Achtelfinale vorbei, die ersten fußballfreien Tage seit Wochen, Zeit für ein paar Sätze WM-Zwischenfazit.
+++ Ich mag ja das Wort „Weltregie“, auch wenn damit nicht die „Ermächtigung“ (Gauck) der UN gemeint ist. Nein, die Weltregie sorgt in diesen Wochen dafür, dass es letztlich egal ist, wo ich die Spiele der Fußball-WM sehe, die Bilder sind überall die gleichen. Es gibt keine zusätzlichen nationalen Kamerateams mehr, nur noch das Weltbild der Weltregie. Wie es nicht anders sein kann, steht die Weltregie natürlich unter der Aufsicht des Weltverbandes FIFA, der dafür sorgt, dass seine FIFA-Werbebanden besonders gut zur Geltung kommen und die Fans dahinter etwas weniger.
+++ Weltbild und Weltregie und FIFA sind es auch, die für den Einsatz der abgefahrensten Zeitlupe aller Zeiten verantwortlich sind, die dafür sorgt, dass jede Szene dieser WM, so was von nachbetrachtet werden kann, dass sich sogar schon Spieler um Schiedsrichter versammelt haben, weil sie auf der Videowand im Stadion gesehen haben, dass das Gegentor kein Tor war, sondern abseits. Die Spielszenen fast ins gespenstisch verzögernde Zeitlupe hat dabei durchaus ihre reizvolle Seiten. Wenn man etwa die ungeheure Biegsamkeit der Finger Manuel Neuers oder die Flexibilität der Gesichtszüge des Spaniers Iker Casillas beim Ausschnauben so genau beobachten darf wie früher nur die Tropfen der Kaffeewerbung.
+++ Weniger reizvoll sind die Slomos natürlich für Schiedsrichter. Meine These: Ohne die neue Zeitlupe hätten wir weniger Fehlentscheidungen gesehen, weil wir sie gar nicht bemerkt hätten – anders gesagt: Uns und den Referees wäre einiges erspart geblieben. Was erneut die Frage aufwirft, ob der technologische Fortschritt wirklich ein Zugewinn ist oder eher ein Nullsummenspiel?
+++ Das zweite, rundum ähnlich fortschrittliche Gadget der Spiele ist natürlich der Jabulani, der WM-Spielball, der übersetzt „Feiern“ heißt, von Adidas ausgetüftelt wurde und selbst Adidas-freundliche Ex-Fußballer wie Mehmet Scholl die Stirn runzeln lässt. Das neue Spielgerät, das in der kommenden Bundesligaspielzeit dann unter dem Namen „Torfabrik“ in jedem Bundesligaspiel zum Einsatz kommen wird, schreibt Flugbahnen wie ein Werbegeschenk von der Sparkasse, führt aber nicht zu mehr Toren oder einer „Ermächtigung“ (Gauck) der Schützen, sondern zu dem ziemlichen Gegenteil: Es gibt wohl kaum einen Weitschussexperten oder Torwart, der sich bei dieser Weltmeisterschaft nicht schon mindestens einmal so gründlich blamiert hat, dass er, „wenn es auf dem Platz ein Loch gegeben hätte, dort für immer eingezogen wäre“, wie es Javier Mascherano aus Argentinien schon mal gesagt hat.
+++ Adidas hat – auch dank Jubulani! – das Viertelfinale mit vier Mannschaften übrigens klar für sich entscheiden können. Puma und Nike sind jeweils nur zweimal dabei. Dafür hatte Nike den eindrucksvollsten Werbespot zur WM vorgelegt. Doch mit den Hauptfiguren Drogba, Ronaldo, Ronaldinho, Rooney, Cannavaro wurde nur die alte Nutella- -Lehre bestätigt, wonach Spieler, die in Werbespots auftreteten, in einem anstehenden Turnier ähnlich erfolgreich abschneiden, wie vorab gehandelte KandidatInnen auf das Amt des Bundespräsidenten.
+++ Übrigens: Sollte das deutsche Team tatsächlich Weltmeister werden, steht die nächste Legende aus Herzogenaurach schon geschrieben. 1954 wars bekanntlich der neue Schraubstollenschuh, der den deutschen Spielern die nötige Trittsicherheit im Sieg im Berner Wankdorfstadion gab. In Südafrika wird dann der beknackte Gummiball als Titelbringer gefeiert werden. Wie eng sich Adidas, DFB und Fernsehen sind, konnten wir ja bereits bei den Liveschaltungen zu Michael Ballack und der „Adidas-Familie“ rund um das Achtelfinale gegen England erleben.