Jetzt ist schon wieder was passiert. Nein, keine Sorge. Der „Berlin-Brandenburgische Bullterrier der anthroposophischen Öffentlichkeitsarbeit“, Detlef Hardorp, hat kein Kind tot gebissen. Obwohl. Beschwören möchte ich das nicht– Von unserem Gastautor Andreas Lichte.
Waldorfschule. So wie „kreativ“. Spiel ganz wichtig:
– Helmut Meisenburg, Waldorflehrer, spielte mit seinen Schülern „Mundzukleben“, wenn es mal zu laut wurde. Kam gut an, sagt er selber.
– Angelika Gilde, ehemalige Leiterin der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung
Alte Ziegelei Rädel, führte als Schulsport Freistil-Ringen ein. Ihre Erfindung: der „Gilde-Griff“. Der Sieger stand schon vorher fest.
– „Kinder spielen im Asbest“. Muss man erst mal drauf kommen. Findet auch die Berliner Morgenpost.
– und der „Bund der Freien Waldorfschulen“ spielt „Monopoly“: Wenn man die Schulnachbarn nicht vor Gericht zum mitspielen bringt, hilft die gut gefüllte Schulkasse.
Manche Eltern natürlich Spielverderber. Dann erklärt ihnen Detlef Hardorp noch mal die Regeln. Seine Freunde, die Anwälte, helfen ihm dabei. Und danach ist wieder Ruhe. Ich persönlich finde ja, Hardorp sollte mal die Mafia coachen, Omertà durchaus noch verbesserungsfähig.
Jetzt hat sich Hardorp erst mal selber zum Schweigen gebracht. Da hatten doch Kommentatoren geschrieben, Hardorp sei „rechts“. Und als Beleg dafür einen Artikel von Hardorp verlinkt: „Unzeitgemäßes Vokabular“. Lieber Leser, klicken sie mal drauf … sorry, ich sage Ihnen jetzt nicht, wo Sie den Artikel doch noch finden können. Nichts gegen Anwälte, aber muss ja nicht sein, dass die Ruhrbarone noch mal die Regeln erklärt bekommen.
Was sagt Hardorp in „Unzeitgemäßes Vokabular“? Darf ich das jetzt ausplaudern? Fange ich doch mal mit dem SPIEGEL an, der SPIEGEL kennt bestimmt die Regeln, Zitat:
„Der umtriebige Steiner (1861 bis 1925) hat die umstrittene Anthroposophie erdacht, jene »Weisheit vom Menschen«, auf der die Waldorfpädagogik gründet. Vorwürfe, der Guru der Bewegung verbreite auch Rassismus, hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Dass sich nun aber die Bundesprüfstelle der Kritik annimmt, zeigt, dass die Waldorfanhänger zu lange in der Defensive verharrten und die Vorwürfe herunterspielten. Detlef Hardorp etwa, deutscher Vertreter beim »European Council for Steiner Waldorf Education«, kann im Werk des Ahnherrn höchstens »unzeitgemäßes Vokabular« entdecken.
Dabei spricht die Diktion für sich selbst: »Die Menschen, welche ihr Ich-Gefühl zu gering ausgebildet hatten, wanderten nach dem Osten, und die übriggebliebenen Reste von diesen Menschen sind die nachherige Negerbevölkerung Afrikas geworden«, schreibt Steiner in der »Geisteswissenschaftlichen Menschenkunde«, die nun auf den Index soll. Darin schwadroniert er auch von der »passiven Negerseele«, die »völlig ihrer Umgebung, der äußeren Physis hingegeben« sei. Die »kaukasische Rasse« dagegen soll »den Weg machen durch die Sinne zum Geistigen, denn sie ist auf die Sinne hin organisiert«.“
Was will uns der SPIEGEL damit sagen? In seinem Artikel „Unzeitgemäßes Vokabular“ bemängelt Hardorp Steiners Wortwahl, findet aber Steiners Ideen nach wie vor zeitgemäss und „interessant“. Mich erinnert das an das Politikersprech: „Wir haben unsere Ziele nicht klar genug kommuniziert.“ Ich finde ja auch, Ziele sollten so klar wie möglich formuliert werden:
„Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse.” Rudolf Steiner
P.S.: Lieber Leser, ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich nicht deutlicher geworden bin. Hoffe aber auf Ihr Verständnis. Ich hab‘ schon Respekt vor dem „Berlin-Brandenburgischen Bullterrier der anthroposophischen Öffentlichkeitsarbeit“, Detlef Hardorp. Ich hätte mich auch nie getraut, den „Bildungspolitischen Sprecher der Waldorfschulen in Berlin-Brandenburg“ „Bullterrier“ zu nennen. Aber das ist ein Zitat des Anthroposophen Christian Grauer, hier. Da darf ich das doch, oder? Mal sehen, was mein Anwalt sagt.
Info: Die Waldorfschule, Rudolf Steiner, und die Anthroposophie
Die erste Waldorfschule wurde 1919 in Stuttgart vom Anthroposophen Emil Molt, Besitzer der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik, als Betriebsschule gegründet. Molt beauftragte Rudolf Steiner mit der pädagogische Leitung der neuen „Waldorf“-Schule.
Rudolf Steiner (1861–1925) promovierte 1891 mit der schlechtmöglichsten Note „rite“ in Philosophie; die 1894 versuchte Habilitation scheiterte. Um 1900 kam er in Kontakt mit Helena Petrovna Blavatskys esoterischer „Theosophie“. Von 1902 bis 1912 leitete Steiner die deutsche Sektion der „Theosophischen Gesellschaft“, die er 1912/13 abspaltete und unter dem Namen „Anthroposophie“ neu gründete.
Steiner ist nach eigener Aussage Hellseher. Er behauptet, in der „Akasha-Chronik“, einem allumfassenden „Geistigen Weltengedächtnis“ im „Äther“ lesen zu können. Steiner erklärt: „Erweitert der Mensch auf diese Art [d.h. durch Steiners Anthroposophie] sein Erkenntnisvermögen, dann ist er (…) nicht mehr auf die äußeren Zeugnisse angewiesen. Dann vermag er zu S C H A U E N , was an den Ereignissen nicht sinnlich wahrnehmbar ist (…).“ Die Anthroposophie schöpft damit aus esoterischen, okkulten Quellen, die für Nicht-Anthroposophen reine Fiktion sind.
Die Waldorfschule war für Steiner von Beginn an ein wirksames Instrument zur Verbreitung seiner esoterischen Heilslehre „Anthroposophie“. Und die „Anthroposophie“ ist bis heute verbindliche Grundlage des Unterrichts jeder Waldorfschule, Rudolf Steiner deren unangefochtene Autorität. Wie weit die Verehrung geht, mag man am Umfang der Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe ermessen: Sie hat zurzeit 354 Bände.
Zum Autor: Andreas Lichte ist ausgebildeter Waldorflehrer und Grafiker, lebt in Berlin. Er ist Autor kritischer Artikel zur Waldorfpädagogik und Anthroposophie. Er erstellte für die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ (BPjM) ein Gutachten zur Indizierung zweier Werke Rudolf Steiners, die fortan nur noch in kommentierter Form erscheinen dürfen.
Andreas Lichte bei den Ruhrbaronen:
„Waldorfschule: Vorsicht Steiner“
Interview mit Andreas Lichte
„Kampf bis zur Erleuchtung – Lorenzo Ravagli und der Glaubenskrieg der Anthroposophie gegen Helmut Zander“
„Die Waldorfschulen informieren“
„Drei Gründe für die Waldorfschule“