RVR: Der große kleine Kommunalverband

Der 1920 als Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk gegründete Regionalverband Ruhr ist der größte Kommunalverband Deutschlands. Doch die Größe wird nicht in Politik umgesetzt.

Der Regionalverband Ruhr (RVR) ist ein Riese: 53 Städte und vier Landkreise liegen in seinem Bereich. Fünf Millionen Menschen, das gesamte Ruhrgebiet umfasst der RVR. Er ist der größte kommunale Waldbesitzer Deutschlands, betreibt Revierparks und Freibäder. Ihm gehört das immer dichter werdende Radnetz zwischen den Revierstädten. Auf seinen zahlreichen Halden drehen sich Windräder, leuchten Scheinwerfer in die Nacht und stehen Observatorien. Der RVR ist der Hauptträger der Kulturhauptstadt 2010 und seine Wirtschaftsförderung sorgt dafür, dass das Ruhrgebiet auf Messen wie der Internationalen Tourismus Börse (ITB) in Berlin oder der gerade beendeten Immobilienmesse Expo Real in München für sich werben kann.

Doch wer sich in München den Stand des Ruhrgebiets anschaute, der auch in diesem Jahr mit einer Standfläche von gut 800 Quadratmetern der größte der ganzen Messe ist, erkennt auf den ersten Blick das ganze Dilemma des RVR und des Ruhrgebiets.

Hier in München sollen jährlich internationale Investoren für die Region gewonnen werden. Büroprojekte werden vorgestellt, Industrieflächen angeboten, und das Revier zeigt, was es hat: Hochschulen, Häfen, Autobahnen – alles, was einen attraktiven Standort ausmacht.  Doch wer  wissen will, welche attraktiven Bürostandorte es im Ruhrgebiet gibt, muss sich an dutzenden von Ständen die Informationen mühselig zusammen suchen. Der Ruhrgebietsstand ist kein Ruhrgebietsstand – er tut nur so. Auf ihm haben die Städte und Kreise kleine Unterstände. Das ist schön für die Wirtschaftsförderer der Städte, die sich so auf wenigen Quadratmetern ihre eigene Wichtigkeit beweisen können, aber schlecht für Investoren. Die haben an dem Ruhrgebietsstand meist nur mäßiges Interesse. Richtig voll wird es nur, wenn kostenlos Currywurst gereicht wird.

Das Ruhrgebiet ist stolz auf seine Kooperationskultur, die sie mit Slogans wie „Kooperation aus Eigensinn“ bewirbt. Schaut man näher hin, bleibt von einer echten Zusammenarbeit wenig übrig. In seinem vor wenigen Wochen noch einmal aktualisierten Vorschlag für einen Ruhrplan stellt das Frankfurter Planungsbüro Albert Speer und Partner (AS&P) fest: „…die Region (gehört) ohne Zweifel zu den am dichtesten überplanten Räume Deutschlands (…)“. Der Großteil der gemeinsamen und zumeist mit viel Getöse der Öffentlichkeit vorgestellten Pläne seien aber, so die Frankfurter Planer, informell.

Ob das Konzept, bei dem sich die Region scheinbar auf wichtige Wirtschaftsförderungsprojekte geeinigt hat, oder der Regionale Flächennutzungsplan: Immer ist das gleiche Schema zu erkennen: Die Städte setzen sich an einen Tisch, jede nennt ihre Projekte und Pläne, am Ende werden sie unter einem imposanten Namen zusammengefasst und dem Land, der EU oder dem Bund überreicht, mit dem Ziel, öffentliche Mittel zu kassieren. Die Gemeinsamkeit besteht nicht in gemeinsamen Vorhaben sondern in dem gemeinschaftlichen Wunsch an das Geld der Steuerzahler zu gelangen.

All das soll sich in den kommenden Jahren ändern. Der Regionalverband Ruhr hat von der Regierung Rüttgers die Regionalplanung für das Ruhrgebiet zurückerhalten, die sie unter Rau in den 70er Jahren an die drei das Revier teilende Regierungsbezirke in Münster, Arnsberg und Düsseldorf abtreten musste.

Neues Personal an der Spitze des von einer Mehrheit von SPD und Grünen regierten Verbandes soll zudem dafür sorgen, dass nicht nur die Regionalplanung mit neuem Schwung vorangetrieben wird, sondern der Verband auch mit mehr Strahlkraft das Revier nach außen Vertritt. Einen personellen Komplettausfall wie den bisherigen RVR-Chef Heinz-Dieter Klink (SPD) an der Spitze sollte es nicht noch einmal geben. Klink, dessen Amtszeit im kommenden Jahr ausläuft, wurde 2005 vom damaligen Dortmunder OB Gerhard Langemeyer an die RVR-Spitze bugsiert. Der hatte kein Interesse an einem starken RVR und sah in Klink einen Garanten für die Schwäche der Ruhrgebietsinstitution. Klink erfüllte diese Erwartungshaltung. Unter ihm gab es kaum neue Ideen und Initiativen. Der RVR, der einst mit Kampagnen wie „Ein starkes Stück Deutschland“, der Idee zur Kulturhauptstadtbewerbung oder einer Initiative, die Olympischen Spiele ins Revier zu holen für Schlagzeilen sorgte, viel in einen tiefen Schlaf. SPD und Grüne haben den ehemaligen Eon-Personalvorstand Christoph Dänzer-Vanotti zum neuen Regionaldirektor vorgeschlagen. Er gilt als politisch unerfahren, allerdings weltläufiger im Auftritt als Klink.

Der bisherige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Ruhrparlament des RVR, Martin Tönnes soll Chef der wichtigen Planungsabteilung werden, und der ehemalige Juso-Bundesvorsitzende Thomas Westphal Chef der Wirtschaftsförderung des Ruhrgebiets, die sich des imposanten Namens Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr erfreut.

Westphal war in den vergangenen Jahren als Geschäftsführer diverser Logistiikunternehmen vor allem in Süddeutschland tätig und ist Mitherausgeber der Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft. Für einen Wirtschaftsförderer, der eigentlich internationale Investoren vom Ruhrgebiet überzeugen soll, sicher ein eher ungewöhnliches Hobby. Doch da Wirtschaftsförderung im Ruhrgebiet nach wie vor vor allem die Jagd nach staatlichen Fördermitteln ist, könnte die intime Kenntnis sozialistischer Wirtschaftspolitik auch ein Vorteil sein. Mit der Idee des Marktes haben sich ohnehin viele Politiker des Reviers noch nicht angefreundet.

Schon die Bestimmung der drei auf ihre Posten erinnert an alte Tage sozialdemokratischer Alleinherrschaft im Ruhrgebiet: Die Namen waren vor dem Ablauf der Bewerbungsverfahren bekannt. Wer auf ein transparentes Verfahren zur Bestimmung der RVR-Spitzenleute gehofft hatte, wurde enttäuscht. Für Roland Mitschke, der CDU-Fraktionsvorsitzende im RVR, war das ganze Verfahren eine Farce: „Die SPD macht wieder was sie will, und die Grünen werden zu Steigbügelhaltern.“

Weder Westphal noch Dänzer-Vanotti  standen für ein Gespräch zur Verfügung. Was sie vorhaben, bleibt also vorerst im Dunkeln.

Anders sieht es bei Martin Tönnes aus. Der Grünen Fraktionsvorsitzende und Mitarbeiter der Landtagsfraktion gilt als Planungsexperte – allerdings ohne jede Verwaltungs- und Führungsverantwortung.

Tönnes will sich bei der künftigen Regionalplanung an dem gemeinsamen Flächennutzungsplan orientieren, den sechs Städte des Reviers in den vergangenen Jahren  erarbeitet haben. Keine gute Grundlage. Ein Gutachten renommierter Planungsexperten im Auftrag des Landeswirtschaftsministerium kam 2008 zu einem vernichtenden Ergebnis: „ Folglich kommt die Evaluierung zu dem eindeutigen Befund, dass das Instrument RFNP unter den nordrhein-westfälischen planungsrechtlichen Bedingungen sowie der gegebenen Raumstruktur die von Bundes- und Landesgesetzgeber mit seiner Einführung beabsichtigten Ziele weitgehend verfehlt. (…) Es findet keine verbesserte regionale Abstimmung der Siedlungsentwicklung statt, sondern diese wird vielmehr über das für regional bedeutsame Entscheidungen fatale Einstimmigkeitsprinzip und die absehbare Unverbindlichkeit vieler Planinhalte gefährdet.“

Das Ruhrgebiet ist wieder fest in der Hand sozialdemokratischer Oberbürgermeister. Die erfolglose Simulation von Kooperation werden sie weiter führen wollen – koste es, was es wolle.

Der Artikel erschien in in ähnlicher Form bereits in der Welt am Sonntag

Der Ruhrpilot

Ruhr2010: Kunst im Brauereiturm…Welt

Ruhr2010 II: Museum Ostwall eröffnet heute…Ruhr Nachrichten

NRW: Kraft zieht aus Stuttgart 21 Lehren für NRW…Der Westen

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Loveparade: Kein Image-Schaden für Duisburg…Der Westen

Loveparade II: Antworten stehen aus – FDP und CDU treten auf der Stelle…WN

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Essen: 20 zu 10 Paukenschlag zur Blauen Stunde…Hometown Glory

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Bochum II: Warum Ansgar Schwenken auf keinen Fall Nachfolger von Werner Altegoer im Aufsichtsrat des VfL Bochum werden darf…Pottblog

Dortmund: Thilo Sarrazin und das „Hassthema Steuern“…Der Westen

Umland: “Steck den Finger rein …”…Zoom

TV-Kritik: „Tatort Internet – Schützt endlich unsere Kinder“ startete auf RTL 2…heise

Computer: Mein aktueller Desktop…Querblog

Kommunikation: Das Werkzeug ist nicht das Medium…Kontextschmiede

Rudolf Steiner im Kunstmuseum Wolfsburg und im Kunstmuseum Stuttgart

Rudolf Steiner um 1905 (Quelle: wikipedia)

Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt die Doppelausstellung: „Rudolf Steiner und die Kunst der Gegenwart“ und „Rudolf Steiner – Die Alchemie des Alltags“.

Vom 5. Februar 2011 – 22. Mai 2011 werden beide Ausstellungen nochmals gemeinsam unter dem Titel „Kosmos Rudolf Steiner“ im Kunstmuseum Stuttgart präsentiert.

Wie ist es möglich, dass der künstlerisch völlig untalentierte Rudolf Steiner, Begründer der esoterischen Heilslehre „Anthroposophie“, gleich in zwei renommierten deutschen Kunstmuseen gezeigt wird?

Haben hier anthroposophische „Beziehungskünstler“ den größten PR-Coup in der Geschichte der Anthroposophie gelandet? Wurde dem Rassisten und selbsternannten Hellseher Rudolf Steiner in den Mantel der Seriosität geholfen?

Die „Nachrichten aus der Welt der Anthroposophie“ haben das anthroposophische Beziehungsgeflecht unter die Lupe genommen, die Entstehungsgeschichte der Ausstellungen dokumentiert, hier der Lesetipp der Ruhrbarone:

„Mission im Museum – Rudolf Steiner in Wolfsburg und Stuttgart“

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Envio: PCB und PR

Vergiftete Mitarbeiter, verseuchtes Werksgelände, Razzien – das Dortmunder Unternehmen Envio hat eine Menge Probleme. Darauf reagiert es mit einer PR Offensive.

Das Geschäftsmodell war über viele Jahre erfolgreich: Aus der ganzen Welt importierte das Dortmunder Entsorgungs- und Recyclingunternehmen Envio mit PCB verseuchte Transformatoren. Diese sollten in Dortmund in einem aufwändigen Verfahren gereinigt und die wertvollen Rohstoffe, vor allem das Kupfer der Spulen, wiederverwertet werden. Bei der Gewinnung internationaler Kunden half die bundeseigene Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) – deutsche Ingenieurskunst und Gründlichkeit sollten helfen, das weltweite PCB-Problem in den Griff zu bekommen. Denn PCB gehört zu den 12 organischen Stoffen, die unter dem Namen „Dreckiges Dutzend“ bekannt sind und durch die Stockholmer Konvention 2001 verboten wurden. Sie stehen im starken Verdacht, erbgutver- ändernd und krebserzeugend zu sein und haben die unangenehme Eigenschaft, sich nur sehr langsam abzubauen.
Envio verdiente Geld mit der Reinigung der Transformatoren, dem Verkauf von wertvollen Transformatorenbauteilen und Rohstoffen. Doch nachdem Mitarbeiter des Unternehmens mit PCB verseucht wurden, das Werksgelände hochbelastet ist, und auch in der Umgebung erhöhte PCB-Werte gemessen wurden, steht die Produktion still. Geht es nach der Stadt Dortmund, soll Envio den Betrieb für immer einstellen. Für das Unternehmen, das noch einen weiteren Standort in Korea unterhält, könnte das Aus in Dortmund zum Problem werden.
Ein Problem, das Envio gerne vom Tisch hätte. Deshalb ist das Unternehmen in den vergangenen Tagen in die Offensive gegangen: Gleich zwei Gutachten sollen die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass es eigentlich gar keinen PCB-Skandal bei Envio in Dortmund gibt. Eines stammt von Professor Dr. Herbert F. Bender. Bender ist Mitglied des „Ausschusses für Gefahrstoffe“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und bei dem Chemiekonzern BASF beschäftigt. Mit dem Thema Envio beschäftigte er sich nach eigener Aussage, nachdem ihn ein Aufsichtsratmitglied von Envio um Hilfe gebeten hat. Für Bender ist es offensichtlich, dass sich Envio an die MAK-Werte gehalten hat. Die bestimmen die höchstzulässige Konzentration eines Arbeitsstoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft am Arbeitsplatz. Bender sitzt in der Kommission, die die MAK-Werte beschließt, die unter Toxikologen allerdings umstritten sind und als überholt gelten.
Für ihn ist die Kritik an dem Unternehmen vor allem eine  politische. Die Arbeiter und Anwohner, sagt Bender, seien unnötig in Panik versetzt worden. Und tatsächlich: Die MAK-Werte wurden nicht überschritten. Allerdings steht fest: In den Fegestäuben fanden sich mehr als doppelt so hohe PCB-Konzentrationen als zulässig. Zudem beweist ein der Film über Envio, dass zumindest zeitweilig mit PCB-verseuchten Transformatorenölen offen umgegangen wurde, und Arbeiter ohne ausreichende Schutzkleidung mit dem gefährlichen Giftstoff hantierten. PCB wird nicht nur über die Atemluft sondern auch über Nahrungsmittel und die Haut aufgenommen. Der Film belegt, dass bei Envio mit PCB-verseuchtem Material äußerst nachlässig umgegangen wurde. Blutproben belegen zudem, dass Envio-Mitarbeiter nicht  nur mit PCB verseucht wurden, sondern auch mit Dioxinen und Furanen – den hochgiftigen Geschwistern von PCB, für die deutlich niedrigere Grenzwerte gelten. Selbst die kleinste Menge gilt als hochgefährlich und krebserregend.
Bender sagt, er sei von Envio nicht für seine Stellungnahme bezahlt worden. Seine Arbeit sei aus wissenschaftlichem Interesse erfolgt. Er plant zu dem Thema Veröffentlichungen  in Fachmagazinen und sei sich mit vielen bekannten Wissenschaftlern in der Beurteilung der Geschehnisse in Dortmund einig. Nur die würden sich nicht trauen an die Öffentlichkeit zu gehen. Ganz neutral  und nur von Wissensdurst getrieben war die Arbeit Benders allerdings nicht: Wochen bevor Envio mit dem Bender-Gutachten  an die Öffentlichkeit ging, trat Florian Weisker, Geschäftsführer der Düsseldorfer PR-Agentur vom Hoff auf den Plan. Weisker kontaktierte ausgewählte Journalisten und bot ihnen Gespräche mit Professor Bender an. Wie dieser arbeitete auch Weisker pro bono. Seine Agentur, sagte er, hätte mit Envio nichts zu tun. Allerdings sei man in der vom NRW-Wirtschaftsministerium initiierten Kampagne „Allianz Pro Industrie und Nachhaltigkeit“ engagiert. Und es gehe bei Envio doch auch um den Standort NRW.
Um den geht es dem zweiten Entlastungsgutachter, dem Beratungsbüro Katzenbach nicht. Es wurde direkt von den Anwälten des Envio-Chefs Dr. Dirk Neupert in Auftrag gegeben. Das Ergebnis dieser Stellungnahme: „… die ausgewerteten Daten (können) nicht als Beleg dafür herangezogen werden, dass bei der Envio Recycling GmbH & Co KG ein irregulärer oder genehmigungswidriger Betrieb stattgefunden hat.“
Dafür gibt es  allerdings zahlreiche weitere Beweise: Zeugenaussagen über unsachgemäße Behandlung von Kondensatoren, Filme und vor allem die mit Dioxinen und Furanen belasteten Mitarbeiter des Unternehmens werfen einen Verdacht auf das Unternehmen, der sich nicht mit einer geschickten Pressearbeit aus dem Weg räumen lässt.
Mittlerweile hat der Druck auf Envio zugenommen. Die Stadt Dortmund will den Betrieb endgültig schließen. Und der Dortmunder Rat hat am vergangenen Donnerstag nahezu einstimmig eine Resolution verfasst, die das Land Nordrhein-Westfalen auffordert, den Fall der Staatsanwaltschaft Dortmund zu entziehen. Die ermittelt gegen die Envio-Spitze wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstößen gegen Umweltgesetze und führte gestern eine große Razzia durch. Dabei half sie der Steuerfahndung. Die Envio-Chefs haben also ein neues Problem.
Ein ähnlicher Artikel zu diesem Thema ist in der Welt am Sonntag erschienen

Der einseitige Pakt

Umspannwerk von Siemens- bald made in Istanbul

Siemens hat mit seiner kürzlich versprochenen Beschäftigungsgarantie für alle Mitarbeiter viel Lob geerntet – doch nicht für jeden gilt der Pakt. Die Bochumer Siemens-Tochter Ruhrtal wird im kommenden Jahr geschlossen

Gregor Malten kann die Lobeshymnen auf seinen Arbeitgeber nicht fassen. „Ich wurde fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel“, sagt der Bochumer. Er ist bei der Ruhrtal AG beschäftigt, einer hundertprozentigen Tochter von Siemens. Der deutsche Elektro-Riese hatte erst Ende September einen unbefristeten Beschäftigungspakt für seine 128.000 in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter geschlossen. Die Firma verpflichtet sich darin, künftig bundesweit auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten und erhielt dafür viel öffentliches Lob. „Bei uns im Betrieb sieht die Realität aber anders aus“, sagt Malten.

Im Mai haben die rund 140 Mitarbeiter erfahren, dass ihr Werk geschlossen werden soll. Bislang wurden dort Geräte für Umspannwerke hergestellt, so genannte Trennschalter für die Oberleitungen von Stromnetzen. Vor knapp zehn Jahren hatte Siemens die Ruhrtal-Firma aus der Insolvenz aufgekauft. „Damals wurde uns garantiert, dass wir unsere Jobs alle behalten“, sagt Malten. Dann hieß es plötzlich , das Werk in der Revierstadt sei nicht mehr konkurrenzfähig. „Es gibt einen enormen Druck auf dem Weltmarkt“, sagte Siemens damals. Das liege vor allem an den ausbleibenden Investitionen der Energiekonzerne, hieß es. Deshalb sollte ein Teil der Produktion in das Siemens-Starkstromkompetenzzentrum in Berlin verlagert werden, ein anderer in das Niedriglohnland Türkei.

Damals galt der Beschäftigungspakt noch nicht, sagt Georg Lohmann, Sprecher der Siemens AG in Nordrhein-Westfalen. „Wir haben den Mitarbeitern einen bunten Strauß an Möglichkeiten angeboten.“ Das Unternehmen habe beispielsweise eine Beschäftigungsgesellschaft gegründet, in der die Mitarbeiter noch bis Ende des Jahres eintreten können. Unabhängig davon würden „nicht wenige Mitarbeiter“ nach Berlin oder Istanbul wechseln oder sich auf andere Stellen bei Siemens bewerben. „Wir haben in Deutschland etwa 3000 offene Stellen“, so Lohmann. Allerdings werden vor allem Ingenieure gesucht, um die die Firma auch mit der Beschäftigungsgarantie gebuhlt hat. Die Ruhrtaler hingegen sind weniger nachgefragt – meist sind es einfache Handwerker, die es schwer haben auf dem Arbeitsmarkt.

„Auch ein Umzug nach Berlin ist für die meisten keine Alternative“, sagt Malten. Die Kollegen erwarteten Nachwuchs oder hätten sich ein Häuschen gebaut. Auch Ulrike Kleinebrahm bedauert, dass „wieder ein Werk in Bochum schließt“. Die Bevollmächtigte der IG Metall in Bochum hat schon viele menschliche Katastrophen im Ruhrpott miterlebt – das Aus für Nokia, die dauernde Bedrohung des Opelwerkes. „Siemens kümmert sich besser um seine Angestellten als viele andere Firmen“, sagt Kleinebrahm. Aber der Beschäftigungspakt sei dennoch als absolute Job-Garantie überbewertet worden. „Der Pakt hat seine Grenzen.“ Wenn ein ganzer Standort wie jetzt in Wattenscheid geschlossen würde, käme nicht jeder unter. „Die Ingenieure und Facharbeiter können sich die Stellen im Unternehmen aussuchen“, so Kleinebrahm. Aber die Sekretäre, Bürokräfte und Elektriker könnten leer ausgehen.

Malten ist untröstlich. „Vor drei Jahren haben wir Siemens aus der Patsche geholfen“, sagt er. Damals hätten er und sein Team viele Stunden umsonst gearbeitet, um das Werk zu retten. Jetzt stünden sie vor dem Nichts. „Der Pakt war in Bochum immer nur einseitig – die Mitarbeiter haben garantiert, unter allen Bedingungen weiterzuarbeiten.“

Der Ruhrpilot

Dortmund: Große Razzia bei Envio…Der Westen

Ruhrgebiet: Projekt Rhein-Ruhr-Region offiziell begraben…Der Westen

Loveparade: Landes-CDU stärkt Sauerland den Rücken…Der Westen

Internet: Kinderschänderjagd auf RTL2…Netzpolitik

Bochum: Goosen über den VfL…Pottblog

Duisburg II: Poeten vs Rapper vs Blogger…Kueperpunk

Duisburg III: Sauftour statt Bildungsfahrt nach Berlin…Der Westen

S21: Heiner Geißler bereits am ersten Tag gescheitert?…F!XMBR

S21 II: Reden und Weiterbauen…DL

Kultur: Kurz vor Film…Denkfabrik

Umland: Die Wallstreetboys…Frontmotor

Umland II: Wegschwimmen…Zoom

WAZ-Gruppe: Nur gemeinsam sind Freie stark!…Medienmoral NRW

Sozial: Brauche wir Tafeln?…DC

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Wo warst du am 3.Oktober? Geburtstagsnachlese

Vor zwei Tagen war wieder Montagsdemo. Da denkt man nostalgisch an die großen Leipziger Montagskundgebungen von 1989, steht aber inmitten acht erregter Menschen vorm Karstadt in Recklinghausen.

Die reden engagiert über Atomkraft, Stuttgart, „Bahnvorstand Gruber“, ein Dattelner Kohlekraftwerk, Afghanistan, Vorstände und Filz, schlimme Fernsehanstalten und Busfahrten, die um 4.30 Uhr nach Berlin gehen.  Mit wechselnden Rollen und einem Ansager in Radlerhosen, die man nicht sehen möchte, jedenfalls nicht an diesem Mann. Die Veranstaltung ist großartig. Christoph Schlingensief würde weinen vor Freude.

Aber Recklinghausen ist nicht Leipzig, sondern eine zwar hübsche, aber völlig unbedeutende Stadt im Westen, im Norden des Ruhrgebiets, eine Stadt, deren Süden so aussieht wie man sich den Osten der Republik vorstellt, wenn man noch nie da war. In dem man Ostalgiefilme drehen könnte, was in manch aufgehübschter Gegend des realen Ostens heute kaum mehr möglich ist. Was ist geblieben von der DDR außer grauer Montagsdemo, grünem Ampelpfeil und Rotkäppchensekt? Die Erinnerung.

Da wäre ich bei der Frage: Wo warst du am 3.Oktober? Ich meine nicht vorgestern. Ich meine jenen Tag 1990, den wir heute noch feiern, in Recklinghausen mit einer Kranzniederlegung für die Maueropfer, man beschränkt sich hier auf das Wesentliche, der Rest der DDR und was danach kam, kommt später dran. Noch ehe Antworten eingehen, behaupte ich mal: Zum 9.November im Jahr davor fällt einem mehr ein. Ich erlebte den Beginn des Vereinigungstages auf dem Busbahnhof von Bursa/Türkei, ein Uhr Ortszeit, auf einem kleinen Fernseher sah man das Feuerwerk am Brandenburger Tor, die Leute interessierte das kaum weniger als mich. Am Abend landete ich im feiertagsverwaisten Düsseldorfer Flughafen, wartete unten im alten Bahnhof auf die S-Bahn, vielleicht vier, fünf Fahrgäste, etwas Personal. Man hört, hallig, aus dem Fußgängertunnel das harte Schnarren von Kofferrollen. Es wird lauter. Die Rheinbahner klettern aus ihren Kabinen, wenden sich rückwärts, im Tunnel erscheint: Heinz Kluncker. Sie fallen innerlich auf die Knie und lesen Messen. Ich sage: „Hallo, Heinz!“ (Für Jüngere: Heinz Kluncker, prominenter ÖTV (für noch Jüngere: was heute verdi ist)-Vorsitzender von immenser Statur (wieder für Jüngere: So wie Helmut Kohl, nur mit Power), 11 Prozent Lohnabschluss 1974.) Willkommen in der alten Bundesrepublik!

Mein plump vertraulicher Gruß war gestattet, ich hatte Kluncker kurz zuvor in der ÖTV-Bundesschule am Wannsee getroffen, an dem Festtag, der am 3.Oktober als Kirmes wiederholt wurde, am 1.Juli 1990 also. D-Day. Die D-Mark kam, die DDR war im Arsch. Da sind meine Erinnerungen vielfältiger. Vorabend, Treffen in einer Penthousewohnung in Ost-Berlin, Sonderobjekt, Eigentümerin C.B., Schriftstellerin, partei- und krenznah. Spanisch sprechend, wendefähig. Vermietete sich in selbiger Nacht an ein spanisches TV-Team, doppeltes Honorar, Angebot und Nachfrage… Auftritt eines Mannes mit Alukoffer, erkundigt sich nach Bankschaltern, die um 22 Uhr noch geöffnet sind, letzte Gelegenheit, 15 000 DDR-Mark günstig in künftiges Westgeld zu investieren. Alle außer mir sind in der SED. Ich, der Tochter der Wohnungseignerin nicht abgeneigt, unterschreibe die rückdatierte Gründungsurkunde eines Sozialvereins, als siebtes Mitglied. Solcher Vereine waren plötzlich viele in Berlin, Hauptstadt. Sie kümmerten sich nebenbei um arme Kinder und Witwen, hauptsächlich versorgten sie ungelernte Kinder der Kader mit lukrativen ABM-Stellen. BAT 2 (Ost), dafür mussten Facharbeiterinnen in den Treuhandbetrieben, die ab morgen arbeitslos sein sollten, schon lange das Arbeitsamt bescheißen. Willkommen in der neuen Bundesrepublik! Für die Unterschrift schäme ich mich heute noch.

Danach ab ins Getümmel. Freund Ingo nur knapp einer polierten Fresse entgangen, sah wohl irgendwie punkig aus. Deutsche Bank am Alex, kurz nach Mitternacht. Kollabierte DDR-Bürger hinter Glas, den frischen Hunderter noch in der Hand. Irgendein Kellerinstitut der Humboldt-Uni. Kino Babylon an der Volksbühne. Geile Party, FDJ-Fahne geklaut, habe ich heute noch, und eine Trabi-Anrechtskarte. Das war der strukturelle Nachteil der DDR etwa gegenüber dem Christentum. Das Paradies kannst du dir bis an dein Lebensende ausmalen, der Trabi stand nach neun Jahren vor der Tür. Und im Westfernsehen holte derweilen Rainer Günzler den neuen BMW 318 aus der Kältekammer. Später ins Tacheles, zum letzten Mal eine Club-Cola mit DDR-Mark bezahlt. Abends auf dem Weg zur ÖTV-Schule (Heinz Kluncker…) vom Taxifahrer im Westen fast rausgeschmissen: „Alles Bonzen in der Gewerkschaft!“

Die DDR war mir immer wunderlich. Je näher ich sie kennen lernte, desto wunderlicher wurde sie mir.

Dienstag, 13 Uhr. Große Wachablösung, Alte Wache, Unter den Linden, Tschingderassassa und Stechschritt. Feixende und grölende Schülergruppe aus dem Ruhrgebiet. Energischer Anschiss eines Stiernackens im Publikum. Bautzen und Sibirien vor Augen, verstummt die Gruppe spontan. Bei der Ausreise später stellt sich heraus, der Stiernacken kam aus Bayern. Systemüberschreitender Militarismus.

Grenzübergang Marienborn. Ein abgerockter Renault 14. Insassen: Die Studenten Eichhorn (später „Pigor singt, Benedikt  Eichhorn muss begleiten“) und Kaysh. Grenzsoldaten, mürrisch. Vorzeigen  des „Visums zur mehrmaligen Ein- und Ausreise, gültig für alle Bezirke“. Mit Gruß der Leitung des Institutes für Allgemeine Geschichte des ZKs der SED. Grenzsoldaten, strammstehend.

Partykeller einer Jugendherberge, wochentags, abends. Null Stimmung. Planwirtschaft live. Das Thekenkollektiv hat jeden Abend zwei Kisten Bier zu verkaufen. Im Alltag heißt das: Läuft die Riesenparty, ist um halb neun nix mehr da und Feierabend. An öden Abenden wie heute hält man bis Mitternacht Stellung und schwätzt zur Not den Gästen den Alk auf. Meistens nimmt man hin.

Lustiger Abend in Eisenach. Kneipe. Mir geht die 150-prozentige FDJ-Jugendtourist-Betreuerin Simone auf die Nerven. Habe ihr gerade den Klaus-Lage-Song „Monopoly“ erklärt. „Monopoly,
und die an der Schlossallee verlangen viel zu viel.“ Erkläre das mal einer gelernten DDR-Bürgerin. Da checke ich sie. Gebe galant den Angetrunkenen, der kein Ostgeld mehr hat zum Weitertrinken. Tausche zwanzig D-Mark zum offiziellen Kurs, Quittung können wir morgen erledigen. Vergesse am Morgen die Quittung. Simone auch. Puh, niemand ist vollkommen, was auch immer.

Jugendherberge in Weimar. Seit Stunden trägt der junge FDJler Zahlen vor. Planübererfüllung überall, selbst in der Schweinemast. Der Typ trägt ein fürchterliches Hemd. Wir, Jugendbetreuer aus dem Norden des Ruhrgebiets, kommen auf die Kernkraft. Die Atomkraftwerke im Warschauer Pakt seien sicher, sagt er, hundertprozentig. Aus ideologischen Gründen. Sie befinden sich in Händen der Arbeiterklasse. Arbeiter schaden Arbeitern nicht. Das Problem seien die kapitalistischen Reaktoren im Westen, das Kapital… Es ist Herbst 1986. Tschernobyl war am 26. April 1986. OK, lies weiter Erfolgszahlen vor.

Erfurt, am Fuße der Domtreppe. Ich sehe eine riesige Schrift über dem Eingang einer Kneipe. „Nichtrauchergaststätte“. Ich lache und fotografiere. Das glaubt mir im Westen keine Sau, sowas kann es nur in der DDR geben. Ich habe der DDR nie so Unrecht angetan.

Immer noch Erfurt. Unterwegs mit dem Stadtbilderklärer, einem alten Mann. „Führer“ sagt man im sozialistischen Deutschland nicht zu dieser Tätigkeit.  Man sagt auch nicht „Fußgängerzone“ zur Gehstraße. Wir bitten den Erklärer uns den Kaisersaal zu zeigen. Dort hat die SPD 1891 ihr Erfurter Programm beschlossen. Der Saal ist geschlossen. Aus Frust kaufe ich im benachbarten Fachgeschäft für Agitation und Propaganda gleich zwei Honecker-Poster. Der Verkäufer versteht meine Begeisterung nicht ganz, teilt aber mein Bedauern über den Mangel an Fähnchen der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft. Seit Gorbatschow sind die Dinger beliebter als es das ZK der SED geplant hat. Der Erklärer wartet vor dem Laden, deutet traurig auf den Kaisersaal und sagt leise: Ich habe früher auch zu dem Laden gehört. Ich schlucke.

Weimar, nach dem Besuch des Konzentrationslagers Buchenwald. Irgendjemand hat Ellen aus Versehen „Else“ genannt. Ellen ist eine sehr nette alte Dame, die sich bei den Falken engagiert. Jetzt heult sie. Später erklärt sie mir, warum. Else sei ihr Tarnname gewesen in Amsterdam, als sie versteckt wurde von den Holländern, geflohen aus Deutschland als jüdisches Kind. Später bringen die Retter sie mit dem Boot nach England, wo sie gleich interniert wird als Angehörige einer verfeindeten Nation. Ellen erzählt ihre Geschichte zum ersten Mal seit 40 Jahren. Ich kann heute noch heulen, wenn ich daran denke.

Recklinghausen, Montagsdemo, vorgestern. Ich mache ein paar Fotos der öffentlichen Veranstaltung. Solche Aufmerksamkeit kennen die Demonstranten nicht. Sie werden barsch bis ausfallend. Später erklärt mir einer sein Problem: „Wir hatten in der letzten Zeit n bisschen Stress mit den Nazzis“. Ich frage empört zurück: „Sehe ich etwa aus wie ein Rechter?!“ Es gibt Sachen, die lasse ich mir von Menschen mit MLPD-Buttons nicht gerne sagen. Aber vielleicht verstehe ich manchmal den Westen einfach nicht.

Innovation-City: ein Gebot der Fairness

Fairness ist schwierig, wenn es um hohe Politik geht. Das erfahren gerade die Städte im Wettbewerb um den Titel Innovation City. Dieses Zukunftsprojekt wurde vom Initiativkreis Ruhr ausgelobt. Die Siegerstadt soll hier das Geld bekommen, um sich – oder besser gesagt einen großen Teil seines Stadtgebietes – komplett ökologisch umzubauen. Die Bedeutung des Vorhabens ist kaum zu überschätzen. Am Ende könnten rund zwei Milliarden Euro in eine Stadt fließen, die heute nicht mal weiß, wie sie die Schlaglöcher in ihrem Asphalt beseitigen soll.

Man sieht also, es geht um was. Und immer wenn es um was geht, machen die Oberbürgermeister im Ruhrgebiet das, was sie am Besten können. Sie kämpfen gegeneinander für den eigenen Kirchturm. Im Wettbewerb sind noch Gelsenkirchen, Bottrop, Essen, Mülheim und Bochum. Das erste sortieren fällt leicht: Essen und Bochum sind draußen, weil die einen schon die Kulturhauptstadt hatten und die anderen eine miese Bewerbung abgegeben haben. Mülheim dürfte aus dem Rennen sein, weil die Stadt nicht mal einen Haushalt hinbekommt.

Es läuft also auf einen Zweikampf zwischen Gelsenkirchen und Bottrop hinaus. Und jetzt beginnt das Hardcore-Lobbying von Frank Baranowski, SPD-OB von Gelsenkirchen. Die Bewerbung von Gelsenkirchen ist so Lala. Nur ein Highlight hat das Stück: Gelsenkirchen hat sich gemeinsam mit Herten beworben. Das ist wichtig, weil in Zukunft vor allem Projekte mit EU-Geld gefördert werden sollen, die Städteübergreifend angelegt sind. Für Innovation City ist das entscheidend, denn richtig Geld gibt es vom Innovationskreis Ruhr nur sehr wenig für den Sieger. Der Rest muss vor allem über Fördermittel von EU und Land eingeworben werden. Was macht jetzt Baranowski? Er telefoniert mit allen möglichen Leuten und weißt jeden darauf hin, dass diese Kooperation zwischen Herten und seiner Stadt das Entscheidende ist. Er lobbyiert eben rum. Dabei sollte man wissen, dass Frank Baranowski nicht irgendwer ist. Er ist Chef der Ruhr-SPD mit entscheidendem Einfluss in der aktuellen Landesregierung. Bei etlichen Mitgliedern der Jury kommt seine Botschaft deswegen an. Zum Beispiel beim unsäglichen Noch-RVR-Chef Heinz-Dieter Klink. Dieser SPD-Parteisoldat kommt aus dem Gelsenkirchener Stadtrat. Da er kein eigenes Rückgrat hat, ist davon auszugehen, dass er dem Drängen Baranowskis erliegt.

Schon laufen Gerüchte durch das Revier, dass das Rennen sowieso schon gelaufen sei. Dass die Jury-Entscheidung, wer den Titel Innovation-City kriegt, nur noch Formsache sei, weil Baranowski die Sache schon geschoben habe. Wenn da das Wörtchen wenn nicht wäre. Denn immer noch gibt es Leute, die auf eine faire Bewertung der Bewerbungen jenseits des Lobbyings setzen. Und hier liegt Bottrop nicht schlecht im Rennen.

Zwar hat die Gemeinde keine echte Kooperation mit einer Nachbarstadt vorzuweisen – aber immerhin eine Willensbekundung von Gladbeck, mit den einstigen Erzfeinden aus Bottrop zusammenzuarbeiten, wenn es um die Innovation City geht. Selbst Oberhausen hat unter der Hand erklärt, mit Bottrop zu kooperieren, sollte der ungeliebte Nachbar den Preis abräumen. Dazu hat Bottrop sich die meiste Mühe mit der Bewerbung gemacht. Es gibt etliche clevere Projekte und Firmen wie Rockwoll oder die RAG Immobilien haben sich als Unterstützer zusammengefunden. Dazu gibt es in der Stadt eine echte Bereitschaft in der Bevölkerung, das Vorhaben mitzutragen.

Sollte es fair zugehen, müsste die Bottroper Bewerbung wenigstens ordentlich im Vergleich mit der Gelsenkirchener bewertet werden. Sollte sie dann schlecht sein, kann sich keiner beschweren, sollte die Schalke-Gemeinde gewinnen.

Sollte aber Gelsenkirchen nur siegen, weil Baranowski besser Lobby kann, als der weithin unbekannte Bottroper Neu-Oberbürgermeister Bernd Tischler, SPD, dann wäre das eine Schande für den Innovationskreis Ruhr. Er wäre dann nur noch eine dieser Revier-Kungelrunden, von denen es sowieso viel zu viele gibt.