Der Guerillero aus Duisburg

"Duisburg mauert systematisch"- Blogger Rodenbücher

Die Stadt Duisburg schweigt über die genauen Planungen zur Loveparade. Mit einer einstweiligen Verfügung gegen eine Veröffentlichung des Duisburger Blogs xtranews.de hat sie sich blamiert – und das zurückgehaltene Dokument berühmt gemacht.

Als der Gerichtsvollzieher vor seiner Tür stand wusste Thomas Rodenbücher: Dies wird ein erfolgreicher Tag. Die Stadt Duisburg hatte dem Blogger einen großen Gefallen getan. Durch eine einstweilige Verfügung gegen eine Veröffentlichung des 41-Jährigen zur Loveparade verhalf sie seiner Webseite xtranews.de zu ungekannter Aufmerksamkeit. Ihre Leserschaft vervierfachte sich innerhalb weniger Stunden auf 12 000. „Politiker verstehen bis heute nicht, wie das Web funktioniert“, sagt Rodenbücher kopfschüttelnd.

Der jungenhaft wirkende Blonde scheint selbst noch etwas ungläubig darüber zu sein, welche Aufruhr seine Publikation verursacht hat. Über Umwege erhielt Rodenbücher vor zehn Tagen die 43 Dokumente des Anhangs eines juristischen Gutachtens, das die Stadt Duisburg selbst in Auftrag gegeben hatte. Tenor des Schriftstückes: Die Stadt habe keine Fehler bei der Planung der Loveparade gemacht, die Ende Juli 21 Menschen das Leben gekostet hatte. Den Hauptteil des Gutachtens hatte Duisburg ohnehin veröffentlicht, nur der Anhang blieb unter Verschluss. In ihm finden sich auf den ersten Blick nur bereits bekannte Grafiken über die Planungen zur Loveparade und Protokolle von Sitzungen der Polizei, Veranstaltern und Feuerwehr.

Die harsche Reaktion macht Rodenbücher nun stutzig, ob sich in den scheinbar harmlosen Dokumenten nicht doch ein handfester Fehler der Stadt verbirgt. „Hier wird systematisch gemauert“, sagt der gebürtige Duisburger. Sein Argwohn ist geweckt. „Dabei sind wir eigentlich ein Spaßprojekt“, sagt er grinsend.

Rodenbüchers Web-Karriere fing ganz harmlos an. Die Wut über eine ständig rote Ampel in der Duisburger Innenstadt führte ihn letztendlich in die Community der Blogger. Auf seiner erst vor einem Jahr frei geschalteten Seite regte er sich wortgewaltig über die kurze Grünphase auf. „Ich wollte meine Meinung raushauen“, sagt der studierte Soziologe. Inzwischen versteht sich der 41-Jährige durchaus als politischer Autor. Wie viele lokale Blogger möchte er am liebsten all die „Mauscheleien und Kungeleien“ der CDU-geführten Stadt aufdecken.

Für die Publikation des vollständigen Gutachtens will Rodenbücher nun „alles geben“. Er und seine Kollegen haben ihrerseits Beschwerde beim Kölner Amtsgericht eingelegt. Sollten sie bei der Verhandlung Anfang September scheitern, wollen sie sich durch alle Instanzen kämpfen. „Die Pressefreiheit ist in Gefahr“, sagt er ernst. Die juristische Keule der Stadt scheint die Blogger erst richtig angefixt zu haben. Geld einbringen wird sein Blog zwar auf absehbare Zeit nicht. Zum Überleben berät er deshalb Unternehmen, wie sie im Internet für sich werben können. „Guerillamarketing“ nennt er das. An seinem eigenen kleinen Guerrillakampf gegen das schweigende Duisburger Rathaus scheint er aber sehr viel mehr Spaß zu haben.

Endlich dürfen Journalisten auch mal ins Kölner Puff!

stevethornton

In der Industrie bekommt man solche Einladungen ja ständig – im Journalismus begegnet nur den Kollegen aus dem Auto- und Lifestyleressort diese Peinlichkeit. Doch nun hat es auch mich erwischt!

Ich erinnere mich noch, wie ich morgens den CeBIT-Messestand aufsperrte und die Kollegen der Partnerfirma T erst deutlich später und sehr angeschlagen am Stand erschienen:

Wir sind gestern nacht in so einem Puff versackt

Daß es sich dabei wirklich um ein Bordell handelte und nicht nur einen lockeren Spruch, wurde mir erst nach und nach klar, als einer nach dem anderen sich beklagte, wie schrecklich es doch da gewesen sei letzte Nacht. Man könne ja auch gar nichts dafür, es sei eine Einladung gewesen. Nur der, der angeblich eingeladen hatte, war nicht zu ermitteln…

Nun mag ich keine käufliche Liebe – auch, wenn ich nicht zahlen müßte. Und so geht es wohl den meisten Männern, denn wenn „das älteste Gewerbe der Welt“ wirklich so erfolgreich wäre, wie man sagt, und die Männer sich wirklich nur in diejenigen, die regelmäßig ins Puff gehen und die, die regelmäßig lügen aufteilen würden, dann gabe es auch vor den Bordellen regelmäßig Staus und Parkplatzprobleme und nicht nur vor’m McDoof, wo ja angeblich auch niemand hingeht.

Doch nun bekam auch ich diese sexuell korrumpierende Offerte:

Blockieren Sie diesen Termin: Star-Fotograf Steve Thornton shootet Mode in Europas größtem Bordell

Sehr geehrte Damen und Herren,

Steve Thornton ist einer der weltweit führenden Mode- und
Lifestylefotografen und hat in Magazinen wie der Vogue oder Marie France veröffentlicht und für Kunden wie General Motors oder American Express gearbeitet. Einen Eindruck können Sie sich unter www.stevethornton.com verschaffen.

Seinen diesjährigen Besuch bei der photokina in Köln nutzt Thornton für ein extravagantes Shooting: Am 23. September fotografiert er im Pascha in Köln Unterwäsche-Models. Die spektakulären und zugleich stilvoll-künstlerischen Aufnahmen sind Teil seines neuesten Projektes: Thornton plant ein Buch, für das er in Freudenhäusern quer über den Globus reisen und shooten wird.

Schauen Sie dem imposanten, über zwei Meter großen Cowboy Steve Thornton bei seiner Arbeit über die Schulter und fotografieren Sie selbst am Set des Star-Fotografen.

Ok, ok, nein, ich werde zwar ins Puff eingeladen, aber nur zum Fotografieren. Glück gehabt!

Allerdings würde mich mein Chef trotzdem sofort fristlos feuern, wenn ich diesen Termin wahrnehmen würde. Zwar hat er eine Frau, eine Freundin und drei Kinder, wie die meisten Chefredakteure, aber Sex mag er gar nicht, und wenn ich so einen Termin wahrnehmen würde, dann wäre ich sexbessen und würde den Ruf seines edlen Magazins in den Dreck ziehen.

Was mich aber stutzig macht:

Thornton plant ein Buch, für das er in Freudenhäusern quer über den Globus reisen und shooten wird.

Na im Wohnwagen reisen kann ich mir noch vorstellen, aber in Freudenhäusern? Also ok, in der untersten Preisklasse sind das ja Wohnwagen. Aber trotzdem. Wenn man über zwei Meter groß ist? Und darin dann -ähem- shooten?

No comment.

Der Ruhrpilot

Fritz Pleitgen Foto: WDR

Loveparade: Unfassbar, Herr Pleitgen…Mimi Müller

Loveparade II: Sauerland hat sich „nicht verbarrikadiert“…Der Westen

Kultur: Tanzgruppen kommen zur Messe ins NRW-Forum…Welt

Kultur II: Das Rottstr5-Theater startet am Wochenende seine neue Reihe…Ruhr Nachrichten

NRW: Jugendmedienschutz-Staatsvertrag im September im NRW-Landtag…Pottblog

Wirtschaft: Oh Aufschwung, verweile doch!…Weissgarnix

Gelsenkirchen: Der gefallene Zechenbaron…Hometown Glory

Dortmund: Stadt will Envio aus dem Verkehr ziehen…Der Westen

Hagen: Hagens Kämmerei findet 300 Millionen Euro…Der Westen

Bochum: Malmsheimer über sein Grußwort…Ruhr Nachrichten

Bochum II: Kulturschaffende wollen gemeinsam kreativer denken…Ruhr Nachrichten

Bochum III: Zweite VfL-Fankonferenz…Pottblog

Blogs: BloggerInnen! Sollen wir unsere Ich-Buden abschalten?…Zoom

Gewerkschaften: Solidarität ist keine Einbahnstraße…Isis

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Ein Monat Loveparade-Katastrophe

Vor einem Monat geschah die  Loveparade-Katastrophe. Sauerland ist immer noch im Amt, Fritz Pleitgen stärkt ihm den Rücken und alle Verantwortlichen schieben sich gegenseitig die Schuld zu.

Heute vor einem Monat kam es bei der Loveparade in Duisburg zur Katastrophe. 21 Menschen verloren ihr Leben. Zeit einen Schlussstrich zu ziehen, findet Ruhr2010-Direktor Fritz Pleitgen in der WAZ. Er rät der Stadt Duisburg nun die Augen nach vorn zu richten, kritisiert das “ „in nicht akzeptabler Weise“ nach einem Hauptschuldigen gesucht worden sei““ und stärkt Duisburgs OB Sauerland den Rücken. Der Umgang mit ihm sei nicht angemessen gewesen. Nun soll in Duisburg wieder geführt werden.

Das sieht Sauerland genau so. Er will, in Ruhe aufklären. Einen entlastenden Bericht bezahlt deshalb er bei der Anwaltskanzlei Heuking. Ein PR-Berater sollte ihm helfen die ganze Situation zu überstehen. Im WDR und im Spiegel gab Sauerland  Interviews, die an Schmierigkeit kaum zu überbieten waren. PR statt Offenheit ist Sauerlands Motto. Bis heute blockt die Stadt Duisburg auf Geheiß ihres Chefs alle kritischen Fragen ab. Der Aufklärer Sauerland hat nur ein Interesse: Im Amt zu bleiben. Politischer Verantwortung? Für Sauerland ein Fremdwort. Lieber verklagt er Blogs, die Unterlagen veröffentlichen.

Sicher, er ist nicht der einzige Schuldige. Schaller und seine Loveparade-Veranstaltungsfirma Lopavent, die Stadt Duisburg, der Grundstücksbesitzer Aurelis, Polizei, Feuerwehr, das Land und auch wir als Medien haben unseren Beitrag zur Katastrophe geleistet. Wir hätten im Vorfeld kritischer nachfragen müssen.

Wie sich die Schuld verteilt – das festzustellen wird die Aufgabe der Gerichte sein.  Aber den von Pleitgen nun geforderten Blick nach vorn kann es nicht geben, solange im Duisburger Rathaus Adolf Sauerland sitzt und seine Verwaltung und das Geld der Steuerzahler dazu nutzt, seine Position zu festigen. Sauerland ist von einer Erbärmlichkeit, das man nur noch kotzen mag. Und nach seinen Aussagen in der WAZ steht Fritz Pleitgen ihm in nichts nach.

Was in Duisburg in dem Monat nach der Loveparade geschah war nichts anderes als ein elendes Schauspiel. Unwürdig angesichts des Todes von 21 Menschen.

Weniger Geld für das Klavierfestival Ruhr?

Foto: Klavierfestival Ruhr

Der Initiativkreis Ruhr (IR) will sich künftig  wieder auf die wirtschaftliche Stärkung des Ruhrgebiets konzentrieren. Für Kulturveranstaltungen wie das Klavierfestival Ruhr wird weniger Geld zur Verfügung stehen.  Das Festival soll in eine Stiftung überführt werden.

Für das Klavierfestival Ruhr könnten harte Zeiten anbrechen: Während der Initiativkreis Ruhr künftig verstärkt auf Projekte wie Innovation City geht, bei denen Co2 Reduzierung und Energiesparen im Vordergrund stehen. Schon im vergangenen Winter hatte sich der Strategiewechsel angekündigt. Der Evonik Vorstandsvorsitzender Klaus Engel hatte damals in einem Brief die hohen Ausgaben für das Klavierfestival kritisiert. Mit denen könnte es künftig vorbei sein.

Ein Stiftungsmodells soll dem  Klavierfestival Ruhr eine Zukunft unabhängig vom IR ermöglichen. Zumindest organisatorisch. Denn finanziell wird das Festival auf absehbare Zeit vom IR abhängig bleiben, auch wenn dessen Zuschüsse von heute 1,2 Millionen Euro auf 630.000 Euro im Jahr 2016 um gut die Hälfte schrumpfen sollen. Ein Aderlass, der kaum von der geplanten Stiftung aufgefangen werden kann: Die soll bis 2016 ein Stiftungskapital von 1.000.000 Euro anhäufen – Zinsen in Höhe von gut 25.000 Euro stünden dem Klavierfestival damit zur Verfügung.

Allerdings soll die Stiftung künftig das Sagen haben. Für den amtierenden Moderator des Initiativkreises, Wulf Bernotat, kein Problem: „Für uns ist es wichtig, dass das Klavierfestival erhalten bleibt. Die Frage, wer wo was zu sagen hat, ist für mich nebenrangig.“

Die Stiftung soll nach dem ersten Stiftungsmodell vom Initiativkreis die Markenrechte am Klavierfestival übertragen bekommen. Eine noch zu gründende Sponsoring GmbH soll sich um die weitere Finanzierung des Klavierfestivals durch Fundraising, Sponsoring und Merchandising kümmern. Der Stiftungsrat soll aus Mitgliedern des geschäftsführenden Arbeitskreises des Initiativkreises, dessen Moderator sowie dem Vorsitzenden des Vereins der Freunde und Förderer des Klavierfestivals Ruhr bestehen. Die Zahl der Konzerte soll von 66 2010 schon im kommenden Jahr auf 50 Veranstaltungen zurückgehen.

Nicht alle im IR sind mit dem vorgeschlagenen Konstrukt einverstanden. Eine Beurteilung des Stiftungskonstruktes durch die Essener Anwaltskanzlei Kümmerlein wirft Fragen auf: Zum Beispiel, wieso Mitglieder des geschäftsführenden Arbeitskreises fünf Jahre im Stiftungsvorstand sein können, wenn sie wesentlich früher aus dem Arbeitskreis hinausrotieren. Oder wie man bis zum Jahresende die Finanzierung des Klavierfestivals, die Gründung der Stiftung und die finanzielle Grundausstattung der Sponsoring GmbH stemmen will.

Der Stiftungsplan hat nicht nur Freunde. „Das ist“, sagt ein Kritiker aus dem Umfeld des Klavierfestivals, „vor allem eine Absicherung für Franz Xaver Ohnesorg. Der ist dann im Vorstand der Stiftung und Geschäftsführer der GmbH und kann machen, was er will.“

Ohnesorg sieht das anders. Für den Intendanten ist die Konzertreihe einer der größten Erfolge des Initiativkreises und das Stiftungsmodell der beste Weg es zu sichern. Er strebt im kommenden Jahr mehr als die veranschlagten Konzerte an: „Der Stiftungsentwurf geht von einem Worst-Case-Szenario aus. Ich bin mir heute schon sicher, dass wir dem Publikum mehr als die dort beschriebenen 50 Konzerte bieten können.“

Die Diskussion um die Stiftung interessiert Franz Xaver Ohnesorg scheinbar nicht: „Das Klavierfestival Ruhr ist erfolgreich. Die Stiftungspläne sind gut ausgearbeitet, und der Initiativkreis ist bereit, dem Festival eine langfristige Perspektive zu bieten.“ Alles wird gut.

Der Artikel erschien bereits in ähnlicher Form in der Welt am Sonntag

Arte 3D-TV: „Bei Anruf Mord“ und „Der Schrecken vom Amazonas“

Der Schrecken des Amazonas Bildrechte: ZDF/Universal Pictures/Scotty WelbourneAm Samstag, den 28. August, ist „3D-Tag“ beim französisch-deutschen Kultursender Arte. Allerdings werden nicht Naturdokumentationen gezeigt – aber auch nicht die „Naturfilme“ von Russ Meyer.

Der „Intellektuellensender“ Arte hat meist ein deutlich besseres und interessanteres Programm als die klassischen öffentlich-rechtlichen Programmen zu bieten – von den kommerziellen Anbietern ganz zu schweigen, die sich seit „Tutti Frutti“ kontinuierlich weiter entwickelt haben – nach unten.

Seit einiger Zeit sendet Arte bereits in HD – und nun auch in 3D. Angenehmerweise benötigt man dazu dann keinen neuen Fernseher. Unangenehmerweise ist es dafür aber auch nur das uralte Farbbrillen-Verfahren.

3D ist ja etwas, das seit den 50ern immer mal wieder sporadisch hochkommt und nun gerade durch Avatar wieder im Gespräch ist. Ich erinnere mich noch, daß man sich in den 70ern beim Optiker Rot-Grün-Pappbrillen für eine Mark oder so abholen konnte, und dann wurden zwei 3D-Filme im Fernsehen gezeigt, und dann war es das auch schon wieder.

Eins hat sich geändert: Die Brillen sind heute rot-blau statt rot-grün. Anscheinend ist das eine Idee weniger unangenehm. Rot ist links (das weiß ja jeder) und braun blau rechts.

Bei Anruf Mord, Bildrechte: ZDF/Warner Bros./BetaWer das Arte-Magazin hat, bekommt eine Brille gratis. Soll die ganze Familie zuschauen, muß man entweder den Film aufnehmen und dann nacheinander ansehen – oder am 28.8., dem Arte-3D-Tag, eine – oder gar mehrere – BLÖD-Zeitung(en) erwerben. BLÖD ist nämlich Medienpartner von Arte geworden und enthält an diesem Tag eine Rot-Blau-Brille für die Arte-Filme.

Irgendwie absurd, ausgerechnet BLÖD und Arte zu kombinieren, aber vielleicht kommt der Sender ja so zu neuer Klientel. Der taz ist dagegen inzwischen wohl das Geld ausgegangen für eine Zusammenarbeit mit Arte und bei anderen alternativen Medien wie Telepolis machte sich ein Redakteur höchst unbeliebt, weil der Chef RTLs Hartz-IV-TV und Sendungen mit „Knastbrüdern, Menschen mit Migrationshintergrund (oje), Sexualität oder Drogen“ interessanter findet als so dröge Kulturprogramme.

Dröge Kultur wird übrigens nicht gezeigt am 3D-Tag, sondern kurz nach 20 Uhr Hitchcocks „Bei Anruf Mord“ (was dieser in 3D zeitlebens schrecklich fand) und kurz vor Mitternacht dann Jack Arnolds „Der Schrecken des Amazonas„. Da letzterer im Original nur schwarzweiß ist, ist das Farbbrillenverfahren hier kein Verlust. Und das Monster aus dem Amazonas natürlich noch etwas grusliger in rot-blau-3D. Die des öfteren in Arte spätnachts gezeigten „Naturfilme“ von Russ Meyer, die in ihrer Übertreibung ebenso lustig sind wie der „Schrecken vom Amazonas“, werden allerdings lieber doch nicht in 3D gezeigt: Man will den chronischen Berufsmeckerern ja keine Steilvorlage liefern.

Wer es mit seiner politischen Überzeugung absolut nicht vereinbaren kann, eine BLÖD-Zeitung käuflich zu erwerben oder wenigstens zu klauen, kann sich die 3D-Brille auch politisch korrekt selber basteln. Oder zwei von Arte gratis bekommen, wenn er schnell genug ist!

Bildrechte: ZDF/Universal/Warner Bros.

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Später in Rente – später in die Altersarmut

Martin Kaysh Foto: Stadt Dortmund

„Die Rente mit 67 kommt später!“, hieß es gestern von der SPD. „Na super“, dachte ich mir, „wann denn, mit 82?“

Das wollen die Sozis nicht, sie wollen nur später anfangen mit dem länger arbeiten. Das muss man nicht verstehen. Bislang ist vereinbart: Ab 2012 steigt das Rentenalter erst um einen Monat, später um zwei Monate pro Jahr. Irgendwann steigt es wahrscheinlich um ein Jahr pro Jahr. Jüngere müssen dann mit Lichtgeschwindigkeit altern, um überhaupt noch das Rentenalter zu erreichen. Niemand sollte derzeit eine Wette darauf abschließen, wer länger arbeiten wird, man selbst oder das benachbarte Atomkraftwerk.

Zwar liegen die Kraftwerke derzeit knapp vorn. Aber parallel zur Laufzeitdebatte haben jetzt wirtschafsnahe Forschungsinstitute gefordert, mit der Rente mal schön bis zum 70. Geburtstag zu warten. Solche Einmischungen kennt man vom anderen Ende des Lebens, aus der Bildungsdiskussion. Da ereifert sich alle Welt an der neuesten PISA-Studie und denkt keine Sekunde daran, dass die von der OECD angefertigt wird, auch einer wirtschaftsnahen Institution. Wenn die Wirtschaft festlegt, was Bildung ist, warum ist der Vatikan nicht für das Ranking von youporn-Videos zuständig? Schließlich beschäftigt man sich dort seit Jahrhunderten professionell mit dem Thema Liebe.

Einschulung möglichst schon mit fünf Jahren, Turbo-Abi zwölf Jahre später, ohne störenden Kriegsdienst ab ins schnelle Bachelorstudium – da kommen künftig schnell für jeden vier Jahre Lebensarbeitszeit dazu. Das freut die Wirtschaft, und die Lehrer freut es teilweise. Wenn die Schüler künftig das G8-Gymnasium spätestens mit 18 Jahren verlassen, findet man endlich wieder einen Parkplatz direkt vor der Schule.
Auch bei der Rente sollten wir derart positiv denken. Später in Rente heißt auch: später in die Altersarmut. Unmöglich ist in diesem Bereich nichts. Möglich auch, dass irgendwann nach einer Neuberechnung, einem Regierungswechsel oder einer durchsoffenen Nacht des Fachministers die Rente mit 67 rückwirkend eingeführt wird. Zahlreiche Senioren gucken spätestens dann dumm aus der Wäsche, wenn der Rückzahlungsbescheid für die vergangenen zwei Jahre im Briefkasten landet. Vielleicht liegt der ein oder andere dann schon zwei Jahre auf Pflegestufe drei im Seniorenheim rum. Plötzlich kommt morgens der Zivi und schiebt ihn im Pflegebett auf Maloche. Gesucht werden dann Arbeitsplätze mit vorwiegend liegender Tätigkeit.

Schon lange warte ich auf den Clash Of Generations. Wenn in ein paar Jahren die Sterbehilfe erst einmal allgemein anerkannt ist, sollte in dem Zusammenhang auch dringend der Begriff „unheilbar krank“ neu definiert werden. Auf der anderen Seite machen dann Senioren die Rechnung auf, was da für den Nachwuchs sinnlos verpulvert wird, für Menschen also, die noch keinen Cent in die Sozialversicherung eingezahlt haben. Zahnspangen, pädagogisch wertvolles Kindertheater, Jugendknast, dazu jahrelang täglich die kostenlose Wurstscheibe an der Fleischtheke. Milliarden kommen da zusammen, von dem Geld könnte mancher Rentner sorglos vor sich hin dementieren.

Vielleicht gibt es dann in der Altersversorgung längst Wahltarife. Die Alternative zur Rente mit 67 wäre die Rente bis 78, interessant für alle, die schon in ihrer Jugend exzessiv notfalls selbst die Stoffe missbraucht haben, die man heute in einer deutschen Kneipe noch legal erwerben kann. Oder die Rente Kiew, mit garantierter Versorgung bis zum Lebensende, auf basalem Niveau. Wurden bislang die Pflegekräfte mehr oder minder legal aus Osteuropa importiert, könnten bald schon die Rentner exportiert werden, also ihren alten Arbeitsplätzen in den Osten folgen.