Razzia bei Duisburgs OB Sauerland

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Adolf Sauerland

Gerade meldet Bild, dass es heute Vormittag eine Razzia im Duisburger Rathaus gegeben hat.

Die Polizei durchsuchte danach die Diensträume von OB Sauerland und zweier Dezernenten. Der Grund: Die Staatsanwaltschaft glaubt, nicht alle relevante Akten von der Stadt erhalten zu haben. Es wurden weitere Akten sichergestellt. Nach Angaben der Stadt handelte es sich um einen vorher ausgemachten Termin.   Wie dem auch sei. Das nicht alle Akten übergeben wurde wirft es merkwürdiges Licht auf Sauerlands ewiges Gerede von der Aufklärung, die er vorantreiben will.

Arte TV: Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely – Bonnie & Clyde der Kunst

100823 bonnyclyde 04 Bild: ZDF / C. Serge DietrichDie „dicken bunten Frauen“, die Nanas von Niki de Saint Phalle, haben die Kunst bis heute geprägt. Sie traten oft zusammen mit den bewegten Maschinen von Jean Tinguely auf. Arte TV zeigt Beeindruckendes aus dem Leben eines Künstlerpaars.

Eine Nana war 28 m hoch, enthielt eine Milchbar (!) in einer Brust und ein Planetarium in der anderen. Sie war in Schweden nur drei Monate ausgestellt, enthielt auch noch ein Kino und war durch die Vagina zu betreten.

Doch das Material, Polyester-Kunstharz, aus dem die Nanas mit heißen Drähten geschnitten wurden, brachte Niki de Saint Phalle fast um.

Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely, zwei große Bildhauer von Weltruf, prägten jeder auf seine Weise die Kunst des 20. Jahrhunderts. Sie waren 25 und 30 Jahre alt, als sie sich in einem künstlerischen Umfeld begegneten. Der Arte-Dokumentarfilm „Bonnie & Clyde der Kunst„, der am Montag, den 6. September 2010 um 11.20 Uhr sowie am Samstag, den 11. September 2010 um 05.00 Uhr ausgestrahlt wird und bis zum 18. September außerdem online („Arte 7+“ bzw. Link „ansehen„) angesehen werden kann, erzählt die Geschichte ihrer leidenschaftlichen und kreativen Beziehung, die Triebfeder für zahlreiche künstlerische Geniestreiche und originelle Kunstwerke war.

Jo Frank1984083 Centre de George Pompidou 1984Beide Künstler hatten auch ein eigenständiges Werk. Zu den populärsten gemeinsamen Projekten gehören die Pariser Brunnenanlage „La Fontaine de Strawinsky“ vor dem Centre Georges Pompidou (links im Jahre 1984) und ein „Tarot-Garten“ südlich von Grossetto in der Toskana.

Wenigen Künstlern gelingt es, das Wesentliche ihrer Zeit zu erkennen und Leidenschaft und Schwärmerei zu entfachen. Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely hatten zu Lebzeiten schon Anhänger jeden Alters, nicht nur in Europa, sondern auch in den USA, in Japan und Israel. Und posthum nimmt ihre Popularität noch zu.

Bis zum 29. August ist außerdem im Schloss Meinsberg (Château de Malbrouck) in Manderen in Lothringen noch eine Ausstellung über Niki de Saint Phalle zu sehen.

Bildrechte: ZDF / C. Serge Dietrich, Jo Frank

Waldorfschule Schloss Hamborn, das anthroposophische Zentrum in Ostwestfalen

Hänsel und Gretel, ohne glückliches Ende Illustration: Ludwig Richter

Ein Artikel des WDR über ein Gewaltopfer in der Waldorfschule Schloss Hamborn erinnerte unseren Gastautoren Andreas Lichte an seine dortige Hospitation. Hier sein erster Bericht.

„Sag mal’, seh’ ich eigentlich nach Waldorf aus?!“ fragt mich die Gastmutter und Waldorflehrerin.

„Nein, natürlich nicht!“ antworte ich wunschgemäss. Der typische, asexuelle Waldorf-Walle-Look ist das wohl eher nicht, aber natürlich gehört auch sie dazu.

„Ich schicke meine Kinder ja zu ausserschulischen Aktivitäten nach draussen – das ist mir ganz wichtig, damit sie nicht im Ghetto untergehen“, sagt mir ein anderer Lehrer.

Das „Ghetto“ ist die „anthroposophische Lebensgemeinschaft“ Schloss Hamborn, Westfalen, mit Waldorfschule, Waldorfinternat, Demeter-Laden, Altersheim – und eigenem Friedhof. Also nicht unbedingt die typische Waldorfschule. Aber das unvergleichliche Waldorf-Wir-Gefühl findet sich auch an jeder anderen Waldorfschule. Warum? Waldorf ist nicht einfach nur „Schule“. Waldorf ist eine Lebensform, die nicht mit dem Schul-Gong endet.

„Und am Wochenende hilfst du dann bei unserem Martinsmarkt?!“ fragt der Gastvater, Waldorflehrer.

„Nein, tut mir leid, mein Bruder feiert Geburtstag“, antworte ich, wohlwissend, dass das ein Tabubruch ist.

Mir muss nicht extra gesagt werden, dass man als (zukünftiger) Waldorflehrer Teil einer grossen Gemeinschaft ist, die höhere Ziele verfolgt: „Die Welt wird zum Tempel, die Welt wird zum Gotteshaus“, sagt Rudolf Steiner, der Begründer der Waldorf-Pädagogik. Für Steiner ist die Waldorfschule der „praktische Beweis für die Durchschlagskraft der anthroposophischen Weltorientierung.“ Nicht weniger. Und die Anthroposophie ist Steiners Haus-Religion: Steiner ist ihr selbsternannter Prophet, Hellseher, dessen Worte Offenbarungscharakter besitzen. Und schon erschallt – Hosianna! – das allgegenwärtige „Rudolf Steiner hat gesagt …“

Steiner wird in Schloss Hamborn auch „zur Fortbildung“ in der Lehrerkonferenz gelesen, natürlich. Aber auch sonst hat man zu jeder noch so kleinen Lebensäusserung ein „Wahrspruchwort“ Steiners parat, ähnlich wie der vorbildliche Waldorflehrer und Dozent des „Seminar für Waldorfpädagogik Berlin“, der „Missionar in Sachen Steiner ist“.

In der Internatsschule Schloss Hamborn gibt es auch „schwererziehbare“ Kinder. Meine Gastmutter erzählt mir, wie sie sie empfängt: Wenn die Kinder im Internat ankommen, ringt meine Gastmutter sie erst einmal nieder, um klar zu machen, wer das Sagen hat: Die Rangordnung muss hergestellt werden … Ich denke, das kann nur ein Spiel sein und frage nicht nach. Mit einem komischen Gefühl. Jahre später lese ich dann von Kindesmisshandlung in einer anderen Waldorfschule, der „Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Alte Ziegelei Rädel“, und dem „Gilde-Griff“ der ehemaligen Leiterin Angelika Gilde. Ist das vielleicht gar nicht Gildes Erfindung? Und aus dem komischen- wird ein mieses Gefühl: was hat meine Gastmutter wirklich mit den Kindern gemacht?

Und dann kommt ein Artikel des WDR, „Hinter privaten Schultüren“, von Nina Magoley. Dort berichtet Jan Schrecker, Zitat WDR, „von Demütigungen und Misshandlungen während seiner Schulzeit, die ihm noch immer zu schaffen machen. Schrecker war bis 1996 Schüler an der Waldorfschule Schloss Hamborn in der Nähe von Paderborn. Seine damalige Lehrerin, so berichtet er, habe ihn und andere Schüler jahrelang geschlagen und massiv eingeschüchtert. Er sei Zeuge gewesen, wie die Lehrerin Mitschüler ohrfeigte oder schmerzhaft an den Haaren zog, nur weil sie Haargel benutzt hatten. Einmal habe sie den Kopf eines Jungen, der ein bedrucktes T-Shirt trug, »mit voller Wucht« auf den Tisch gehauen, so dass dessen Nase blutete.“

Nein, Jan Schreckers Lehrerin ist nicht meine Gastmutter. Aber das macht es nur noch schlimmer. Denn in Schloss Hamborn habe ich selber ein Hänsel und Gretel Gefühl: Die „anthroposophische Lebensgemeinschaft“ liegt mitten im Wald, in einem Tal-Kessel, es ist eine verschworene Gemeinschaft, ich denke: „Von hier dringt niemals etwas nach draussen!“ Und dann doch. Und was passiert?

Weiter der WDR: „Eine Strafanzeige gegen die Lehrerin, die Schrecker im Jahr 2002 bei der Staatsanwaltschaft Dortmund stellte, wurde wegen Verjährung abgewiesen. Als er sich daraufhin an die Bezirksregierung Detmold wandte, habe man ihm dort erklärt, dass die Behörde für private Schulen, wie Waldorf- oder auch kirchliche Schulen, nicht zuständig sei. Auch auf eine Petition beim Landtag NRW hin bekam der ehemalige Schüler dieselbe Auskunft. Das »Verhalten der Lehrkraft«, heißt es in einem Antwortschreiben, das WDR.de vorliegt, »konnte keine schulaufsichtliche Maßnahme auslösen«, da die Lehrkraft nicht Bedienstete des Landes Nordrhein-Westfalen war, sondern in einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis zum Schulträger stand« (…)“

Erwartet hier jetzt irgendjemand noch ein schönes Schlusswort – ein glückliches Ende, wie im Märchen?

Andreas Lichte bei den Ruhrbaronen:

„Waldorfschule: Vorsicht Steiner“

Interview mit Andreas Lichte

„Kampf bis zur Erleuchtung – Lorenzo Ravagli und der Glaubenskrieg der Anthroposophie gegen Helmut Zander“

„Die Waldorfschulen informieren“

„Drei Gründe für die Waldorfschule“

Waldorfschule: „Detlef Hardorp, der Berlin-Brandenburgische Bullterrier der anthroposophischen Öffentlichkeitsarbeit“

„Waldorfschule: Lehrer gesucht!“

Update: Protest gegen Nazi-Konzert

Am 4. September werden Nazis erneut in Dortmund demonstrieren. Die Polizei hat auch ein Nazi-Konzert am 3. September am Hauptbahnhof genehmigt. Gegen beide Veranstaltungen regt sich Protest.

Dortmund hat ein Nazi-Problem. Heute Nacht überfielen 20 Nazis die Szene-Kneipe HirschQ. Es gab drei Verletzte. Fünf Nazis wurden festgenommen. Nur einer in einer langen Reihe von Vorfällen. Dortmund gilt, neben dem Kreis Recklinghausen als einer der Hochburgen der Nationalen Autonomen im Ruhrgebiet.

Trotzdem wurde auch in diesem Jahr wieder die schon traditionelle Nazi-Demo in Dortmund genehmigt. Im vergangenem Jahr war sie mit einer Verbotsverfügung gescheitert. Gegen die Demo, regt sich Protest.  Der darf allerdings nicht in eder Nähe der Nazidemo stattfinden. Das S4 Bündnis, ein Zusammenschluss zahlreicher Gruppen gegen den Nazi-Marsch,soll wie im vergangenem Jahr, an den Rand der Innenstadt abgedrängt werden. Die Nazis bekamen am 3. September auch in Konzert am Hauptbahnhof zugestanden. Gegen das protestiert das S4-Bündnis: Am 3. September ruft es ab 16.00 Uhr zu einer Demo gegen das Konzert am Nordausgang des Hauptbahnhofes auf.

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Der Ruhrpilot

Landgericht Bochum Foto: Stadt Bochum

Ruhrgebiet: Revier-Fußball in Wettskandal verstrickt…Der Westen

Karstadt: „Die Deutsche Bank spielt mit dem Feuer“…FAZ

RAG: Es rumort im Stiftungsrat…Welt

NRW: Städte sollen armen Kommunen helfen…RP-Online

NRW II: Plasberg macht aus Röttgen einen traurigen Clown…Welt

Film: James Bennings Meditation „Ruhr“…Welt

Dortmund: Envio meldet Millionen-Verlust…Ruhr Nachrichten

Dortmund II: Unternehmer mahnt Hilfe für Envio-Opfer an…Der Westen

Essen: Wildes Posten-Geschacher im Rathaus…Der Westen

Duisburg: Wettbewerb zu Loveparade-Mahnmal…Der Westen

Gelsenkirchen: Von Brandstiftern, Klein[en]Kriminellen und Zechenbaronen…Hometown Glory

Netzneutralität: Konkreter werden…Netzpolitik

Umland: Fettes Brot am Freitag in Arnsberg…Zoom

Wehrdienst: Freiwilliger Zivildienst macht keinen Sinn…Dirk Schmidt

2010lab wird fortgeführt

Auch 2011 wird das Ruhr2010 Online-Projekt  2010lab fortgeführt. Der Grund ist der angebliche Erfolg der Plattform.

Es verursacht Kosten von  fast einer Million Euro und ist notorisch erfolglos: Das Medienprojekt 2010lab gehört zu den Flops der Kulturhauptstadt. In den Rankings kommt die Seite schlecht weg. Die Blog-Beiträge werden kaum kommentiert und Links auf die Site sind selten. Warum auch? In wirren Videos werden ständig Leute gefragt, warum sie kreativ sind, die meisten Texte sind belanglos und lieblos heruntergeschrieben. Positive Ausnahme: Die Arbeiten von Michael Blatt.

Angeblich wachsen die Userzahlen. Die Ruhr2010 Pressestelle spricht von einer Verdoppelung der Besucher im Sommerloch, bleibt den Nachweis allerdings schuldig. Alexa stellt eher ein Dümpeln fest. Und das soll jetzt unter dem Dach des European Centre for Creative Economy (ECCE) weitergehen. Eine Kulturhauptstadtseite, die schon während der Kulturhauptstadt ohne Bedeutung war, geht in die Post-Kulturhauptstadtphase.

Loveparade: Strafanzeigen gegen Ruhr2010-Chef Pleitgen

Fritz Pleitgen Foto: WDR

Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat bestätigt, dass „im Zusammenhang mit der Loveparade mehrere Strafanzeigen eingegangen sind, die sich gegen die Führung der Ruhr.2010 GmbH und dort insbesondere gegen den Geschäftsführer Herrn Pleitgen richten.“ Von unserem Gastautor Uwe Herzog.

Über den Inhalt und die genaue Anzahl der Anzeigen könne derzeit noch nichts gesagt werden.

Laut Oberstaatsanwalt Rolf Haferkamp werden alle gegen Fritz Pleitgen und weitere Mitarbeiter der Ruhr.2010 gerichteten Strafanzeigen derzeit zunächst auf ihre strafrechtliche Relevanz hin geprüft (zum Beispiel „fahrlässige Tötung“) und „fließen dann gegebenfalls in die Ermittlungsarbeit der Sonderkommission der Polizei in Köln ein“.

Zur Frage, ob auch eine Razzia ähnlich wie im Fall der Lopavent bei der Ruhr.2010 geplant sei, sagte Haferkamp: „Wenn sich herausstellen sollte, dass auch von dort Unterlagen für unsere Ermittlungen benötigt werden, werden auch diese selbstverständlich zu beschaffen sein.“

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Abriss: Bagger nach Duisburg-Bruckhausen?

Duisburg Bruckhausen ist ein sterbender Stadtteil: Hohe Umweltbelastung, viele Leerstände, marode Gebäude und ein kollabierter Immobilienmarkt kennzeichnen das Quartier. Die Stadt Duisburg will Teile des Quartiers abreissen. Das gefällt nicht allen.

Die Geschichtswerkstatt Duisburg Nord ist dagegen Teile Des Stadtteils abzureissen. Sie setzt auf einen neue Zukunft für das Quartier. Duisburgs Stadtentwicklungsdezernent Jürgen Dressler sieht das anders. Wir dokumentieren hier die Positionen beider Seiten. Der Konflikt in Bruckhausen ist aktuell, denn die Frage nach Abriss ganzer Quartiere wird sich künftig im Ruhrgebiet immer häufiger stellen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

fast unbemerkt von der Öffentlichkeit vollzieht sich im Duisburger Norden zur Zeit ein städtebaulicher Skandal. Obwohl Normenkontrollverfahren gegen das Sanierungsverfahren anhängig sind, lässt die Stadt Duisburg in Bruckhausen Häuser abreißen und schlägt damit Schneisen in das Stadtbild.

Bruckhausen als Ensemble ist das herausragende Beispiel einer gelungenen Industriestadt des beginnenden 20. Jahrhunderts mit tatsächlich noch aktivem Hüttenwerk. Wie in der Begründung zum Bebauungsplan 1104 richtig dargestellt, ist die Entwicklung Bruckhausens als typischer Stadt des Ruhrgebiets noch heute im Stadtbild deutlich ablesbar. Das ist selten geworden. Ich zitiere den stellvertrenden Direktor des LWL-Industriemuseums, Thomas Parent:

„Nur noch an diesem Ort ist im Ruhrgebiet das enge Nebeneinander von montanindustrieller Arbeitswelt und unmittelbar anschließendem Wohngebiet erlebbar(…)Duisburg-Bruckhausen ist eine Geschichtslandschaft von hohem Denkmalwert. Die aufwändig gestalteten Stuckfassaden im Neurenaissance- und Jugendstil erinnern an öffentlichen und privaten Reichtum zu Zeiten früherer Hochkonjunktur(…)Bruckhausen ist fraglos ein hochkarätiges Geschichtsdenkmal und dies gilt für verschiedene Aspekte: Architektur-, Wirtschafts-; Sozial- und Kulturgeschichte(…)Im Duisburger Norden ist entlang der Kaiser-Wilhelm-Straße die spezifische Verstädterungsgeschichte unserer Region anhand von originaler Bebauung noch in einer Dichte ablesbar, wie sie an keinem anderen Ort im Ruhrgebiet mehr erhalten geblieben ist.“

Für die kommende Woche steht der Abriss zweier Gebäude an, die im „Plan Sanierungs- und angestrebtes Rückbaugebiet“ zur Sanierungssatzung außerhalb des „Rückbaugebietes“ liegen, also eigentlich erhalten werden sollten. Damit ist auf die Zusagen der Stadt kein Verlass mehr, es muss befürchtet werden, dass möglichst viel wertvolle Bausubstanz zerstört werden soll, bevor die Öffentlichkeit bemerkt, was vorgeht, oder die Normenkontrollen zu Ungunsten der Stadt ausgehen.

Weil Bruckhausen als vernachlässigter „Problemstadtteil“ gilt und die Pläne bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht menschenfreundlich und positiv („mehr grün!“) wirken, ist eine breite öffentliche Diskussion bisher ausgeblieben.

Mit freundlichen Grüßen aus Du-Nord

Katrin Susanne Gems

Hier das Antwortschreiben von Jürgen Dressler, dem Stadtentwicklungsdezernenten Duisburgs

Sehr geehrte Frau Gems,

für Engagement und sogar Leidenschaftlichkeit für eine Sache, von der man so wie Sie überzeugt scheint, bin ich grundsätzlich in hohem Maße aufgeschlossen. Ich halte es auch gerade im Umgang mit einer Behörde für erlaubt, in der Diktion Formulierungen zu wählen, die ungewöhnlich sind, aber Herzensanliegen vermitteln.

Ich habe auch überlegt, mich in ein Gespräch mit Ihnen zu begeben. Davon nehme ich jedoch Abstand, weil Ihr Ansatz erst einmal eine öffentliche Würdigung durch die Bürgerschaft erfahren soll. Es nützt Ihrem Anspruch nicht, wenn wir uns hier bilateral fachlich austauschen. Wenn Ihr Engagement eine gesellschaftspolitische Bedeutung erfahren soll, ist diese zunächst unbeeinflussbar von der fachlichen Meinung einer Behörde zu entwickeln.

Gleichwohl erlaube ich mir zwei Anmerkungen und nehme dabei Bezug auf Formulierrungen Ihrerseits:

1.     Bruckhausen ist aus dem Nichts entstanden. Diese für das ganze Revier zutreffende Bemerkung bezieht sich auf die Industrialisierung. Sie folgt dem Prinzip aller räumlich-gesellschaftlichen Entwicklungen seit Anbeginn. Siedlungen entstanden und entwickelten sich dort, wo sich Menschen zivilisatorisch trafen, um Produktion, Handel und Dienstleistungen zu tätigen. Diese vielfach geographisch begründeten Entwicklungen erlebten ihre zwangsläufige Umkehrung dann, wenn die ökonomische Basis verloren ging. Die massive Schrumpfung des Reviers ist daher die natürliche Umkehr seiner Industrialisierung.

2.     Sie weisen darauf hin, dass neue Technik neue Städte schafft und neue Gesellschaften entstehen lässt. Dies ist prinzipiell sicherlich richtig, trifft aber allerdings nur dann zu, wenn in den neuen Städten auch die Bedürfnisse der neuen Gesellschaften erfüllt werden können. Eine Reminiszenz – auch wenn sie noch so „geisteswissenschaftlich“ erträumt ist – steht in erlebtem Widerspruch zu denjenigen, die mit „ihren Füßen“ schön längst Zeichen gesetzt und in ihrer schrumpfenden Stadt oder gar im Umland alternative Wohnungsangebote in industrieferneren Quartieren aufgesucht haben.

Auch ein Bruckhausen nach Ihren Vorstellungen bleibt angesichts der Realitäten nur das, was Sie als „musealen Mißstand“ zutreffend charakterisieren. Damit zunächst genug an prinzipieller Meinung über Ihren Anspruch.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Dressler

Der Guerillero aus Duisburg

"Duisburg mauert systematisch"- Blogger Rodenbücher

Die Stadt Duisburg schweigt über die genauen Planungen zur Loveparade. Mit einer einstweiligen Verfügung gegen eine Veröffentlichung des Duisburger Blogs xtranews.de hat sie sich blamiert – und das zurückgehaltene Dokument berühmt gemacht.

Als der Gerichtsvollzieher vor seiner Tür stand wusste Thomas Rodenbücher: Dies wird ein erfolgreicher Tag. Die Stadt Duisburg hatte dem Blogger einen großen Gefallen getan. Durch eine einstweilige Verfügung gegen eine Veröffentlichung des 41-Jährigen zur Loveparade verhalf sie seiner Webseite xtranews.de zu ungekannter Aufmerksamkeit. Ihre Leserschaft vervierfachte sich innerhalb weniger Stunden auf 12 000. „Politiker verstehen bis heute nicht, wie das Web funktioniert“, sagt Rodenbücher kopfschüttelnd.

Der jungenhaft wirkende Blonde scheint selbst noch etwas ungläubig darüber zu sein, welche Aufruhr seine Publikation verursacht hat. Über Umwege erhielt Rodenbücher vor zehn Tagen die 43 Dokumente des Anhangs eines juristischen Gutachtens, das die Stadt Duisburg selbst in Auftrag gegeben hatte. Tenor des Schriftstückes: Die Stadt habe keine Fehler bei der Planung der Loveparade gemacht, die Ende Juli 21 Menschen das Leben gekostet hatte. Den Hauptteil des Gutachtens hatte Duisburg ohnehin veröffentlicht, nur der Anhang blieb unter Verschluss. In ihm finden sich auf den ersten Blick nur bereits bekannte Grafiken über die Planungen zur Loveparade und Protokolle von Sitzungen der Polizei, Veranstaltern und Feuerwehr.

Die harsche Reaktion macht Rodenbücher nun stutzig, ob sich in den scheinbar harmlosen Dokumenten nicht doch ein handfester Fehler der Stadt verbirgt. „Hier wird systematisch gemauert“, sagt der gebürtige Duisburger. Sein Argwohn ist geweckt. „Dabei sind wir eigentlich ein Spaßprojekt“, sagt er grinsend.

Rodenbüchers Web-Karriere fing ganz harmlos an. Die Wut über eine ständig rote Ampel in der Duisburger Innenstadt führte ihn letztendlich in die Community der Blogger. Auf seiner erst vor einem Jahr frei geschalteten Seite regte er sich wortgewaltig über die kurze Grünphase auf. „Ich wollte meine Meinung raushauen“, sagt der studierte Soziologe. Inzwischen versteht sich der 41-Jährige durchaus als politischer Autor. Wie viele lokale Blogger möchte er am liebsten all die „Mauscheleien und Kungeleien“ der CDU-geführten Stadt aufdecken.

Für die Publikation des vollständigen Gutachtens will Rodenbücher nun „alles geben“. Er und seine Kollegen haben ihrerseits Beschwerde beim Kölner Amtsgericht eingelegt. Sollten sie bei der Verhandlung Anfang September scheitern, wollen sie sich durch alle Instanzen kämpfen. „Die Pressefreiheit ist in Gefahr“, sagt er ernst. Die juristische Keule der Stadt scheint die Blogger erst richtig angefixt zu haben. Geld einbringen wird sein Blog zwar auf absehbare Zeit nicht. Zum Überleben berät er deshalb Unternehmen, wie sie im Internet für sich werben können. „Guerillamarketing“ nennt er das. An seinem eigenen kleinen Guerrillakampf gegen das schweigende Duisburger Rathaus scheint er aber sehr viel mehr Spaß zu haben.