war als Ruhr.2010-Beitrag (ohne städtische Unterstützung) gedacht und sollte Bochum als „Stadt des Buches“ so ein bisschen profilieren. 168 Stunden wurde durchgelesen. Und so trocken sich das auch anhört, wurde es doch überraschend geil. Nun ist das Buch zur Lesung erschienen. Gedacht als Würdigung aller Beteiligten, besticht es vor allem durch seine Essays. Mir kam die Ehre zuteil, über das Phänomen des Live-Streamings einen (wissenschaftlichen) Beitrag zu verfassen, der im Folgenden kostenfrei zugänglich gemacht werden soll. Digital Natives und Hacktivisten können getrost weiterklicken, denn Neuigkeiten werden dort nicht ausgeplaudert. Vielmehr dokumentiert der Text einmal mehr meinen Unwillen, einem breiteren Publikum mit der nötigen Ernsthaftigkeit entgegenzutreten und generiert – so will ich hoffen – ein gewisses Lesevergnügen.

Eine Tour de Force durch das digitale Dickicht

„Bitte setzten Sie sich so, dass die Kamera Sie sehen kann.“ – Auf der Bühne des Museums Bochum herrschte das Gebot des Blickwinkels. Schließlich wurde die Marathonlesung mittels Webcam ununterbrochen im Internet übertragen. Die Tugend-und-Laster-Lesung war ein lokales Event, an dem die ganze Welt teilnehmen konnte. So kam es nachweislich zu Grußbotschaften aus Paris, Genua, Detroit und Amsterdam. Meine Mutter beglückwünschte mich zu meiner nächtlichen Ellis-Performance via SMS aus Peking, wo sie „zeitgleich“ ein interkulturelles Seminar gab. Wahnsinn. Möglich gemacht hat dieses globale Happening der lokale Kultur-Podcast Ebland. Dazu waren im Vorfeld einige Hürden zu nehmen. So musste beispielsweise noch am Morgen der Auftaktveranstaltung ein leistungsstarker DSL-3000-Internetzugang (50 Meter LAN-Kabel) ins Museum gelegt werden, die Upload-Rate wurde auf 500 kbit/s erweitert. Groß war die Aufregung, das Ergebnis umso zufriedenstellender. Dank des unermüdlichen Engagements der Ebländerinnen Dorette Gonschorek und Britta Maas entstand von der siebentägigen Nonstop-Lesung ein Bild, das sich (weltweit) sehen lassen konnte.

Dabei war der Erfolg des Streamings keineswegs vorhersehbar. Unlängst flankierte der junge niederländische Künstler Dries Verhoeven die Premierenoffensive der neuen Weber-Intendanz am Schauspielhaus Bochum mit einer gewaltigen Life-Streaming-Inszenierung. Ein mobiles Internet-Café wurde auf dem Platz vor dem Theater aufgefahren, zwanzig Darsteller weltweit vernetzt. Die Kritiker sprachen von einem Flop, die Wohlgesinnteren von der Schönheit der Idee. Und auch Resultat der Ruhr.2010-Babel-Vernetzung im Rahmen des ambitionierten Henze-Projektes war ernüchternd. Laut Insiderinformationen seien immense Kosten von ungefähr 20.000 € allein für das Live-Streaming angefallen, dann kam es während der Vernetzung der Kulturstadt-Kirchen zu Übertragungsausfällen. Ja, der Erfolg ist nicht vorprogrammiert, wenn gestreamt wird, und was diese beiden Beispiele belegen, ist, dass Live-Streaming vor allem eines voraussetzt: Risikobereitschaft. Doch wie schreibt man stilsicher über das Phänomen des Live-Streamings? Richtig – im Stream of Consciousness. Fangen wir doch gleich damit an.

Fernrohre, Linsen, Lichtkegel

Der erste Eindruck von der Webcam war desillusionierend: die Logitech Quickcam pro 9000 sah aus wie ein schlecht designtes Babyphone. Wer eine große Kamera erwartet hatte, wurde enttäuscht. Wäre die permanente Übertragungsleistung nicht auf dem Monitor links neben der Lesebühne sichtbar gewesen, wer hätte an die Leistungsfähigkeit der Kamera geglaubt? Doch es lief. Vom Anfang bis zum Ende konnte die Lesung auf der Site des Kultur-Podcastes verfolgt werden; die Homepage der Literarischen Gesellschaft Bochum bot einen entsprechenden Link an. Ein digitales Labsal, besonders wenn einmal der Publikumsansturm ausblieb. Gerade in den langen, mitunter einsamen Nächten war, neben der genialen Graupensuppe, die Daniel Birkner von der Gesellschaft Harmonie gestiftet hatte, das Live-Streaming ein großer Trost. Meine Ellis-Performance fand um 4 Uhr in der Nacht statt. Das Publikum: vier junge Frauen, die ich mit meinen schauderhaften American-Psycho-Passagen bereits nach zehn Minuten vergrault hatte. Doch las ich weiter, da ich wusste, dass immerhin Jasmijn und Lieke in Amsterdam, meine Mutter in Peking, ja sogar der ehrenwerte Professor Durand vom Collège La Guicharde in Sanary-sur-Mer online sein würden – und wer weiß, wer noch? An all diese lieben Menschen musste ich denken, als ich in das kalte Auge der Kamera sprach, hinter der sich die Weite des leeren Auditoriums im Nirgendwo verlor. Die Welt war immer im Raum. Umso größer war naturgemäß die Sorge, wenn die Live-Übertragung auf dem Monitor einmal ausfiel. Mehrmals mussten Dorette Gonschorek und Britta Maas mitten in der Nacht via BlackBerry geweckt werden, um die größten Bedenken aufzuheben. Nein, kein Übertragungsfehler, nur ein Problem mit dem Monitor. Aha. Die Nerven lagen trotzdem blank. – Man hatte sich abhängig gemacht. Ohne Live-Streaming vorzutragen war undenkbar geworden, vor allem in den Nächten.

Die Logitech Quickcam pro 9000 war immer dabei.

Doch auch an den Tagen erfreute sich die kleine Logitech Quickcam pro 9000 größter Beliebtheit. Auch heute, mehrere Wochen nach dem Lesemarathon, kommt es bei der Literarischen Gesellschaft immer wieder zu Anfragen der Teilnehmer, ob man ihnen ihren Beitrag nicht gesondert auf DVD zukommen lassen könnte. Die Euphorie könnte nicht größer sein, was natürlich super ist, aber gleichsam auch Fragen aufwirft. Woher kommt diese Affirmation gegenüber der Webcam? Das Wort „Kamera“ ist ja durchaus nicht nur positiv belegt. Vielmehr schwingt im semantischen Kraftfeld auch immer die Dimension der Repression mit. Im öffentlichen Raum wird vor Kameras gewarnt. Die Privatsphäre wurde zugunsten der Sicherheitsbedenken geopfert. Zwar hat der Grad der Überwachung in Deutschland noch nicht das Ausmaß Englands erreicht, wo mittlerweile jeder Hinterhof kameratechnisch erfasst ist, doch auch hierzulande sorgt die anwachsende Kontrolle der Kameras für Unmut. Wie brisant dieses Thema ist, zeigten unlängst die Proteste gegenüber „Google Street View“ und auch die globale Vogelperspektive von „Google Earth“ wird nicht von jedem Zeitgenossen begrüßt. Die Angst vor der Kamera ist nicht unbegründet. Hören wir dazu doch einmal unseren Experten vom Collège de France:

Neben der großen Technologie der Fernrohre, der Linsen, der Lichtkegel, die mit der Gründung der neuen Physik und Kosmologie Hand in Hand ging, entstanden die kleinen Techniken der vielfältigen und überkreuzten Überwachungen, der Blicke, die sehen, ohne gesehen zu werden; eine lichtscheue Kunst des Lichtes und der Sichtbarkeit hat unbemerkt in den Unterwerfungstechniken und Ausnutzungsverfahren ein neues Wissen über den Menschen angebahnt. (Michel Foucault: Überwachen und Strafen)

Eine ganze Welt soll digital gerastert werden. Die permanente Sichtbarwerdung von allem unterminiert die Nischen und leistet den Normierungsstrategien Vorschub. Eine überwachte Welt ist eine arme Welt. Pluralität, Improvisation und auch Kreativität werden geopfert auf den Altären der viralen Ängste. Allein Anpassungsleistungen garantieren die persönliche Aufhebung im Auge der Kamera und suggerieren den Schein von Privatsphäre. Ein totalitäres Endzeitszenario, das George Orwell nicht besser hätte beschreiben können. Aber ist der Zustand der westlichen Hemisphäre wirklich so hoffnungslos? Mitnichten. Vielmehr ist es zum Trend geworden, den Repressionen, wie sie uns im Alltag begegnen, affirmativ entgegenzutreten. Stichwort: Industriekultur – dort, wo einst ausgebeutet und entfremdet wurde, wird heute gespielt und gefeiert. Die Kamera ist immer dabei. SmartPhones drehen kleine Videoclips und über YouTube reproduziert sich das Event tausendfach. Was einst Ausdruck totalitären Machtanspruches war, will heutzutage oft nichts weiter sein als Entertainment. Das Monopol der Unterwerfungstechniken und Ausnutzungsverfahren wird durch eine ausufernde Bilderflut, die nicht gewaltiger sein könnte, gebrochen. Längst hat sich eine Gegenöffentlichkeit etabliert, deren wichtigster Kronzeuge gegenwärtig die Internet-Plattform WikiLeaks des australischen Programmierers Julian Assange sein dürfte. Durch die anonyme Veröffentlichung höchst pikanter Dokumente (Stichwort: US-Depeschen) drehte WikiLeaks das Prinzip der Sichtbarkeit um, respektive: im digitalen Dickicht demokratisierte sich das Repressionsmoment der Überwachung. Doch bei allem Euphemismus sollte nicht vergessen werden, dass dieses Repressionsmoment nicht vollständig demokratisiert, geschweige denn aufgehoben wurde. Immerhin wurden durch das Internet Brücken geschlagen. So verstanden, steht jede neue Webcam für einen weiteren Schritt in eine menschenwürdigere Zukunft.

Die Esoterik-Keule am Bühnenrand

Doch auch auf der Ebene der Subjektkonstitution sind Fortschritte zu beobachten. Denn es ist eben nicht nur so, dass der vermeintlich kalte Blick der Kamera ausschließlich sein Objekt ausliefert, vielmehr kommt es zu reziproken Strategien, da sich das Subjekt im Spiegel der Kameralinse selbst erkennen kann. Sprachen wir einst mit Jacques Lacan vom Spiegelstadium, so sprechen wir heute von der Showtime, denn medientheoretisch ist der Körper ein Projektionsapparat:

Prinzipiell ist dabei die Auffassung, dass man vermittelst eines jeden Apparates, der Schwingungen des Äthers (Licht in unserem Falle) aufzunehmen vermag, umgekehrt auch Schwingungen des Äthers (Licht) produzieren kann oder dass man mit einem Apparat, der für Schwingungen der Luft (Töne) empfindlich ist, auch wieder Schwingungen der Luft (Töne) hervorbringen kann. (Ludwig Staudenmaier: Die Magie als experimentelle Naturwissenschaft)

So. Fehlt noch was? – Ach ja, die Ontologie. Das Sein steckt in unserem Beispiel natürlich in den Texten selbst, schockgefroren sozusagen. Hier bedarf es der Axt. Beim Vortragen geht der Lesende mit der Axt in den Text hinein und bricht ihn auf. Das kann mal zart, mal hart von statten gehen. Allerdings sollte man nicht allzu zimperlich sein, schließlich soll der Text Funken schlagen. Handelt es sich nun um einen „guten“ Text, dann ist er ontologisch aufgeladen und es kommt zu Synergie-Effekten mit dem Vortragenden, die zusätzlich befeuert werden vom Rauschen der Welt, hineingelassen durch die digitale Schnittstelle der Webcam. Einfach zauberhaft. Und jenen Kritikern, die jetzt mit der Esoterik-Keule am Bühnenrand drohen, sei erwidert, dass all das ja wirklich geschehen ist im Museum Bochum auf der Lesebühne. Als ich um 4 Uhr nachts meine schauderhaften American-Psycho-Passagen vortrug, war ich gleichzeitig der Vortragende Carsten Marc Pfeffer, der Autor Bret Easton Ellis sowie der Protagonist Patrick Bateman. Ein ontologischer Super-Gau als Produkt aus Text, Performance und Webcam. Und wenn ich nun anführe, dass mich am folgenden Tag der geniale Regisseur Hans Dreher, der meine Performance ebenfalls im Live-Stream gesehen hatte, anrief und mir die Rolle des Ellis in seinem neuen Theaterstück anbot, dann tue ich das nicht, um meine Eitelkeit, deren größtes Opfer ich ja selbst bin, weiterhin zu befeuern, sondern allein, um meine Thesen zu untermauern. Bald schon werden alle Lesungen über Live-Streaming im Internet übertragen werden, weil kein Veranstalter mehr auf den ontologischen Zauber der Webcam wird verzichten wollen.

Doch gab es auch Probleme. Denn leider müssen wir Jacques Derrida recht geben, wenn er sagt: „Das Zentrum ist nicht das Zentrum.“ – Ja, es gab Leerstellen. Was heißt beispielsweise „Direktübertragung“, wenn die Bilder zeitverzögert im Internet sichtbar werden? Oder wie verhält es sich mit dem begrenzten Blickwinkel der Webcam? – Ungeheuerliches trat zutage. So wurden die Vortragenden immer nur aus dem Off anmoderiert, derweil sie selbst bereits am Lesepult vor dem Objektiv der statischen Webcam saßen. Wie leicht hätte man dieses Manko mit einem beherzten Kameraschwenk, oder besser noch: einer zweiten Kamera beheben können? Aber wie hätte all das organisiert werden sollen? Allein vier Personen (Museumspersonal miteingerechnet) waren nötig gewesen, um den ordnungsgemäßen Betrieb der Nonstop-Lesung zu gewährleisten, und das 24 Stunden am Tag. Besonders in den Nächten wäre es unverantwortlich gewesen, für einen „Kameraschwenk“ weitere Kräfte hinzuzuziehen. Oft ging es so hoch her, dass sogar die Graupensuppenausgabe im Museumsfoyer vernachlässigt werden musste. So kam es vor, dass ein Gast eine Graupensuppe essen wollte, sich jedoch niemand einfand, ihm diese auszuschenken, weil das Team zu diesem Zeitpunkt mit Organisationsproblemen beschäftigt war. Oft musste umdisponiert und eingesprungen werden. Jedes Mitglied des Organisationsteam ging bis an seine Grenzen und oft auch darüber hinaus. Permanenter Schlafentzug einhergehend mit Schwindel und Fieber waren keine Seltenheit. Vor diesem Hintergrund von einem „Kameraschwenk“ zu reden, wäre grob fahrlässig gewesen.

Das Monopol der Graupensuppe

Doch wollen wir uns angesichts der gelungenen Veranstaltung nicht in Larmoyanz ergehen, sondern einen letzten Blick durch das Auge der Webcam wagen und über die digitale Schnittstelle hinausgehen. Brechen wir also auf ins dezentralisierte Rhizom, ins rhizomatische Labyrinth. Willkommen im Web 2.0, einem Ort, der wie kein anderer, den Status der Ruhrgebietsliteratur in all seiner Vielseitigkeit verkörpert. Denn hier gibt es kein Zentrum, was zählt, das sind allein die Aufmerksamkeitsökonomien. Nur keine Angst, öffnen Sie sich. Lassen Sie die ganze Welt an ihrem Alltag, Projekten und Freundschaftkreisen teilhaben. Social Networks wie der Marktriese Facebook garantieren Ihnen Tuchfühlung zu ihren Freunden, selbst wenn diese soeben den Himalaya besteigen. Verlinken Sie den Live-Stream der Nonstop-Lesung auf ihrem Account. Posten sie ihre Tweets, Smart-Phone-Filmchen oder den neusten Song, den Sie letzte Nacht in einem Anfall von sentimentaler Verzweiflung in das Studio-App ihres IPhones gesungen haben. Verschenken Sie sich. Aber bitte vergessen Sie dabei nicht Sartres Satz von der Selbstverleugnung: „Wenn meine Beziehungen schlecht sind, begebe ich mich in die totale Abhängigkeit von anderen. Und dann bin ich tatsächlich in der Hölle.“ – Also: bleiben Sie bei allem, was sie posten, Sie selbst dabei. Und bitte vergessen Sie Marshall McLuhan – nicht das Medium ist die Botschaft, sondern Sie selbst sind es. Arbeiten Sie an ihrer Performance, denn Sie selbst sind das Geschenk, das Sie der Welt bereiten, und dieses Geschenk sollte von Herzen kommen. In 15 Minuten ist ihr Auftritt. Hölderlin, sagen Sie? Den ganzen Hyperion in zwei Stunden? Das wird ja eine richtige Tour de Force. Ja freilich, das Ganze wird live im Internet übertragen. Ach, Sie haben Freunde im Ausland. Und die schauen zu? Na, die werden sich aber freuen. Stärken Sie sich zuvor im Museumsfoyer mit einer Graupensuppe. Sie ist wirklich gut. Wie bei Proust die Madeleine führte sie bei mir zu einem Epiphanie-Erlebnis. Gleich beim ersten Löffel musste ich an meine leider verstorbene Großmutter und ihre Eintöpfe denken. Ich war ganz verliebt in diese wohldosierte Traurigkeit, so dass ich, immer bevor ich zum Lesen auf die Bühne ging, einen Teller Graupensuppe aß. Immer wenn ich die Lesebühne betrat, hatte ich alles losgelassen. Nur so erreichte ich die höchste Interpretationsleistung der Texte, was mir wichtig war, schließlich war meine Performance auf der ganzen Welt potentiell sichtbar. Epiphanie kann hilfreich sein, egal ob mit oder ohne Kamera. Wobei mit Kamera – wir sagen „Webcam“ – natürlich schöner ist, wegen der Realpräsenz der Bilder. Der französische Filmkritiker André Bazin ging sogar soweit, an ein Transsubstantiationsmoment der Bilder zu glauben. Die Heiligkeit der Bilder… – Vielleicht reden wir später darüber weiter, jetzt müssen Sie auf die Bühne. Bitte setzten Sie sich so, dass die Kamera Sie sehen kann.

Dortmund: Anti-Nazi Demo am Samstag

Am vergangenen Wochenende überfielen Nazis das Dortmunder Szene-Lolak Hirsch-Q. Am Samstag wird gegen den Überfall protestiert.

Das Dortmunder Antifa Bündnis (DAB) ruft deshalb am kommenden Samstag, den 18. Dezember, um 16.00 Uhr zu einer Demonstration auf. Die Demo startet an der Katharinenstraße Ecke Kampstraße.

Aus dem Aufruf:

Es darf nicht sein, dass in Dortmund wieder Menschen durch anhaltenden Naziterror vertrieben werden: Nachdem im letzten Jahr eine Familie aus dem Stadtteil Dorstfeld wegziehen musste, geht es diesmal um die „Hirsch Q“ im Brückstraßenviertel. Nach dem Naziangriff überlegt der Betreiber der „Hirsch Q“ seine Kneipe zu schließen, da er es nicht mehr verantworten könne, dass seine Gäste um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten müssten. „Wir möchten die Demonstration deshalb auch dazu nutzen, die angrenzenden Kneipen und Geschäfte in der Brückstraße dazu aufzufordern, ein deutliches Zeichen der Solidarität mit der „Hirsch Q“ zu setzen,“ so Piehl weiter. „Wir schließen uns deshalb der Mahnung an,
die an der seit Sonntag geschlossenen Kneipe zu lesen ist: „Muss erst
wieder ein Mensch sterben?“

Zusätzliche Brisanz gewinnt der Überfall dadurch, dass sich unter den
angreifenden Neonazis auch Sven Kahlin, der Mörder des 2005 von ihm erstochenen Punkers Thomas „Schmuddel“ Schulz, befand. Kahlin, der nach dem Mord zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war, ist vor wenigen Wochen vorzeitig entlassen worden. Seitdem ist er verstärkt in der rechten Szene aktiv und trat als Redner beim Naziaufmarsch am 23. Oktober in Hamm auf. Außerdem nahm er an Nazidemos am 17.10. in Leipzig und am 4.12. in Dortmund teil.“

Mehr infos auf der Seite des Dortmunder Antifa Bündnis

Der Ruhrpilot

JMStV: …vor dem Aus…Telepolis

JMStV II: Staatsvertrag scheitert am Widerstand im Netz…Focus

JMStV III: Keiner will’s gewesen sein…taz

JMStV III: Parteien blamieren sich mit Jugendschutz-Vertrag…Spiegel

NRW: Landtag beschließt Abschaffung der Kopfnoten…Bild

Duisburg: Lüpertz tadelt Ruhr.2010 und die Küppersmühle…Der Westen

Duisburg II: Politiker ließen sich von Sauerland nicht ehren…Der Westen

Gelsenkirchen: Herkules auf dem Zechenturm…RP Online

Dortmund: PCB-Skandal um Envio – NRW-Minister in der Pflicht…Der Westen

Dortmund: Dortmundleaks…Ruhr Nachrichten

Essen: Zollverein lockt 2,2 Millionen Besucher an…Der Westen

Umland: Gemeinschaftsschule im Siegerland…Zoom

Internet: Das Ende des sorgenfreien Surfens…Netzwertig

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Pottblog & Ruhrbarone: JMStV-Party im Freibeuter

Auch wenn mit dem Aus für den JSMtV nicht alle Probleme gelöst sind – heute darf gefeiert werden.

In Absprache mit Jens vom Pottblog, der gerade in Düsseldorf ein wahrscheinlich ziemlich spektakuläres Interview führt, möchten wir, die Blogs Ruhrbarone und Pottblog, heute Abend zu einer kleinen JMStV-Party in den Freibeuter in Bochum einladen. Los geht es um 21.00 Uhr – dann wird Jens auch aus Düsseldorf zurück sein.

Bei aller Euphorie sei auf einen interessanten Text bei Netzpolitik verwiesen. Dort wird aufgezeigt, dass Nach dem Vergnügen die Arbeit kommt. Aber das ist morgen. Heute ist erst einmal vergnügen angesagt.

Freibeuter
Kortumstr.2-4
44787 Bochum

Pressefreiheit in Europa im Abwärtstrend

Als Berlusconi gestern (wieder mal) eine Vertrauensabstimmung im italienischen Parlament gewonnen hatte, erinnerte man sich daran, dass der Ministerpräsident nicht nur über die finanziellen Möglichkeiten verfügt, den einen oder die andere Abgeordnete zu kaufen, sondern dass er die drei größten Fernsehstationen schon vor langer Zeit gekauft hatte. Da der Regierungschef zudem über einen erheblichen Einfluss auf die drei staatlichen TV-Sender verfügt, hören und sehen die Italiener auf allen Kanälen Tag für Tag, was für ein toller Hecht ihr Berlusconi ist. Und die Italiener sehen nun einmal lieber fern, als Zeitung zu lesen. Auf einer Werbeseite für Italien heißt es ganz unbefangen: „Generell wird in Italien aber weniger Zeitung gelesen als im europäischen Vergleich, Fernsehen und Radio spielen dagegen eine größere Rolle.“

Dass es um die Pressefreiheit in Italien nicht zum Besten bestellt ist, hat keinen großen Neuigkeitswert. Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit, die die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ jedes Jahr erstellt, belegt Italien gegenwärtig den 49. Platz – gemeinsam mit Burkina Faso. Wer annimmt, bei Italien handele es sich um einen bedauerlichen Sonderfall, übersieht, dass zwar 13 der 27 EU-Mitgliedsstaaten unter den Top 20 vertreten sind, die anderen 14 aber deutlich weiter unten rangieren. Wer sich damit tröstet, dass es sich bei diesen 14 Staaten vorwiegend um osteuropäische Länder handelt, hat den Charakter der „Wertegemeinschaft“ Europäische Union nicht ganz verstanden – aber auch nicht ganz Unrecht.

Denn tatsächlich ist es um die Pressefreiheit in den nord- und westeuropäischen Ländern deutlich besser bestellt als in den süd- und osteuropäischen. Die skandinavischen Staaten Finnland, Island, Norwegen und Schweden stehen auf Platz Eins der Liste, ebenso wie die Niederlande und die Schweiz. Auch Österreich rangiert nur knapp hinter dieser Spitzengruppe. Deutschland ist auf dem 17. Platz schon ziemlich abgeschlagen; aber es ist noch ein recht ordentliches Ergebnis. 4,25 Punkte auf der Skala von 0 (die Spitzengruppe), Österreich hat 0,5 Punkte usw.: je mehr Punkte, desto weniger Pressefreiheit. Bis hin zu Nordkorea (104,75 Punkte), nur noch übertroffen von Eritrea (105 Punkte).

Verglichen damit sieht es freilich mit der Pressefreiheit gut aus in Europa. Aber will man sich damit vergleichen? Italien belegt – wie gesagt – den 49. Platz – von 178 Staaten, mit 15 Punkten. Und richtig: eine Reihe von südosteuropäischen Ländern ist noch schlechter platziert. Allein schon deshalb lassen sich die Defizite bei der Pressefreiheit nicht als italienischer „Sonderfall“ abtun. Überall in Europa geht es gegenwärtig abwärts. „Reporter ohne Grenzen“ warnt, dass die Europäische Union Gefahr laufe, ihre Führungsposition bei der Wahrung der Pressefreiheit einzubüßen. Bei der Präsentation des diesjährigen Berichts im Oktober erklärte ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard gar: „Wenn die EU-Staaten keine Anstrengungen unternehmen, setzen sie ihre weltweit führende Position bei der Einhaltung von Menschenrechten aufs Spiel. Die europäischen Staaten müssen dringend ihre Vorbildfunktion wiedererlangen.“

Besonders besorgniserregend dabei: „Mehr denn je sehen wir, dass die wirtschaftliche Entwicklung, institutionelle Reformen und die Achtung der Grundrechte nicht unbedingt zusammen gehen „, so Julliard weiter. In einem Land zum Beispiel wird regelmäßig der übliche Genehmigungsweg außer Kraft gesetzt, wenn sich Geheimdienst und Polizei die Telefonrechnungen von Journalisten schicken lassen. Dabei berufen sich die Staatsorgane auf den gesetzlich geregelten Fall, dass „nationale Interessen“ berührt sind, womit sie eine „unabhängige Kommission“ ausschalten, die eigentlich jeden Zugriff genehmigen müsste. Stattdessen bespitzelt der Geheimdienst die Journalisten einfach so, erstellt anhand von GPS-Daten Bewegungsprofile, überwacht Handytelefonate und organisiert Einbrüche in Redaktionsbüros. Die wichtigen Posten in Medienunternehmen sind an persönliche Freunde des Staatspräsidenten vergeben, die wenigen unabhängigen Journalisten werden mit allen Mitteln in ihrer Arbeit behindert, nicht zuletzt auch deshalb, um die persönlichen Machenschaften des Präsidenten zu kaschieren.

Dabei handelt es sich bei diesem Land um eine der ältesten Demokratien Europas. Es liegt in Westeuropa, gehört zur EU, sogar zum Euroraum. Doch seit der gegenwärtige Präsident an der Macht ist, haben sich die Arbeitsbedingungen für Journalisten dramatisch verschlechtert. Jetzt rangiert das Land auf dem Index für Pressefreiheit hinter Ghana, Namibia und Papua Neuguinea. Es handelt sich um unseren großen Nachbarn im Westen. Auch das ARD-Magazin „ttt“ hatte kürzlich über die erschreckenden Bedingungen für Journalisten in Frankreich berichtet.

JMStV: Problembär Beck droht mit Sperrverfügungen

Kurt Becks rheinland-pfälzische Landesregierung hat den JMStV entworfen. Auf sein drohendes Aus reagiert der einstieg SPD-Vorsitzende mit Drohungen.

In einem  Text auf der Internetseite des Landes Rheinland-Pfalz zeigt sich Problembär Beck wütend über das Aus für den Jugendmedienschutzstaatsvertrag:

„Denn mit der Verweigerung der Zustimmung würde eine einmalige Chance vertan, mit freiwilligen Alterskennzeichnungen und den Einsatz von Jugendschutzprogrammen Kinder und Jugendliche vor verstörenden Inhalten im Netz zu schützen und gleichzeitig die Kommunikationsfreiheit der erwachsenen Nutzer zu erhalten.“

Und weil Beck es auch nicht mit der Selbstkritik hat, beginnt er zu drohen:

„Falls die Novellierung scheitert, wird der Weg der koregulierten Selbstregulierung nicht weiter beschritten, so dass die staatliche Regulierung von oben Platz greifen wird. Basierend auf den derzeitigen rechtlichen Grundlagen werden die Jugendschutzbehörden Sperrverfügungen erlassen.“

Beck ist ein alter Mann, der in der Gegenwart noch nicht angekommen ist. Er hält am Bild eines paternalistischen Staates fest, der so wie er ihn kannte, heute nicht mehr funktionieren kann. Und er sieht nicht, dass sein Kurs die SPD ins netzpolitische Abseits führte. Die SPD tut gut daran, Leute wie ihn und Eumann nichts mehr zum Thema Medien sagen zu lassen. Weinbau und Subventionsverschwendung beim Nürburgring sind doch auch sehr schöne Themen.

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JMStV-Aus: Die rot-grünen Verlierer

So sehen Verlierer aus_ Marc Jan Eumann, Staatssekretär im Ministerium für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien Foto: Landtag NRW

Der JMStV ist Geschichte. Morgen wird der NRW-Landtag seine Zustimmung zu dem Vertrag nicht erteilen. Alle Fraktionen sind gegen seine Ratifizierung. Es hätte eine große Stunde für die Netzpolitiker von Grünen und SPD sein können. Es wurde die große Stunde der Union. Bleibt das ohne Konsequenzen?

Es war das erste große Projekt von Marc Jan Eumann (SPD). Der NRW-Medienstaatsekretär wollte den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag in der letzten Sitzung des Landtages im Jahr 2010 durchbekommen. Eumann stand hinter dem Vertrag und es sah lange Zeit so aus, als ob er Erfolg haben würde. Der Ober-Netzpolitiker der NRW-Grünen, der Landtagsabgeordnete Matthias Bolte war bereit zuzustimmen – aus staatspolitischer Verantwortung.

Nun sind beide gescheitert: Eumann ist als Staatsekretär für die Niederlage verantwortlich. Er hätte die Chance gehabt, die rot-grüne Landesregierung im Bereich der Netzpolitik modern aufzustellen. Die Grundlage dazu hatten Menschen wie Jens Matheuszik vom Pottblog durch ihre Mitarbeit am Landtagswahlprogramm gelegt. Eumann verpasste die Chance, gab der Union ohne Not die Möglichkeit sich politisch zu profilieren und hat sich damit selbst disqualifiziert.

Dass er, als Vorsitzender der SPD-Medienkommission auch noch den Netzsperren-Befürworter , Musik-Lobbyisten und CDU-Sachverständigen  Dieter Gorny als Berater in die Kommission holte, zeigt, das Eumann im Moment der größte Ballast der Medien- und Netzpolitik der SPD ist. Ein Ballast, den die Sozialdemokraten möglichst schnell abwerfen sollten.

Als heillos überfordert erwies sich auch der Grüne Matthias Bolte. Früh ging er auf den Kurs von Eumann  ein. Seine Erklärung, man müsse dem Gesetz aus staatspolitischer Verantwortung zustimmen, war zu keinem Zeitpunkt mehr als aufgeblasenes Geschwätz, um die eigene Schwäche zu verdecken. Das ausgerechnet die Union und die FDP, deren Landesregierung ja an der Entstehung der Vertrages beteiligt waren, gemeinsam mir der Linkspartei Bolte eine Lektion zum Thema „Unabhängigkeit des Parlaments“ erteilen mussten ist  peinlich. Das spürt man im Magen die Bedeutung des Wortes Fremdschämen.

Bolte und Eumann haben ihren Parteien geschadet. Der eine, Eumann, aus Überzeugung, der andere, Bolte, aus purem Opportunismus.

Versager auf ihren Politikfeldern sind sie beide.

Obdachlosenmagazin Bodo sucht neue Räume

Das Obdachlosenmagazin Bodo sucht neue Räume. Und langsam wird es eng.

Noch haben der Redaktion und der Verein des Obdachlosenmagazins Bodo Räume im Hochbunker am Springerplatz in Bochum. Doch der wird renoviert, alle Mieter müssen raus. Schon seit längerem such Bodo neue Räume – scheiterte aber bislang an der Ignoranz der Vermieter.

Jetzt hat Bodo noch sechs Wochen Zeit, neue Büros zu finden. Wenn jemand etwas weiß, kann er sich ja bei dem Verein melden. Übrigens: Bodo ist mittlerweile ein richtig gutes Magazin geworden. Schöne Reportagen, ein breites Themenspektrum – unter der Leitung von Bastian Pütter hat sich Bodo sehr gut entwickelt. Damit gibt es mehrere gute Gründe, Bodo zu kaufen.

Kontakt:

www.bodoev.de