In der vergangenen Woche besetzten zahlreiche Künstler aus dem Ruhrgebiet ein leerstehendes DGB-Haus in der Essener Innenstadt. Am Dienstag kamen sie der Räumung durch den DGB zuvor und verliessen das Gebäude wieder. Nun wird verhandelt.
Die Besetzung des ehemaligen DGB-Hauses in der Essener Innenstadt machte deutlich, das im Ruhrgebiet zwar viel über Kreative und Kreativwirtschaft geredet wird, Künstler allerdings trotz massiven Leerstandes kaum Räume finden. Und dass das eigentlich auch kaum jemanden interessiert. Das scheint sich nun ein wenig zu ändern. Morgen verhandeln die einstigen Besetzer und die Vermögens- und Treuhandgesellschaft des DGB (VTG-DGB), der das Haus an der Schützenbahn in Essen gehört, miteinander. Die Aufgabe des Vermittlers zwischen VTG-DGB und den Besetzers hat Dieter Gorny, Direktor der Ruhr2010 GmbH, übernommen.
Noch morgen Nachmittag soll über die Ergebnisse der Verhandlungen berichtet werden. Unabhängig vom Ausgang wird es ab 18.00 Uhr vor dem leerstehenden DGB-Haus ein Straßenfest geben.
Es war nicht eine einzelne Fehlentscheidung oder eine einzelne Person, die das tragische Unglück auf der Duisburger Loveparade zu verantworten hat. Die gesamte Stadt, der gesamte Rat war seit Monaten gefangen in dem unbedingten Willen, das Event statt finden zu lassen.Nur wenige hatten Bedenken – und haben diese geschluckt.Eine Chronologie der Tragödie
Es blieben nur noch wenige Tage für die dringend benötigte Unterschrift, und der Mitarbeiter des Duisburger Ordnungsamtes fühlte sich sehr unwohl. Er sollte eine baurechtliche Genehmigung für den Umbau des alten Güterbahnhofes in Duisburg erteilen, damit dort plangemäß die Loveparade statt finden kann. Schon seit einigen Tagen liegt die Vorlage auf seinem Schreibtisch, aber ihm erscheint das gesamte Projekt waghalsig, das Gelände zu klein. Doch der Druck von der Stadtspitze unter Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) ist groß. Das Projekt darf nicht platzen, sagt sein Chef mehrfach. Am Ende unterschreibt er, die Loveparade wird stattfinden.
Wahrscheinlich hatte dieser Mitarbeiter nur einen kleinen Anteil an der Reihe von Fehlentscheidungen, die am Ende 20 Menschen das Leben gekostet und hunderte Verletzte nach sich zogen. Nach Informationen der Frankfurter Rundschau aus Kreisen des NRW-Innenministeriums und aus dem Rat der Stadt wurden Mitarbeiter des Ordnungsamtes systematisch unter Druck gesetzt, Bedenken in den Wind zu schlagen und die erforderlichen Genehmigungen zu erteilen. Parierte ein Mitarbeiter nicht, wurde die Vorlage umstandslos an einen zweiten gegeben, der sie dann unterschrieb. „Sie wurden gezwungen, alles abzunicken“, so ein Ratsmitglied.
Nicht nur einzelne Mitarbeiter des Amtes mussten ihre Bedenken schlucken. Auch Polizisten und Feuerwehrleute melden sich nun zu Wort, die gewarnt haben wollen. „Ich habe vor einem Jahr Duisburg als ungeeignet für die Loveparade abgelehnt und bin dafür als Spaßverderber und Sicherheitsfanatiker beschimpft worden“, sagte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, Rainer Wendt. Der NRW-Landeschef ergänzt: „Polizei und Feuerwehr haben viel Erfahrung mit Großveranstaltungen. Praktisch nichts davon wurde umgesetzt.“
Vielleicht fehlte Duisburg einfach das Geld, den alten Güterbahnhof als Veranstaltungsort entsprechend umzubauen. Mehr als 160 Millionen Euro muss die Stadt einsparen, sie hat den Etat für Jugendprojekte und Prostituiertenberatung und Nahverkehr gekürzt und kein Geld mehr. Aber sie will mitsingen im Chor des Ruhrgebiets. Nachdem die Loveparade in Berlin gestorben ist, brüstet sich das gesamte Revier damit, die Zukunft für die Millionen Raver zu sein. Auch in Duisburg sprechen sich schon 2007 beinahe alle Fraktionen grundsätzlich für die Loveparade aus, die Linken enthalten sich. Im Juli 2007 schließt die Stadt mit dem Veranstalter Lopavent einen Rahmenvertrag. Darin enthalten ist in Paragraph 1 auch noch eine Ausstiegsklausel: „Sollte für die noch offenen Parameter in der Stadt keine geeignete Lösung gefunden werden, werden die Veranstalterin und die Partner gemeinsam nach einer Alternativlösung für die Durchführung der Loveparade suchen.“
Davon Gebrauch gemacht wurde bekanntlich nicht. Ende des Jahres 2009 beruft die Stadt laut einem Sprechers der Stadt Duisburg vier Arbeitsgruppen ein, die jeweils „mehrfach getagt“ hätten, so Frank Koptaschek. Der Sprecher räumt gegenüber dieser Zeitung auch ein: „Es hat immer Diskussionen darüber gegeben, ob Duisburg ein so großes Ereignis braucht und auch stemmen kann.“ Mehr möchte Kopatschek aufgrund der „laufenden Ermittlungen“ nicht sagen.
Immer wieder fordern verschiedene Fraktionen im Rat, die finanzielle Machbarkeit zu überprüfen. Rund eine Millionen Euro soll das Spektakel nach den Erfahrungen in Essen und Dortmund kosten, obwohl es 2007 hieß, die Stadt müsse nicht zuzahlen. Eine Lösung bleibt die Stadt zunächst schuldig. Oberbürgermeister Sauerland ist zwischenzeitlich auf der Suche nach Geld in Düsseldorf. Sauerland steht selbst unter Druck. Die Macher der Kulturhauptstadt 2010 werben für die Loveparade als eines der Highlights des Jahres. Schon andere Projekte wurden mangels Geld in der klammen Kohleregion wieder abgesagt, die Loveparade soll stehen. Und Sauerland ist dafür verantwortlich. Am Ende wird er in Düsseldorf fündig. Auch sein Parteifreund und damaliger Ministerpräsident Jürgen Rüttgers will über den Kulturetat Geld beisteuern. In einer Sondersitzung zur Finanzierung der Loveparade am 20 Februar, einem Samstagmorgen um 8 Uhr, informiert er den Rat dürftig über die Finanzierung. Kritik gibt es dennoch regelmäßig. So sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Herbert Mettler in einer Sitzung am 21. Januar diesen Jahres laut einem schriftlich vorliegendem Protokoll: „Die Beschreibungen zu dieser Veranstaltung haben mich sehr erschrocken. Ich frage mich, wie die Risiken beherrscht werden sollen.“ Mettler sagte, es seien viele Fragen ungeklärt. „Wenn man viele junge Menschen nach Duisburg einlädt, dann muss ein reibungsloser Ablauf allein aus Sicherheitsgründen garantiert werden“, so der Sozialdemokrat damals. Worte, die heute fast prophetisch klingen. Doch der Duisburger Rat war mehrheitlich den Verheißungen der Kulturhauptstadt erlegen. In derselben Sitzung äußert sich ein FDPler, Duisburg könne es sich aus „Imagegründen kaum leisten, die Loveparade abzusagen. Das würde insbesondere im Kulturhauptstadtjahr sehr schlecht in der Außendarstellung wirken.“
Sie alle hatten das Bochumer Beispiel vor Augen. Die 50 Kilometer östlich liegende Stadt hatte im Frühjahr 2009 die Loveparade kurzfristig abgesagt, weil die „Infrastruktur nicht geeignet ist.“ Dafür wurde die Opel-Stadt damals mit Häme überschüttet und als Provinz-Dorf beschimpft. Das wollten die Duisburger vermeiden, obwohl auch ihre Infrastruktur nicht als geeignet galt.
„Der Rat wurde systematisch im Dunkeln gelassen“, sagt der Duisburger Fraktionschef der Linken Hermann Dierckes der Frankfurter Rundschau. Die Linke hatte schon im April einen Antrag gestellt, das Verkehrskonzept für die Loveparade zu veröffentlichen. Am 1. Juni erteilt Sauerland eine Antwort, die das Problem des Zugangs zum Gelände schon klar thematisiert. „Die Nähe des Hauptbahnhofes zum Veranstaltungsgelände stellt ein besonderes Problem dar“, heißt es in der Mitteilungsvorlage. Der Veranstalter – die Firma lopavent GmbH – habe bereits ein Konzept zur umfangreichen Sicherung des Veranstaltungsgeländes zu den Bahngleisen vorgelegt. Dieses Konzept wiederum wurde den Ratsherren nicht vorgestellt. Gefragt danach haben sie aber auch nicht.
Vielleicht verstehen wir den Mann einfach nicht. Vielleicht will Adolf Sauerland nur nicht so ein Weichei sein wie all die anderen, die sich vom Acker gemacht haben in den letzten Monaten.
Die zurückgetreten sind wegen lächerlicher Sachen, wegen mangelnden Respekts (Köhler), anderer Lebensplanung (Koch), lockender Sandstrände (von Beust), besoffenen Autofahrens (Käßmann) und geschwundener Lieblichkeit (Jepsen). Die beiden Letztgenannten dürften für Sauerland kein Maßstab sein. Sie sind Frauen, noch dazu evangelisch, naja. Wegen Suffs am Steuer hätte sich jeder katholische Bischof rausgeredet mit dem Argument, da müsse etwas schief gegangen sein mit dem Messwein bei der Wandlung.
Sauerland ist der letzte Kerl in der CDU, der sich seiner Verantwortung stellt, der Kohls Aussitzen neu interpretiert als Festkrallen notfalls mit Gewalt, der in Nibelungentreue zum eigenen Versagen steht, als handele es sich dabei um ein Projekt der Kulturhauptstadt. Wahrscheinlich verbringt er die nächsten Nächte schlaflos, weil er auf den Anruf der Kanzlerin wartet, die ihn gefälligst mal mit Lob überschüttet für sein Durchhalten. Das ist sauerländische Starrköpfigkeit, wie man sie am Niederrhein nie vermutet hätte.
Von atemberaubender Schönheit ist Sauerlands Argument, nur durch sein Verweilen im Amt könne er zur Aufklärung beitragen. Dass sich auch Verbrechen besser aufklären lassen, wenn die Hauptakteure im Knast kunstvoll befragt werden, hat ihm nur noch keiner gesagt.
Es geht ihm doch nur um die Stadt, die sich für den Tatort-Kommissar Schimanski erst schämte, ihn dann an die Brust drückte und schließlich beweinte, als er 1991 am Drachen entschwebte. Vorbei war es mit dem Alleinstellungsmerkmal des quotenbringenden Tötens, unterbrochen nur von den seltenen Schimmi-Comebacks und den Mafiamorden 2007.
Jetzt ist die Stadt endlich wieder in den Schlagzeilen, wird sich Sauerland bis Samstagabend gedacht haben und danach, dass schlechte Schlagzeilen immer noch besser sind als gar keine Presse. Dafür geht er durch die Hölle und über 20 Leichen, bis zur Selbstverleugnung und darüber hinaus. Schuld hat er nicht, vorläufig, vielleicht ist alles eine Täuschung, die Toten gab es gar nicht, die Loveparade hat nie stattgefunden, jedenfalls nicht in dieser Stadt, deren Namen ihm gerade entfällt. Nur Oberbürgermeister ist er noch. Das zählt.
Nicht zählen kann er auf alte Kumpels. Widerlich muss ihm ein Panikforscher mit dem klingenden Namen Schreckenberg sein, der erst das Sicherheitskonzept auf absurde Art lobt, um wenig später die Wende zum einzig kundigen Kritiker hinzulegen. Zufrieden kann er sein, dass er nicht so ist wie das Kulturdreigestirn Pleitgen, Scheytt und Gorny, das erst die Loveparade knutschte, als sei es komplett auf Ecstasy, um nach der Flucht durch luxuriös ausgelegte Notausgänge darauf hinzuweisen, nur rein zufällig von diesem Event in der Zeitung gelesen zu haben. Noch vor Wochenfrist sabberten die Offiziellen auf der gesperrten A40 vom emotionalen Gründungsmoment der Metropole Ruhr. Die Toten gab es dann sechs Tage später woanders, in dieser Schmuddelstadt kurz vor Holland, irgendwo an der Rheinschiene, in äh… Duisburg.
Im vergangenen Sommer haben wir eine Geschichte über den mangelnden Arbeitseifer der damaligen Europawahl FDP-Spitzenkandidatin Silvana Koch-Mehrin veröffentlicht. Das begriff mindestens ein Mitarbeiter der FDP als Arbeitsaufforderung.
Und sie waren fleißig, kommentierten in den betreffenden Artikeln. Was natürlich absolut ok gewesen wäre, wenn sie es nicht anonym getan hätten. Dafür wurde die FDP nun vom Deutschen Rat für Public Relations abgemahnt. Hier die Presseerklärung der DRPG:
PR-Rat mahnt FDP
Berlin, 26.07.2010 Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) hat nach eingehender Prüfung eine öffentliche Mahnung gegen die Bundesgeschäftsstelle der FDP ausgesprochen. Diese hatte zugegeben, dass ein Mitarbeiter der Pressestelle mehrfach unter verschiedenen Pseudonymen Kommentare zu einem FDP-kritischen Blogbeitrag gepostet hat. Die verdeckte PR wurde von FDP Rechnern aus online gestellt.
Nachweislich sechs anonyme Kommentare im Blog www.ruhrbarone.de können einem Mitarbeiter der FDP zugeordnet werden. Zwar wurden die FDP-freundlichen Kommentare nicht von Vorgesetzten beauftragt, allerdings gab es auch keine internen Richtlinien oder Verweise auf Verhaltenskodizes der Kommunikationsbranche, die Mitarbeitern der FDP verdeckte PR untersagt hätten.
Wenn wie in diesem Fall Mitarbeiter einer Organisation in deren Sinne anonyme Kommentare in Blogs einstellen, verstoßen sie gegen verschiedene Kodizes der Branche. Insbesondere das Transparenzgebot des DRPR zur Kontaktpflege im politischen Raum wird verletzt. Daher spricht der Rat eine Mahnung gegen die FDP-Bundesgeschäftsstelle aus.
Positiv bewertet der DRPR, dass die Bundesgeschäftsstelle der FDP sich von verdeckten PR-Maßnahmen distanziert und ihre Mitarbeiter für die Problematik sensibilisiert hat. Die FDP hat zudem an der Aufklärung des Falls mitgewirkt. Allerdings sind bislang Richtlinien zur transparenten Kommunikation für Mitarbeiter der FDP-Bundesgeschäftsstelle nicht verpflichtend. Der Rat empfiehlt daher, umgehend klare Verhaltensregeln für die gesamte Kommunikation der Partei einzuführen, online und offline.
Biologe Jens Krause von der Humboldt-Universität zu Berlin forscht darüber, wie Menschenmengen gesteuert werden können, zum Beispiel für eine Evakuierung bei einem Brand. Seine These: Ausreichend platzierte und geschickt agierende Ordner hätten die Loveparade leiten und Paniken verhindern können.
Herr Krause, Sie erforschen das Verhalten von Menschenmassen. Sind so große Veranstaltungen wie die Loveparade mit Millionen von Teilnehmern überhaupt zu kontrollieren?
Jens Krause: Mit dem richtigen Konzept sind auch Millionen Menschen gut zu kontrollieren. Wenn der Veranstalter weiß, wo sie sich lang bewegen und wo es möglicherweise eng wird, ist das sogar sehr gut zu regulieren. Aber die Organisatoren müssen auf den Ansturm vorbereitet sein. Niemand kann hoffen, wenn die Massenpanik oder Enge auftritt noch reagieren zu können. Dann ist es zu spät.
Wie kommt es denn, dass Personengruppen von einer Minute auf die andere so unkontrollierbar werden wie auf der Duisburger Loveparade?
Meist baut sich das Unglück langsam auf. Wenn sich große Menschenmengen bewegen und an bestimmten Stellen wie hier in einem Tunnel verdichtet werden wie in einem Flaschenhals, dann verliert der einzelne die Kontrolle. Zuerst werden die Bewegungen immer langsamer und wie im Straßenverkehr setzt dann ein Stop- and-Go ein. Dann wird es dichter und dichter, manchmal stehen sieben bis zehn Menschen auf einem Quadratmeter. Die Menschen werden an die Tunnelwand gedrückt, wollen fliehen oder sie fallen und kommen nicht mehr hoch.
Werden Menschen in der Panik dann egoistisch und helfen dem an Boden liegenden zum Beispiel nicht mehr auf?
Nein, sie können nicht helfen. In einer so dichten Menschenmenge können sie nicht mehr gezielt handeln, sie sind in einer Druckwelle gefangen. Sie wollen raus und verschlimmern es meistens noch, in dem sie anfangen zu drücken und zu schieben. Dadurch wirken enorme Kräfte. Es treten Turbulenzen wie im Wasser auf, die Leute werden wie Wellen hin- und hergeschoben. Keiner will das, aber niemand kann das stoppen.
Das klingt wie eine ausweglose Situation. Können denn die Ordner nicht eingreifen?
Wenn sich einmal dieser Druck aufgebaut hat kann auch das Sicherheitspersonal nicht mehr reagieren. Sie müssen von Anfang an die Gruppe unter Kontrolle haben. Unsere Forschungen haben gezeigt, dass sie fünf bis zehn Prozent Personen brauchen, um eine Menge zu kontrollieren. Sie können 200 Menschen mit zehn Personen in die richtige Richtung leiten, zum Beispiel zum Notausgang. Dafür müssen diese Ordner nicht gestikulieren oder über das Megaphon sprechen, sie müssen nicht einmal eine Uniform tragen. Sie müssen sich einfach nur deutlich und zielgerichtet bewegen, alle anderen kopieren sie dann. Wir bezeichnen das als Schwarmintelligenz.
Umgerechnet auf die Loveparade hätten dann ja 100 000 Ordner da sein müssen, das ist doch unmöglich.
Sie müssen ja nicht die ganze Menge beeinflussen, sondern ihr vor allem am Anfang den richtigen Impuls geben. Diese Anzahl brauchen sie dann an den gefährlichen Stellen, wie an diesem Tunnel. Dort müssen sich Sicherheitsleute strategisch positionieren, nicht nur am Rand, sondern auch in der Mitte der Menge und die anderen anleiten. Gerade in Gruppen neigen Menschen dazu, Personenzu folgen, die offenbar Ortskenntnisse haben.
Als die Panik einmal ausgebrochen war, was hätte dann getan werden müssen?
Sie müssen sofort den Druck verringern, in dem die gedrängte Menge sich auflösen kann. Sie müssen nach hinten sperren und Seitenausgänge schaffen. In Mekka haben sie nach dem großen Unglück von 2006 Videokameras installiert, die die Dichte der Menschenmasse misst und das Stop – and Go-Phänomen beobachtet. Wenn es brenzlig wird, werden die Eingänge verschlossen und Ausgänge geöffnet. Das funktioniert ganz hervorragend.
Verhalten sich denn Pilger von Mekka genauso wie die jungen Techno-Raver?
In so großen Mengen werden individuelle Unterschiede unwichtig. Alle unsere Tests zeigen, dass sich Menschen in Massen gleich verhalten, egal ob sie 18 oder 80 sind. Wenn die Raver viele Drogen konsumieren, sind sie möglicherweise desorientierter. Aber das spielt auch nur eine geringe Rolle. Der Einzelne kann in der Masse ohnehin nicht rational entscheiden.
Gerüchten zufolge erwäge der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) seinen Rücktritt.
Diese Gerüchte wurden uns unabhängig voneinander aus zwei Quellen zugetragen:
Aus Kreisen der lokalen Kommunalverwaltung und aus Kreisen einer politischen Organisation.
Es hieß zum einen, daß Sauerland seiner politischen Verantwortung wohl nicht mehr entfliehen könne.
Es hieß zum anderen, daß mit seinem anzustrebenden Rücktritt der gigantische Schaden für die Kommune einstweilig zu begrenzen sei.
Zur Stunde – Montag ein Uhr nachts – sind offizielle Stellen zur Befragung in dieser Hinsicht nicht erreichbar.
Wir werden das Gerücht heute vormittag offiziell einschätzen lassen.
Update, 26.07. – 11.00 Uhr.
Im Interview des WDR-Morgenmagazines hat OB Sauerland seinen baldigen Rücktritt nicht ausgeschlossen. Zunächst müsse „das schreckliche Geschehen aufgearbeitet werden“.
Einen Tag nach der Katastrophe will der Innenminister nicht mehr ganz so genau gewusst haben, wie die Millionen Raver gesichert werden sollen. Eine am Freitag verbreitete offizielle Pressemitteilung von Innenminister Ralf Jäger (SPD) unter dem Titel „Feuerwehr, Hilfsorganisationen und Polizei professionell auf Love-Parade vorbereitet“ wurde von der Homepage der Landesregierung genommen. Am Sonntagnachmittag war zunächst noch die Überschrift zu lesen, die dahinter liegende Seite konnte „nicht gefunden werden.“ Inzwischen fehlt selbst die Überschrift. „Aus Pietätsgründen“ sei die Meldung von der Seite genommen werden, wie ein Sprecher des Innenministeriums sagt. Hier istsie noch zu finden.
Tatsächlich ist davon auszugehen, dass Innenminister Jäger über die Details der Planungen nicht informiert gewesen ist. Die Hauptverantwortlichen sitzen wahrscheinlich an anderer Stelle. Nichtsdestotrotz wäre dies ein Anlass, über die Flut an offenbar substanzlosen PR-Meldungen nachzudenken. Seine eigene Meldung könnte Jäger nun in den kommenden Tagen Probleme bereiten. Am potentiellen Erfolg der Veranstaltung wollte der Sozialdemokrat offenbar teil haben. „Alle sind hoch motiviert und haben sich professionell vorbereitet“, hieß es in der inzwischen gelöschten Pressemitteilung. „Wir sind in der Lage, schnell zu helfen und den bestmöglichen Schutz für die Menschen zu gewährleisten“, stellte Jäger dort fest. Tatsächlich hatte der Duisburger offenbar nur Kenntnisse vom Sicherheitskonzept der Polizei. „Für das Sicherheitskonzept auf dem privaten Gelände sind die Stadt und der Veranstalter verantwortlich,“ so ein Sprecher von Jäger. Am heutigen Sonntag wollte sich Jäger übrigens nicht mehr äußern und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abwarten.
Sicher, heute kann niemand sagen wer persönlich die Schuld an dem Duisburger-Desaster trägt. Trotzdem gibt es einen Grund für Rücktritte: Vertuschungsgefahr. Von Stefan Laurin und Thomas Meiser
Welche Schuld trägt Duisburgs jovialer Oberbürgermeister Adolf Sauerland? Was hat Duisburgs Sicherheitsdezernent Wolfgang Rabe an Schuld auf sich genommen? Hat die Polizei versagt? Die Veranstalter? Die Ruhr2010 GmbH? Das alles werden wir erst in Wochen, wenn nicht in Monaten wissen.
Auf der Pressekonferenz vorhin haben einige der Verantwortlichen deutlich gemacht, dass sie auf Zeit spielen. Das kann gelingen.
Aber das darf nicht gelingen.
Unabhängig von jeder juristischen Schuld, deren Feststellung einer genauen Prüfung bedarf, müssen Verantwortliche wie Sauerland, Rabe oder der faktische Polizeichef Detlef von Schmeling die politischen Konsequenzen tragen.
Und mit ihrem Rücktritt vorbehaltlose Ermittlungen erst ermöglichen.
Wer das Ruhrgebiet kennt, und das darf man uns getrost unterstellen, kennt den Filz, der das Revier bedeckt.
Dieser geht über Parteigrenzen, vermischt sich mit den Behörden und zahlreichen Unternehmen.
Wer es hier schafft, nach einer Katastrophe die ersten Tage zu überstehen und das Heft in der Hand zu behalten, hat gute Chancen durchzukommen – und die Abschlussberichte und die Ermittlungen in seinem Sinne zu beeinflussen.
Bauernopfer werden nach vorne geschickt und später für ihre Treue belohnt.
Im Ruhrgebiet hat man immer noch gute Gründe gefunden, Versager nicht in die Wüste zu schicken und Verantwortlichkeiten klein zu reden.
Deshalb müssen jetzt die Konsequenzen gezogen werden. Das ist die Grundlage der Aufklärung.
Alle Folgen der historischen PK, in der sich die für die Loveparade-Katastrophe in Duisburg Verantwortlichen der Welt lächerlich machen – hier (6 von 6).
Und dann würden wir gern noch eines wissen:
Wer war dafür verantwortlich dafür, dass im VIP-Bereich die Party weiterging?
Dass die Lauschepper weiter lustig saufen konnten nach der Katastrophe?
Die Loveparade nicht sofort zu beenden – das mag auch sicherheitstaktischen Gründen die richtige Entscheidung gewesen sein.
Den B-Promis hätte man den Spaß-Stecker ziehen können.
/Ach ja, wer uns zu dieser Sache, deren Vertuschung damit begonnen hat, daß keine Verantwortung übernommen wurde von welchen Zuständigen auch immer, was mitteilen will
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