„Meine Mutter suchte die Wahrheit“

In seinem Zimmer hat Dennis nur das Nötigste. Ein Bett, eine kleine Kommode und einen Schreibtisch. Die Wände sind in gelben und grünen Pastelltönen gestrichen. Es gibt weder Bilder noch Fotos. Außer eines. Direkt über dem Bett. Dort hängt ein Bild aus Metall an einem kleinen Nagel. Es zeigt eine junge Frau im Seitenprofil mit langen Haaren und einer brennenden Kerze. Dieses Bild gehörte der russischen Journalistin Nadezhda Chaikova. Seiner Mutter.

Dennis setzt sich auf sein Bett. Er hat kurze leicht gelockte Haare, trägt weite Jeans und einen blauen Kapuzenpullover. Er nimmt einen Schluck aus einer Plastikfalsche. Dann blickt er auf den Boden und fängt an zu erzählen. „Sie war auf der Suche nach der Wahrheit. Mitten im Krieg. Sie ist nach Tschetschenien gefahren, um über die Geschehnisse von dort zu berichten. Von ihrem Blickwinkel. Dabei hatte sie Kontakt mit sehr gefährlichen Leuten. Ein Mal hat sie schlechtes Glück gehabt und ist nicht zurückgekommen.“

Seine Mutter schreibt damals für die russische Wochenzeitung „Obshchaya Gazeta“. Zwischen 1994 und 1996 fährt sie regelmäßig nach Tschetschenien, um über den Krieg mit Russland zu berichten. Sie will wissen, was die Menschen in der Kaukasusrepublik bewegt. Dafür spricht sie mit beiden Seiten. Sie trifft sich mit tschetschenischen Rebellen und interviewt russische Sicherheitskräfte. „Meine Mutter hat sehr intensiv gearbeitet. Sie war immer weg und hat mich bei Freunden gelassen. Aber ich wusste nie wo sie ist oder was passiert. Niemand hat mir was gesagt. Manchmal bin ich im Kindergarten bis spät nachts geblieben. Ganz alleine.“

Seine Verwandten kümmern sich zwar um ihn, aber oft ist Dennis auf sich selbst gestellt. Sein syrischer Vater lebt zu dieser Zeit nicht mehr in Moskau, sondern wieder in seiner Heimat. Trotz der großen Belastung macht er seiner Mutter keinen Vorwurf. „Ich war nie sauer. Ich wollte nur wissen, wieso sie nicht da ist. Und ich habe bis heute keine Antwort auf die Frage.“

Wenn seine Mutter von ihren Reisen zurückkommt, ist die Freude groß. Daran kann Dennis sich noch gut erinnern. Doch irgendwann gibt es kein Wiedersehen mehr. Seine Mutter geht immer größere Risiken ein. Sie arbeitet verdeckt, kleidet sich wie eine Tschetschenin. Offenbar gelingt es ihr brisantes Videomaterial zu sammeln, das die russischen Truppen schwer belastet. Es soll den Überfall des russischen Militärs auf das tschetschenische Dorf Samashki zeigen. Im Frühjahr 1996, kurz nach den Aufnahmen, wird Nadezhda Chaikova entführt und ermordet. Das Video verschwindet. Damals ist Dennis sechs Jahre alt.

Seine russischen Verwandten sind mit der Situation vollkommen überfordert. „Als sie gestorben ist, hat meine Familie mir gar nichts davon erzählt. Weil sie das selber emotional nicht hantieren konnten, mir zu erzählen, dass meine Mutter tot ist.“ Aber auch ohne Worte versteht Dennis, dass seine Mutter nicht mehr lebt. „Ich habe einfach gefühlt, dass sie tot ist…ich habe sie vermisst.“   Am Tag ihrer Beerdigung ist die öffentliche Anteilnahme groß. Im Zentrum von Moskau sind die Straßen voller Menschen. Alle nehmen Abschied von der jungen Journalistin. Außer ihr Sohn Dennis. Er ist nicht dabei. Die Verwandten schweigen beharrlich. Der verpasste Abschied beschäftigt ihn bis heute. Erst ein Jahr später, als er bei seinem Vater in Syrien lebt, sagt der ihm die Wahrheit. „Die Verwandten von meiner Mutter haben nichts gesagt und er hatte Angst. Wie soll ich meinem Sohn das erklären? Ich kann mich erinnern, dass ich fast nicht geweint habe. Ich hab’ gesagt, ich wusste das schon lange. Aber ich wollte das dir nicht erzählen, weil ich Angst hatte, dass du traurig wirst.“

Zwei Jahre bleibt Dennis bei seiner syrischen Familie. Für ihn eine besonders schöne und wichtige Zeit. „Ich habe gute weibliche Vorbilder in meinem Leben gehabt. In Syrien. Die Schwestern von meinem Vater waren immer für mich da. Statt meiner Mutter.“ Später lebt er wieder in Russland und zieht 1999 mit seinem Vater nach Schweden, der dort als Dolmetscher arbeitet.  Heute spricht Dennis fünf Sprachen. Eine Muttersprache kennt er nicht. Wie er denkt und träumt hängt immer davon ab, wo er sich gerade aufhält. In seiner Freizeit treibt er Kampfsport und beschäftigt sich mit der Malerei. Plötzlich steht er auf und zieht eine große Mappe unter dem Bett hervor. „Hier sind einige meiner Zeichnungen“. Er klappt die Mappe auf und legt ein Bild auf den Laminatboden. Es zeigt einen Mann mit einem Schnurrbart, der ein Mikrophon in der Hand hält. Der Blick ist starr. Aus seinem Mund läuft Blut. „Das Blut könnte symbolisch für seine Nachricht stehen. Aber eigentlich ist es besser, wenn ich nicht erkläre, was ich male. Dann verliert es an Wirkung. Der Betrachter soll es deuten.“

Neben dem Malen und dem Sport ist der Zugang zum Internet für ihn sehr wichtig. Dort kommuniziert er mit seinen Freunden in Schweden und verfolgt, was in den Medien passiert. Denn auch vierzehn Jahre nach dem Tod seiner Mutter riskieren viele Journalistinnen und Journalisten in Russland immer noch ihr Leben. 2006 wird Anna Politkowskaja vor ihrer Wohnung erschossen. 2009 wird Natalja Estemirowa entführt und ermordet. Und Anfang des Monats wird der Journalist Oleg Kaschin brutal zusammengeschlagen. „Ich denke, dass sie sehr mutig sind. Aber es gibt keine Wahrheit im Krieg. Es gibt keine Wahrheiten da. Die Sachen sind, wie sie sind. Im Krieg. Die Leute, die im Krieg sterben, sind nicht die Leute, die vom Krieg profitieren. Die Versteckten hinter den Kulissen retten ihre Ärsche immer.“

Auch im Fall seiner Mutter gibt es bis heute keine Wahrheit. Der Mord wurde nie aufgeklärt. „Meine Mutter hat eine kleine Notiz hinterlassen, dass wenn ihr was passiert, dass wir nicht die tschetschenischen Rebellen beschuldigen sollen, sondern den russischen Geheimdienst. Darüber kann man viel spekulieren. Also beide Seiten hatten genug Motive. Vielleicht waren es doch die Rebellen. Keine Ahnung.“  Dennis möchte wissen, wer seine Mutter umgebracht hat. Aber er will nicht, dass dieser Wunsch sein Leben bestimmt. Denn auch das Wissen um die Wahrheit könnte ihm seine Mutter nicht zurückbringen. „Für meine Mutter wäre es wichtiger gewesen, dass es keine Kriege mehr gibt, als dass ihr Mörder gefunden wird. Das wäre in ihrem Sinne. Dass es endlich Frieden gibt.“

Der Ruhrpilot

NRW: Riskanter Etat…RP Online

NRW II: SPD greift CDU-Politiker Wüst an…RP Online

NRW III: CDU will gegen Nachtragsetat klagen…RP Online

Ruhrgebiet: Region mit zwei Gesichtern…Handelsblatt

Dortmund: Weichen fürs Dortmunder FZW sind gestellt…Der Westen

Bochum: Neue Urbanatix-Show zum Ruhr2010-Abschluss…Der Westen

Duisburg: „Schalomplatz“ stört den Frieden….Der Westen

Hamm: Mega-Kraftwerk verfeuert 480 Tonnen Kohle pro Stunde…Bild

Umland: Motorflugzeughalle als Konjunkturförderung?…Zoom

Blogs: Die Bloggerlösung sah auch schon besser aus…Blogbar

DOSTUP: Wer kommt wohin in der digitalen Gesellschaft?…Netzpolitik

JMStV: BarCamp Hamburg, Grüne NRW, Beirat der SPD Dortmund…Pottblog

Genuss: Vergessene Gerichte…Kochplattenteller

Tortenprozess: Staatsanwaltschaft will weiter machen

Gestern hat die Staatsanwaltschaft Bochum den Tortenprozess gegen Martin Budich, den Betreiber des Blogs Bo-Alternativ, verloren. Heute hat sie angekündigt, in Revision gehen zu wollen.

Der Sachverhalt: Auf  dem Blog Bo-Alternativ wurde 2008 im Rahmen eines Artikel gegen eine NPD-Demo die auch diesen Text zierenden Comic aus dem Spiel Super-Bomberman veröffentlicht. Für die Bochumer Staatsanwaltschaft stellte der kleine Tortencomic eine Aufforderung zur Gewalt da. Gestern war der vierte Prozess um den Comic – die Staatsanwaltschaft hat ihn verloren. Heute hat sie via WAZ angekündigt, in Revision gehen zu wollen. So sieht also eine Beamten-Beschäftigungstherapie aus. Ich hätte da noch eine Alternative zu bieten: Wenn die Mitarbeiter der Bochumer Staatsanwaltschaft nicht wissen, was sie in  ihrer Arbeitszeit machen sollen, können sie gerne bei mir vorbeischauen. Mein Keller könnte mal aufgeräumt werden. Zur Belohnung gibt es auch ein Mettbrötchen.

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Wer kennt schon noch Puppies?

Downsizing. Das Jahr ist praktisch zuende. Ich miste alte Datenbestände aus. Und verfüge das wenig Wichtige jetzt alles verschlüsselt in die Cloud.

Im Prinzip will ich vogelfrei werden mit den Daten. Naja: Jedenfalls frei wie ein Vogel. Wikileaks Chefoperator Julian Assange soll ja auch mit einem Macbook Air und einem Satellitenhandy ganz schön weit gekommen sein.

So downgesized bin ich noch nicht. Immerhin sind mir in den letzten Tagen zwei Aktenvernichter verreckt. Einer ist heißgelaufen. Und der andere hat sich das Mahlwerk an Pappe ausgebissen. Naja. Billigware von Schlecker und Conrads halt.

Jedenfalls hab ich grad eine CD mit meinem allerersten selbstgemachten Werbefilmchen wiederentdeckt.


Es geht um ein Männerwaschmittel namens Puppies.

Klassische Waschmittelwerbung. Nur eben für Jungs, für Puppies. Eine Parodie.

Der Clip ist ziemlich genau zehn Jahre alt.

Wir hatten damals einen Videografiekurs im Essener ETEC belegt. Das war voll Premiere für uns. Mit After Effects. Dozent Harald Paumer, und die Lernkurve war steil.

Wir haben den Clip auf der anderen Seite des Ruhrschleichweges, gegenüber vom E-Tech, in einem Waschsalon weggefilmt. Der Waschsalon war uns gnädig.

Also, das waren: Thomas Kittel, Bianca Knüfer, Wolf Lauenroth, Birgit Sieckmann und ich. So steht’s auch im Abspann.

Danach sind wir unsere Wege gegangen.

Ich wüßte jetzt mal gern, was aus den KollegInnen geworden ist. BTW: Meine Strompost-Adresse ist etwa hier im Impressum zu finden.

„Ihr verstrahlt unsere Bevölkerung“

Warnschild am radioaktiv verseuchten Fluss Techa bei Majak, dem Zielort deutscher Castortransporte

Der russische Umwelt-Aktivist Vladimir Slivyak klagt an: Weil Deutschland nach mehr als 50 Jahren Atomenergie seinen nuklearen Schrott immer noch nicht lagern kann, transportiert die deutsche Atomindustrie ihren radioaktiven Müll  nach Russland.

Nun sollen 951 Brennelemente aus dem nordrhein-westfälischen Zwischenlager Ahaus in drei Castor-Transporten nach Russland gebracht werden. Dagegen protestieren Umweltaktivisten, Bürger, Parteien und Verbände am Sonntagmorgen in Ahaus.

Herr Slivyak, möglicherweise soll deutscher Atommüll von Ahaus ins russische Majak transportiert werden. Wie sieht es in der zentralrussischen Gegend aus?

Vladimir Slivyak: Die Stadt ist für Deutsche unvorstellbar. Hier wurde zu Sowjetzeiten Plutonium für das russische Atomwaffenprojekt hergestellt – damals fand sich die geheime Stadt auf keiner Karte. Viele Unfälle haben die Gegend verstrahlt. Heute wird dort der Atomschrott der ganzen Welt verarbeitet. Eine Mauer mit elektronischen Zäunen wie etwa an der ehemaligen DDR-Grenze umgibt die Stadt. Ohne spezielle Zulassung darf sie niemand betreten, es sei denn man besticht die Wachleute. Die gesamte Gegend ist etwa so verstrahlt wie die Tschernobyl-Region.

Warum?

In Majak landet der Atom-Schrott der gesamten Welt. Die veraltete Aufbereitungsanlage lässt ihr radioaktives Wasser in den Fluss ab, der erst 240 Kilometer später in einen See mündet. Und überall an den Ufern leben Menschen. Sie haben dort ihr Haus, die meisten sind arm und bauen auf den verseuchten Feldern ihr Gemüse an. Fast jeder leidet dort unter der Strahlung. Die Menschen haben Leukämie und verschiedene Krebsarten, auch die Kinder. Es gibt keine Gesunden in Majak.

Warum leben die Menschen noch dort?

Weil es dort sehr günstig ist, sie können es sich nicht leisten umzuziehen und wurden in der Region geboren. Die meisten von ihnen arbeiten für die Atomindustrie. Die russische Regierung hat zwar inzwischen Umsiedelungen für die Menschen am Fluss beschlossen, aber die Gelder kommen nicht in Majak an, sie versickern in korrupten Ämtern. Und so essen die Menschen dort weiter verstrahltes Gemüse und leben in einer radioaktiven Welt.

Kamen deutsche Politiker oder Ingenieure schon einmal nach Majak?

"Eine menschliche Tragödie" - der russische Aktivist Vladimir Slivyak in Gorleben

Die Deutschen schauen weg. Es ist eine menschliche Tragödie. Es ist eine Scham, dass die russische Regierung dies erlaubt und unglaublich, dass Deutschland die Transporte dorthin erlaubt. Beide sind verantwortlich. Niemand kann so tun als wüsste er nicht was da hinten passiert. Es waren schon viele Journalisten vor Ort, jeder kann wissen wie verheerend die nuklearen Mülltransporte für die russische Bevölkerung sind.

Wie hat die russische Bevölkerung von den möglichen Castortransporten nach Majak erfahren?

Sie hat es aus deutschen Medien erfahren – die russischen schweigen darüber. Selbst wenn Journalisten bei der russischen Regierung anfragen, erhalten sie keine Antwort. Erst wenn der strahlende Müll rollt wird es öffentlich. Aber unsere geheimen Quellen im Ministerium sagen uns, dass selbst die Amerikaner Druck machen, die deutschen Castoren schnell rollen zu lassen. Denn wenn sich der deutsche Transport verzögert, müssen die Amerikaner mit ihrem Schrott länger warten. Es gibt nur ein spezielles Schiff, das den Müll transportieren kann. Viele Länder wollen ihren gefährlichen Müll bei uns abladen.

Wie reagiert die russische Bevölkerung darauf?

Laut einer Gallup-Umfrage sind 97 Prozent der Russen dagegen, Atommüll zu importieren. Und sie setzen ihre Hoffnung auf Deutschland. Es war eine gute Entscheidung, die Laufzeit der Atomkraftwerke zu begrenzen. Schade, dass sie jetzt wieder verlängert wurde – denn dann geht der Gifttransport weiter. Und drüben sterben die Menschen. Atomenergie ist nicht ohne menschliche Opfer zu haben. Irgendjemand muss immer dafür bezahlen. Wir müssen diese Verrücktheit stoppen.

Bizarrstadt Duisburg: Rassistenthesen im Lehmbruckmuseum

Gerade scheint sich der Mantel der Verdrängung über die sterbende Eisenhüttenstadt im Ruhrdelta zu legen. Loveparade: 21 Tote und über 500 Verletzte, eine Stadt-Schranze, die dafür immerhin eine Ketchupdusche erhielt. Jetzt legt sich ein neues Rhizom über die Stadt: Der Spaltpilz. Rassistenthetiker Sarrazin soll im Lehmbruckmuseum lesen. Und im Immigrantenstadtteil Hochfeld heben sie an, obdachlose Sinti und Roma zu vertreiben.

Duisburg: Kantpark
Im Kantpark (mit Lehmbruckmuseum im Hintergrund) Sculptuur "3" (1973) by Alf Lechner in Duisburg/Germany

Lagebild Duisburg. Gestern. Donnerstag. 16.45 Uhr.

Das Riesenrad am Ende der Fußgängerzone läuft auf Test. Noch eine Viertelstunde, dann wird der Weihnachtsmarkt eröffnet. Alles läuft nach Plan.

Oben auf dem Rad kann man in die Chefzimmer des Rathauses sehen. Kein Licht in den Fenstern. Keine Verantwortung.

Im Nettomarkt, achtzig Meter vom Riesenrad klauen die Kids Süßigkeiten, dreissig Meter die Schlange vor der Kasse. Die Kids, zur Rede gestellt: Ich hab doch kein Geld. Und dann schnell verpisst. Alles läuft nach Plan.

Schnell zum Lehmbruckmusem. 400 Meter. In den Junkiepark. Der Bauhausbau in vollem Licht. Hier strunzt die Stadt und das mit Recht.

Es ist schon festzustellen, daß der wunderschöne Bau unter der Ägide von Direktor Raimund Stecker Resonanz erfuhr.

Vom Claim von einst, da redet keiner mehr:

Zentrum von Kleinskulpturen sollte das Museum werden.

Weil sich die Stadt bescheiden wollte: Keine Asche für Großankäufe.

Jetzt, wo Asche nur noch Phantasie ist, muß Stecker klappern.

Und kommt auf dumme Gedanken, des Agenda settings willen.

Beispielsweise wollte er den Lehmbruckpark, in dem Skulpturen leben, Kunst, die auch die Nacht kennt, mit einem Zaun umranken.

Natürlich alles Bullshit, die Idee, der Kantpark ist nicht der Vondelpark, von dem Promogeschnetz redet keiner mehr.

Jetzt ist der Hype vom Dienst:

Stecker läßt Sarrazin auftreten. Im Rahmen von Integration und dissendierenden Thesen soll das laufen.

Zu Kunst soll das gehören. Aber – es ist natürlich der Spaltpilz. Rassisten werden sich bemüßigt fühlen. Läuft alles nach Plan?

Drei Kilometer weiter. Wo die Armut wohnt. Ein Parkplatz gegenüber einer Moschee auf der Wanheimer Straße in Hochfeld.

Da stehen ab vier Uhr morgens Männer rum. Das ist ein Arbeitsstrich für Tagelöhner.

Poliere holen die in Kombis und SUVs für den Bau ab. Für drei Euro Stundenlohn. Viele sind illegal, Sinti oder Rom, da kann man nicht verhandeln. Alles läuft nach Plan.

Aber der Plan ist auch Vertreibung.

Arme hacken auf noch Ärmere, und die Stadt Duisburg ist arm.

Sie hat schon mal Sinti und Roma vertrieben, im letzten Jahr, in einem anderen Stadtteil.

Man hat sich den Mob zunutze gemacht, es wurden Stimmen aus der Nachbarschaft laut. Sehr laut. Alles läuft nach Plan.

Duisburg am Niederrhein, Deutsche Durchschnittsrassisten befördern den Lauf der Welt. Alles läuft nach Plan.

Duisburg-Walsum: die Posse um den Platz geht weiter

Foto: Zwingenberg / Bernis-Blog

In der Posse um die Umbenennung eines Platzes in Duisburg-Walsum wurde am Donnerstag ein weiteres Kapitel geschrieben. Es muss nicht unbedingt das letzte sein.

Wie berichtet, hatte sich die Bezirksvertretung des ehemals selbständigen Stadtteils im Duisburger Norden fraktionsübergreifend darauf verständigt, ihren Rathausvorplatz in „Schalom-Platz“ umzubenennen. Nachdem jedoch der dortige „Heimatverein“ mit dem Hinweis, es gäbe bereits genug Naziopfer-Gedenkstätten, gegen dieses Vorhaben protestiert hatte, beeilten sich die Fraktionen von CDU und SPD, den entsprechenden Antrag von der Tagesordnung des Vorstadt-Parlaments zu nehmen. Kurz darauf bemühte sich der Walsumer CDU-Fraktionschef, eine von ihm auf einer Karnevalssitzung gestellte Suggestivfrage als Volksbefragung zum Thema umzudeuten.

Am Donnerstag, den 18. November, haben sich nach Angaben der WAZ-Stadtteilredaktion die Fraktionsvorsitzenden in der Bezirksvertretung Walsum als Kompromiss auf den Namen „Platz der gemeinsamen Erinnerung“ geeinigt. Damit solle sowohl der jüdischen wie auch der nichtjüdischen Opfer des Nazi-Regimes gedacht werden, aber auch – und wie man annehmen muss: vor allem – der auf der Arbeit umgekommenen Bergleute. Dieser Kompromiss nimmt der ganzen Sache nichts von ihrer Peinlichkeit.

Es kann nicht darum gehen, die einen Toten gegen die anderen auszuspielen. Aller Toten zu gedenken ist ein Fundament jeglicher Kultur. Nur: wo Aller gedacht wird, am gleichen Ort und zur gleichen Zeit, und bei Gedenkveranstaltungen vermutlich auch noch von den gleichen Anwesenden, da wird eigentlich – wenn wir ehrlich sind – niemandem gedacht. Man denkt allenfalls an Vorstadtpolitiker, wie sie in der Bredouille auf einen Namen wie den „Platz der gemeinsamen Erinnerung“ gekommen sein mögen. Einmalig auf der Welt, eine einmalige Peinlichkeit!

Man kann tatsächlich davon ausgehen, dass es vielen Walsumern lieber gewesen wäre, man hätte es bei der Erinnerung an die verstorbenen Bergleute belassen und den Platz in Barbaraplatz umbenannt. Nichts wäre dagegen vorzutragen gewesen, den Kumpeln, die bei der schweren Arbeit ihr Leben gelassen hatten, eine besondere Ehre zu erweisen. Man hätte sich so äußerst fragwürdige Einlassungen wie jener, dass es bereits genug Naziopfer-Gedenkstätten gäbe, guten Gewissens schenken können. Und niemand wäre auf die Idee gekommen, dass im Verhältnis zur deutschen Geschichte etwas nicht stimmt – wenn man sich geäußert hätte, bevor der Vorschlag „Schalom-Platz“ auf dem Tisch lag.

Wenn jedoch bei einem sensiblen Thema wie dem Holocaust einmal eine Einigung erzielt wurde, dann muss man zum interfraktionellen Beschluss auch dann stehen, wenn dieser dem ein oder anderen nicht passt. Wenn aber, wie kürzlich in Walsum geschehen, Alles vorbereitet war, sogar der Termin zur Namenseinweihung schon feststand, und dann noch kurz vor Toresschluss die Absage kommt, dann tut man dem Ansehen seines Ortes keinen Gefallen. Wenn dann Michael Rubinstein, der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, meint, dass „es einige Leute zu geben (scheint), die mit einem Schalom-Platz Probleme haben“, dann hat er nichts gegen Nicht-Juden, dann hat er einfach nur Recht.

Und noch etwas: es hat nichts damit zu tun, die einen Toten gegen die anderen auszuspielen, wenn man sich vor Augen hält, dass ein Grubenunglück schon etwas Anderes ist als ein Völkermord. Eine Banalität. Wem bei einer Meldung über verunglückte Kumpel in China oder Chile der Holocaust in den Sinn kommt, tickt nicht richtig. Da ist kein Platz für eine „gemeinsame Erinnerung“. Es ist etwas völlig Anderes. Die nach Auschwitz verschleppten Walsumer Juden waren keine „besseren Menschen“ als die Jungs, die im Bergwerk geblieben sind. Wir müssen uns vor Augen halten, dass eine Gaskammer etwas Anderes ist als Grubengas. Den Toten kann es egal sein. Wenn wir da Blödsinn erzählen und schließlich selbst denken, haben wir das Problem.

„Auschwitz“ ist auch nicht etwas besonders „Heiliges“; Auschwitz war etwas besonders Schreckliches. Es ist schwer, dies mit anderen Grausamkeiten, die Menschen Menschen angetan haben und antun, vergleichen zu wollen. Dennoch: manchmal kann man es tun, manchmal muss man es tun: das absolute Grauen als Maßstab nehmen zur Beurteilung von Scheußlichkeiten, die Menschen offenbar nicht müde werden zu begehen. Srebrenica, Ruanda, Darfur – na sicher: es heißt nicht, deutsche Schuld zu schmälern, wenn in Zusammenhang mit diesen Orten des Schreckens auch Auschwitz genannt wird. Man kann, darf und muss den Holocaust vergleichen. Mit anderen Völkermorden, nicht mit Grubenunglücken.

Das ist alles so banal. Dass es dennoch geschrieben werden muss, ist peinlich. Ärgerlich. Mit Bedacht: auch schlimm. Am 30. November entscheidet die Bezirksvertretung Walsum in einer Sondersitzung. Liebe Leute, meine sehr verehrten Damen und Herren, macht Euch bitte nicht lächerlich! Ich komme jetzt schon aus dem Fremdschämen nicht mehr raus. Ich hätte es nicht nötig, ich kenne Euch nicht, und doch … – tut mir bitte, tut Euch den Gefallen: nennt ihn Barbaraplatz, lasst es beim Kometenplatz, Friedensplatz – sehr gern, muss aber nicht. Schalomplatz ist ja wohl gegessen. Macht, was Ihr wollt! Nur bitte, lasst das mit dem „Platz der gemeinsamen Erinnerung“! Strengt Eure Karnevalsköpfe bitte noch einmal eine Viertelstunde ein wenig an! Lest vielleicht diesen Text noch einmal! Oder stellt Euch einfach nur vor, in welcher „gemeinsamen Erinnerung“ Ihr verbleibt, wenn Ihr Euch wirklich nicht entblöden solltet, diese Peinlichkeit durchzuziehen.

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Der Ruhrpilot

Blogs: Bericht vom Tortenprozess…Bo Alternativ

Blogs II: Freispruch für Martin Budich…Pottblog

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Opel: …wird in eine AG umgewandelt…FAZ

Dortmund: Betriebszeit-Verlängerung für Flughafen beschlossen…Ruhr Nachrichten

Dortmund II: Kraft hält sich bei Flughafenstreit noch raus…Der Westen

Dortmund III: Wirbel um FZW…Ruhr Nachrichten

Essen: Steag-Kauf soll Stadtwerke-Erlös nicht schmälern…Der Westen

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StreetView: Wer wird StreetView Irrer?…Blogbar

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