Funkstill, Mittwoch, 8. September, 20.00 Uhr, Intershop, Bochum
Der Ruhrpilot
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Digital: ACTA-Leak aus der Verhandlungsrunde in Washington…Netzpolitik
3 Jahre Rudolf Steiner ist „zum Rassenhass anreizend bzw. als Rassen diskriminierend anzusehen“
Tauchten während der Ausbildung zum Waldorflehrer [im „Seminar für Waldorfpädagogik Berlin“] auch rassistische Inhalte auf? Ja. Ich möchte drei Ebenen unterscheiden:
1. Betonung der Überlegenheit der Europäer (= Weißen) unter Ausklammerung der Unterlegenen, der Nicht-Europäer
2. Beschreibung des Verhältnisses von Europäern zu Nicht-Europäern unter Verwendung rassistischer Stereotypen
3. Beschreibung der Nicht-Europäer
Zu jeder Ebene hier ein Beispiel:
1. Betonung der Überlegenheit der Europäer (= Weißen) unter Ausklammerung der Unterlegenen, der Nicht-Europäer:
Im Fach „Kunstbetrachtung“, einer anthroposophischen Kunstgeschichte, erläutert der Gastdozent Dr. Weiss* die Entwicklung der Steinerschen „Wesensglieder“ anhand von dafür typischen Kunstwerken: Die alten Ägyper besaßen noch ein „magisches Bewusstsein“, eine unmittelbare Verbindung zur „geistigen Welt“; bei den Griechen bildete sich die „Verstandesseele“ aus; und „um das Jahr 1413 herum begann mit der Entdeckung der Perspektive die Ausarbeitung der Bewusstseinsseele“. „Damit haben die Europäer eine Vorreiter-Rolle übernommen“, erklärt Dr. Weiss. Ich frage nach: „Und der Rest der Menschheit hinkt hinterher?!“ Dr. Weiss: „Sie wollen mich wohl auf’s Glatteis führen!“ Gefahr erkannt, leider aber nicht gebannt:
Dr. Weiss ist durchaus bewußt, dass mit der von ihm – oder besser: von Steiner – festgestellten Überlegenheit der Europäer eine Unterlegenheit aller Nicht-Europäer einhergeht. Aber dazu steht er, betont an anderer Stelle, dass doch gar kein Zweifel daran bestünde, dass Schwarz-Afrikaner ganz anders als Weiße seien: „Das merke ich schon, wenn ich bei einem schwarzen Taxifahrer mitfahre …“ Dr. Weiss muß es ja wissen, spricht er doch aus Erfahrung: Er hatte nach eigenem Bekunden jahrelang in Südafrika gelebt.
Im Zusammenhang mit der Perspektive präsentiert Dr. Weiss noch ein überraschendes Detail: auf nicht nachvollziehbaren Umwegen verortet er den eigentlichen Verdienst an der kulturhistorischen Leistung „Perspektive“ im germanischen Kulturkreis nördlich der Alpen:
eben anthroposophische Kunstgeschichte …
2. Beschreibung des Verhältnisses von Europäern zu Nicht-Europäern unter Verwendung rassistischer Stereotypen:
Im Fach „Erzählübungen“, angeleitet vom Leiter des Waldorfseminars, Herrn Klein*, soll ein als vorbildlich geltender Text mit eigenen Worten wiedergegeben werden – dieser Text ist ausdrücklich als Material für den Waldorf-Schulunterricht vorgesehen. Worum geht es? Um Geographie. Geschildert wird die Begegnung von Stanley mit Livingstone irgendwo im finsteren Kontinent, Afrika. Stilistisch scheint es sich um einen Aufsatz des neunzehnten Jahrhunderts zu handeln, mit klarer Rollenverteilung: Der europäische Entdecker, Wissenschaftler, begegnet dem primitiven, naiven Schwarzen …
Die vorgestellten Sterotypen sind so eindeutig diskriminiernd, dass es zu massiven Protesten der Waldorfseminaristen kommt, was aber für die Dozenten kein Anlaß zur Selbstkritik ist.
3. Beschreibung der Nicht-Europäer:
In der Seminarveranstaltung zum Thema Geographie, die der Dozent Vormann* vom 29.10. – 2.11.2001 durchführt, wird eine der nicht-europäischen Rassen mit Namen genannt: die „Indianer“.
Im folgenden zitiere ich aus meinem Erlebnisbericht „Wundersame Waldorf-Pädagogik oder Atlantis als Bewusstseinszustand”:
„»Wie unterrichte ich Geographie an der Waldorf-Schule?« ist das Thema des Dozenten Vormann. Sein Ziel ist es, »hinter den äußeren Eindrücken nach und nach den Schleier für eine höhere Ganzheit zu heben«.
Eine Woche hat er dazu Zeit, und er nutzt sie, um zwei Kontinente vorzustellen: »Geographische Polaritäten. Zentral- und Ostasien im Vergleich mit Nordamerika.« Zunächst ist es nur mehr oder weniger eine Wiederholung des altbekannten Schulstoffes – Gelber Fluß und Colorado River werden gegenübergestellt. Dann widmet er sich seinem eigentlichen Thema: »Mensch und Landschaft.« Aus der asiatischen Architektur – der Pagode – folgert er, daß der Asiat sich dem Himmel – »Tien« – zuwendet.
»Und was ist die typische Architekturform Nordamerikas?« fragt Herr Vormann und gibt alsbald die Antwort: »Es ist die Stufenpyramide. Sie steht für die Erdverbundenheit der präkolumbianischen Völker.« L. erlaubt sich die Frage: »Und was ist mit den Indianern Nordamerikas – der Puebloarchitektur? Oder dem Zelt der Nomadenvölker der großen Prärien?« »Die haben im großen Überblick keine Bedeutung, die Indianer waren schon eine absterbende Rasse«, ist die Antwort des Dozenten. »Eine absterbende Rasse, was meinen Sie damit, daß die Indianer von den Weißen aus ihrem angestammten Lebensraum verdrängt wurden?« »Nein, die Indianer waren schon vorher eine absterbende Rasse, ihnen fehlten die Voraussetzungen für eine kulturelle Höherentwicklung.«
Keiner der Seminaristen sagt etwas. In L. brodelt es, er erinnert sich an seine Reise in den amerikanischen Westen: »Finden Sie das nicht unfair, nach all dem Unrecht, was die Indianer erleiden mußten, ihnen auch noch die Schuld daran anzulasten?!« »Was regen Sie sich so auf, die Alten Agypter waren schließlich auch eine absterbende Rasse.«
L. ringt um Worte: »Meinetwegen können Sie das über die Alten Ägypter sagen, aber ich habe keine Lust, einem Indianer, den ich als Anhalter im Auto mitnehme, zu erklären, daß er zu einer absterbenden Rasse gehört!« Herr Vormann ist ob soviel Respektlosigkeit erbost. »Lassen Sie uns im Unterricht fortfahren, diese Frage können wir hier und jetzt nicht hinreichend erörtern!« Ist damit für ihn die Sache erledigt? L. hört nie wieder etwas von ihm …“ [Zitat-Ende]
Was meint der Dozent Vormann, wenn er von den Indianern als „absterbender Rasse“ spricht? Er fasst mit eigenen Worten eine „Erkenntnis“ Rudolf Steiners zusammen, wie sie sich z.B. in „Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhang mit der germanisch-nordischen Mythologie“ findet, Zitat:
„Auf das Drüsen-System endlich – nur auf dem Umwege durch alle anderen Systeme – wirkt dasjenige, was wir bezeichnen können als die abnormen Geister der Form, die im Saturn ihren Mittelpunkt haben. Da haben wir in allem, was wir als Saturn-Rasse zu bezeichnen haben, in allem, dem wir den Saturn-Charakter beizumessen haben, etwas zu suchen, was sozusagen zusammenführt, zusammenschließt das, was wieder der Abenddämmerung zuführt, deren Entwicklung in gewisser Weise zum Abschluß bringt, und zwar zu einem wirklichen Abschluß, zu einem Hinsterben. Wie sich das Wirken auf das Drüsensystem ausdrückt, sehen wir an der indianischen Rasse. Darauf beruht die Sterblichkeit derselben, ihr Verschwinden. Der Saturn-Einfluß wirkt durch alle anderen Systeme zuletzt auf das Drüsensystem ein. Das sondert aus die härtesten Teile des Menschen, und man kann daher sagen, daß dieses Hinsterben in einer Art Verknöcherung besteht, wie dies im Äußeren doch deutlich sich offenbart. Sehen Sie sich doch die Bilder der alten Indianer an, und sie werden gleichsam mit Händen greifen können den geschilderten Vorgang, in dem Niedergang dieser Rasse.“
Dieselbe „These“ wiederholt Steiner auch in anderen Werken, in wechselnder Ausgestaltung, z.B. in „Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis“, Seite 244:
„Wir haben in der amerikanischen Rasse eine primitive Urbevölkerung vor uns, die weit, weit zurückgeblieben ist, auch in bezug auf religiöse Weltanschauung. (…) Aber die Europäer sind hinaufgestiegen zu einer höheren Kulturstufe, während die Indianer stehengeblieben und dadurch in Dekadenz gekommen sind. Diesen Entwickelungsvorgang muß man immer beachten. Er läßt sich darstellen wie folgt. Im Laufe der Jahrtausende verändert sich unser Planet, und diese Veränderung bedingt auch eine Entwickelung der Menschheit. Die Seitenzweige, die nicht mehr in die Verhältnisse hineinpassen, werden dekadent. Wir haben also einen geraden Entwickelungsstamm und abgehende Seitenzweige, die verfallen (siehe Zeichnung).“
Im vorgestellten Zitat aus „Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis“ erläutert Steiner diese „Zeichnung“ auf der gegenüberliegenden Seite, Seite 245 [siehe Abbildung oben].
Fazit:
Im Rahmen der anthroposophischen Ausbildung zum Waldorflehrer am „Seminar für Waldorfpädagogik Berlin” wurden eindeutig rassistische Inhalte gelehrt.
Das Spektrum reichte von krassen Aussagen über Nicht-Europäer („Indianer”), die diesen letztlich die Existenzberechtigung absprechen, bis hin zum ganz alltäglichen Rassismus, der eine Vorreiterrolle, Dominanz, Überlegenheit des Europäers (= Weißen) gegenüber anderen Rassen ausdrückte.
Steiners esoterische „Menschheitsentwickelung“ wurde in Form seiner „Kulturepochen“-Lehre am Waldorfseminar unterrichtet.
Wie die Steinerschen „Kulturepochen“ und damit seine rassistische „Menschheitsentwickelung“ den Weg über die indirekte Vermittlung durch den Waldorflehrer zu den Waldorfschülern findet, wird im nächsten Kapitel aufzuzeigen sein. [nächstes Kapitel im Gutachten].
* Namen geändert
Anhang: Aus der „Entscheidung Nr. 5506 vom 6.9.2007“ der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien zu „Geisteswissenschaftliche Menschenkunde“ von Rudolf Steiner, vertrieben vom Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz, Zitat Seite 6f.:
„(…) Der Inhalt des Buches ist nach Ansicht des 12er-Gremiums in Teilen als zum Rassenhass anreizend bzw. als Rassen diskriminierend anzusehen.
Der Begriff der zum Rassenhass anreizenden Medien konkretisiert das allgemeine verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Mithin ist der Begriff „Rasse“ weit auszulegen. Zum Rassenhass anreizende Träger- und Telemedien sind solche, die geeignet sind, eine gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen eine durch ihre Nationalität, Religion oder ihr Volkstum bestimmte Gruppe zu erzeugen, welche zugleich bei Kindern und Jugendlichen einen geistigen Nährboden für die Bereitschaft zu Exzessen gegenüber diesen Gruppen schafft (Nikles, Roll, Spürck, Umbach; Jugendschutzrecht, 2. Auflage; § 18 Rn. 5). Ein Medium reizt mithin zum Rassenhass an, d.h. stellt Rassenhass als nachahmenswert dar, wenn darin Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer anderen Rasse, Nation, Glaubensgemeinschaft o.ä. als minderwertig und verächtlich dargestellt oder diskriminiert werden (Ukrow, Jugendschutzrecht, Rn. 284). Auch wenn ein Medium nicht direkt zum Rassenhass anreizt oder aufstachelt, fällt es dennoch unter § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG, wenn es das namentlich aus Art. 3 und 4 GG ersichtliche Toleranzgebot der Verfassung z.B. dadurch verletzt, dass es Kinder und Jugendliche dazu verleitet, andere zu missachten, die eine andere Hautfarbe, einen anderen Glauben und eine andere Weltanschauung haben (Ukrow; a.a.O.; Rn. 284).
Nach Auffassung des Gremiums finden sich im Achtzehnten Vortrag vom 3.5.1909 (S. 277-294) Textpassagen, die aus heutiger Sicht als Rassen diskriminierend einzustufen sind, weil der Autor darin Menschen verschiedener ethnischer Herkunft aufgrund körperlicher Merkmale in unterschiedliche Wertungsstufen einteilt. Dort wird u.a. ausgeführt:
Was wäre nun geschehen, wenn nun keine Veränderung innerhalb der Erdentwickelung eingetreten wäre? Dann hätten überhaupt die besten der Seelen der polarischen Länder nicht hineinsteigen können in eine physische Körperlichkeit. Und auf der anderen Seite wäre sozusagen die Bevölkerung um den Äquator herum mehr oder weniger dem Untergange verfallen. Weil sie zu früh in eine physische Leiblichkeit hinuntergestiegen war, verfiel sie ja gerade in jene Laster und Untugenden, die zum Untergange von Lemurien geführt haben. Und die Folge war, dass der beste Teil der Bevölkerung auswanderte in jene Gegenden, die zwischen dem Äquator und den nördlichen Ländern lagen. Denn in den lemurischen Zeiten haben wir die zukunftssichersten Glieder der Menschheit in den Zwischenländern zwischen dem Äquator und dem Nordpol. Gerade am besten entwickelten sich die Menschenleiber, die dann wieder Träger werden konnten der besten Menschenseelen, in jenen Gegenden der alten Atlantis, die in der heute sogenannten gemäßigten Zone lagen. (S. 283)
Diejenigen Völker, bei denen der Ich-Trieb zu stark entwickelt war und von innen heraus den ganzen Menschen durchdrang und ihm die Ichheit, die Egoität aufprägte, die wanderten allmählich nach Westen, und das wurde die Bevölkerung, die in ihren letzten Resten auftritt als die indianische Bevölkerung Amerikas. Die Menschen, welche ihr Ich-Gefühl zu gering ausgebildet hatten, wanderten nach dem Osten, und die übriggebliebenen Reste von diesen Menschen sind die nachherige Negerbevölkerung Afrikas geworden. Bis in die körperlichen Eigenschaften hinein tritt das zutage, wenn man die Dinge wirklich geisteswissenschaftlich betrachtet. Wenn der Mensch sein Inneres ganz ausprägt in seiner Physiognomie, in seiner Körperoberfläche, dann durchdringt das gleichsam mit der Farbe der Innerlichkeit sein Äußeres. Die Farbe der Egoität ist aber die rote, die kupferrote oder auch die gelblichbraune Farbe. Daher kann tatsächlich eine zu starke Egoität, die von irgendeinem gekränkten Ehrgefühl herrührt, auch heute noch den Menschen von innen heraus sozusagen gelb vor Ärger machen. Das sind Erscheinungen, die durchaus miteinander zusammenhängen: die Kupferfarbe derjenigen Völker, die nach Westen hinübergewandert waren, und das Gelb bei dem Menschen, dem die „Galle überläuft“, wie man sagt, dessen Inneres sich daher bis in seine Haut ausprägt. Diejenigen Menschen aber, die ihre Ich-Wesenheit zu schwach entwickelt hatten, die den Sonneneinwirkungen zu sehr ausgesetzt waren, sie waren wie Pflanzen: sie setzten unter ihrer Haut zuviel kohlenstoffartige Bestandteile ab und wurden schwarz. Daher sind die Neger schwarz. – So haben wir auf der einen Seite östlich von Atlantis in der schwarzen Negerbevölkerung, auf der andern Seite westlich von Atlantis in den kupferroten Völkern Überreste von solchen Menschen, die nicht in einem normalen Maße das Ich-Gefühl entwickelt hatten. Mit den Normalmenschen war am meisten zu machen. Sie wurden daher auch dazu ausersehen, von dem bekannten Orte in Asien aus die verschiedenen anderen Gebiete zu durchsetzen. (S. 286)
Diejenigen, die nach dem Osten hinüberwanderten und die schwarze Bevölkerung wurden, waren stark beeinflussbar durch die Außenwelt, besonders für die Sonnenwirkung, gerade weil sie ein geringes Ich-Gefühl hatten. Nun aber wanderten in dieselben Gegenden, wenigstens in dieser Richtung, Völkerschaften, die ein starkes Ich-Gefühl hatten. Das ist eine Bevölkerung, die sozusagen die östliche Richtung der westlichen vorgezogen hat. Diese hat gemildert die kupferrote Farbe, welche sie bekommen hätte, wenn sie nach Westen gezogen wäre. Und aus ihr entsprang jene Bevölkerung, die ein starkes Ich-Gefühl hatte, das sich die Waagschale hielt mit dem Hingegebensein an die Außenwelt. Das ist die Bevölkerung Europas, von der wir im letzten öffentlichen Vortrag sagen konnten, dass das starke Persönlichkeitsgefühl von Anfang an bei ihr das Wesentliche war. (S. 287)
Sehen Sie sich diese Farben an, von den Negern angefangen bis zu der gelben Bevölkerung hin, die in Asien zu finden ist. Daher haben Sie dort Leiber, die wiederum Hüllen der verschiedensten Seelen sind, von der ganz passiven Negerseele angefangen, die völlig der Umgebung, der äußeren Physis hingegeben ist, bis zu den anderen Stufen der passiven Seelen in den verschiedensten Gegenden Asiens. (…) So dass wir im Grunde genommen zwei Gruppen von Bevölkerungen haben, welche die verschiedenen Mischungsverhältnisse darstellen: auf europäischem Boden die einen, welche den Grundstock der weißen Bevölkerung bildeten, die das Persönlichkeitsgefühl am stärksten ausgebildet hatten, aber sich nicht dort hinwandten, wo das Persönlichkeitsgefühl den ganzen Leib durchdrang, sondern wo das Ich-Gefühl sich mehr verinnerlichte. Daher haben Sie in Westasien, zum Teil auch in den älteren Zeiten in Nordafrika und in den europäischen Gegenden eine Bevölkerung, die innerlich ein starkes Ich-Gefühl hat, aber äußerlich im Grunde genommen wenig sich verliert an die Umgebung, die innerlich starke und gefestigte Naturen sind, aber diesen inneren Charakter nicht der äußeren Leiblichkeit aufgeprägt haben. Dagegen haben wir in Asien Bevölkerungen, die passive, hingebende Naturen sind, bei denen gerade das Passive im höheren Grade zum Ausdruck kommt. (S. 288)
Wenn wir jetzt in die Zeiten zurückschauen, können wir sagen: Daran, dass gewisse Bevölkerungsteile der Erde nicht die Möglichkeit gefunden haben, richtig mit der Erdentwickelung Schritt zu halten in der Herausentwickelung ihres Ichs, daran können wir uns die Lehre nehmen, wie viel verfehlt werden kann in bezug auf die Entwickelung des höheren Ichs aus dem niederen Ich. (S. 291)
Da gab es zum Beispiel in der alten Atlantis Völker, die dann zu Indianern geworden sind, die sich sozusagen verloren haben von der Erdenbevölkerung. (…) Und sie haben dieses Ich so stark entwickelt, dass es bei ihnen bis in die Hautfarbe gegangen ist: sie wurden eben kupferrot. Sie haben sich in der Dekadenz entwickelt. (S. 291/292)
Das andere Extrem waren die, welche da sagten: Ach, das Ich ist nichts wert! Das Ich muss sich selber ganz verlieren, muss ganz und gar aufgehen, muss sich alles sagen lassen von außen! – In Wirklichkeit haben sie es nicht gesagt, denn sie reflektierten ja nicht so. Aber das sind die, welche so ihr Ich verleugnet haben, dass sie schwarz davon wurden, weil die äußeren Kräfte, die von der Sonne auf die Erde kommen, sie eben schwarz machten. Nur diejenigen, welche imstande waren, die Balance zu halten in bezug auf ihr Ich, das waren die, welche sich in die Zukunft hinein entwickeln konnten. (S. 292)
Da gab es auch schon diese drei Teile unter den Menschen: Die einen, die ihr Ich wirklich entwickeln wollten, Neues und immer Neues aufnahmen und dadurch wirklich zu Trägern der nachatlantischen Kultur wurden. Es gab die anderen, die ihren Gottmenschen nur aus sich sprechen lassen wollten, und ihr Ich durchdrang sie mit der kupferroten Farbe. Und die dritten, welche nur nach außen hin den Sinn wandten, und dieser Teil wurde schwarz. (S. 294) (…)“
Andreas Lichte bei den Ruhrbaronen:
„Waldorfschule: Vorsicht Steiner“ – Interview mit Andreas Lichte
„Die Waldorfschulen informieren“
„Drei Gründe für die Waldorfschule“
„Waldorfschule: Lehrer gesucht!“
„Waldorfschule Schloss Hamborn, das anthroposophische Zentrum in Ostwestfalen“
Abbildung aus: Rudolf Steiner, „Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis”, Seite 245
Von Herzen Punk – ar/gee Gleim zum Ratinger Hof Buch
Unser Gastautor, der Fotograf Richard Gleim setzte seinerzeit die deutsche Punkszene rund um den legendären Düsseldorfer Ratinger Hof ins Bild. Er war dabei.
Jetzt ist ein opulentes Buch zum Hof von damals erschienen.
Bei uns bespricht ar/gee das Buch selbst und richtet einen Aufruf an die Jugend:
Was macht eine Blechkiste so attraktiv? Das ist wie bei einer Pralinenschachtel, der Inhalt.
Weist der Prägedruck von Verpackungen erlesener Pralinen schon auf den Inhalt hin, ist es hier feines Blech mit einem Bild des Ratinger Hofs.
Du wiegst die propere Blechkiste in der Hand und spürst, dass sich darin etwas Wertvolles befindet, etwas das es zu heben gilt.
Du öffnest den Deckel und …. dir fällt ein Bierdeckel entgegen, der sich alsbald als ein Remake der Eintrittskarte zu einem Konzert von WIRE am 09.11.1978 im Ratinger Hof erweist.
Dann entnimmst du ein DIN A4 Foto des Ratinger Hofs auf festem Karton.
Das ist wie in der Geschichte vom Schlaraffenland, das du erst erreichst, wenn du dich durch einen Berg Reis gefressen hast. Dann aber im Schlaraffenland angekommen hebst du ein Buch aus der Kiste, das dir, solltest du damals nicht dabei gewesen sein, eine Welt eröffnet, über deren Existenz du vielleicht schon einmal gehört hast, die du aber nicht gesehen hast. Wer damals dabei war, wird in Erinnerungen schwelgen und vielleicht Dinge erfahren, die er selbst damals übersehen oder sonst nicht mitbekommen hat.
Authentisch und unmittelbar dargereicht von den Protagonisten dessen, was den ‚Hof’ ausmachte, Peter Hein, Franz Bielmeier, Thomas Schwebel, Peter Braatz (Harry Rag), Jürgen Engler, Wolf Lauenroth, Susanne Reimann, Moritz Reichelt, Klaus Audersch, Joost Renders, Michael Schirner, Collin Newman und Graham Lewis von Wire, Ralf Zeigermann und etwas verspätet und am Rande auch von ar/gee gleim als Beobachter.
Ich habe sie nicht gezählt die Bilder, die das Buch enthält. Es sind sehr viele. Die Texte sind sparsam, kurz und prägnant, beeindruckend wie eben Punktexte so sind, obwohl es sich um erzählende Texte und nicht um Punklyrik handelt.
Die Bilder sind die Musik.
Für dich, der du jetzt in dem Alter bist, welches die damaligen Akteure in ‚Hof’ hatten, ist es die Welt aufgeweckter Mütter und Väter.
Das ist keine abgedroschene, zu verachtende Welt sondern ein Ereignis, das bis heute wirkt.
Diese Eltern sahen nicht aus wie Sascha Lobo.
Das kam später und war eine modische Attitüde.
Diese Eltern waren keine braven, angepassten Arschlöcher. Wichtig war, dass die Akteure gleichermaßen auf der Bühne wie vor der Bühne atmeten, tanzten, tranken und etwas lebten, was einzigartig war und ist. Jeder kann es, auch du. Jetzt!
Das Rad der Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen.
Doch eins bleibt, du selbst kannst die Welt aus den Angeln heben. Jeder ist ein kompletter Mensch. Jeder kann sich auf eine tatsächliche oder imaginäre Bühne stellen. Jeder hat das Potential, das Schöne und das Beschissene seiner Gegenwart auszudrücken und mitzuteilen.
Man nennt so was Kunst.
Jeder ist in diesem Sinne Künstler und es ist lächerlich, Angst zu haben, sich in diesem Sinne nicht als solcher zu sehen und zu e r l e b e n.
Das Buch ruft: „Mach es!“
Das kann heute nicht Punk sein.
Welche Form es annimmt, liegt ganz an dir.
Du bestimmst die Form, Du bestimmst den Inhalt.
Und wenn du es nicht glaubst, dann nimmst du das – dank der geilen Verpackung für eine Ewigkeit gemachte – Buch zur Hand und …. fängst an zu leben.
Viel Spaß dabei.
Es geht ums Leben – das Buch ist somit ein ‚must have’!
Erfahrungsgemäß ist so was bald vergriffen und dann ärgert man sich Jahre lang, dass man jetzt nicht zugegriffen hat.
Hier noch nützliche Daten, falls dein Buchhändler das Buch nicht vorrätig hat und es bestellt werden muss:
Ratinger Hof Buch
Ralf Zeigermann (Hrsg.)
Robert Wiegner Verlag, Königswinter
978-3-931775-13-1
Mietpreise im Revier: Hier bleibt es billig – hier will keiner hin
In Deutschland steigen die Mieten. In ganz Deutschland? Nein, in den Regionen ohne Zukunft nicht. Im Ruhrgebiet wird es immer billiger und leerer.
Nennen wir ihn mal Michael. Michael hat einen Job in Bochum und ein paar Jahre in Bochum gewohnt. Nun ist er weg. Den Job hat er noch, aber er wohnt lieber in Köln. Zur Arbeit nach Bochum pendelt er ein. In Köln, sagt er, sei es netter. Man müsste weniger fahren um Freunde zu treffen, alles wäre kompakter und unkomplizierter. Und natürlich ist Köln auch sonst eine geile Stadt.
Und natürlich verlassen ganz viele das Ruhrgebiet, weil sie hier keine Jobs finden.
Das so viele das Ruhrgebiet verlassen, hat natürlich auch seine angenehmen Seiten. In vielen Teilen Deutschlands steigen die Mieten. Nicht im Ruhrgebiet. Überall wird über Gentrifizierung und ihre Auswirkungen gestritten. Im Ruhrgebiet wird diese Diskussion eher simuliert. Klar, in Essen-Rüttenscheid, in Bochumer Ehrenfeld oder in Dortmunder Kreuzviertel braucht man ein paar Monate um eine Wohnung zu finden. Vier Zimmer ist sowieso schwierig. Aber das war es dann schon. Denn, nur einen Steinwurf entfernt gibt es Leerstände und nichts deutet darauf hin, dass sich daran was in absehbarer Zeit ändert. Im Gegenteil. Noch nicht einmal die billigen Mieten sorgen dafür, dass Leute hier hinziehen.
Neu gebaut wird sowieso relativ selten. Renoviert auch nicht. Es lohnt sich ja auch kaum.
Mit intelligenten Zwischennutzungskonzepten könnten wir die Wegzüge von ein paar Künstlern vielleicht verzögern. Vielleicht bleiben auch ein paar dauerhaft hier. Aber nicht einmal diese intelligenten Zwischennutzungskonzepte für leerstehende Immobilien gibt es. Das Ruhrgebiet ergibt sich einmal mehr seinem Schicksal, zeigt natürlich keine Initiative und wartet darauf, dass die Hilfe von Aussen kommt. Genügsam schauen wir uns an, wie eine Region mit fünf Millionen Menschen zum Vorort von Düsseldorf und Köln wird. Ein Mega-Ratingen. Nur ärmer.
Es gibt schon gute Gründe, warum es hier so ist wie es ist. Und der Grund sind wir.
Dazu der passende Soundtrack:
Lob des Zwischenraums – Florian Neuners Buch „Ruhrtext“
Und noch mal Emscherkunst 2010. Sie hat einen jungen Mann ins Ruhrgebiet gelockt, der den fremden Blick sehr ernst genommen hat. Den in Berlin wohnhaften gebürtigen Österreicher Florian Neuner.
Seine Leidenschaften: Zu Fuß gehen und in Kneipen halt machen um mit Leuten zu reden. Ersteres kein großes Hobby der Ruhrstädter, zweiteres schon. Beides hat Neuner im Ruhrgebiet ausgiebig getan und darüber hat er ein Buch geschrieben:Ruhrtext. Text deswegen, weil er die Stadt wie viele seiner literarischen Vorgänger als solchen liest. Als gebaute Sätze mit einem semantischen Sinn der sich nur durch das gehen/flanieren, d.h. durch genau diese dreidimensionale und sinnliche Art des laufenden Begreifens erschließt.
Flaneur und Ruhrgebiet scheint erst einmal ein Widerspruch in sich zu sein.
Aber der Autor stellt sich diesem in einer Konsequenz, die – wenn man bedenkt dass das Buch aus eigener Initiative entstanden ist – geradezu bewundernswert erscheint. Der Kerl ist wirklich durch dieses nicht enden wollende als geradzu antiurban geltende Stadtgestrüpp gelatscht, Tag um Tag, Monat um Monat, um uns Ruhries am Ende klar zu machen, dass es genau diese Mikrostruktur ist, die das Ruhrgebiet ausmacht. Nichts gegen die Industriekultur, nichts gegen die sonstigen Leuchttürme des Ruhrgebiets, aber es ist der Raum dazwischen, der nach seiner Ansicht die Identität dieser Stadtregion bestimmt.
Kein Wort über das Bermudadreieck in Bochum, kaum eins über das Kreuzviertel in Dortmund und über Rüttenscheid in Essen. Auch nicht viel über den neuen Innenhafen von Duisburg. Nichts über die neuen sogenannten Kreativquartiere. Keine der üblichen lobenden Ausführungen über die im landläufigen Sinne dann doch recht urbanen Teile dieser Stadtandschaft. Keine Hymne auf die Arbeitersiedlung als die große solidarische Wohnform der Industriegesellschaft. Stattdessen minutiöse Beschreibungen der Viefalt im Kleinen, durchmischt mit den weltweiten Elementen städtischer Peripherie und dem immer gleichen Containerarchitekturen entlang der nicht enden wollenden und nicht nur für den Fremden immer wieder undurchschaubaren Megastruktur der Autotrassen an Emscher und Ruhr.
Die Wahrheit lieben lernen, das könnte der unausgesprochene Leitsatz hinter diesen ausufernden Beschreibungen gebauter Dispersion sein. Diese gleichzeitige Verlorenheit und Aufgehobenheit in immer neuen Zwischenräumern, ist das große Thema dieses Buches. Vielleicht auch das des Autors selbst. Sie verdichtet sich auch für ihn sozial und kulturell immer wieder in den mehr oder weniger zufällig aufgesuchten Kneipen, in denen er sich mit ebenso zufällig ausgewählten Menschen trifft und, wenn es sich ergibt, sich mit ihnen unterhält, bzw. ihnen zuhört.
Das in diesen aneinander gereiten Zwischenräume jedoch insgesamt eine solche Menge an Menschen wohnen, das alles in allem dabei eine riesige Millionenstadt herauskommt, entgeht dabei auch diesem notorisch autoresistenten Ruhr- und Emscher-Eroberer nicht. Im Gegenteil, es ist gerade diese kompakte Riesigkeit einer Vielfalt im Kleinem die ihn offensichtlich fasziniert. Die ihn diese vielen Reisen in dir Nähe machen lässt. Zu Orten die die meisten Ruhries, mit Ausnahme derer die dort wohnen, kaum kennen weil sie sie auch nicht weiter interressieren. Und natürlich fällt im gerade als Fußgänger (aus Berlin) immer wieder und zu seinem Leidwesen auf, dass diese Ruhrstadt einen Nahverkehr hat, der ihrer Größe und räumlichen Dichte hohnspricht. Der Kommentar einer Wirtin macht den hier manifest werden Widerspruch des ganzen Buches kopfschüttelnd deutlich: Zu Fuß würde ich hier nicht weit laufen.
Stimmt. Niemand würde das hier tun, wenn er nicht dafür bezahlt würde. Das, was der Autor dabei so spannend findet, interessiert die meisten Ruhries nicht die Bohne. Wenn unmotorisiert, dann ist das mindeste als Fortbewegungsmittel ein Fahrrad. Auch mit dem sucht man dann eher die vielen grünen und blauen Freiräume oder die Orte wo sich das Leben verdichtet auf, als dass man sich der sogenannten Zwischenstadt anheim gibt. Die hat man ja in der Regel gleich „um die Ecke.“
Das ist auch ein Problem beim Lesen des Buches. Es kann einem leicht langweilig werden, denn die Beschreibungen sind sich oberflächlich gesehen recht ähnlich. Aber eben nur oberflächlich. Das was der Autor von sich selbst verlangt hat, das verlangt er auch vom Leser: Genaues Lesen bzw. genaues hinschauen. Auch wenn er über die Ruhrstadt und ihre Urbanität zwischendurch theoretisiert. Das wirkt manchmal etwas aufgesetzt, aber nicht uninteressant. Vieles ist dem diesbezüglich informierten Leser auch nicht neu. Aber wie er es mit dem Ruhrgebiet verknüpft, lässt einen dann doch auf neue Gedanken kommen.
Auf jeden Fall konnte ein solches Stadtbuch nur im Ruhrgebiet entstehen und Florian Neuner hat sich dieser besonderen Stadtlandschaft wirklich gestellt. Schon von daher unterscheidet es sich geradezu angenehm von all dem metropolitanen Marketinggeschwurbel das in und um die Kulturhauptstadt verbreitet wird. Man spürt beim Lesen auch zunehmend, dass er sich mit dem Gegenstand seiner Erforschung identifiziert, ohne sich mit ihm gemein zu machen. Statt der berühmt berüchtigten Liebe auf den zweiten Blick, die alle die gerne propagieren, die dann doch nicht bleiben, dominiert der harte und zugleich offene erste und deswegen immer auch fremde Blick das Buch. Schon deswegen ist es, trotz seines großen Umfang, unbedingt lesenswert.
Circa Survive
Circa Survive, Dienstag, 7. September, 19.30 Uhr, FZW, Dortmund
Der Ruhrpilot
NRW: CDU-Wirtschaftsflügel rechnet mit Rüttgers ab…Der Westen
NRW II: Ein Masterplan für Generationen…Welt
NRW III: Stuttgart 21 gefährdet ÖPNV-Ausbau in NRW…RP Online
Herne: Interview mit OB-Schiereck…Pottblog
Bochum: Lesen, Lesen, Lesen…Ruhr Nachrichten
Duisburg: Trauerzeit nach Loveparade endet mit Würde…Der Westen
Essen: Täglich sieben Einwohner weniger in Essen…Der Westen
Internet: Guck mal, wer da löscht…Weissgarnix
Dortmund: Protest muss möglich sein
Tausende protestieren gestern in Dortmund gegen die Nazis. Die haben davon allerdings kaum etwas mitbekommen.
Wer glaubt, mit Verboten das Nazi-Problem lösen zu können irrt. Hätte das Bundesverfassungsgericht das Verbot der Demo am Samstag bestätigt, nichts wäre gewonnen gewesen. Sicher, die Nazis konnten in Dortmund nicht demonstrieren, ihre Kundgebung am Rand der Nordstadt war schlecht besucht. Auch wenn alle Rechten die auf dem Weg waren dort angekommen wären: Die Zahlen der Vorjahre wären nicht erreicht worden. Das Verbot hat ihnen Probleme gemacht. An den Übergriffen auf Nazigegner wird das aber auch in Zukunft nichts ändern.
Wirkungsvoller wäre engagierter Protest gewesen. Den hat die Polizei allerdings nicht zugelassen. Jeder demokratischen Partei wird aus gutem Grund zugemutet, dass beispielsweise bei Parteitagen in Rufweite zur Halle demonstriert wird. Den Nazis nicht. Auch in Dortmund hätte man die Demonstranten näher an das Kundgebungsgelände heranlassen können, ohne die Sicherheit zu gefährden. Der Skandal war weniger die genehmigte Nazi-Demo, als die Unterdrückung des Protests durch eine übertrieben weite Absperrung von großen Teilen der Nordstadt.
Dass die Dortmunder Polizei am Freitag ein Nazi-Konzert in den Innenstadt genehmigte, aber den Protest des S4-Bündnis am Samstag untersagte passt in das Bild einer zweifelhaft agierenden Dortmunder Polizei.
Kein Ruhmesblatt war auch das Verhalten der Sozialdemokraten und Grünen. Während in der Nähe ihres Kundgebungsortes am Nordmarkt im Bereich der Kreuzung Mallinckrothstraße/Leopoldstraße die Situation zwischen Polizei und Demonstranten zu eskalieren drohte, waren sie nicht vor Ort. Sie überliessen es der Linkspartei, sich als Vermittler in Szene zu setzen. Das war töricht und dumm. Zumindest von den Grünen hätte man anderes erwarten dürfen, als die Menschen in Dorstfeld mit einem Konzert des unsäglichen Purple Schulz zu traktieren.
Emscherkunst 2010 – Ein Gewinn für die Region
Die Sache hat eine Menge Geld gekostet. Keine Frage. Aber sie hat sich für die Emscherzone, ja für das ganze Ruhrgebiet jetzt schon gelohnt. Emscher und Kunst, egal wie man zu den Werken im Einzelnen steht, sind in den Medien zum Synonym geworden. Vom Meideraum zum Ausstellungsgelände, oder in Neudeutsch „ from No Go to Must Go“, das ist die zentrale Nachricht an die Menschen in und außerhalb des Reviers.
Dass das Ganze nur mit dem Fahrrad zu bewältigen ist, passt zu einer Region die letztlich nur als Roadmovie zu begreifen ist. Wobei dieses Fahrzeug auch die ökologische Zukunft des Ruhrgebiets bestimmen wird. Mit dem Rad zur Kunst bzw. von Kunstwerk zu Kunstwerk zu fahren, und das entlang der Emscher, sagt mehr als jeder Masterplan über die Zukunft des Emschertals aus.
Für die Menschen in der Region ist es zugleich Kunst en Passant, Ästhetik im Vorbeigehen/fahren. In gewisse Weise zufällig und deswegen auch in angenehmer Weise überraschend. Von der Dimension so gewählt, dass man das Werk nicht übersieht, ja dass man zu ihm hin ge- und verführt wird. In der Gesamtlandschaft jedoch „nur“ eine Zugabe, eine sie nicht dominieren wollende Geste.
Teilweise bilden die Werke sogar ganz neue Aufenthaltsqualitäten, ja neue Plätze mit eigenen Funktionen wie bei den umgebauten Klärbecken in Bottrop Ebel. Die dann auch bleiben werden und natürlich im Erhalt wieder Geld kosten. Aber auch hier wird für das Geld etwas Wichtiges geboten: Lebensqualität durch Kunst. Durch künstlerische Intervention.
Andere Werke werden wieder verschwinden, zum Teil aus Mangel an Geld, zum Teil aus Absicht. Temporäre Kunst eben. Kunst auf Zeit die nach ihrem Verschwinden jedoch in Erinnerung bleiben wird, denn es gibt jetzt schon Menschen an der Emscher, die sich in bestimmte Werke geradezu verguckt haben. Die sie eigentlich in ihrer Nähe behalten möchten. Obwohl sie sich das am Anfang gar nicht vorstellen konnten.
Die Emschermenschen sind, obwohl es sehr interessante Museen und natürlich die übliche Kunst im öffentlichen Raum gibt, von der Emscherkunst mehr oder weniger überrascht worden. Sie ist anders als das was sie bislang kannten. Deswegen gab es auch Leute die ihnen diese Werke vor Ort vermittelt und näher gebracht haben. Und denen haben sie, wie mir berichtet wurde, einen Pinn in den Bauch gefragt. Dass das Kunst sei, war vielen von ihnen keineswegs im ersten Moment einsichtig.
Letztlich interessiert diese Frage die Menschen vor Ort auch weniger als die Künstler und die Kuratoren. Die Menschen vor Ort gehen eine eher sinnlich vermittelte Beziehung zu den Artefakten ein, die sie sehen und berühren können. Dass die Aussteller dem noch eine spezielle Veranstaltungsform hinzugefügt haben, in denen direkt mit den Anwohnern und örtlichen Kunstinteressierten über die Werke diskutiert werden konnte und kann, passt bestens dazu.
Der so organisierte direkte Kontakt der Künstler mit dem Emschervolk war dabei oft heftig und zugleich lehrreich. Der sogenannte fremde Blick traf auf den einheimischen und genau hier wird dieser fremde Blick erst fruchtbar. Es nutzt der Emscherregion nicht, wenn die Kunst keinen Dialog mit der Landschaft und ihren Menschen aufnimmt. Wenn der Fremde Blick nur einseitig ist, wenn sogenannte Miles and More Künstler hier einfliegen und ihre Kunstwerke wie Raumschiffe landen lassen. Dann kann das immer noch Kunst sein, aber sie bringt die Menschen hier nicht wirklich weiter.
Das ist allerdings erst einmal nur eine These. Die Frage ist nämlich, muss Kunst das wirklich? Hat sie sich nicht jeden Zweckes zu entziehen? Darf sie nicht so fremd sein wie sie will? Muss sie den Dialog überhaupt suchen? Bedarf sie der Vermittlung gar nicht, weil sie immer auch Konfrontation ist bzw. sein soll? Hat der Ort an dem sie wirken will ihr nicht letztlich egal zu sein? Ist es schon deswegen besser, dass die Künstler die an der Emscher tätig werden, nicht aus dieser Region kommen? Denn wer hier lebt und arbeitet könnte auch als Künstler zur Konformität mit den Verhältnissen neigen. Wohlmöglich sogar zur Heimattümelei, zur Sozialromantik, zum allseits bekannten Ruhrgebietskitsch.
Es ist dieses Verhältnis von örtlichem/regionalem Kunstschaffen und internationaler Kunst, das weiter zu klären ist. Es ist dieser wohlmöglich produktive Konflikt der für die nächste Runde Emscherkunst von besonderer Bedeutung sein könnte. Lokalität kann dabei natürlich nicht bedeuten, dass der internationale Anspruch dieser Ausstellung aufgegeben werden sollte. Die Frage ist viel mehr, wie Lokalität und Globalität in der Kunst zusammen geht und was das für die Zukunft der Emscherkunst bedeutet.
Die zweite wichtige Frage ist, wie bei einem möglichen nächsten Mal die Bevölkerung vor Ort eher und intensiver eingebunden werden kann als bei der Premiere. Das gilt auch für die vielen Menschen mit Migrationshintergrund und vor allem für die türkische Community. Hier geht es nicht nur um Sprache als inhaltliche Vermittlung zur weitaus größten Einwanderergruppe der Emscherregion, sondern auch um Sprache als Mittel der symbolischen Anerkennung. Schriftlich Ankündigungen und Erklärungen für die Emscherkunst sollten deswegen in Zukunft dreisprachig sein: Deutsch, Englisch und Türkisch.