Diskussion: Kulturhauptstadt2010 – Chance genutzt?

Die Kulturhauptstadt wollte ja das Ruhrgebiet verändern. Natürlich nachhaltig. Morgen wird in Essen darüber diskutiert, ob das geklappt hat oder nicht.

Die Podiumsdiskussion „Kulturhauptstadt 2010 – Chance genutzt“ findet im Rahmen des Unprojekte-Festivals statt. Neben Bernd Fesel (Ruhr2010/ECCE), Paul Laarmann, dem Herausgeber der Literaturzeitschrift „Richtungsding“, Holger Gathmann, Vorsitzender des unprojekte e.V. und Peter Brdenk vom Forum Kunst und Architektur darf ich auch auf dem Podium sitzen. Ich habe mich über die Einladung sehr gefreut. Es ist meine erste Gelegenheit, mit Bernd Fesel zu diskutieren.  Eine Interviewanfrage von mir blieb unbeantwortet und bei einer gemeinsamen Veranstaltung im vergangenen Jahr in Bochum war ich Moderator. Den Job übernimmt Morgen Marcus Kroll.

Das ganze findet um 20.00 Uhr im Forum  Kunst und Architektur, Kopstadtplatz 12 in Essen statt. Hoffen wir auf einen interessanten Abend.

Der Ruhrpilot

Dortmund: Envio hat ohne Brandschutzkonzept gearbeitet…Ruhr Nachrichten

Loveparade: Staatsanwälte waren in die Planung einbezogen…Zeit

Medien: Merkel würdigt Mut des Mohammed-Karikaturisten…Welt

Glückwunsch: Rosch ha-Schana – Ein gesundes und erfolgreiches Jahr 5771…Hometown Glory

NRW: Kaum Gegensätze bei Laschet und Röttgen…Der Westen

NRW II: Doch eine Anhörung zum JMStV im Landtag von Nordrhein-Westfalen?…Pottblog

Herdecke: Essener Kunstprojekt pöbelt Passanten an…Der Westen

Dortmund II: Vorwürfe gegen Ulla Burchardt…Ruhr Nachrichten

Dortmund III: Einzelhändler fürchten sich vor ECE…Der Westen

Medien II: Der Wolf kommt…Medienmoral NRW

Medien III: Abstecher zur stARt-Museum…Prospero

Medien IV: Das digitale Radiergummi…Zoom

Umland: Der Gotteskrieger von Köln…Stern

Links draußen – Höger, Dierkes, Steinberg & Co.

Neuerdings gelten sie als zu lasch: Linke-Politiker wie Norman Paech, Wolfgang Gehrcke oder Annette Groth, die sich selbst als »israel-kritisch« bezeichnen. Im Umfeld der Partei werden sie beschimpft…

… denn eine seit wenigen Wochen kursierende Unterschriftensammlung mit dem Titel »Menschen- und Völkerrecht sind unteilbar« geht noch weiter und fordert die Einstellung aller Annäherungen der Partei an Israel. Zugunsten einer vermeintlich propalästinensischen Solidarität. Dass im April die Bundestagsfraktion ein Papier verabschiedete, in dem sie sich zum Existenzrecht Israels bekennt und unter anderem das »sofortige Ende des palästinensischen Raketenbeschusses« fordert, bringt die Freunde eines harten Kurses gegen den jüdischen Staat noch mehr in Rage.

Als Initiator des »Menschen-und Völkerrechtspapiers« gilt Thomas Immanuel Steinberg, ein sich seit Jahren im Milieu tummelnder selbsternannter Publizist. Die Parteiprominenz, auch ihr »israelkritischer« Teil, fehlt unter den über 150 Unterschriften fast völlig. Einzig Inge Höger, die Bundestagsabgeordnete, die Ende Mai zur Besatzung der umstrittenen Gaza-Flottille gehörte, hat signiert. Von »Apartheidähnlichen Verhältnissen« in Israel ist die Rede, der Zionismus sei Rassismus und basiere auf dem europäischen Kolonialismus. Daher solle Deutschland keine Waffen nach Israel liefern, und Produkte, die in den besetzten Gebieten oder Ostjerusalem hergestellt werden, dürften nicht nach Europa exportiert werden. Sogar, dass die Palästinenser das Recht hätten, ihren »Befreiungskampf bewaffnet zu führen«, ist da zu lesen. Das gehe »gegen die Repressionsorgane der Unterdrücker«, sagt Mitinitiator Steinberg, der das Papier auf seiner Webseite präsentiert. Wer wen bedroht, ist für Steinberg klar: »Die israelische Seite ist somit Täter, die palästinensische Seite Opfer.« Wolfgang Gehrcke, der als strategischer Kopf der »Israelkritiker« gilt, sieht für Steinbergs Petition hingegen keinen Bedarf: »Das Positionspapier der Fraktion Die Linke ist klar und eindeutig.« Dem Obmann der Partei im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags genügt das: »Deswegen werde ich gegenwärtig keine weiteren Positionspapiere unterzeichnen.«

Bei den als Pro-Israel-Fraktion geltenden Kräften in der Partei bleibt man trotz Steinbergs Kampagne gelassen. Das Papier gebe nur die Meinung einiger weniger Mitglieder der Linkspartei wieder. Nicht mal den Sprung auf Tagesordnungen von Parteiveranstaltungen habe es geschafft, sagt man beim BAK Schalom, dem Bundesarbeitskreis in der Linksjugend, der für die israelfreundlichsten Thesen in der Partei steht. »Die große Mehrheit der Partei vertritt in Bezug auf Israel jene Positionen, die die Fraktion im Bundestag am 20. April in Form des Positionspapiers formuliert hat«, heißt es im BAK. Gleichwohl rüsten die Kräfte auf, die einen Ausverkauf der internationalen Solidarität wittern, wenn Linke israelische Sicherheitsinteressen ernstnehmen. Steinbergs Petition gehört zu dieser Kampagne, auch ein mit viel Aufwand vertriebenes Buch des umstrittenen Duisburger Lokalpolitikers Hermann Dierkes und der Publizistin Sophia Deeg, Bedingungslos für Israel?, gehört dazu. Und abgewickelte DDR-Professoren wie Detlef Joseph tingeln mit Buchtiteln wie Vom angeblichen Antisemitismus der DDR durch die Lande. Der Umstand, dass im Nahen Osten ein jüdischer Staat existiert, löst bei einigen innerhalb und außerhalb der Links-Partei Obsessionen aus.

Nicht zuletzt deswegen sieht Samuel Salzborn, Politologe und Antisemitismusforscher, bei der Partei Die Linke ein »handfestes Antisemitismusproblem«. Zwar finde sich in den Papieren der Steinbergs, Dierkes’ und Josephs ein »Sammelsurium von linksextremen, israelfeindlichen Parolen der letzten Jahrzehnte«, und die Unterzeichner seien oftmals Personen, »die gern wichtig wären – für die sich aber politisch letztlich niemand wirklich interessiert«. Aber, fügt Salzborn hinzu, immer wenn Petra Pau oder der BAK Schalom den Israelhass in ihrer Partei thematisieren, begegnet ihnen eine erstaunlich breite Front des Widerstands.

Der Artikel, den ich zusammen mit meinem Kollegen Martin Krauss von der Wochenzeitung „Jüdische Allgemine“ verfasst habe, erschien zuerst hier.

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Ausländer: Das muss man doch mal sagen dürfen

Die Grenzen der Welt verlaufen nicht zwischen den Rassen sondern zwischen den Klassen.

Rumms. Hat mal ich-weiß-nicht-wer gesagt. Vielleicht die SPD. Zumindest wäre es ihr zuzutrauen.

Seien wir doch mal ehrlich. Es geht in der aktuellen Sarazzin-Debatte, wie immer, um Tattas. Wenn die Stahl- und Kohleindustrie im Pott Leute aus der Türkei, aus Griechenland oder aus Italien geholt hat, in den sechziger Jahren, dann waren das nicht die Ingenieure. Das waren die Malocher aus Izmir, die Ziegenhirten aus Kreta und die Fischer aus Capri. Allesamt keine Oberklasse. Deren Ziel war nicht Bildung und Integration, sondern klarkommen und durchfressen.

Wenn heute der Schnitt-Italiener schlechter integriert ist als der Schnitt-Iraner liegt das daran, dass aus dem Iran nicht die Pampelmusenpflücker hierhin geflüchtet sind, sondern die geistige, ideele und finanzielle Elite des Golfstaates. Das hat mit Religion ÜBERHAUPT nix zu tun.

Die Masse der Türken ist schlechter eingebunden in den Staat Deutschland, weil die Masse der türkischen Arbeiterkindern schlechtere Zugänge in die Aufstiegsränge der deutschen Republik hat, als die Masse der Adeligensprösse aus Jordanien, die in Bonn auf der Hofgartenwiese liegen und Kant rezitieren.

Man kann es auch so sagen: Die Abiabschlussquote liegt bei den Türkenkindern sicher nicht signifikant schlechter als bei den Abkömmlingen der abgeschlagenen Proletarierkaste aus Mecklenburg-Vorpommern. Armut zeugt in Deutschland immer noch Armut. Die Zugangshürden für Unterschichtskinder zu den Unis sind durch die Unigebühren nicht niedriger geworden und die guten Gymnasien der Republik liegen immer noch nicht in Essen-Kray. Ich rede hier nicht von Kindern der Facharbeiter. Ich rede von den Söhnen und Töchtern der Hilfsmalocher, von den Kindern der Leute ohne Hauptschulabschluss, den Abgeschlagenen und Abgestoßenen.

Früher hat die Sozialdemokratie aus dem Satz: „Die Grenzen der Welt verlaufen nicht zwischen den Rassen sondern zwischen den Klassen“ eine Handlungsmaxime abgeleitet. Die Grenzen zwischen den Klassen müssen niedergerissen werden.

Das geht durch Bildung. Denn Bildung schafft Wohlstand. Diese Bildung muss das Ziel der aufgeklärten Gesellschaft sein. Sie ist unser Rohstoff. Sie ist der Kitt in unserem Staat. Bildung ist die Hoffnung seit August Bebel. Bildung muss reingezwungen werden in die Klasse der Abgehängten, um möglichst viele von ihnen von ihren Fesseln zu befreien.

Dieses ganze Religions- und Kulturgefasel ist einfach die halbgare Wiederholung einer veralteten Debatte, die schon in Weimarer Zeiten vertrottelt war. Damals sagte man über die Arbeiter im Pott, die seien halt im Elend zurückgeblieben, weil das katholische Polen sind. Sprich: genetisch, kulturell minderwertiges Pack.

Das Ganze ist doch einfach: weil man über ideele Werte, Familiengefühl und Gen-Bullshit so wunderbar fabulieren kann, muss man sich über die Verteilung der Tattas und die Zugangchancen zur Bildung keine Gedanken mehr machen. Bah. Es war die Erkenntnis im 18. Jahrhundert, dass die Mehrzahl der Konflikte innerhalb von Gesellschaften auf materielle Benachteiligungen zurückzuführen ist – und keine gottgegebenen oder genetischen Ursachen kennt.

Und wo ich gerade so am schimpfen bin. Deutschland.

Deutschland gibt es doch gar nicht. Das ist wie Bielefeld nur eine Erfindung.

Deutschland ist der zufällige Zusammenschluss von ein paar Staaten, Nationen und Völkern, deren Herrscher sich irgendwann einmal nach dutzenden Kriegen auf ein Unentschieden geeinigt haben. Österreicher, Schweizer und Niederländer sind genauso Deutsche, wie Burgunder, Dänen und Schlesier. Nur eben nicht in den Grenzen Deutschlands. Oder anders gesagt: Bayern und Angeln sind auch nur Deutsche, weil sie mit Sachsen und Alemannen zufällig in einem Zollverbund leben.

Die allgemeine Hochsprache der Deutschen wird seit Jahrhunderten immer wieder neu erfunden. Auch aus materiellen Gründen, weil Verleger mehr Bücher und Zeitungen an mehr Menschen verkaufen wollen. Da nervt es wenn jeder anders schreibt. Und wir sprechen nur seit ein paar Jahrzehnten alle ähnlich, weil wir alle Radio hören und Fernsehen sehen und da die Leute genormt sprechen müssen, damit möglichst viele sie verstehen. Es gibt dutzende Deutschs. Auch in Kirgisien und Namibia. Pah.

Und dann die deutschen Lande. Auch nicht deutsch. Hier ist jeder durchgezogen, der keinen festen Wohnsitz hatte. Von Osten nach Westen und umgekehrt. Ich bin genauso Holländer in der vierten Generation, wie Grieche in der zweiten, oder Westfale in der zehnten. Alles vermischt, durcheinander, gequierlt. Selbst die Nazis in Deutschland sind eher Beutepolen als Germanen. Die SZ-Laute in den Namen, der itz-Endungen und unverständlichen Irgendwassen ist Legion. Hier ist keiner deutscher als der andere. Der reinrassigste Sumpfbauer ist im Zweifelsfall nur inzestgeschädigt und deswegen was besonderes – oder auch nicht. Als Volk gesehen ist der Mann dann immer noch nicht Deutscher sondern Friese.

Deutschland. Ich war vor ein paar Wochen in der holsteinischen Schweiz. Das müsste auch eher holsteinische Tschechei heißen. Schöne Landschaft – total slawisch. Slawische Städte, Slawische Dörfer, alles westslawische Gründungen und selbst die Menschen heißen noch Wende und Co. Das Volk da hieß mal Wagrier und gehörte zu den Pommeranen. Ist dann nach irgendeinem Krieg aufgegangen in den Holsteinern oder umgekehrt. Was weiß ich. Wendland, Abtswind, etc… fast die Hälfte von Deutschland ist slawisches Urland. Grömnitz und Eutin sind slawisch. Nicht deutsch. Kommt damit klar.

In diesem Sinne gebe ich zu bedenken, dass wir weiter hier alle integrieren sollten, die rumlaufen, mal besser mal schlechter. Mit den Evangelen aus Ostpreußen hat es auch geklappt. Erkennt man ja gar nicht mehr auf der Straße, die mit ihren Kopftüchern. Man musste denen nur Arbeit geben und den Zugang zur Bildung erleichtern. Den Rest erledigen Snickers, Bier und Pornohefte.

Wie gehabt werden aus allen Ausländern Deutsche. Und wie gehabt wird sich auch das Land dadurch verändern. Die Erfindung Deutschland wird anders. Na und? Wir laufen ja auch nicht mehr mit weiß gepuderten Perücken rum und lassen uns von inzestgeschädigten Baronen beherrschen. Deutschland ist und bleibt ein Vielvölkerstaat im ständigen Wandel.

Und das ist auch gut so. Wenn die ganzen Genetik-Romantiker das endlich begreifen würden, könnten wir den Blut-Und-Boden-Driss hinter uns lassen. Und mit möglichst vielen Einwanderern einen neuen Aufschwung hinlegen. Selbst der demografische Wandel muss nicht sein, wenn wir Leute ins Land lassen.

Verdammt. Man muss doch mal die Wahrheit sagen dürfen. Aber echt.

Der Ruhrpilot

Eine Tragödie ohne Schuldige?

Loveparade: Keine Hilfe bei Überführung von Loveparade-Toten…Der Westen

Ruhrtriennale: Deutsche Uraufführung der „Blechtrommel“…Focus

Ruhrtriennale II: Sieben Oskars trommeln…Ruhr Nachrichten

Ruhrtriennale III: «Die Blechtrommel» in Bochum…Hometown Glory

Dortmund: Vorläufiger Abschlussbericht des S4-Bündnisses…S4

Dortmund II: Zoff unter Dortmunds U-Turm…Der Westen

Gelsenkirchen: Fernsehen, das Web und das Theater…Der Westen

Bochum: Etat 2010 in Arnsberg abgelehnt…Der Westen

Arbeitslosigkeit: Scheißtag…Prospero

Bildung: Menschenrecht auf Bildung in Gefahr….Zoom

Recht: Der Humor der Steuerfahnder…Law Blog

Digital: Freier Musik-Sampler “Freiheit statt Angst 2010″…Netzpolitik

Erfahrung: Mein erstes Jahr in der SPD…Frontmotor

Düsseldorf piekst Atom-Riesen

Zwischenlager in Ahaus

Nur vor das ferne Bundesverfassungsgericht zu ziehen reicht nicht: Die Düsseldorfer Landesregierung will den Atom-Anlagen im eigenen Land Nadelstiche versetzen.

„Wir wollen den höchsten Sicherheitsstandard für unsere Anlagen, unabhängig von den Erlassen der Bundesregierung,“ so eine Sprecherin des zuständigen Wirtschaftsministeriums. Die Auflagen würden zurzeit „gründlich überprüft“. Intern setzt das rot-grüne Kabinett darauf, dem Brennelemente-Zwischenlager in Ahaus und der Urananreicherungsanlage (UAA) im münsterländischen Gronau scharfe Auflagen zu setzen – und so das bundesweite Comeback der Atomenergie zu torpedieren. Düsseldorf ist zum Beispiel zuständig für die Sicherheitsstandards in der UAA und die Genehmigung der zahlreichen Castor-Transporte nach Ahaus.

Hier sieht die rot-grüne Minderheitsregierung in Düsseldorf die Chance, ihren Anti-Atom-Kurs öffentlichkeitswirksam vorzuführen. Schließlich hat auch die Debatte um Kernenergie Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) ins Amt geholfen. Kraft und der grüne Umweltminister Johannes Remmel verkündeten bereits am Montag einmütig, gegen die langen Laufzeiten vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

Und im eigenen Land sollen alle Mittel ausgeschöpft werden. Zwar existiert an Rhein und Ruhr kann eigenes Atomkraftwerk, aber die beiden Anlagen in Ahaus und Gronau sind bedeutend für die gesamte Atomindustrie. In der UAA in Grona wird der Anteil des spaltbaren Materials von Uran erhöht, wie es für die Brennstäbe in AKW benötigt wird. Das dabei entstehende Uranhexafluorid ist hoch giftig- schon bei geringem Kontakt besteht für Menschen keine Überlebenschance. Und in Ahaus dürfen maximal 3960 Tonnen Kernbrennstoff eingelagert werden – mehr als im Zwischenlager Gorleben.

Zwar liefert Urenco nur sieben Prozent des hoch gefährlichen Stoffes an die deutsche Atomenergie. Aber der Atom-Ausstieg hätte dem internationalen Marketing der Firma sicherlich geschadet. „Das wäre für uns wie ein Tempolimit auf der Autobahn für Porsche“, so der Urenco-Geschäftsführer Joachim Ohnemus. Nämlich ein gewaltiger Imageverlust. Bislang aber plant das Unternehmen, das zu je einem Drittel der Niederlande und Großbritannien und zu einem Drittel RWE und Eon gehört, einen massiven Ausbau. Bald soll die scharf bewachte Anlage ausreichend Uran für 40 große Kernkraftwerke anreichern können.

Matthias Eickhoff von der Initiative „Münsterland gegen Atomanlagen“ findet Nordrhein-Westfalen „prädestiniert für den Kampf gegen Atomenergie“. Weil das Land nur den Schrott der anderen Länder in Ahaus umschlagen muss, seien hier die großen Gefahren der Kernenergie besonders präsent. „Die neue Landesregierung muss Transporte nach Ahaus mit Auflagen überziehen und Urenco Hürden setzen“, so Eickhoff. Nur vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen sei viel zu wenig. „Die Atom-Gegner brauchen jetzt viel Phantasie,“ so Eickhoff.

Und die SPD sollte es diesmal auch ernster meinen: Schließlich hatte den Ausbau der Uran-Anlage in Nordrhein-Westfalen einst ein Genosse genehmigt: Der frühere Düsseldorfer Wirtschaftsminister Axel Horstmann gab Urenco das Ok – bevor der Sozialdemokrat nach der verlorenen Landtagswahl 2005 zum Atomkonzern EnBW wechselte.

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PCB: Hätte die Envio-Verseuchung verhindert werden können?

Die Verseuchung zahlreicher Mitarbeiter des Dortmunder PCB-Entsorgungsunternehmens Envio hätte möglicherweise verhindert werden können. Schon im September 2008 wurde die Stadt Dortmund durch einen anonymen Brief über die illegalen Aktivitäten des Unternehmens informiert. Statt die Polizei zu informieren, wurde eine Kopie dieses Briefes Envio übergeben.

Das Schreiben, dass uns vorliegt, ging am 11. September 2008 beim Umweltamt der Stadt ein. Es schildert ausführlich und detailliert die Zustände auf dem Betriebsgelände von Envio:  Es weist auf den rücksichtslosen Umgang mit PCB-verseuchten Transformatoren hin, schildert, dass nicht genehmigte Reinigungsverfahren verwendet werden und weist auf die Verseuchung des Geländes mit PCB und deren Konsequenzen hin: „Die (ehemaligen) Mitarbeiter laufen ein erhöhtes Risiko auf Gesundheitsschaden. Der Standort ist nicht nur im Schwarzbereich verunreinigt.“ Eigentlich ist nur im so genannten Schwarzbereich auf dem Betriebsgelände der Umgang mit den PCB-verseuchten Transformatoren gestattet.

Auch auf weitere illegale Aktivitäten von Envio gibt es deutliche Hinweise: „Die PCB verunreinigten Gehäuse werden als sauberer Metallschrott verkauft. Der Schrotthändler, der dieses Material kauft, wird über die Gefahr nicht unterrichtet. Auch das Kupfer und die Bleche werden verkauft mit zu hohen PCB-Werten, die Käufer werden hierüber nicht informiert.“

Viele der in dem Schreiben erhobenen Vorwürfe haben sich mittlerweile bestätigt. Envio ist die Verarbeitung von PCB-belasteten Transformatoren mittlerweile untersagt worden. Das Unternehmen ist geschlossen und hat erste Mitarbeiter entlassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen vorsätzlicher Luft- und Bodenverunreinigung in einem besonders schweren Fall sowie gefährlicher Körperverletzung gegen die Verantwortlichen des Unternehmens. Die Bezirksregierung Arnsberg hat Strafanzeige wegen Verstößen gegen das Chemikaliengesetz und die Gefahrstoffverordnung gestellt.

Doch im September 2008 geschah nach dem Eingang des anonymen Schreibens nahezu nichts. Die Stadt Dortmund leitete den Brief an die Bezirksregierung weiter. Dort kam er am 12. September an. Am 22. September kam es zu einer ohnehin geplanten und angekündigten Kontrolle der Bezirksregierung bei Envio. Bei dieser Kontrolle wurden zwar Mängel festgestellt, aber eine Stilllegungsanordnung wurde nicht getroffen. Die Vorwürfe aus dem anonymen Schreiben wurden laut vorliegenden Akten der Bezirksregierung „erörtert“. Danach wurde Envio eine Kopie des Briefes ausgehändigt.

Obwohl die Vorwürfe schwer und detailliert waren, haben weder die Stadt Dortmund noch die Bezirksregierung schnell gehandelt. Und obwohl in dem Schreiben erhebliche Straftatbestände geschildert wurden, hielt keine der Behörden es für notwendig, die Polizei einzuschalten oder durch eine unangemeldete Kontrolle den Vorwürfen nachzugehen.

Für die Bezirksregierung Arnsberg ergaben sich durch das anonyme Schreiben  auch aus heutiger Sicht „keine Hinweise auf einen akuten Handlungsbedarf bzw. Gefahr im Verzuge“, erklärt sie auf Anfrage. Bei der Stadt Dortmund beurteilt man das eigene Handeln heute selbstkritischer: „ Das Vorgehen (kann)aus heutiger Sicht und mit dem heutigen Wissen vielleicht mit „zu wenig“ bewertet werden. Aus damaliger Sicht (…) stand Envio nicht vorrangig im Fokus.“

Das blieb trotz des Briefes noch lange so. Zwar wurden seit 2006 in der Nähe des Envio-Unternehmenssitzes am Dortmunder Hafen erhöhte PCB-Werte gemessen, aber nach einem Sachstandsbericht der Stadt Dortmund und der Bezirksregierung stand bis Anfang 2010 Envio nicht im Zentrum der Ermittlungen: „Die Zahl der möglichen Emittenten kann eingeschränkt werden, eine eindeutige Eingrenzung ist aber nicht möglich.“

Dokumente, die uns vorliegen, ziehen diese Betrachtungsweise in Zweifel. Messungen des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV), die von Juni bis September vergangenen Jahres vorgenommen wurden, zeigen, dass zwar zu dieser Zeit acht Betriebe als mögliche Verursacher der PCB-Verschmutzung ausgemacht worden waren, aber kein Betrieb von so vielen Messpunkten umzingelt war wie Envio. Unangemeldete Kontrollen fanden trotzdem erst im Frühjahr 2010 statt.

Auch das Umweltministerium, damals noch unter der Leitung des heutigen Landtagspräsidenten Eckhard Uhlenberg (CDU), wurde nicht informiert. Von dem anonymen Schreiben erfuhr Düsseldorf erst am 9. Juli – fast zwei Jahre nach Eingang. Mit dem Ablauf des Verfahrens ist das Ministerium nicht zufrieden. Die Vorgänge rund um Envio werden geprüft. Eine fachaufsichtliche Projektgruppe durchleuchtet nun die Behördenvorgänge. Am Fall Envio soll auch die Behördenstruktur- und Organisation überprüft werden. Für Verbesserungen scheint es Raum zu geben.

Envio kämpft indes mit den Folgen des Skandals. Schon Ende Juni wurde der Name einer Tochterfirma geändert: Aus Envio-Gas wurde Bebra-Gas. Eine Befragung habe ergeben, teilt Unternehmenssprecherin Claudia Weirich mit, dass Kunden die Biogasanlage vorwiegend mit Bebra assoziieren: „Envio wurde dagegen hauptsächlich mit Transformatoren und PCB-Entsorgung verbunden und nicht mit dem Bau von Biogasanlagen.“ Und mit PCB möchte man wohl den Geschäftszweig Biogasanlagen nicht verbunden sehen.

Das Unternehmen versucht auch, gegen die von der Stadt Dortmund erlassene Gewerbeuntersagung vorzugehen. In einem Brief der von Envio beauftragen Anwaltskanzlei Büge, Tünnesen-Harmes an die Stadt wird die Rechtmäßigkeit der Untersagung angezweifelt. Die Stadt, schreiben die Juristen, hätte noch immer kein Ermittlungsergebnis zum Verschulden Envios vorgelegt, das eine Gewerbeuntersagung rechtfertigen würde.  Die Stadt sieht das anders: Sie will Envio endgültig verbieten, in Dortmund tätig zu sein.

Der Artikel erschien in ähnlicher Form auch in der Welt am Sonntag

Integration – Die packen das einfach nicht

Zwar gehört Neid zu den Todsünden, aber er spornt an. Auf Thilo Sarrazin bin ich neidisch, ich trachte dem Noch-Bundesbanker nach dem Job. Der Mann gilt als Experte.

Auf seinem ureigensten Terrain kann ich locker mithalten. Von Integration versteht der Mann etwa so viel wie ich von Währungs- und Finanzpolitik. Ich habe fünf Sparbücher, zahlreiche Schulden, einen gesunden Menschenverstand und schon drei Bundesfinanzministern die Hand geschüttelt, von einem sogar ein Autogramm bekommen. Gut, da war ich zwölf und der Mann ziemlich erstaunt. Zur Not kann ich meinen Bruder fragen, der hat Volkswirtschaft studiert. Damit dürfte es zwischen Thilo und mir mindestens Unentschieden stehen. Ich warte jetzt auf die ersten Talkshows, Anne Will wäre mir lieb. Oder muss ich erst das Buch schreiben und dann ins Fernsehen? Ich könnte die These bieten: Deutschland verarmt wegen der Banken, bald werden die uns alle unter Kontrolle haben, und die Politik hat zu lange weggeschaut. Ach so: Aber das darf man hier ja nicht sagen!

Über Integrationsdefizite bei Migranten kann ich leider nicht mitreden, da kann ich Sarrazin nur zustimmen: Die packen es einfach nicht. Ich weiß, wovon ich rede. Nehmen wir einmal an, du wurdest Ende der 50-er in Ankara geboren, nur als Beispiel, bist als Siebenjährige über die grüne Grenze nach Deutschland eingewandert, wurdest als erstes vom Vater sonntags zum Internationalen Frühschoppen vorm Fernseher geparkt, wenn du dann als Neunjährige schon alle Behördengänge für die Familie absolviert hast, mit zwölf statt zur Schule putzen und schuften gegangen bist, dann hast du wie die türkischen Gemüsehändler in Neukölln noch nicht wesentlich zur Volkswirtschaft beigetragen. Den Arbeitgeber Telefunken und Elisabeth Arden hast du aber trotzdem eine große Freude bereitet und vielleicht deren Beitrag zur Volkswirtschaft gefördert. Du warst Anfang der 70-er Jahre, was miserable Bezahlung und Arbeitsbedingungen betrifft, zwar dem deutschen Arbeitnehmer rund 30 Jahre voraus, integriert hast du dich aber nicht.

Hättest du als Teenager statt Tolstoi und Dostojewski Utta Danella gelesen, wärest du endlich mal eingetaucht in die deutsche Leitkultur. Wenn du nach Mitgliedschaft im urdeutschen KBW und schließlich in der SPD im Alleinstudium die Allgemeine Hochschulreife über die Sonderbegabtenprüfung erlangst und mit einem Stipendium der Gewerkschaft Jura, also deutsches Recht studierst, musst du dich nicht wundern über die Frage, wann du denn in deine Heimat zurückkehrst. Der Fragende meint damit übrigens nie die Stadt am Bodensee, die du für deine Heimat hältst. Überhaupt darfst du dir eine Menge Fragen anhören. Oder besser gesagt: Ein paar Fragen immer wieder. Was denn dein Name bedeutet, den auch nach 40 Jahren türkischer Migration niemand richtig aussprechen kann. Da geht es dir nicht besser als Cem Özdemir, von Journalisten gerne Tschem Ötzdemir genannt, von Tschornalisten sozusagen, die möglicher Weise Hubert Krzywiczek heißen.

Komme bloß nicht auf die Idee, irgendeinem Hubert zu entgegnen, „Hupart“ sei aber ein schöner Name, verbunden mit der Frage, was der denn wohl bedeute. Frage ihn nicht, wo er selbst herkomme, um ihn auf seine Antwort: „Dingolfing“ zu loben, dafür spräche er aber hervorragend Deutsch. Auch wenn du damit nur sein strunzdummes Gelaber konterst. Verkneife dir auch die Frage, wann er denn in seine Heimat zurückkehre. Ertrage geduldig sein Gewäsch vom Kopftuch, auch wenn du ihm mit geschminkten Lippen, hochhackigen Schuhen und Minikleid entgegen trittst und ein Kopftuch allenfalls mal als modisches Accessoire im Grace-Kelly-Look nutzt.

Wenn er dann, ganz Experte, dich über den finsteren Islam aufklärt, bedaure ihn nicht für seine Mitgliedschaft in der katholischen Kirche, in der eine Frau wenig und Homosexualität als Sünde gilt. Dann wäre deine Integration für immer gescheitert. Sei einfach wie verlangt Islam-Expertin qua Geburt. So wie auch jeder Ruhri allein durch seine Herkunft ausschließlich Fachmann ist für Fettkohle und Polen. Fang bloß nicht von Simone de Beauvoir an, selbst wenn du die im Gegensatz zum Koran gelesen hast. Wenn das Gespräch auf die Integration kommt, erwähne nie die 16 Jahre dauernde Kohl-Ära, in der die Türkei schon zwölf Jahre vor der Bundesrepublik eine Regierungschefin hatte.

In der Zeit hättest du lernen können, wie Integration geht. Als die Häuser brannten in Solingen und Mölln und ihre Bewohner elendig krepierten, als Helmut Kohl sich den Versprecher leistete: „Deutschland ist und bleibt ausländerfrei… äh… -freundlich“ und zur Trauerfeier nicht selbst erschien, sondern den Zuständigen schickte, den Außenminister. Da hättest du kapieren können, dass ihr eure Rolle finden solltet als opfer- oder ausreisewillige Gruppe und später bei einem Landtagswahlkampf als hetzkampagnenfähiges Zerrbild. Sich damit abzufinden, das hätte Integrationswillen bekundet.
Du aber hast dich weiter gewundert, darüber, dass deine Tochter Ebru von der Stadtbücherei ihrer Geburtsstadt nach Jahren immer noch als „Herr Ebru“ angeschrieben wird. Hättest du sie einfach Claudia genannt, das wäre mal ein Schritt gewesen, den man von euch Migranten so gerne fordert. Du hast Fehler gemacht in ihrer Erziehung. Du hast dich geweigert, sie in der Grundschule in den Deutsch-Förderkurs zu schicken. Da zählt aber dein Dostojewski nicht und nicht dein Zeit-Abo, und dein deutscher Lebensgefährte mit Germanistikstudium schon gar nicht. Den kann es bei dir gar nicht geben, man hat sich gerade mühevoll damit abgefunden, dass du nicht zwangsverheiratet bist. Da zählt allein der Erfolg. Und Erfolg ist nicht, wenn Kinder mit Migrationshintergrund Deutsch können. Erfolg ist, wenn sie ihr Defizit in möglichst großen Förderkursen eingestehen. Denn das allein macht sich gut in der Statistik, und Statistik ist sehr deutsch.

Du hast später den Fehler begangen, nicht auf den Schulleiter zu hören, als es um den Übergang zur weiterführenden Schule ging. Er hatte doch ausführlich begründet, warum Ebru auf dem Gymnasium nichts verloren hätte: Seine Nachbarn seien auch Türken, da sei die Tochter auf der Realschule, und das sei auch gut so. Selbst schuld, wenn Ebru auf einem Gymnasium landet, in dem die Oberstufe schultyptypisch als national befreite Zone durchginge. Wenn du in einem Marie-Curie-Gymnasium den Mathe-, Physik- und Klassenlehrer zum Konzept der Mädchenförderung in den Naturwissenschaften befragst und die schöne Antwort erhältst: „Wenn Mädchen sich melden, nehm ich sie auch dran“, und trotzdem glaubst, dass irgendein Lehrer sich Gedanken macht zum Umgang mit Migranten, hast du das deutsche Schulsystem nicht verstanden. Das klingt dann schon ein wenig nach Integrationsverweigerung. Schließlich hatten die Pädagogen recht. Was ist aus deiner Tochter geworden? Master-Studentin in der Chemie, gut. Aber wo bitteschön? In Spanien. Integration geht anders.

Bei dir selbst sieht es nicht besser aus. Du hast das erste und das zweite Staatsexamen, die Zulassung als Rechtsanwältin. Die deutsche Staatsbürgerschaft hast du auch erhalten, in einer Zeremonie, die eher nach der Verlängerung eines Anwohnerparkausweises aussah als danach, dass der Beamte, Beigeordneter immerhin, dich oder die deutsche Staatsangehörigkeit besonders wertschätzte.

Jetzt hast du an deiner Kanzlei ein Schild angebracht. „Rechtsanwältin“ steht darauf, nicht etwa „Scharia-Schamanin“. Und wer sind deine Mandanten? Zu 80 Prozent Türken, nein: türkischstämmige Frauen. Im Diskriminieren stehen türkische Männer den Deutschen nicht nach. Ich sag doch: Du packst das einfach nicht mit der Integration.