Mehr Pranger!

Die Politik beginnt, die Möglichkeiten des Internets zu entdecken: Eine CDU-Experte fordert Online-Pranger für Sextäter. Das kann nur der Anfang sein.

Erst hat sich die Politik überhaupt nicht für dieses neue Interdings interessiert. Dann, als sie es bemerkt hatte, kam der verzweifelte Schrei das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein.  Mittlerweile sind wir beim  Versuch,  über Gesetze wie den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) das Internet so langweilig wie eine Ortsverbandssitzung werden zu lassen.

Aber Hoffnung ist in Sicht. Die ersten Politiker beginnen sich kreativ mit dem Internet auseinanderzusetzen und haben mittlerweile sogar eigene Ideen. Zum Beispiel Reinhard Grindel, der Innenpolitische Experte der CDU-Bundestagsfraktion. Der will Pranger für Sextäter im Internet installieren. Eine schöne Idee um den Leuten im Wahlkreis zumindest im Sommer zu zeigen, dass man nicht den ganzen Tag in Berlin besoffen auf Parties herumhängt. Nein, man kommt sogar mit Schnapsideen in die Zeitung.

Und jetzt, wo die Politik den Online-Pranger entdeckt hat, sollte man weiter machen: Pranger für Steuerhinterzieher, Raubkopierer,  Raser, notorische Wildpinkler, Suffköppe Rauchverbotsverstosser und Abgeordnete, die Sitzungen schwänzen sollten folgen. Pranger für alle!

Kreativquartiere: Viel Lärm um nichts

Für Stadtplaner und Wirtschaftsförderer im Ruhrgebiet sind Kreativquartiere vor allem ein Immobilienthema. Kritiker des Konzepts fürchten die Vertreibung sozial Schwacher aus ihren traditionellen Wohnquartieren. Beide liegen daneben: Im Ruhrgebiet wird das Konzept der Kreativquartiere nicht funktionieren.

Richard Florida stammt aus Newark, dem Arbeitervorort New Yorks. Das arme New Jersey vor den Toren der Stadt der Städte wurde von Philip Roth in zahlreichen Büchern liebevoll beschrieben. Sein Vater: Ein einfacher Arbeiter in einer Fabrik für Brillengestelle, die es längst nicht mehr gibt. Florida erlebte den wirtschaftlichen Niedergang New Jerseys, studierte und arbeitete als Politikprofessor an der Uni in Pittsburgh. Dort erlebte er, wie die alte Industriestadt um ihre Zukunft kämpfte: Die Uni wurde ausgebaut, ein Konzerthaus errichtet, Museen erweitert, Parks angelegt… nichts sollte mehr an Kohle und Stahl erinnern. Pittsburg machte alles richtig. Man hoffte auf neue Unternehmen und neue Jobs, und dann war da das Suchmaschinenunternehmen Lycos: Es war ein Hoffnungsträger für Pittsburg. Endlich hatte man auch eines dieser coolen Startups, war ein hipper Standort geworden – doch dann passierte es: Lycos zog nach Boston. Gut, es stellte sich im Falle Lycos heraus, dass man als Unternehmen auch in Boston scheitern konnte, aber erst einmal stellte man sich in Pittsburgh die Frage: Wie konnte das geschehen? Florida fragte nach und fand das Thema, das ihn als Wissenschaftler berühmt und reich machen sollte: Die kreative Klasse. Florida sprach mit Lycos-Bossen und Mitarbeitern, warum sie trotz höherer Mieten nach Boston gegangen waren. Ihre Antworten überraschten ihn: Boston war einfach die spannendere Stadt, hatte das bessere Nachtleben, die cooleren Clubs, und: hier wohnten die Leute, die Lycos gerne als Mitarbeiter gewinnen wollte. Ins dröge Pittsburgh würden die ohnehin nicht kommen.

Florida erkannte, dass es eine Gruppe von Berufstätigen gab, die Wert darauf legten, in einer Stadt zu leben, die eine tolerante Atmosphäre hatte. In denen Minderheiten respektiert und nicht nur geduldet wurden. Zu dieser Gruppe zählte er Ingenieure, Softwarentwickler, aber auch Künstler, Musiker und Journalisten. Beide Gruppen brauchten einander: Die einen wollten in einer anregenden Umgebung leben, auf Konzerte gehen, Clubs besuchen und vielleicht am Wochenende Mountainbiken. Die anderen konnten die gut verdienenden Techniker als Kunden gut gebrauchen – oder für die Zusammenarbeit bei Projekten. An drei Ts, so folgerte Florida, würde sich die Zukunftsfähigkeit von Standorten künftig entscheiden: Technologie – gibt es genug Jobs in den boomenden High-Tech Branchen? Toleranz: Können die Menschen ihr Leben selbstbestimmen, unabhängig ob sie schwul, tätowiert, Moslem, Jude oder Punker sind? Und Talent: Zieht die Stadt kreative Köpfe, die Ideen haben, an? Querdenker, die nicht mitschwimmen sondern machen?

Städte, die in diese drei Kategorien gut aussehen – so Florida – hätten eine Zukunft. Die anderen? Siehe Pittsburgh. Ein Konzerthaus? Alte, langweilige Kultur. Gute Clubs, Kneipen in denen man Leute kennen lernen kann oder gute Mountainbikestrecken sind wichtiger. Und auf der Straße will man nicht schräg angeschaut werden.

Die Stadtplaner und Wirtschaftsförderer auf der ganzen Welt hatten nach Erscheinen von Floridas Buch „The Rise of the Creative Class“ ein neues Thema – auch wenn kaum einer von ihnen es wirklich gelesen haben dürfte: Dass Florida die Sicherheitsgesetze der Bush-Administration, die Zuwanderung beschränkten, geißelte und die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Menschen in McJobs zur neuen sozialen Frage erklärte, scheint zumindest in Deutschland kaum jemand mitbekommen zu haben.

Mit der üblichen Zeitverzögerung von mehreren Jahren – Floridas Buch erschien 2002 – erreichte das Thema Nordrhein-Westfalen und das Ruhrgebiet.

Noch vor ein paar Jahren waren zum Beispiel die Betreiber der kleinen, phantasievollen Läden und Galerien, die sich im „Viertel vor Ehrenfeld“ angesiedelt hatten und eine eigene Werbegemeinschaft gegründet hatten, der Stadt Bochum noch nicht einmal einen Termin wert. „Wir wollten“, erinnert sich einer der Gründer der Werbegemeinschaft, „kein Geld von der Stadt sondern uns nur einmal vorstellen. Niemand hatte Interesse.“ Das ist jetzt anders: „Seit wir ein Kreativquartier sind, interessieren sich alle für uns.“

Denn Kreativquartiere, das wissen Immobilienleute auf der ganzen Welt, sind die Goldgruben von morgen. Auch …., beim Wirtschaftsministerium für Kreativwirtschaft zuständig, weiß: „Kreativwirtschaft ist ein Immobilienthema.“

Und das geht so und nennt sich Gentrifizierung: Irgendwo in der Stadt gibt es ein Quartier mit einer eigentlich attraktiven Bausubstanz, vielen Migranten, billigen Wohnungen und preiswerten Gewerbeflächen. In das ziehen irgendwann einmal junge Leute mit vielen Ideen ein. Leben dort genug von ihnen, eröffnen die ersten Kneipen und Cafés – das hippe Publikum ist ja da. Auch Galerien, Bio-Läden eröffnen, und in den Hinterhöfen machen sich kleine Agenturen breit. Das Viertel ist jetzt hip, immer mehr Leute mit Geld kommen um hier ihren Kaffee zu trinken. Und dier ersten denken sich: Nette Ecke, preiswerte Wohnungen – hier zieh ich hin. Nun werden die Mieten teurer, die Häuser für die nun anspruchsvollere Klientel aus den teuren Stadtteilen renoviert. Die Cafés werden edler und die Pionieren wachsen mit oder weichen aus in ein anderes Quartier mit preiswerten Mieten, einer eigentlich schönen Bausubstanz… .

Und nun auch im Ruhrgebiet. Über viele Jahre hinweg haben sich die Planer und Wirtschaftsförderer nicht um die Entwicklung von Stadtteilen gekümmert, sondern wollten auf der grünen Wiese und in alten Zechenbrachen neue Zentren entstehen lassen: Bochum baute sein kulturwirtschaftliches Gründerzentrum mit Millionen vom Land auf einem alten Zechgelände in Gerthe, und Essen träumte davon, die Zeche Zollverein zu einem Kreativzentrum zu machen. Heute wirkt Zollverein mit all seinen Attraktionen wie dem neuen Ruhr Museum und der gehobenen Küche im Casino wie ein in Stoppenberg gelandetes Raumschiff. Kontakte zum Stadtteil? Gar ein Wirken ins umgebende Quartier hinein? Fehlanzeige. Fast das geiche Bild in Bochum: Das kreative Gründerzentrum in Gerthe funktioniert und ist vollständig vermietet – aber um das Zentrum herum hat sich kaum etwas geändert. Die Kreativen steigen nach Arbeitsende in ihre Autos und fahren nach Hause.
Nun soll alles anders werden: Die Kreativen sollen, möglichst auch noch aus dem Ausland, ins Ruhrgebiet gelockt werden. Sie sollen sich hier in den Kreativquartieren niederlassen und für bunte Städte und mittelfristig steigende Immobilienpreise sorgen.

Die Zahl der Quartiere, die sich als Kreativquartiere bezeichnen und auch von der von Rüttgers versprochenen Hilfe in Höhe von 15 Millionen profitieren wollen, ist lang: Von Dinslaken bis Unna sollen jetzt überall Kreativquartiere entstehen: Die Flächen, die das Ruhrgebiet bietet, dürften an Zahl und Fläche locker die zusammengezählten Flächen New Yorks und Berlins übertreffen. Nicht, dass jemand wirklich will, dass sich überall dort schlechtverdienende Kreative ansiedeln, die wohlmöglich auch noch Krach machen, komisch aussehen und vielleicht sogar Hasch rauchen. Alle Städte hoffen auf den Prozess der Gentrifizierung, eine Verbürgerlichung der Quartiere, angestossen durch kreative Pioniere, auf die Steigerung der Immobilienpreise und die Kritiker dieses Prozess, organisiert in der Kulturhauptstadt von unten befürchten genau dies.

Das ist natürlich, was das Ruhrgebiet betrifft, kaum mehr als Wunschdenken: Zum einen gibt es nur in drei, vielleicht vier Städten, Szenen von einer relevanten Größe und die meisten ihrer „Mitglieder“ leben in Bochum-Ehrenfeld, Essen-Rüttenscheid oder dem Kreuz-/Klinikviertel in Dortmund. Schöne Altbauten, Citynahe Lage, gute Kneipen und vor allem kostengünstige Mieten – und das Schönste: es gibt noch genug Platz für alle, die dorthin wollen. Und billige Gewerbeflächen hat fast jeder Statteil im Ruhrgebiet. Warum sollte jemand nach Unna?

Was in London, Berkin oder New York funktioniert, die Revitalisierung von Stadtteilen durch Kreative, liegt daran, dass diese Städte wachsen. Durch die Zuzüge steigen die Preise und die traditionell schlecht verdienenden Kreative werden in schlechte Wohnbezirke verdrängt, die sie dann attraktiv machen, bis sie wieder verdrängt werden. Aber im Ruhrgebiet wird niemand verdrängt. Hier zieht kaum jemand hin – im Gegenteil: In den kommenden Jahren wird das Ruhrgebiet noch einmal gut 400.000 Einwohner verlieren – mehr als Bochum Einwohner hat. Wer Kreativwirtschaft als Immobilienthema sieht, hat also schon verloren, bevor er so richtig angefangen hat die Steuergelder zu verschwenden.

Und er hat Florida nicht verstanden. Denn natürlich müssten die Städte sich Gedanken machen, wie sie für die Kreativen, die das Ruhrgebiet seit Jahrzehnten verlassen, attraktiver werden können. Zum einen, eine meist ignorierte Binsenweisheit, geht das über eine ganz normale wirtschaftiche Erholung des Ruhrgebiets: Mehr Wohlstand – mehr Aufträge. Das gilt auch für die Kreativwirtschaft. Die Ruhr2010 GmbH, der große Propagandist der Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet, ging da mit schlechtem Beispiel voran: Unternehmen aus dem Ruhrgebiet wurden bei der Vergabe von Aufträgen weitgehend ignoriert.

Aber auch Städteplaner und Immobilienbesitzer, im Fall der alten Industriegebäude sind das häufig die Kommunen oder am Tropf der öffentlichen Finanzierung hängende Unternehmen, können den Kreativen etwas Gutes tun: Raum geben, nicht planen, abwarten, was passiert.
Also genau das, was den Stadtverwaltungen im Ruhrgebiet schwer fällt. Tendenziell wird hier das zerstört, was gerade erst entstanden ist, wie die Club-Landschaft auf dem Thier-Gelände in Dortmund, die einem Einkaufszentrum weichen musste. Im Nachtleben in Dortmund sind seitdem die Lichter weitgehend ausgegangen.

Die vielen Industriegebäude müssten zu Spielplätzen werden: Nicht nur für die Kreativwirtschaft, sondern für all diejenigen, die mit wenig Geld etwas ausprobieren wollen: Ateliers, Gemeinschaftsbüros aber auch KFZ-Werkstätten oder türkische Basare. Das Neue entsteht nicht im perfekt geplanten Umfeld, es entsteht aus dem Chaotischen, Ungeplanten. Und ganz vielleicht könnte dann das Ruhrgebiet mit seinen Freiräumen nicht nur mehr Leute hier halten, sondern sogar ein paar Menschen für sich gewinnen.

Die Immobilienpreise werden dann noch immer nicht steigen, aber es könnte hier etwas netter werden.

Der Ruhrpilot

Wird er's oder wird er es nicht? Armin Laschet könnte CDU-Chef werden wollen

NRW: Laschet bringt sich als Gegen-Rüttgers in Position…Welt

NRW II: Laschet kritisiert Rüttgers Stil…Ruhr Nachrichten

NRW III: Jusos wollen Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages ablehnen…Pottblog

VRR: Das Bahn-Debakel im Nahverkehr…WiWo

Loveparade: Eine Absage kam nicht in Frage…Der Westen

Loveparade II: Der Gehasste…FAZ

Loveparade III: Chronologie der Ereignisse…Pottblog

Ruhr2010: „Höhlenmalerei“ im Autobahn-Tunnel…Der Westen

Bochum: Sparkassen-Giro litt unter dem Regen…Der Westen

Essen: Kiosk muss Allbau-Plänen weichen…Der Westen

Integration: Das Ende der Geduld mit den kleinen Prinzen…Hometwon Glory

Werbung


Loveparade und Kulturhauptstadt

Herbst 2007 in Athen. Ein Forum über Kreativwirtschaft, Es wird viel geredet. Mit dabei: Bernd Fesel von der Ruhr2010 GmbH. Er erklärt, warum die Loveparade Teil der  Strategie der  Ruhr2010 GmbH zur Förderung der Kreativwirtschaft ist.

Ein paar hunderttausend Leute, laute Musik, Alkohol und ein paar Drogen: Für die meisten war die Loveparade in den vergangenen Jahren nicht mehr als eine große, auf den Hund gekommen Party. Ihr Hip-Status war so groß wie der des McFit-Bananenmännchens.

Für Bernd Fesel war sie Teil einer ausgeklügelten Strategie zur Förderung des Segments Music/Live Entertainment als wichtigem Sektor der sagenumwobenen Kreativwirtschaft. Und ein Erfolg der Arbeit der Ruhr2010 GmbH, mit der man auf der Konferenz in Athen gerne etwas angab. Im besten Marketingdeutsch erklärte Fesel, man setze bei der Entwicklung der Kreativwirtschaft sowohl auf eine bottom-up als auf eine top down Strategie.  Vor dem inneren Auge sieht man die Experten aus  ganz Europa  schonnervös auf ihren Stühlen herumrutschen.

Ruhr2010 is aiming to promote the approximately 20.000 creative entrepreneurs in 52 cities of the Metropol Ruhr by

a.) strengthening its inherent market principles, focusing the European Market

b.) initiating an-going cultural and economic process

To reach these aims we are adopting a bottom up as well as a top down strategy which is sector specific as well as sector-integrating. Here are some examples:

Top-Down: The Love Parade moved from Berlin to the Metropol Ruhr. More than 1,0 Million visitors joined the Love Parade and the Love Weekend in August 2007 and generated business with a spending of almost 100 Euros per visitor.

Bottom-Up: A forum of all music clubs in the Metropol Ruhr was established and a hearing on the music market started. Now the music entrepreneurs and the music market start re-organizing marketing, European exports and local communication – being coached and “networked” by the team Creative Industries at Ruhr2010.
Currently a European export strategy is worked on.
This is example is almost a blue-print for increasing market efficiency: The costs of information are reduced by market hearings and commissions. The actors are acting – and are thus automatically planning for more than a single event in 2010. Creative Industries Ruhr2010 is acting as a moderator and information-broker – not only in the music sector, but also in other sectors of the creative industries; not only in the field of finance, but also in others fields such as digital communication and journalism.
Sicher, die Loveparade wurde nie von der Ruhr2010 GmbH organisiert – aber zumindest 2007 tat man so, als ob ihre Umzug ins Ruhrgebiet ein strategischer, wirtschaftlicher Erfolg sei, an dem man beteiligt war. Man warb mit diesem Erfolg, mit dem man nichts mehr zu tun haben wollte, als er zur Tragödie wurde.

Der Ruhrpilot

Bochum: Was bringt die FIFA-WM der Stadt?…Ruhr Nachrichten

NRW: „Mehr Kultur für Kinder“…Welt

NRW II: Laschet prescht vor…Welt

Karstadt: Verdi kritisiert Verzögerung beim Verkauf…Der Westen

Dortmund: Sand von Solendo wird auf PCB untersucht…Der Westen

Dortmund II: Bürohaus wegen Einsturzgefahr vorerst gesperrt…Ruhr Nachrichten

Essen: Regenbogenfarben und Protest beim CSD…Der Westen

Duisburg: Zurücktreten Bitte! Und Abstand halten!…Mimi Müller

Bochum II: Fiege Kino Open Air…Pottblog

Wirtschaft: Aus Herrn Schäubles Chart-Werkstatt…Weissgarnix

Prost: Kult-Biermarke Karlsquell…Spiegel

Byt FM: Neue Shows…Kochplattenteller

Mieser Mister Blister – Verdammt die Blisterpackung!

Von unserem Gastautor Jo Frank

Blister-Verpackung: macht wahnsinnig
Blister-Verpackung: Macht wahnsinnig

Wenn ich was hasse, sind das diese blöden „Blister-Display-Verpackungen“ – die aus dickem, verschweißten Kunststoff.

Sie sind eigentlich dafür gedacht, im Ladengeschäft kleine Artikel in der Selbstbedienung möglichst groß zu machen, dafür gemacht, daß sie nicht geklaut werden können.

Beispielsweise Nägelschneider, Speicherkarten, Adapterstecker. Und schön sehen soll man halt, was drin ist. Umweltfreundlich? Scheiß drauf. Dickes Plastik – statt dünner Pappe.

Leider gibt es auch im Versandhandel, etwa von Ebay-Händlern, kaum noch was anderes.

Gleichwohl ist es kaum möglich, diese Mistdinger unfallfrei zu öffnen.

Öffnungsalternative Teppichmesser. Mit Teppichmessern ist erstmal Dein Tischtuch zerschnitten und sodann sind Deine Finger abgesäbelt. Was keiner weiß: Darin hat der Witz Fünf Bier für die Männer vom Sägewerk seinen Ursprung.

Öffnungsalternative Schere. Mit Scheren führt der komplizierte Öffnungsvorgang mindestens zu Blutergüssen an den Fingern. Und Du trittst Dir auch noch auf den Fuß vor Zorn.

Blister machen Scheren kaputt
Blister machen auch Scheren kaputt

Und dann ist auch noch die Schere kaputt. Nach dem Öffnen. Verdammt.

Und die Finger sind spätestens zerschnitten und blutig, nachdem kniffeligen Versuch, das Zeugs aus der aufgeschnittenen Blisterverpackung rauszupuhlen.

Ganz kraß war neulich die Eye-Fi-Karte:

„Die erste Wireless-Speicherkarte auf dem Markt. Sie passt in jede Kamera, sieht aus wie jede andere SDHC-Karte und speichert Daten auf dieselbe Weise. Der Clou der Eye-Fi-Karte ist ihre Wi-Fi-Funktion, mit der Sie Fotos und Videos kabellos direkt ins Netzwerk und Internet übertragen können.“

Sie hatten extra eine zweite Fake-Karte in den
Blister gelegt, damit Ladendiebe auf diese reinfallen – und die aus der Verpackung holen.

Ehrliche Käufer allerdings auch – die echte Karte ist gut versteckt.

Warum beläßt man es denn bitte bitte nicht für den Versand bei einer Pappschachtel mit Aufdruck?

Die kann man wenigstens unfallfrei öffnen. Möglicherweise.

Aber die Hersteller bieten auch für Versand nur noch Blisterverpackungen an und
bezeichnen das Mistzeug auch noch als „kundenfreundlich“.

Werbung


Der Ruhrpilot

adolf_sauerland
Adolf Sauerland

Loveparade: Sauerland war über Chaos-Planung informiert…Spiegel

Loveparade II: „Die Stadt ist aus dem Gleichgewicht“…FAZ

Loveparade III: Schaller schrottet Lamborghini…Welt

Loveparade IV: Rüttgers gerät ins Zwielicht…Tages-Anzeiger

Loveparade V: Offener Machtkampf im Duisburger Rathaus…Der Westen

NRW: CDU-Triumvirat im Westen…FAZ

NRW II: Laschet greift nach Vorsitz der CDU…Welt

NRW III: Gesamtschule wieder ganztags…Der Westen

Ruhrgebiet: Wo aus Gasometern Kathedralen werden…OTZ

Essen: Internationale Schule Ruhr  eröffnet…Der Westen

Herne: Cranger-Kirmes eröffnet…Pottblog

Dortmund: Sohn (3) von Envio-Mitarbeiter mit PCB vergiftet…Der Westen

Herne II: Neue Fahrgeschäfte für Rummel-Fans…Ruhr Nachrichten

Kultur: Tocotronic-Frontmann beschallt Theben…Spiegel

Waldorfschule: Physik vom Hellseher

Schlauer als Steiner: Schrödinger

Wie sorgt man in der Waldorfwelt für Ruhe? Mit „Mundzukleben“? Richtig laut wird es, wenn Detlef Hardorp Waldorfeltern die nobelpreisverdächtigen Leistungen seines Gurus Rudolf Steiner erklärt. Der soll schlauer gewesen sein als viele Physiker.  Von unserem Gastautor Tobias Maier.

Rudolf Steiner soll schon sechs Jahre vor Erwin Schrödinger (Nobelpreis für Physik 1933) die nach ihm benannte Gleichung erfunden haben. Dr. Detlef Hardorp, bildungspolitischer Sprecher der Waldorfschulen in Berlin-Brandenburg und Anthroposoph zur Rolle Rudolf Steiners als Wissenschaftler:

„Bemerkenswert ist u.a., daß er (Steiner) in einem dieser Vorträge schon im Jahre 1920 eine Differentialgleichung für Lichtwirkungen entwickelte, die erst drei Jahre später von Erwin Schrödinger »neu« entdeckt wurde. Sie spielte als Grundlage der Quantenphysik in der modernen Naturwissenschaft eine nicht unbedeutende Rolle.“

Hardorps Äußerungen stammen ursprünglich aus der Publikation „Rudolf Steiner and Schrödinger’s equation“ von Detlef Hardorp and Ulrich Pinkall, in „Mathematisch-Physikalische Korrespondenz“, Nr. 201, Johanni 2000. Im Original liest sich das so:

„Thus the third differential equation that Steiner writes down on the 12th of March in the year 1920 is not only »formally equivalent« to Schrödinger’s equation. Apart from the fact that the value of the constant is not specified as a number related to Planck’s constant, it is Schrödinger’s equation.“

Der promovierte Physiker Andreas Krämer hat sich die Steiner-Publikation und deren Interpretation von Hardorp und Pinkall genauer angesehen. Das Fazit seiner Analyse:

„Für den Physiker ist eine mathematische Formel ohne eine klare Beschreibung der enthaltenen Grössen keine Theorie. Nach meinem Verständnis der Grössen in der Steinerschen Formel (Kontext Wärmeleitung/Energieumsatz) wird daraus sogar eine falsche Theorie.“

Beide, Pinkall und Hardorp haben zur Analyse von Andreas Krämer Stellung bezogen.

Prof. Ulrich Pinkall, TU Berlin, rudert zurück:

„Ich selbst habe auch ein etwas ungutes Gefühl dabei, das ganze Thema als Munition in Debatten um die Wissenschaftlichkeit der Waldorf-Pädagogik zu verwenden.“

Dr. Detlef Hardorp schreibt in seiner Steiner-Verblendung:

„[…] Das aber just Steiner eine Gleichung intuitiv an die Tafel schreibt, die einige Jahre später in der Physik zu den bedeutsamsten Gleichungen überhaupt werden wird, erscheint mir symptomatisch für Steiner zu sein. Denn das hat er doch in vielen Bereichen gemacht: von außen betrachtet stochert er unprofessionell in allen möglichen Gebieten herum, und trifft mit unverschämter Sicherheit immer wieder Goldadern, auch wenn er nicht den wissenschaftlichen Apparat bieten kann, mit dem das dann meist später von anderen wesentlich vollständiger gemacht wird.“

Andreas Lichte, intimer Kenner und Kritiker der Anthro-Szene kommt zu folgendem Fazit:

„Wer Steiner richtig zu lesen weiss, findet dort ALLES, Antworten auf alle Fragen, auch die allerletzten. Verhält sich ähnlich wie Nostradamus: man muss nur richtig lesen können …“

Aber das Verdrehen historischer Fakten ist ja eine bekannte und beliebte Strategie der Pseudowissenschaftler, um ihren realitätsfernen Ansichten ein vermeintlich wissenschaftliches Fundament zu verschaffen.

Zum Autor: Der Artikel ist eine überarbeitete Fassung von „Rudolf Steiner und die Schrödingergleichung“, erschienen auf dem blog „WeiterGen“ von Tobias Maier.

Info: Die Waldorfschule, Rudolf Steiner, und die Anthroposophie

Die erste Waldorfschule wurde 1919 in Stuttgart vom Anthroposophen Emil Molt, Besitzer der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik, als Betriebsschule gegründet. Molt beauftragte Rudolf Steiner mit der pädagogische Leitung der neuen „Waldorf“-Schule.

Rudolf Steiner (1861–1925) promovierte 1891 mit der schlechtmöglichsten Note „rite“ in Philosophie; die 1894 versuchte Habilitation scheiterte. Um 1900 kam er in Kontakt mit Helena Petrovna Blavatskys esoterischer „Theosophie“. Von 1902 bis 1912 leitete Steiner die deutsche Sektion der „Theosophischen Gesellschaft“, die er 1912/13 abspaltete und unter dem Namen   „Anthroposophie“ neu gründete.

Steiner ist nach eigener Aussage Hellseher. Er behauptet, in der „Akasha-Chronik“, einem allumfassenden „Geistigen Weltengedächtnis“ im „Äther“ lesen zu können. Steiner erklärt: „Erweitert der Mensch auf diese Art [d.h. durch Steiners Anthroposophie] sein Erkenntnisvermögen, dann ist er (…) nicht mehr auf die äußeren Zeugnisse angewiesen. Dann vermag er zu  S C H A U E N , was an den Ereignissen nicht sinnlich wahrnehmbar ist (…).“ Die Anthroposophie schöpft damit aus esoterischen, okkulten Quellen, die für Nicht-Anthroposophen reine Fiktion sind.

Die Waldorfschule war für Steiner von Beginn an ein wirksames Instrument zur Verbreitung seiner esoterischen Heilslehre „Anthroposophie“. Und die „Anthroposophie“ ist bis heute verbindliche Grundlage des Unterrichts jeder Waldorfschule, Rudolf Steiner deren unangefochtene Autorität. Wie weit die Verehrung geht, mag man am Umfang der Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe ermessen: Sie hat zurzeit 354 Bände.