Envio: Gute Zukunftsaussichten mit PCB

In einem Spielcasino in Dortmund fand die Jahreshauptversammlung des Skandalunternehmens Envio statt. Die Konzernleitung verbreitete Optimismus.

Gegen Dr. Dirk Neupert  ermittelt die Staatsanwaltschaft Dortmund wegen Körperverletzung und Umweltverbrechen. Eine mittlerweile insolvente Tochterfirma des Konzerns, die Envio Recycling GmbH & Co. KG soll über Jahre hinweg Mitarbeiter und Umwelt mit hochgiftigem PCB verseucht haben. Die Behörden haben das Unternehmen längst dicht gemacht. Das alles scheint Neupert, den Vorstandsvorsitzenden der Envio AG nicht weiter zu berühren.

Entspannt sitzt er im Dortmunder Casino Hohensyburg und hält Hof.

Gut 30 Aktionäre haben sich in einem Kongressraum des Casinos versammelt. Das Motto der Jahreshauptversammlung: „Wertvolles verwerten – wir bieten Speziallösungen im Umweltsektor.“

Vor der Jahreshauptversammlung lief so beinahe alles schief, was schief laufen konnte: Weder war den Aktionären der Geschäftsbericht für das Jahr 2009 rechtzeitig zugesandt worden noch kamen sie in den Genuss, den Bericht des Aufsichtsrates vorher in Augenschein nehmen zu können.

Dabei gab es viel zu erklären. Zum Beispiel den Kurs der Aktie: Innerhalb eines Jahres ist der von 4,65 Euro auf klägliche 49 Cent gefallen. Die Schlagzeilen, die der PCB-Skandal machte, haben dem Unternehmen geschadet.

In seinen weitschweifigen Ausführungen geht Envio-Vorstandschef Neupert darauf nur am Rande ein: Es gäbe ein laufendes Ermittlungsverfahren. Zu denen könne er sich nicht äußern. Das Unternehmen arbeite mit den Behörden zusammen und sei an einer Aufklärung interessiert.

Anstatt zurückzuschauen blickt Neupert lieber in die Zukunft. Und die eröffne Envio viele Chancen: „Noch bis in das übernächste Jahrzehnt wird es einen großen Markt für ein Unternehmen wie Envio geben. Wir sind das einzige Unternehmen, das sich auf die Aufbereitung von PCB-belasteten Transformatoren spezialisiert hat. Für unsere Wettbewerber ist das ein Nebengeschäft.“

Ihnen Fehler der technologische Hintergrund, sie kämen aus  der Entsorgungsbranche.

Wachsen soll Envio allerdings vor allem im Ausland. Neupert hat den geschlossenen Standort Dortmund noch nicht aufgegeben, aber Geld soll vor allem in Asien und Südosteuropa verdient werden. Ein gemeinsames Projekt  mit der bundeseigenen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Mazedonien brachte Envio einen Auftrag und einen gemeinsam finanzierten Werbefilm mit dem schönen Titel „Knock Out For PCB“.

In Südkorea ist man schon aktiv. Eine eigene Anlage zur PCB-Aufbereitung hat dort ihre Arbeit aufgenommen. In Kasachstan ist der Konzern mit 25 Prozent an der Envio Kasachstan GmbH beteiligt.

Ungünstig für den Konzern: Der Dortmunder PCB-Skandal hat längst eine internationale Dimension erreicht. So waren die Machenschaften Envios Thema des „Second meeting of the Advisory Committee of the PCBs Elimination Network“, das Ende November auf Jamaika stattfand.

Neupert weiß das und versucht, hinter den Kulissen zu retten, was zu retten ist. In Briefen an Umweltminister Norbert Röttgen beklagt er sich über die Landesregierung in NRW.

Auch während der Jahreshauptversammlung findet er klare Worte. Nicht zu eignen Vergehen, sondern über die Presse, die Politik in Dortmund und die Behörden. Sie alle seien unfair mit Envio umgegangen, hätten Vorverurteilungen veröffentlicht. Man behalte sich vor, dagegen zu klagen. Aber nicht in Dortmund: „Dort sehe ich keine Chance auf ein faires Verfahren.“

Das soll, wenn denn den Ankündigungen Taten folgen, von Hamburg aus angestrebt werden. Dorthin will Envio auch den Unternehmenssitz verlegen.

Überhaupt ist man bestrebt, Dortmund und den PCB-Skandal hinter sich zu lassen. Durch die Insolvenz der Dortmunder Tochter gelang es, die Millionenkosten der Sanierung des Betriebsgeländes auf den Steuerzahler abzuwenden.

Und schon im Sommer hatte man das Tochterunternehmen Envio-Gas in Bebra-Biogas umbenannt. Das soll nun an die Börse gehen. Die Aktionärsstruktur soll gleich bleiben. Für 100 Envio-Aktien gibt es für die Altaktionäre eine Bebra-Biogas Aktie.

Und natürlich sieht auch die Zukunft von Bebra-Biogas gut aus: In Südkorea will man Bauern kleine, hocheffiziente Biogasanlagen verkaufen. Bislang hat man das zwar kaum geschafft, aber, wird den Aktionären erklärt, bald werde die Regierung ein „Green Village“ Programm auflegen. Hunderte von Dörfern sollen dann ihre Energie zumindest zum Teil selbst erzeugen. Und Bebra-Biogas hätte gute Chancen, von diesem Programm zu profitieren.

Auch in Deutschland, war sich die Konzernleitung sicher, wird das Geschäft bald anspringen. In den nächsten Wochen würde man zahlreiche Anlagen verkaufen. Im Herbst sei das nicht möglich gewesen. Dann säßen die Bauern auf ihren Treckern und hätten für Verkaufsgespräche keine Zeit.

Den Ausführungen der Unternehmensspitze mochten nicht alle Anwesenden folgen: Andrew Murphy vom  Finanzhauses Murphy&Spitz war angesichts des PCB-Skandals enttäuscht von Neuperts Ansprache: „Ich hätte erwartet, dass Sie ein Geständnis ablegen“

Und Thomas Hechtfischer, der Landesgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz war von den Aussichten von Bebra-Biogas nicht begeistert: „Bauer sucht Bebra? Ich weiß nicht.“

Immerhin: Der Vorstand wurde auf Vorschlag des Aufsichtsrates nicht entlastet. Bei anderen Unternehmen wäre er gefeuert worden.

Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits in der Welt am Sonntag

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Nicola Thomas und Nadja Robiné (Mephisto), Andreas Grothgar (Faust) - Foto: Thomas Aurin

Teufel gibt es viele. Nach der Premiere von Goethes Faust am Schauspielhaus Bochum gab es Standing Ovations, aber auch Buh-Rufe. Nach knapp drei Stunden hatte sich der Regisseur Mahir Günsiray ausgetobt und gleichsam sonderbar erschöpft. Was blieb, das war der andauernde Konflikt zwischen Sehnsucht und Verstand.

Zur Vorgeschichte: „BOROPA“, heißt das Spielplanmotto – die neugestartete Intendanz von Anselm Weber gibt sich weltoffen und experimentierfreudig. Fadhel Jaibi inszenierte „Medea“, Malou Airaudo das Tanztheaterstück „Irgendwo“ und jetzt eben Mahir Günsiray mit dem liebsten Kulturgut der zölibatären Linguisten, Lehrkörper und Theisten: Faust (ersterteilundzwei).

Textversion versus Spielversion

Mahir Günsirays Inszenierung verwandelt den goetheschen Stoff in eine spielfreudige Version, ein bisschen Büchner, Brecht und Kafka reingesampelt und fertig ist die Kiste. Im Subtext kann nun gelesen werden, was sonst im göttlichen Brimbamborium untergeht: Es gibt keine Erlösung, aber eine Menge zu erleben. Denn Gott fehlt, aber Mephisto kommt gleich in achtfacher Ausführung daher. Die multiplen Teile Mephistopheles kopulieren, drohen einander, lachen. Ein bisschen so, wie man sich die alte Fassbinder-Gang vorstellt: Ein Schlachtfeld herrlich polymorph-perverser Teufel, die sich promiskuitiv aneinander berauschen. Alle sind in irgendeiner Weise beschädigt, sie gehen gebückt, sind bandagiert oder hinken. Ihre prunkvollen Kostüme waren einst glitzernd und glänzend, heute sind sie abgefuckt, doch bestechen sie in ihrer Gänze durch schmachtende Phantasie und reizvolle Details. Die verantwortliche Meentje Nielsen hat hier Zierstücke hingeworfen, die sich verschwenden wollen. Dazu die Bühne eines kosmischen Welttheaters als schäbig rotierende Waschkaue der Dead-End-Devotionalien. Claude Leon gönnt den Zuschauern mit ihrem Bühnenbild eine optische Eskalation massiver Details. So ist der Boden bereitet – für ein großes Spiel-mich-schwindelig.

Am Anfang war das Spiel

Bühnenbild von Claude Leon - Foto: Thomas Aurin

In der Hölle ist wirklich alles OK, man rülpst und furzt und manchmal haut man sich auch eine rein (best boys: Florian Lange und Roland Riebeling), doch dann kommt er. Faust, gespielt von Andreas Grothgar, betritt sinnkriselnd mit einem gequälten und ausgedehnten „Ach!!!“ die Bühne. Grothgar hat seinen großen Abend, auch wenn er sich natürlich ein bisschen bei Paul Herwig (Die Labdakiden) abgeguckt hat, besonders wenn er späterhin so staatstragend wird, aber anyway – er ist schon Faust. Für die multiplen Teufel ist er es sowieso. Noch glaubt der Gelehrte, er sei von ihresgleichen. Doch nehmen sie ihn nicht ernst – weder seine Qual, noch seine Sehnsucht. Faust forscht nach dem Anfang. Glaubt ihn zunächst im Wort, im Sinn, in der Kraft zu finden und kommt dann zu dem Schluss: Am Anfang war die Tat. Denn immerhin sei alles Teil dieser Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft. Und diese Kraft treibt viele Späße mit Faust, der sich auf einen verhängnisvollen Pakt mit den Mephistos einlässt. Einziger Unterschied: In Günsirays Inszenierung schließt Faust den teuflischen Pakt gleich achtfach. Günsirays Faust sieht sich mit der Komplexität einer Welt konfrontiert, in der er sich zurechtfinden muss. Nur gut, dass er nach dem Zaubertrank bald Helenen in jedem Weib erkennt.

One-Night-Stand mit Folgen

Therese Dörr (Mephisto), Andreas Grothgar (Faust), im Hintergrund: Ensemble - Foto: Thomas Aurin

Aus einem der Teufel wird durch eine an Lacan gemahnende Spiegelszene das Gretchen, dem Faust sogleich an die Wäsche will. Drei der Mephistofiguren beenden die erotische Zusammenkunft, diesen Schnellfick auf dem Ölfass. Auf Geheiß des Teufels sticht Faust einen der drei, Gretchens Bruder, nieder. Gretchen fragt nur: „Spinnst du?“ Tja, und mehr ist da eben auch nicht. Schon bei Goethe nicht. Der Rest ist nunmehr seit zweihundert Jahren Onanistenphantasie. Doch weiter im Text. Therese Dörr gibt das Gretchen – von ephemerer Leidenschaft, die nur allzu leicht in Leidensbereitschaft kippt. Gretchen wird schwanger, bringt das Neugeborene um und wird zuerst gefoltert und dann hingerichtet. Die Teufel kehren in Hochzeitskleidern wieder auf die Bühne zurück und tanzen um die Szenerie einen makabren Todesreigen. Gretchen wird ins Hochzeitskleid gezwungen. Das Kind wird gekocht und Faust auf einem Teller serviert. Titus Andronicus lässt grüßen. Während Gretchen im Kochtopf steht, wird ihr weißes Kleid mit Blut bestrichen, man hört das Brechen ihrer Knochen: knack, knack – hundert Prozent echte Gefühle. „Meine Mutter, die Hur, die mich umgebracht hat. Mein Vater, der Schelm, der mich gegessen hat.“

Ordnung muss sein

Andreas Grothgar (Faust), Nicola Thomas, Werner Strenger, Therese Dörr, Nadja Robiné, Florian Lange (Mephistos) - Foto: Thomas Aurin

Da beginnt auch schon der zweite Teil: Von der kleinen Welt wird nun zur großen Welt geschritten. Der Homunculus, eine Art künstlicher Mensch beobachtet mit kindlicher Unschuld, was sich hier zwischen den Figuren zuträgt. Er jedoch hat noch immer nur den Wunsch, im besten Sinne zu entstehen. Als er auftritt, verkündet er „Sobald ich bin, muss ich auch tätig sein“. So bald auch Faust. Nachdem der Schnellficker über sein Gretchen-Trauma ein längeres Nickerchen gehalten hat, erwacht er und will sogleich gestalten. Statt Teufelspakt bedient sich Faust nun zivilisatorischer Errungenschaften. Indem er sich an den Ordnungsvorstellungen eines bürgerlichen Zusammenlebens orientiert, erreicht er genau das Gegenteil. Mit der schönen Helena als archetypischer und völlig langweiliger Frau gelingt es Faust nicht einmal, seinen Sohn Euphorion vor (den selbst begangenen) Fehlern zu bewahren. Als trotzköpfiger Euphorion beweist Marco Massafra an diesem Abend, dass er völlig zu Recht als einer der besten Nachwuchsschauspieler gehandelt wird.

Spul mal vor

Xenia Snagowski (Homunculus), Andreas Grothgar (Faust) - Foto: Thomas Aurin

Das abermalige Scheitern Fausts deutet Günsiray als Vorgriff Goethes auf das Progressive und Zerstörerische der kapitalistischen und postkapitalistischen Welt. Für Günsiray fällt ein nach Höherem strebender Faust – glaubt er sich auch gebildet oder zivilisiert – dennoch seinen Trieben und Sehnsüchten zum Opfer. Im Kleinen und im Großen gilt: „Bist du erst ein Mensch geworden, so ist es völlig aus mit dir.“ Indem Günsiray bei seiner Inszenierung auf den christlichen Gott verzichtet, fällt auch die vermeintliche Annahme eines kosmischen Plans weg, der letztlich sinnstiftend sein könnte. Es obliegt dem Menschen innerhalb des Gegebenen, schaffend tätig zu sein. Doch gibt es keine universellen Konzepte, an denen er sein Tun ausrichten könnte. Vielleicht ist aller Anfang tatsächlich die Tat, aber das menschliche Dasein birgt in jeder Handlung auch immer die Möglichkeit des Scheiterns. Es irrt der Mensch, solang er strebt. Er verliert sich nicht in Spekulationen über Erlösungswege und Lebensführungen. Es gibt nicht das Böse an sich, das sich ausmachen ließe. Es sind immer nur Aspekte, die changieren und einer ständigen Dynamik unterliegen – multidimensionale Phänomene, die von uns als Welt erlebt werden. So war ein diesem Abend eine wunderbar verspielte zeitgenössische Darstellung des goetheschen Stoffes zu erleben.

Feuilleton im Totalausfall

Nadja Robiné (Mephisto), Andreas Grothgar (Faust) - Foto: Thomas Aurin

Wer in den Tagen nach der Premiere einen Blick in die Feuilletons warf, kam nicht um den Eindruck eines Totalausfalls herum. Kaum ein Artikel verzichtete auf die pointierte Bezugnahme auf Günsirays türkische Herkunft. In Ermanglung weiterreichender Ideen musste die nationale Karte ständig ausgespielt werden. Ein Türke inszeniert Goethe! Da wurde gegen Zeilenhonorar von „einen Satz, der uns heilig war“ schwadroniert oder von einem „deutschen Blick“ gesprochen, der dem aus Istanbul stammenden Günsiray „kulturhistorisch gar nicht geläufig“ sein könne. Was soll eigentlich dieser ganze kultur-nationale Scheiß? Peinlicher geht es doch nun wirklich nicht. Man möchte meinen, die Damen und Herren in den Kulturredaktionen hätten vielleicht schon einmal etwas von dem Begriff Ethnozentrismus gehört. Oder gar Deutschtümelei? Wir können uns wirklich glücklich schätzen, dass Britinnen und Briten nicht jedes Mal derart aufschreien, sobald ein Deutscher Regisseur es wagt, Shakespeares Rosenkriegszyklus zu inszenieren. Und eines ist ganz gewiss, meine Damen und Herren: Goethe – nicht zuletzt Verfasser des West-östlichen Divans – hätte angesichts ihrer Zeilen ganz bestimmt gekotzt.

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Gründerinnenzentrum in der Nordstadt eröffnet

Es ist breit und hoch, manche finden es Furcht erregend, nicht wenige scheußlich. Das Terrassenhochhaus „Hannibal“ in der Dortmunder Nordstadt ragt zwischen den vielen Jugendstilbauten drall und schnörkellos heraus. Anfang der 1970er Jahre hat man hier an der Bornstraße kahlschlagsaniert und damals modernen Wohnungsbau angerichtet. Oben wird gewohnt, im Erdgeschoss ist Gewerbe, nach wie vor. Nun ist ein neuer Mieter eingezogen: das Gründerinnenzentrum.

Es will Frauen aus der Nordstadt und speziell auch Frauen mit Migrationshintergrund auf dem Weg in die Selbstständigkeit unterstützen. Das Gründerinnenzentrum hat zwei Mitarbeiterinnen, die die Frauen beraten und ihnen helfen, den unternehmerischen Dschungel von der Gründungsidee über den Businessplan bis zur Verwirklichung zu durchdringen. Bereits in den Monaten vor der offiziellen Eröffnung in dieser Woche haben die Beraterinnen ihre Arbeit aufgenommen. Ursula Wendler ist eine von ihnen und erzählt von zahlreichen Beratungsgesprächen: „Zwei Drittel der Frauen suchen eine Alternative aus der Arbeitslosigkeit.“ Häufig müsse man jedoch vom Schritt in die Selbstständigkeit abraten, damit eine Frau nicht vom Regen in die Traufe komme, nicht jede Idee sei tragfähig.

Das Gründerinnenzentrum gehört zum Nordstadt-Büro, einer Außenstelle der Dortmunder Wirtschaftsförderung, die Vieles rund um die lokale Ökonomie in der Nordstadt anschiebt. Wie nötig das ist, zeigen ein paar einfache Zahlen: Die Arbeitslosenquote beträgt 25, der MigrantInnenanteil mehr als sechzig Prozent, 37 Prozent der 52.000 Nordstadtbewohner beziehen Hartz IV.

Ursula Wendler und ihre Kollegin Anja Henkel sind in engem Kontakt mit den Migrantenselbstorganisationen vor Ort und sprechen dort Frauen, für die eine Selbstständigkeit in Frage kommen könnte, aktiv an. Migrantische Frauen, die selbstständig arbeiten, haben nicht zuletzt eine Vorbildfunktion für ihr gesamtes Umfeld. Und sie haben manchmal andere Ideen als deutsche Frauen. Die türkischen Männer treffen sich in ihren Cafés, Frauen haben dort keinen Zutritt. Warum also zum Beispiel nicht ein Frauencafé eröffnen, in dem sich die Frauen ungestört entspannen und austauschen können? Der Leiter des Nordstadt-Büros, Hubert Nagusch, berichtet, dass vor allem Frauen aus Osteuropa ganz häufig höchste Bildungsabschlüsse hätten und hier trotzdem kein Bein an den Boden bekämen. Auch für sie soll das Gründerinnenzentrum eine Anlaufstelle sein.

Das neue Zentrum bietet auch Räume für Existenzgründerinnen an. Auf 750 Quadratmetern ist Platz für etwa zwölf Gründerinnen. Drei ziehen im Januar ein, im Laufe des kommenden Jahres soll sich das Zentrum komplett füllen. Eine der drei Gründerinnen ist Familientherapeutin, eine bietet einen deutsch-russischen Büroservice und eine ist Fotodesignerin. Die Frauen zahlen hier im ersten Halbjahr gar keine Miete, ab dem siebten Monat vier Euro pro Quadratmeter, im zweiten und dritten Jahr fünf und sechs Euro. Wenn die Gründerinnen sich, so der Plan, nach drei Jahren etabliert haben, suchen sie sich neue Räume und machen Platz für neue Existenzgründerinnen. Bleiben sie über die drei Jahre hinaus, zahlen sie die Kostenmiete.

Iris Wolf kam für das Fotodesignstudium von Köln nach Dortmund, lebt in der Nordstadt und portraitiert sie auch. Dem dortigen Straßenstrich hat sie unter dem Titel „Wunschbox“ eine hoch gelobte Ausstellung gewidmet, die im Museum für Kunst und Kulturgeschichte gezeigt wurde. Bevor sie den endgültigen Schritt in die Selbstständigkeit wagte, hat sie parallel noch als Köchin gearbeitet. Dank eines Stipendiums der Kunststiftung NRW ist das vorbei und ab Januar hat sie ihr eigenes Atelier. Unten im „Hannibal“ in der Bornstraße.

Das Ruhrstadt-Schnorrernetzwerk

Unter der Ruhrstadtfahne organisiert der ehemalige Spinrad-Chef Peter Krämer ein Schnorrernetzwerk.

Manchmal bekommt man Nachrichten, die zum kotzen sind. Häufig haben die mit dem sogenannten Ruhrstadt-Netzwerk zu tun. Das Ruhrstadt-Netzwerk ist der plumpe Versuch, aus dem Engagement für das Ruhrgebiet Kohle rauszuschlagen. Koste es was es wolle – auch mit falschen Versprechungen.  Hier die Nachricht, die mich via Xing erreichte, und mit der das Netzwerk versucht, neue Leute zu Mitarbeit zu bewegen:

Wir möchten Sie gerne herzlichst zu unserem letzten Event für dieses Jahr einladen, das am 14.12.2010 um 18.45 Uhr bei uns im Wissenschaftspark stattfindet.

Hier die Agenda:
18h45 Begrüßung durch Peter Krämer
18h55 Bernd Fesel (Direktor e.c.c.e.) Kultur in der RuhrStadt – Wie geht es weiter ab 2011?
19h15 Reinhard Kreckel – Kurs 2 Onlineredakteur Text und Bild – Start noch 2010 – wie Sie noch teilnehmen können
19h20 Dunja Jannuzzo + Michael Reichenbach – wie wird man Angel? Wie können Sie sofort starten und noch vor Weihnachten den Presseausweis bekommen?
19h35 Anmeldungen und Diskussion
Ende der Veranstaltung ca. 20h45

Bernd Fesel wird Ihnen erzählen, wie es in der Kulturhauptstadt weitergeht –
und wir erzählen Ihnen, wie es bei RuhrStadt-Netzwerk weitergeht.
Wir stellen Ihnen den neuen Presseausweis vor (inklusive Parken).
Wir möchten Sie als neuen Angel, Reporter oder Fotografen gewinnen und würden uns sehr freuen wenn Sie diesen Abend dazu nützen würden um weiteres zu erfahren.

Als Angel haben Sie folgende Vorteile:

-Sie bekommen einen Presseausweis von RuhrStadt Netzwerk
-Sie können Wunschveranstaltungen und Wunschorte kostenlos aufsuchen
-Wir ermöglichen Ihnen die Teilnahme am Kurs „Onlineredakteur“ inklusive Zertifikat eines staatlich anerkannten Instituts
-Sie haben Anspruch auf Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft Wort http://www.vgwort.de/auszahlungen.html
-Sie können Mitglied der Künstler-Sozialkasse werden mit gewaltigen Kostenvorteilen gegenüber herkömmlichen Kranken- und Rentenversicherungen. http://www.kuenstlersozialkasse.de
-Sie können Bücher für Rezensionen kostenlos bestellen, die Verlage machen das gern für eine Redaktion wie RuhrStadt Netzwerk
-Sie sind RuhrStadt Angel oder RuhrStadt Reporter oder Mitglieder der Ruhrstadt-Portal-Redaktion

Besuchen Sie hier die Gruppe: http://www.xing.com/net/ruhrstadt/

Wir freuen uns auf zahlreiche Zusagen!

Und jetzt mal kurz in die Wirklichkeit: Der Presseausweis des Netzwerks hat keinen Wert. Man kann ihn sich auch als Kartoffeldruck selbst machen. Es ist was für Spinner, die in Vorortkneipen angeben wollen.

Man kann mit keinem Presseausweis frei parken. Man kommt mit dem Presseausweis durch Polizeisperren – die Straßenverkehrsordnung gilt natürlich weiter.

Man spart auch nicht ganz viel Geld bei der Künstlersozialkasse. In die kommt man nur, wenn man nachweisen kann, dass man in einem der über sie versicherten Berufe so viel verdient, das man davon leben kann.

Verlage schicken auch nicht gerne Bücher an irgendwelche Spacken – weil sie genau wissen, dass da viele sind, die sich nur durchschnorren wollen.

Worum geht es? Leute sollen dazu gebracht werden, umsonst für die Internetseite des Ruhrstadt-Netzwerks zu arbeiten. Die Seite ist kaum mehr als eine Ansammlung von Pressemitteilungen. Das ganze ist eine Verarschung – der künftigen Mitarbeiter des Netzwerks, der KSK und aller, die versuchen ihren Job im Bereich des Journalismus halbwegs ordentlich zu machen.

Was macht eigentlich die Duisburger Polizei?

Was macht eigentlich die Duisburger Polizei?
Richtig: sie macht alles richtig. Eigentlich immer, und ganz besonders dann, wenn es drauf ankommt. Also auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr. Wird es wirklich wichtig, macht die Polizei es richtig. Dazu drei Beispiele aus der jüngeren und jüngsten Duisburger Vergangenheit.

10. Januar 2009: Gefahr erkannt – Gefahr gebannt. Ein voller Erfolg für die Duisburger Polizei. Mehr als zehntausend Menschen beteiligen sich an einer Demonstration gegen die israelische Militäroperation im Gazastreifen, zu der die islamistische Milli Görüs aufgerufen hatte. Als die Menge zwei israelische Fahnen gesehen hatte, die in die Fenster einer Privatwohnung am Rande der Demoroute gehängt waren, heizte sich die Stimmung enorm auf. Geistesgegenwärtig erkannte die Duisburger Polizei sogleich, dass hier Gefahr im Verzuge ist, und riss die Flaggen runter. Absolut gelungene Gefahrenabwehr: keinem Menschen ist irgendetwas zugestoßen, selbst die beiden weißen Stoffe mit dem blauen Davidstern kamen nur geringfügig zu Schaden. Bedenkt man, wie leicht sie hätten zu Brennmaterial an diesem kalten Wintertag werden können, muss man resümieren, dass die beiden Fahnen eigentlich die Hauptnutznießer dieser besonnenen Polizeiaktion waren. Dass dabei die Tür der Wohnung, die die Beamten aufbrechen mussten, ein wenig zu Schaden kam, war vor diesem Hintergrund zu verschmerzen, wie auch ein Universitätsprofessor der Juristerei in einem Gutachten feststellen konnte.

24. Juli 2010: Dass anderthalb Jahre später auf der Loveparade die Bilanz der Duisburger Polizei nicht in einem ganz so strahlenden Licht erscheinen konnte, ist weithin bekannt. Doch sie trifft, wie inzwischen längst von höherrangigen Behörden bestätigt, keinerlei Schuld an dieser Tragödie. Im Gegenteil: der damals amtierende kommissarische Polizeichef machte in seinem Einsatzbefehl sachkundig und detailliert deutlich, was bei dieser miserabel vorbereiteten Massenveranstaltung so alles passieren könne. Und wer weiß, was sonst nicht noch alles hätte passieren können, hätte die Duisburger Polizei nicht den Point of no Return ausgelöst, indem sie einen Rettungswagen in die Unterführung hatte passieren lassen – und mit ihm die an der Kulturveranstaltung interessierte Menschenmasse gleich mit. Niemand kann im Nachhinein sagen, dass ein Eintreten der Katastrophe zu einem späteren Zeitpunkt weniger Todesopfer gefordert hätte. Auch dass sich die Duisburger Polizei sogleich an die Aufklärung der Ereignisse gemacht hatte, obwohl sie nicht einmal dafür zuständig war, findet heutzutage auch kaum noch Beachtung. Fazit: irgendwie wusste man Bescheid; leider konnte dieses Wissen bei der Gefahrenabwehr nicht vollständig verwertet werden. Dennoch: die Polizei hatte alles richtig gemacht.

Ganz genau so liegt der Fall vom 28. November 2010: die Duisburger Polizei wusste genau, dass große Gefahr droht, konnte oder wollte dieses Wissen jedoch nicht verwerten, um nach dem deshalb eintretenden Schaden gegenüber der Presse zu erklären, dass „wir uns korrekt verhalten haben“. Der Reihe nach: am 18. November wurde der Sexualstraftäter Ricardo K. aus der JVA Werl entlassen, wo er in Sicherungsverwahrung einsaß. Daraufhin ließ er sich im Duisburger Stadtteil Homberg nieder – pikanterweise in direkter Nähe einer Grundschule und einer Kita. Der Duisburger Polizei war dieser Umstand lange im Voraus bekannt. Einige Tage nach K.´s Entlassung erklärte Duisburgs neue Polizeipräsidentin gegenüber der NRZ: „Wir haben uns auf diese Situation vorbereitet und arbeiten eng mit allen beteiligten Stellen zusammen, wie mit der Führungsaufsicht und dem Bewährungshelfer. Der Entlassene hat Auflagen bekommen und muss sich regelmäßig bei der Polizei melden. Diesen Auflagen kommt er bisher nach“.

Und weil sich K. so „kooperativ“ zeigte, stellte die Polizei seine Überwachung am 24.11. ein. Am 28.11. überfiel K. dann ein zehnjähriges Mädchen, das sich Gott sei Dank, obwohl er es am Hals gewürgt hatte, befreien und weglaufen konnte. Vorgestern, also am 06.12., zitierte „Spiegel Online“ aus polizeiinternen Unterlagen, die belegen, dass die Duisburger Polizei den 47-Jährigen für sehr gefährlich hielt. Sie erstellte ein „Personagramm“, das K. „eine starke antisoziale Störung“ sowie die Unfähigkeit bescheinigt, sich an die rechtlichen Normen der Gesellschaft zu halten. Wörtlich heißt es: „Er wird infolge seines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit als gefährlich eingestuft.“ Auch, dass nach Ansicht des Anstaltspsychologen eine Aussetzung der Sicherungsverwahrung nicht verantwortet werden konnte, lag der Duisburger Behörde vor. Mehrere Therapieversuche seien an der „Verweigerungshaltung“ des Häftlings gescheitert, gab der Psychologe zu Protokoll.

Auf diese Veröffentlichung angesprochen, erklärte der Pressesprecher der Duisburger Polizei gegenüber der Lokalpresse, dass „wir uns korrekt verhalten haben“. Die 24-stündige Observation sei personalaufwändig und könne mit den Persönlichkeitsrechten des Entlassenen in Konflikt geraten. Doch genau dies zu meistern, hatte die Polizeipräsidentin öffentlich zugesagt – nämlich „einerseits für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen und andererseits die Rückkehr des Mannes in ein straffreies Leben zu ermöglichen“.

Nachdem die Duisburger Polizei an dieser selbst definierten „Aufgabe“ gescheitert ist, lässt sich ihr Pressesprecher stets mit dem Hinweis vernehmen, dass „man eine Sicherungsverwahrung nicht auf der Straße nachstellen“ könne. Sehr geistreich. Drinnen ist etwas Anderes als draußen. Das dachten wir uns schon. Eine Frage muss aber zulässig sein: ist diese, sagen wir mal: unglückliche Bemerkung so zu verstehen, dass sich die Polizei außerstande sieht, die Bevölkerung vor einem potenziell gefährlichen Straftäter zu schützen. Die Frage muss deshalb gestellt werden, weil ein weiterer in Sicherungsverwahrung einsitzender Mehrfachtäter angekündigt hatte, sich nach seiner in Kürze anstehenden Entlassung ebenfalls in Duisburg niederzulassen.

Nachtrag: selbstverständlich ist es ein unhaltbarer Zustand, dass hochgefährliche Triebtäter entlassen werden und die Polizei zusehen muss, dass nichts passiert. Innenminister Jäger hat Recht, wenn er sagt, dass dieses Problem entstanden ist, weil der Bundesgesetzgeber zu lange untätig war. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte freilich auch richtig entschieden, dass es nicht angehen kann, Inhaftierten nachträglich eine Sicherungsverwahrung aufzubrummen. Wenn ein Gericht für Menschenrechte solch eine Praxis nicht für widerrechtlich erklärt, kann es sich auch gleich auflösen. Man denke daran, dass es auch in Europa Regime gibt, denen man für dieses rechtsstaatswidrige Instrument keinen Persilschein ausstellen möchte.

Der Deutsche Bundestag hat diese Angelegenheit letzte Woche in Ordnung gebracht und eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung mit großer Mehrheit beschlossen. Die Möglichkeit einer Sicherungsverwahrung muss jetzt mit dem Strafurteil verkündet werden. Wichtig ist auch, dass Delikte ohne Gewaltanwendung wie Vermögensstraftaten jetzt nicht mehr Anlasstat für eine Sicherungsverwahrung sein können. Doch das neue Gesetz muss erst noch von den Ländern umgesetzt werden. Es kann also sein, dass der oben erwähnte, aus der Sicherungsverwahrung zu entlassende Mann nicht der einzige bleiben wird, den die Duisburger Polizei im Auge zu behalten haben wird. Ein Grund mehr, sich nicht mit den Einlassungen vom vermeintlich korrekten Verhalten zufrieden zu geben.

Stop The Bomb!

Das Bündnis „Stop The Bomb“ hat für den kommenden Samstag in Düsseldorf zu einer Demonstration gegen die dem iranischen Staat gehörende Ascotec GmbH aufgerufen.

Für das Bündnis „Stop The Bomb!“ steht fest. Der Iran arbeitet an der Atombombe. Auch die dem Iran gehörende Asotec GmbH mit Sitz in Düsseldorf soll an den Bombenplänen des Regimes beteiligt sein. So steht es im Demoaufruf von „Stop The Bomb!“:

In der Islamischen Republik Iran herrscht ein menschenverachtendes Regime, das Oppositionelle, nationale und religiöse Minderheiten, Frauen und Homosexuelle verfolgt und ermordet Das iranische Regime unterstützt den islamistischen Terror weltweit, leugnet den Holocaust und geht brutal gegen die Freiheitsbewegung im Land vor, die unter Lebensgefahr für Freiheit und Demokratie kämpft. Trotz verschärfter internationaler Sanktionen betreibt das iranische Regime unbeirrt sein Nuklearprogramm weiter, wähnt sich als Speerspitze einer globalen islamischen Revolution und hetzt unentwegt gegen Israel.

(…)

Mit einem jährlichen Umsatz von 650 Millionen Euro (Stand 2008) ist Ascotec innerhalb der letzten Jahre zu einem der wichtigsten Eckpfeiler des iranischen Handels in Europa geworden. Nach Aussagen des NCRI (National Council of Resistance of Iran) verfügt Ascotec über Kontakte zum iranischen Verteidigungsministerium und nimmt bei der Beschaffung von militärischen Gütern für das iranische Regime eine wesentliche Rolle ein.

(…)

Düsseldorf ist nun bereits seit Jahren ein sicherer Hafen des iranischen Regimes. Zu lange wurde weggeschaut, es ist an der Zeit, Ascotec auch in Deutschland zu sanktionieren und der Regimefirma die Räumlichkeiten auf der Terstegeenstraße in Düsseldorf-Stockum aufzukündigen.

Kundgebung: 11. Dezember um 13 Uhr – Burgplatz Düsseldorf

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Muss Assange befreit werden?

Heute Morgen hat der Dortmunder Ralf Grönke die Facebook-Gruppe „Free Julian Assange“ gegründet. Sie ist überflüssig.

Die Gruppe rockt: Innerhalb weniger Stunden hat sie fast 500 Mitglieder. Sie setzen sich für die Befreiung des Wikileaks-Boss Julian Assange ein. Wir sollten auf die Gruppe aufmerksam machen, was hiermit geschehen ist.

Assange muss allerdings nicht befreit werden. Assange wurde wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung festgenommen und wird wahrscheinlich nach Schweden ausgeliefert. Sowohl Groß Britannien als auch Schweden sind Staaten, in denen man von einem fairen und rechtsstaatlich korrektem Verfahren ausgehen kann. Und mehr auf mehr als einen fairen Prozess hat kein Angeklagter ein Anrecht.

Ist Assange unschuldig, wird er freigesprochen. Ist er es nicht, wird er verurteilt. Die Wahrheit wird hoffentlich am Ende des Prozesses stehen. Befreien muss ihn niemand.

VEB Steag

Ein Stadtwerkekonsortium will die Evonik-Tochter Steag kaufen. Es entsteht ein neuer volkseigener Betrieb.

Wann sind sich schon einmal CDU, SPD und Grüne einig? Am vergangenen Mittwoch zum Beispiel, bei einer von der FDP zum Steag-Verkauf beantragten aktuellen Stunde. SPD-Innenminister Ralf Jäger, die Grüne Daniela Schneckenburger und Hendrik Wüst von der CDU: Alle waren sie fasziniert von der Möglichkeit der Übernahme der Evonik-Tochter Steag durch ein Konsortium der Stadtwerke der Städte Bochum, Dinslaken, Dortmund, Duisburg, Essen und Oberhausen. Ein neuer Energiekonzern soll in NRW entstehen, der das Potential haben soll, die Marktmacht von Eon, RWE, Vattenfall und EnBW zu brechen und den Stadtwerken zu neuen wirtschaftlichen Perspektiven verhelfen soll.

Nur in Nuancen unterschied man sich. Schneckenburger plädierte dafür, die Atom-Sparte von Steag zu veräußern, die für die Castor-Transporte nach Ahaus zuständig ist, und Wüst wünschte sich die Beteiligung eines im Bieterverfahren bereits ausgeschiedenen Unternehmens aus NRW.

Gut 620 Millionen  sollen die sechs Stadtwerke in einem ersten Schritt für 51 Prozent der Steag Anteile bezahlen. In wenigen Jahren, noch vor dem geplanten Börsengang, müssen sie die restlichen 49 Prozent übernehmen. Insgesamt ein Geschäft in Höhe von 1,2 Milliarden Euro. Und weil weder die Städte noch die Stadtwerke über die nötigen Mittel verfügen, wird es komplett über Kredite finanziert. 30 Prozent davon werden die Stadtwerke aufnehmen müssen, 70 Prozent die von ihnen zu gründende Vorschaltgesellschaft.

Die Begeisterung über die Fraktionen hinweg verwundert. Denn die Steag ist nicht irgendein Unternehmen: Es ist, und man würde erwarten, dass die Grünen damit Probleme hätten, vor allem ein Betreiber und Entwickler von Kohlekraftwerken. Neun Steinkohle- und zwei Raffineriekraftwerke besitzt die Steag in Deutschland.

Im Ausland besitzt sie drei Kraftwerke in der Türkei, Kolumbien und auf den Philippinen.  Ein internationales Engagement von Stadtwerken auf drei Kontinenten? Das müsste zumindest bei der Union für Stirnrunzeln sorgen, und das tut es auch. Nicht bei Hendrik Wüst, aber bei Klaus Franz. Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Bochumer Rat soll bald über den Kauf der Steag Anteile durch die Stadtwerke entscheiden und fühlt sich dabei nicht wohl: „Ich habe noch viele Fragen und sehe es nicht als klassische kommunale Aufgabe an, dass wir Kraftwerke auf den Philippinen betreiben. “ Stadtwerke sind für die Daseinsvorsorge da und sollten sich nicht auf den internationalen Energiemärkten tummeln. „Das Risiko, das Geld der Bürger zu verzocken, ist zu hoch.“

Das sah im Landtag der FDP-Abgeordnete Dietmar Brockes ähnlich. Brockes bezweifelte, dass ausgerechnet die wirtschaftlich schwachen und hochverschuldeten Ruhrgebietsstädte die Steag kaufen sollten: „Es ist ein wirtschaftliches Abenteuer, wenn sechs Stadtwerke, deren Städte gemeinsam 10 Milliarden Euro Schulden haben, ein internationales Energieunternehmen übernehmen.“ Alles werde zu 100 Prozent auf Pump finanziert: „Jeder Häuslebauer weiß, dass das nicht gut gehen kann.“

Bei den Stadtwerken sieht man das anders. In Hintergrundgesprächen wird der Steag-Kauf als Chance bezeichnet, die man sich nicht entgehen lassen kann. Die Stadtwerke hätten zusammen mehr Kunden als Eon und RWE, würden allerdings fast nur als Stromhändler auftauchen. Nur ein Zehntel der deutschen Strommenge produzieren die Stadtwerke. Der Kauf der Steag würde diesen Anteil schlagartig verdoppeln.

Es soll ein Unternehmen der kommunalen Familie entstehen: Mit Arbeitsplätzen im Ruhrgebiet und einer starken regionalen Verankerung. Das Geld, das im Ausland erwirtschaftet wird, soll in die Modernisierung des Kraftwerkparks fließen. Die alten Kohlekraftwerke will man nach und nach durch moderne Gaskraftwerke ersetzen. Die Macht der großen Stromkonzerne soll gebrochen werden. Das Fernwärmegeschäft der Steag  soll mit dem der Stadtwerke gebündelt werden. Ein leistungsstarkes Fernwärmenetz soll so große Teile des Reviers versorgen.

Dass der künftige Konkurrent RWE die zur Erneuerung anstehenden Lieferverträge für sechs Kraftwerke ganz oder teilweise nicht verlängern könnte, stört nicht. Ein Stadtwerker zur Welt am Sonntag: „Dann nutzen wir den Strom selbst. Für uns ist das nicht wichtig. Ohne die RWE-Verpflichtung können wir schneller mit dem Umbau des Kraftwerkparks beginnen.

Geld spielt keine Rolle. Alles, so versichern die Mitglieder des Stadtwerkekonsortiums, sei durchgerechnet worden. Das Angebot spiegele das Ergebnis eines Worst-Case-Szenarios wider, in dem auch die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke durch die Bundesregierung längst eingepreist seien. Und die Kreditfinanzierung? Problemlos. „Bei den günstigen Zinsen würden wir das Geld auch am Kapitalmarkt aufnehmen, wenn wir es hätten, denn eine Investition in unsere Unternehmen bringt eine deutlich höhere Rendite als die Zinskosten der Kredite.“

Man plane auch nicht weit in die Zukunft, denn die Energiemärkte seien im Umbruch. Aber die kommenden 20 Jahre könne man überschauen.

Nicht alle teilen diese Euphorie. Prof. Dr. Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI bezweifelt, dass man die Entwicklung der Energiemärkte über die kommenden 20 Jahre einschätzen kann: „Klar ist eigentlich nur die demographische Entwicklung. Wir haben aber beispielsweise keine langfristige Energiepolitik in Deutschland: Die eine Regierung steigt aus der Kernergie aus, die nächste verlängert die Laufzeiten und die Opposition kündigt für den Fall, dass sie an die Regierung kommt, wieder den Atomausstieg an.“ Zudem gäbe es zahlreiche ungelöste Zielkonflikte: „Die Industrie und die Verbraucher wollen günstigen Strom, er soll aber möglichst aus regenerativen Energien ohne Co2 Belastung hergestellt werden. Das passt nicht zusammen.“

Der Steag-Kauf durch die Stadtwerke sei riskant und der Nutzen für den Verbraucher ungewiss: „Wenn es künftig fünf statt vier große Konzerne gibt, wird das kaum die Preise verändern.“ Schmidt hält eine Öffnung des deutschen Strommarktes für ausländische Anbieter für effektiver: „Wir brauchen mehr grenzübergreifende Leitungen zu unseren Nachbarn. Dann sorgen Stromimporte für mehr Wettbewerb auf dem deutschen Markt.

Auch in der Landesregierung gibt es skeptische Stimmen. Auch wenn man den Einstieg der Stadtwerke befürwortet – einen starken Partner an ihrer Seite würde man gerne sehen. Umweltminister Johannes Remmel:

„Wir halten auch die Beteiligung eines finanzstarken und international erfahrenen Privatinvestors als Partner der Stadtwerke für überlegenswert – gerade mit Blick auf das Auslandsgeschäft und die Risikominimierung.“

Das könnte zum Beispiel die Rethmann-Gruppe sein, die bereits aus dem Wettbewerb um die Steag ausgeschieden ist. Auch in Finanzkreisen wird ein Einstieg von Rethmann befürwortet: „Die Kommunen hoffen auf weitere Einnahmen durch die Steag, aber die Kreditkosten werden die Dividende aufzehren.“ Ein starker privater Partner sei auch notwendig, um den Umbau des Kraftwerkparks und die hochrentierlichen Investitionen ins Auslandsgeschäft zu ermöglichen. Das Finanzkonzept der Stadtwerke sei zu optimistisch. „Irgendwann einmal werden die Zinsen wieder steigen – und dann wird es für die Stadtwerke schwierig werden.“ Das sei kein Problem der kommenden ein bis zwei Jahre. Aber zu dem Zeitpunkt, wo die Stadtwerke die restlichen 49 Steag-Prozent kaufen und finanzieren müssen, könnte es soweit sein. Und dann würden harte Zeiten für die klammen Kommunen im Revier anbrechen.

Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits in der Welt am Sonntag