Heute habe ich Mario Krüger , den Fraktionsvorsitzende der Dortmunder Grünen angerufen. Er wollte nicht mit mir reden. Und damit habe ich ein Problem.
Und das hatte einen Grund: Gestern haben wir hier einen Brief von ihm veröffentlicht. In ihm erklärt Mario Krüger die Politik der Grünen zum geplanten EON Kraftwerk in Datteln. Es sieht so aus, als ob das Kraftwerk durchgewunken wird – mit den Stimmen der Grünen. Und als Schuldigen dieser Politik macht Krüger Thomas Rommelspacher (Grüne) aus, den PIanungsdezernenten im RVR.
Datteln ist kein kleines Thema – die Koalition aus SPD und Grünen im RVR steht auf dem Spiel. Und auch in Düsseldorf könnte es an diesem Thema krachen. Großes Kino also.
Krüger sagte mir, er wolle nicht mit mir reden, weil ich mich mit ihm nicht vorab über seinen Brief gesprochen habe. Dabei ging es bei meinem Anruf um ein ganz anderes Thema. Mario Krüger will mich also für meine Veröffentlichung mit Missachtung strafen. Nun gut.
Ich habe ihn dazu nicht angerufen. Warum auch? Ich hatte keine Fragen. Der
Brief sprach für sich. Und Krüger hatte der Empfängerin, geschrieben, dass sie ihn ruhig in ihrem Verteiler verbreiten kann:
Selbstverständlich kannst Du meine Mail in Deinem Verteilerkreis weiterleiten.
Hätte er das nicht geschrieben, es wäre mir allerdings auch egal gewesen. Aber wer so etwas schreibt, sollte sich nicht so anstellen, wenn er seinen Brief an anderer Stelle zu lesen bekommt.
Ich will mich auch nicht beschweren. Wenn Mario Krüger halt die Nichtkommunikation bevorzugt, gut – bislang hatte ich keinen Ärger mit ihm. Ich hatte allerdings auch noch nie etwas mit ihm zu tun.
Sein Vorgehen hat aber auch etwas prinzipielles und deswegen mache ich Mario Krügers Weigerung zur Rede öffentlich.
Dokumente zu veröffentlichen und einzuordnen ist Teil meines Berufs. Ich bin schon häufiger deswegen mit Politikern zusammengerasselt. Das jemand dann nicht mehr mit mir geredet hat, ist mir noch nicht passiert. Egal ob bei den Dortmunder OBs Ullrich Sierau oder Gerhard Langemeyer – man blieb im Gespräch. Das Gleiche übrigens mit Oliver Wittke von der CDU. Und noch ein paar anderen. Profis eben.
Wenn Politiker mit Journalisten in Kohl-Manier nicht reden, ist das kein Spaß. Politiker werden vom Volk bezahlt – und damit sind sie für ihre Arbeit Rechenschaft schuldig.
Wenn mir Krüger am Telefon sagt, er möchte nicht mit mir zusammenarbeiten, kann ich das verstehen. Ich will auch nicht privat mit ihm toll auskommen. Wir haben kein gemeinsames Projekt, keinen gemeinsamen Job. Die Welt der Journalisten und Politiker sieht so aus: Der Journalist stellt Fragen. Der Politiker beantworten sie. Mal mehr, mal weniger ausführlich. Wie sie es wollen – und natürlich auch so, dass sie hoffen, es nutzt ihnen.
Es darf schlicht nur nicht sein, dass ein Politiker versucht, Journalisten zu strafen durch Redeentzug. So versucht Mario Krüger mich und vielleicht auch andere handzahm zu machen. Diesen Versuchen müssen wir aber widerstehen im Sinne einer kritischen Öffentlichkeit. Es ist schade, dass der Grüne Mario Krüger das nicht versteht.
Mitglieder der Jungen Union in Duisburg saufen sich auf öffentlich finanzierten „Bildungsreisen“ durch die Nacht, Christdemokraten dürfen kurz vor und nach Wahlen ihren Ortsverband wechseln und so mehrfach Vorsitzende wählen. Ein tiefer Einblickin die Machenschaften einer Partei
Eva Klomberg freute sich auf Karl-Theodor zu Guttenberg und die Besichtigung des Reichstages, sie war gespannt auf das Holocaust-Denkmal in Berlin. Doch die angebliche Bildungsreise der Jungen Union Duisburg entpuppte sich für die 18-Jährige zur angsteinflößenden Sauftour. „Schon um zehn Uhr morgens fingen einige zu saufen an und randalierten nachts in unserem Hotel“, erzählt Klomberg.
Ein JUler soll um 6 Uhr morgens an der Tür von Klomberg und ihrer Freundin randaliert haben. „Ich will bei Euch schlafen“, soll er gerufen haben. „Wir hatten furchtbare Angst“, sagt Klomberg heute, gut drei Wochen nach der Berlinreise. Den Vize-Vorsitzenden der JU Duisburg, Bartosch Lewandowski, sah Klomberg aus dem Pensionszimmer auf der Straße nach „Jesus Christus“ rufen. Seine Kollegen hatten ihn ausgesperrt. Kurze Zeit später hörte sie einen lauten Knall, die Tür des Nachbarzimmers wurde offenbar von Lewandowski eingetreten. Klomberg hat ein Foto der zerstörten Tür.
Die mit öffentlichen Mitteln geförderte Reise wurde für sie zum Alptraum. „Ich erwarte, dass diese Säufer und Randalierer aus der Partei ausgeschlossen werden“, sagt die Medizinstudentin.
Der CDU-Vorstand des Kreisverbandes erhielt eine Mail von Klomberg und ihrer Freundin mit allen Details der Reise. Er soll die Mitglieder der Jungen Union nach einer Sitzung am 5. Oktober zu diesen Vorfällen darauf eingeschworen haben, „nichts an die Presse zu geben und den Sachverhalt zu vergessen“. Mehrfach wurde den Parteimitgliedern „auf eindringliche Weise eingebläut“, den Mund zu halten, so ein Mitglied der Jungen Union.
Bereits in der Vergangenheit hatte die Lokalpresse mehrfach über Trinkgelage und Handgreiflichkeiten berichtet. CDU-Kreisverbandschef Thomas Mahlberg hat die Junge Union jedoch selten in ihre Schranken verwiesen. Vielleicht, weil sie ihm in der Vergangenheit bei Wahlen zu Diensten war. Es hat den Anschein, dass Mitglieder der Jungen Union bei einigen Wahlen von Ortsverband zu Ortsverband gezogen sind, um bestimmte Vorsitzende und Delegierte zu installieren.
„Wahlen manipuliert“
Bianca Seeger sieht sich als Opfer dieser Praxis. „Ich habe beobachtet, wie Mitglieder der CDU und der Jungen Union als Wahlnomaden die Wahlen manipuliert haben“, sagt Seeger der Rundschau. Die 42-Jährige kandidierte im Herbst 2008 zur Ratsfrau für die bevorstehende Kommunalwahl in ihrem Ortsverband Duisburg Huckingen. Sie forderte damals Walter Becks heraus, einen Vertrauten von Mahlberg.
Am Wahlabend erschienen viele Personen, die sie noch nie im Verband gesehen hatte. „Das waren Freunde und Verwandte von Mahlberg und Mitglieder seines Schützenvereines, die kurzfristig eingetreten sind.“ Seeger hat eine Liste der Anwesenden, darunter finden sich eine Nichte und der Schwager von Mahlberg. Seeger verliert die Wahl mit 15 zu 46 Stimmen. Interne Statistiken der CDU belegen den sprunghaften Anstieg der Mitgliederzahlen in Seegers und weiteren Ortsverbänden im Jahr 2008 und 2009, während zeitgleich andere Stadtteile Mitglieder verlieren. Insgesamt aber hatte der Kreisverband der CDU Duisburg in den vergangenen Jahren eine stabile Größe.
Im März 2009, stellte sich Seeger wieder in Huckingen zur Wahl, diesmal für den Vorsitz des Ortsverbandes. Kurz vor dem Termin stieg die Mitgliederzahl des Verbandes auf 175 Mitglieder an, ein Jahr zuvor waren es nur 73 Personen gewesen. Mahlberg selbst war an jenem Abend anwesend, die CDU-Fraktionsvorsitzende im Duisburger Rat, Petra Vogt, fungierte als Wahlleiterin. „Mahlberg hat eine Werberede für Becks gehalten, ich selbst kam nicht zu Wort.“ Erneut verlor die Christdemokratin, diesmal mit 54 zu 83 Stimmen. „Wieder tauchten die Wahlnomaden auf“, sagt sie. Dabei kann laut Satzung der CDU-Duisburg – wie in jeder Partei – jedes Mitglied auf Ortsverbandsebene nur einmal wählen.
Sieben Tage später wird Seegers Verdacht bestätigt. „Mitglieder der Jungen Union hatten im Ortsverband Duisburg Huckingen mitgewählt und tauchten eine Woche später im Stadtteil Homberg als Mitglieder und Wähler auf.“ Auch der heutige JU-Vorsitzende Jörg Brotzki wählte laut Protokoll der Versammlung in Huckingen mit und kurze Zeit später im Verband Duisburg-Duissern, wo er inzwischen Vize-Vorsitzender ist.
Seegers Vater, ebenfalls CDU-Mitglied, hat die Wahl inzwischen vor dem Duisburger Amtsgericht angefochten, seine Anzeige wird inzwischen unter dem Aktenzeichen 49c3360/10 geführt. Das Gericht hat Ende September das „schriftliche Verfahren“ angeordnet.
Die Nachwuchs-CDUler haben in der Partei offenbar einen Freibrief. Der Landesverband der Jungen Union gibt an, die Konflikte seien „in Duisburg intern zu lösen“, so Sprecherin Carla Florath. Auch der Landesverband der CDU verweist auf den Kreisverband. Auch dort scheint man ein Auge zuzudrücken. Bartosch Lewandowski, der mutmaßliche Randalierer aus Berlin, erhielt zwar schon im November 2008 ein Mandatsverbot. Er wurde für eine Prügelei auf einer JU-Versammlung verantwortlich gemacht, in deren Folge die damalige Schriftführerin zu Boden ging. Trotzdem wurde er kurz darauf Vorsitzender der JU Duisburg Süd. Inzwischen hat er angekündigt, zum 1. November seine Ämter niederzulegen, um „Schaden von der Partei abzuwenden.“ Die Vorwürfe bestreitet er aber weiter.
Politische Diskussionen haben die Duisburger Nachwuchspolitiker kaum noch angeboten – dafür aber regelmäßige „Bildungsfahrten“. Ein bis zweimal im Jahr fahren sie nach Berlin, und in diesem Jahr fanden laut einem JU-Mitglied drei Besichtigungen der immer gleichen Duisburger Bier-Brauerei statt. Inzwischen sind die Termine auf der Homepage nicht mehr zu finden.
„Seit Jahrzehnten weit verbreitete Praxis“
JU-Chef Brotzki gibt sich am Telefon überrascht. Dann gibt er per Email zur Antwort: „Zu den Vorwürfen, ich sei nacheinander in mehreren Ortsverbänden Mitglied gewesen und hätte dort jeweils an Wahlen teil genommen, darf ich mich gegenwärtig nicht äußern, da es derzeit noch ein internes Parteischiedsgerichtsverfahren gibt.“ Auch Ortsverbandschef Thomas Mahlberg äußert sich nicht.
Tatsächlich ist das Verfahren inzwischen, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, vor dem Bundesschiedsgericht der Partei in Berlin gelandet. Noch im November soll über die mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten bei den Duisburger Wahlen entschieden werden. Zuvor hatte sowohl das Kreisschiedsgericht Duisburg als auch das Landesschiedsgericht die Einsprüche von verschiedenen Mitgliedern abgelehnt. Die mit Parteimitgliedern besetzten Gerichte vereinbarten Stillschweigen über das Verfahren.
Denn offenbar toleriert die Partei die strategische Ortsverbandswechsel ihrer Mitglieder, der letztlich über Wahlen entscheiden kann. Die CDU Duisburg hat 2009 beim Landesjustiziar der CDU angefragt, ob der geschäftsführende Vorstand des Kreisverbandes über einen Ortsverbandswechsel entscheiden kann. Ein CDU-Justiziar antwortete in einer der Berliner Zeitung vorliegenden Email vom 10. Juni 2009: Nach dem Statut der CDU Deutschlands entscheide über den Aufnahmeantrag der zuständige Kreisvorstand. „Der Kreisvorstand kann über Ausnahmen hinsichtlich der Frage entscheiden, in welchem Parteiverband ein Mitglied anschließend geführt wird.“ Eine solche Vorgehensweise sei im übrigen „seit Jahrzehnten weit verbreitete Praxis auch in anderen CDU-Kreisverbänden.“ Möglicherweise ist das Wahlnomadentum in Duisburg kein Einzelfall in der christdemokratischen Partei.
Bei dem Konflikt um das Steinkohlekraftwerk Datteln geht es nicht nur um den Bau eines Kraftwerks. Es geht um die Macht in Nordrhein-Westfalen.
Das große Spiel ist eröffnet. Auf der einen Seite die Kraftwerksbefürworter – natürlich Eon, das seine Investition gefährdet sieht, wenn Dattel nicht gebaut wird. Und die beiden potentiellen Abnehmer des Dattelner-Stroms: Die Bahn und RWE. Ihnen zu Diensten: Teile der SPD, die lieber eine große Koalition als eine Minderheitsregierung in Düsseldorf gesehen hätten. Sie haben mit dem neuen RVR-Chef Christoph Dänzer-Vanotti einen ehemaligen Eon-Vorstand an die Spitze des Verbandes gesetzt, der für die Planung im Ruhrgebiets zuständig ist – auch für die Planung künftiger Kraftwerksstandorte. Mit Wirtschaftsminister Harry Kurt Voigtsberger (SPD) und dem IGBCE-Mann und SPD-Fraktionsvorsitzenden Norbert Römer haben sie zwei mächtige Verbündete in Düsseldorf, die sich längst auch öffentlich zum Kraftwerksstandort Dattel bekannt haben.
Sie wollen die Macht in NRW – und Kraft und Rot-Grün scheitern sehen. Es geht um die Rückerorberung des Landes, das seit Jahrzehnten fest in der Hand von Seilschaften aus den Energiekonzernen und der SPD war. Die im Koalitionsvertrag beschlossene Energiewende wäre für diese Leute nicht nur teuer – sie würde den Verlust von Macht und Einfluss bedeuten.
Es geht um Zeit und um Personen. Verabschiedet das Kabinett in Düsseldorf die Eckpunkte eines Klimaschutzgesetzes so schnell, das RVR-Planer Thomas Rommelspacher (Grüne) verhindern kann, das Datteln IV gebaut wird? Oder gelingt es durch Zeitverzögerung Rommelspacher den schwarzen Peter zuzuschieben, wie es der Dortmunder Fraktionsvorsitzende der Grünen Mario Krüger versucht? Hält die Koalition im RVR oder zerbricht sie an der Frage Datteln? Wird es in Essen im Winter eine große Koalition geben? Oder bekommt die Landesregierung den Konflikt schnell gelöst? Für die Grünen geht es in der Frage Datteln um ihre Glaubwürdigkeit. Knicken sie ein, könnte es mit den Umfragehochs bald vorbei sein. Nicht nur in NRW. Es geht aber auch um Hannelore Kraft. Kann sie ihre Politik durchsetzen oder wird sie zur Getriebenen? Sollte dem so sein, hat sie schnell ihren politischen Zenit überschritten. Das große Spiel um Energie und Macht in NRW hat begonnen. Der Ausgang ist offen.
Am Donnerstag steht der Blogger Martin Budich zum vierten Mal vor Gericht. Wegen einer Terrortorte.
Ich kann nicht sagen, dass ich mit Feuereifer meine Steuern zahle. Irgendwie habe ich das Gefühl, das Geld wäre bei mir besser aufgehoben als beim Staat. Der wirft das Geld der Bürger schon gerne mal zum Fenster raus – zum Beispiel durch die vierte Auflage des Terrortortenprozesses gegen Martin Budich, den Herausgeber des Blogs Bo-Alternativ:
Am Donnerstag, den 28. Oktober geht der Tortenprozess gegen den verantwortlichen Redakteur von bo-alternativ.de vor dem Bochumer Landgericht in die vierte Runde. Er soll mit der Veröffentlichung des nebenstehenden Plakates zur gefährlichen Körperverletzung aufgefordert haben.
Tja, was soll man sagen: Beim Terrortortenangriff Martins auf die NPD durch einen Comic kam übrigens niemand zu Schaden. Eine Dokumentation des Schwachsinns-Prozesses findet ihr hier.
Update:
Nach dem Erscheinen dieses Textes wurde der Gerichtstermin auf den 18. November verlegt.
Wie schon im vergangenen Jahr wollen Nazis auch 2010 wieder am 9. November in Essen-Borbeck demonstrieren. Die Polizei hat bislang nicht versucht, die Veranstaltung zu verbieten.
Am 72. Jahrestag der Reichpogromnacht will die NPD mit einer Demonstration in Borbeck an die Toten an der innerdeutschen Grenze erinnern. „Dass dies nur ein Vorwand für eine gezielte Provokation gegen das Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht ist, ist für uns offensichtlich“ so Tessa Kuijer, Pressesprecherin der Antifa Essen Z. Proteste gegen die Nazidemo seien bereits in Planung.
Der Anblick von Nazis am 9. November ist in Essen nichts Neues: Bereits im vergangenen Jahr wurde den Nazis eine Kundgebung mit brennenden Fackeln in Borbeck nicht untersagt.
Der Bau des Eon-Kohlekraftwerks in Datteln gehört zu den größten Streitpunkten innerhalb der Landesregierung. Doch nicht nur zwischen SPD und Grünen wird über die Zukunft des Baus gestritten. Auch im Umfeld der Grünen wird über das Kraftwerk gestritten.
Wie ich heute in der Welt am Sonntag schreibe, sieht es ganz danach aus, dass die Verwaltung des Regionalverbandes Ruhr nach arbeitsreichen Monaten im November dem Ruhrparlament ein Papier vorlegend wird, das Eon die Möglichkeit einräumen könnte, sein Kraftwerk in Datteln weiter zu bauen. Im Moment haben Gerichte die Bauarbeiten weitgehend gestoppt.
Das sorgt natürlich bei den Grünen und Umweltorganisationen für Aufsehen. Vor allem der Grüne RVR-Planungschef Thomas Rommelspacher steht in der Kritik. In einem uns vorliegenden Brief von Ingrid Täger, Sprecherin der Grünen in Waltrop an Mario Krüger, Fraktionschef der Grünen in Dortmund und Vorstandsmitglied der Grünen Ruhr kritisiert Träger die Unterstützung der Grünen bei der Wahl des ehemaligen Eon-Vorstandes Dänzer-Vanotti zum RVR-Chef und greift Rommelspacher und seinen designierten Nachfolger Martin Tönnes an. Ihr Verdacht: Die Grünen lassen sich Datteln IV abkungeln:
es ist nicht ganz leicht, die Kontroverse über die grüne Wahl eines Atomlobbyisten zum RVR-Direktors fortzuführen, weil, sofern dies weiter öffentlich wird, dies für die Grünen schädlich sein kann. Denn dieses Personalpakt ist kaum einem Wähler vermittelbar und deshalb wohl auch der Wunsch dies möglichst nicht weiter zu diskutieren. Allerdings finden wir, dass diese Personalentscheidungen und nicht ihre teilöffentliche Diskussion die Ursache für eine mögliche Parteischädigung ist.
Wir sollten also dieses skandalöse Personalpaket wieder aufschnüren und akzeptable Kandidaten für diese zentralen Führungspositionen in Kooperation mit der SPD benennen.
Die von den RVR-Grünen in ihrem Antwortschreiben vorgebrachten Argumente sind in fünf zentralen Punkten falsch bzw. eindeutig interessengeleitet
1) Der zukünftig zu wählende RVR-Direktor Dänzer Vanotti ist nicht nur einer der bekanntesten langjährigen Atomlobbyisten in NRW, sondern sitzt zugleich im Aufsichtsrat von EON und der Deutschen Bahn AG. Die Deutsche Bahn AG ist der wesentliche Stromabnehmer für das EON Kraftwerk in Datteln. Mit der grünen Wahl zum RVR-Direktor ist er Planungsträger, Vorhabensträger von EON Datteln und größter Abnehmer in einer Person. Aus der Sicht der grünen Energiepolitik machen damit die RVR-Grünen den Bock zum Gärtner.
2) Diese zentralen Personalentscheidungen sind nicht mit normalen Koalitionsverhalten zu erklären, sondern nur möglich, weil die RVR-Vertreter keine direkte demokratische Legitimation haben. Weder würde ein solch einseitiger Lobbyist als „Regierungschef“ direktgewählt, wie die OBs in den Kommunen, noch würde die SPD ihn zum Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl machen. Einen solchen Regierungschef kann man also nur weit weg von der Wählerschaft installieren, weil er sonst null Wahlchancen hätte. Davon ganz abgesehen, würden natürlich auch die Landesgrünen keinen Atomlobbyisten im Parlament zum Ministerpräsident wählen.
3) Nach RVR-Gesetz ist die Position von Dänzer Vanotti und des Grünen Tönnes öffentlich auszuschreiben und auch nach beruflicher Qualifikation zu besetzen. Der EON-Lobbyist hat als RVR-Direktor das Außenvertretungsrecht des RVR und das Dienstrecht und ist damit deutlich über dem Grünen Tönnes in seiner angestrebten Position als Planungsbereichsleiter des RVR angesiedelt, was Dänzer sicherlich für EON-Datteln zu nutzen weiß. Durch die Ausschreibung gab es für die SPD-Fraktion im Übrigen genügend andere fachlich geeignete Kandidaturen, aber sie hat mit den Grünen im RVR, wie ja auch aus eurem Brief hervorgeht, diesen EON-Lobbyisten abgestimmt. Ihr hättet jederzeit Veto einlegen können, um sich auf einen akzeptableren Kandidaten als Chef des Ruhrgebiets zu einigen.
4) Ihr seit diesen notwendigen Konflikt nicht eingegangen, weil ihr offensichtlich andere damit verknüpfte Entscheidungen für wichtiger haltet. Denn wenn ihr der SPD bei der Besetzung des RVR-Direktors reinredet, wäre auch zu erwarten, dass die SPD auch bei der grünen Besetzung des Planungsbereichsleiters interveniert. Denn hier wollt ihr euren Fraktionssprecher in die lukrativ bezahlte Position bringen, was bereits in vielen Zeitungen heftig überregional kritisiert wurde und für die SPD Anlass genug sein könnte, dem einen Riegel vorzuschieben. Die SPD dürfte auch deshalb nicht von eurer zu erwartenden Personalentscheidung (klar wird erst formal ausgeschrieben…) begeistert sein, weil so Begehrlichkeiten nach Patronage auch in der eigenen Fraktion geweckt werden. Wer möchte nicht als ehrenamtlicher Parlamentarier, ohne vom Volk überhaupt gewählt werden zu müssen, mal eben zum gut bezahlten Berufspolitiker als Bereichsleiter oder Direktor des RVRs aufsteigen??? Bei diesem Personalpaket handelt es sich also sehr wohl um einen Kuhhandel. Die Grünen und die SPD haben mit diesen beiden untragbaren Kandidaten jeweils eine politische Leiche im Keller liegen und beschließen in einem Nichtangriffspakt beide ins Obergeschoss zu befördern.
5) Damit ist klar, dass euer Personalpaket nur durch das extreme Demokratiedefizit des RVRs jenseits des Wahlvolks möglich ist. Umso wichtiger wäre es dann, dass zumindest die parteiinterne Demokratie und Kontrolle funktioniert, um dieses Defizit zumindest etwas auszugleichen. Das ist leider aber auch nicht der Fall. So richtetet sich ja gerade Michael Tönnes, der am meisten von diesem Deal als grüner RVR-Sprecher und bald Planungsbereichsleiter profitieren dürfte, in dem Schreiben von euch an uns, um zu erklären, dass es große „Verantwortungsethik“ ist, wenn er in letzter Konsequenz den Posten bekommt. Es gibt offensichtlich keinen mehr bei den Grünen, der diese Vermischung von Privatinteressen mit grünen Führungspositionen problematisieren will.
Deutlicher kann nicht demonstriert werden, dass der RVR als Raumschiff völlig losgelöst von demokratischen Kontrollmechanismen zum Selbstbedienungsladen zu mutieren droht.
Grüne Grüße
Ingrid Täger
In seiner Antwort an Träger gibt ihr Mario Krüger weitgehend recht. Auch er sieht Rommelspacher in der Datteln-Frage auf dem falschen Weg:
Die Idee über ein Zielabweichungsverfahren das Thema des Dattelner Eon-Kraftwerkes einvernehmlich regeln zu wollen ist an Absurdität und politischer Naivität nicht zu übertreffen. Seit Sommer dieses Jahres hat Thomas Rommelsbacher sich in der fixen Idee eines Koppelgeschäfts mit EON (Stichwort: EON nimmt einige Kohleheizkraftwerke älterem Baujahrs außer Betrieb; dafür wird im Gegenzug das Planrecht für die in Bau befindliche Dattelner Anlage geheilt) verrannt. Mehrere Gesprächstermine (so u.a. am vorletzten Samstag mit Martin Tönnes, Rainer Priggen, Börje Wiechert, Susanne Beck und Johannes Remmel) haben hieran nichts ändern können. Zwischen den Beteiligten ist vereinbart worden, dass eine entsprechende Vorlage in den RVR-Gremien nicht zu suchen hat. Insofern wird die RVR-Planungsverwaltung mit ihrem Dezernenten Rommelsbacher an der Spitze bis Mai nächstes Jahres mit der Beantwortung diverser Anfragen beschäftigt werden.
Die Grünen wissen um die Bedeutung von Datteln IV. Winken sie den Bau des Kraftwerkes durch, würden sie ihre Anhänger verprellen. Die Hamburger Grünen sind für ihre Zustimmung zum Bau des Kraftwerks Moorburg in Hamburg massiv kritisiert worden – in NRW wäre das kaum anders.
Stimmen sie aber gegen den Bau des Kraftwerks riskieren sie nicht nur die rot-grüne Koalition im RVR. Auch der Fortbestand der Koalition in NRW wäre fraglich. Der Grüne Umweltminister Johannes Remmel zumindest ist, was Datteln betrifft, nicht auf Konfrontationskurs. Im Interview mit der Frankfurter Rundschau sagte er: „Ob Kraftwerke gebaut werden oder nicht, ist die Entscheidung der Betreiber. Sie müssen nur die Vorschriften einhalten. “ Und die könnte die Landesregierung ändern – wenn sie noch bevor der RVR über den Standort Datteln entscheidet das angekündigte Klimaschutzgesetzt zumindet im Kabinett beschließen würde. Das ist allerdings nicht absehbar.
Die Linkspartei droht der Landesregierung damit, den Haushalt durchfallen zu lassen. Und die Grünen sind Neuwahlen nicht abgeneigt. Nach Monaten der Ödnis wird es langsam wieder spannend in Düsseldorf.
Eine Stimme aus einer anderen Fraktion braucht die Minderheitsregierung aus SPD und Grünen, um ihren Haushalt im Landtag durchzubekommen. Die Linkspartei will die nicht einfach so liefern. 200 neue Steuerprüfer will sie und endlich nicht mehr vom Verfassungsschutz kontrolliert werden. Klar, viele ihrer Mitglieder werden es als Demütigung empfinden, von der ehemaligen Konkurrenz überwacht zu werden – vor allem wenn man die früher als Deppentruppe verachtete. Bei den Steuerprüfern wird die Landesregierung der Linkspartei entgegen kommen – vielleicht werden es ein paar weniger, hört man in Düsseldorf, aber auch SPD und Grüne brauchen Geld. Und das würden die Steuerprüfer recht zuverlässig liefern.
Bei der Verfassungsschutznummer sieht es anders aus. Wenn Ralf Michalowsky, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, fordert dass es „keine politisch motivierte Überwachung geben“ dürfe, hat er in all seiner intellektuellen Brillanz sicher nur zufällig übersehen, dass es im Umkehrschluss auch kein politisch motiviertes Ende einer Überwachung geben darf. Ob eine Überwachung notwendig ist oder nicht müssen Fachleute entscheiden – oder die Gerichte.
Grüne und SPD werden der Linkspartei in der Frage des Verfassungsschutzes nicht folgen. Und die wird deswegen schäumen – aber viel mehr auch nicht. Denn auch in ihren Reihen gibt es viele, die kein Interesse an Neuwahlen haben. Aus ganz persönlichen Gründen: „Viele in der Linkspartei“, weiß ein langjähriges Mitglied, „haben zum ersten Mal seit Jahren einen vernünftigen Job. Sei es als Landtagsabgeordneter oder als Fraktionsmitarbeiter. Die möchten nicht schon wieder in Hartz IV abrutschen.“
Am Tag der Abstimmung, so kalkuliert, trotz aller Rhetorik, auch die Landesregierung, wird sich vielleicht einer daran erinnern, dass er bei Neuwahlen aus dem Parlament rausfliegen könnte – und zustimmen.
Auch bei vielen Abgeordneten von Union und FDP klafft zwischen lauter Empörung über die Politik der Landesregierung und der eigenen Befindlichkeit viele Angeordneter eine große Lücke. Gäbe es Neuwahlen, stünden die Chancen für die FDP schlecht, wieder in den Landtag zu kommen. Und die Stimme eines Liberalen beim Haushalt reicht, um Rot-Grün zu stützen. Auch viele Chrisdemokraten könnten, angesichts des drohenden Endes der persönlichen politischen Laufbahn, schwanken.
Ob das Kalkül der Landesregierung aufgeht, mit einer Angststimme den Haushalt durchzubekmommen? Wahrscheinlich schon. Aber soll es dann bis 2015 so weitergehen? Neuwahlen würden diesen Krampf hoffentlich beenden und dafür sorgen, dass es stabile Verhältnisse in NRW gibt. Nur außer den Grünen wird kaum einer für Neuwahlen votieren – sie wären die einzigen, die gute Chancen hätten, gestärkt in den Landtag einzuziehen.