Festival Prototypen:// findet statt

Es sah so aus als ob das Festival Prototypen:// in der Dortmunder Nordstadt wegen der Nazi-Demo angesagt werden würde. Das ist vom Tisch.

Unabhängig ob die Nazis am Samstag in Dortmund demonstrieren oder nicht: Protypen:// findet statt. Hier ein paar Infos über das Festival von den Machern sowie ein Programm.

Ein Multimedia-Festival ohne Strom aus der Steckdose – so lautet die Intention des bevorstehenden Projekts vom „Labsa e.V.“. Die Projektautoren und Künstler aus Dortmund möchte mit dem Prototypen:// Festival auf ein langfristig erfolgreiches Zusammenleben des Menschen mit seiner Umwelt aufmerksam machen. Internationale Künstler ( aus Polen, Dänemark, Ungarn und Deutschland) Wissenschaftler und Musiker werden dabei die zentralen Themen globale Energiewende, urbane AgrarKultur und künstlerischer Ausdruck im öffentlichen Raum beleuchten und Beispiele dafür geben, wie sich die Besucher aktiv daran beteiligen können. Von Sonnenaufgang des 4. September bis Sonnenaufgang des 5. September erwarten den Besucher neben Medienkunst, Konzerten und Theater auch Vorträge, Diskussionen und Workshops zum Thema Zukunft.
Der Eintritt auf das Gelände an der Münsterstraße in Dortmund ist kostenlos.

Was? Prototypen://  24-stündiges Multimedia-Festival ohne Strom aus der Steckdose
Wann? 24 Std. lang, von Sonnenaufgang des 4. bis Sonnenaufgang des 5.September 2010
Wo? gARTen an der Münsterstr. Ecke Mühlenstr., nahe Dortmund-Hbf
Mehr? www.labsa.de

Programmübersicht:

06.30 Uhr    Rosa Montana | Sun Yoga für alle | auf der Wiese
10.00 Uhr    Zamok Theater & Jugendlichen des Theater Lebendich |Parade|Innenstadt
10.30 Uhr    Felicity Management | Frühstücks-Matinee | Solar Lounge
ab11.30 Uhr  Maciek Łepkowski, Karolina Witowska | Micro Garden Workshop
Randolf Meyer-Grochowiak | Hochbeet-Workshop
Ulrike Fischer | Aktionskunst |auf der Wiese
12.30 Uhr    Palosanto | Musik | gARTen Bühne
13.30 Uhr    A. Schlumberger – Die Welt retten – kinderleicht | Vortrag | geplant
14.00 Uhr    Binaura | New Media Performance | auf der Wiese
ab14.00 Uhr bedingungsloses Grundeinkommen – Bürgerinitiative  Dortmund  Informationsgespräch | auf der Wiese
15.00 Uhr    rein | Konzert | gARTen Bühne
16.00Uhr     Manfred Linz – Wege zu einer sauberen Energie | Vortrag mit Diskussion | auf der Wiese

18.00 Uhr    Moondog Duo | Konzert | gARTen Bühne
19.30 Uhr    Zamok Theater | Straßentheater | auf der Wiese
20.30 Uhr    Akkustische Jam Sassion | Musik | gARTen Bühne
22.00 Uhr    Fremdform & Radioaisle | Installation & Konzert | auf der Wiese
23.00 Uhr    sweetSixteen Flimclub mit Terry Gilliams “BRAZIL” | 16mm Film | auf der Wiese
01.00 Uhr     L’esprit du temps | Konzert | Solar Lounge
ab 02.30 Uhr Thury Tonarm, Till, VJ Stroms | DJ Set | Solar Lounge
ab 6.00 Uhr  Jessy | Hang Drum Spiel | auf der Wiese

ganztägig
Binaura Performance | Interaktive Installation | ab 14.30 auf der Wiese
Prinzessin Linda Quinda | dokumentarisches Zeichnen – live | auf der Wiese
Irina Berginc | Mobile – Workshop | auf der Wiese
Kim Yasmin Siemon | Intervention im Raum & Workshop | auf der Wiese
Jessy | Massagen | Somnium Zelt
Somnium Traumzelt | Gelegenheit zum Ruhen | ab Sonnenuntergang im Somnium Zelt
Initiative Solarmobil Ruhrgebiet e.V. | Informationsgespräch | auf der Wiese
Ulrike Fischer | Aktionskunst | auf der Wiese

… und Gäste

Polizei verbietet Nazi-Demo in Dortmund

Die Dortmunder Polizei hat die für Samstag geplante Nazi-Demo in Dortmund verboten. Das Rechtsrock-Konzert am Freitag soll allerdings stattfinden.
Soeben hat die Dortmunder Polizei die für Samstag geplante Nazi-Demo in Dortmund verboten. Polizeisprecher Peter Schulz sagte auf Nachfrage, dass der Grund die Festnahme eines 19jährigen Rechtsradikalen in Aachen gewesen sei. Schulz: „Von dem Mann geht eine erhebliche Gefahr aus.“ Die Staatsanwaltschaft wirft ihm die Vorbereitung eines Bombenanschlags vor. Der Festgenommene steht in Verbindung zur geplanten Nazi-Demo und war auch am Überfall auf das Szene-Lokal HirschQ vor wenigen Tagen beteiligt.
Auf den Nazi-Sites steht noch nichts davon, dass  Schritte gegen das Verbot geplant sind. Die Polizei geht allerdings letztendlich von einer richterlichen Entscheidung in letzter Minute aus.

Westfalen würden Nobbi wählen

Norbert Röttgen

Es riecht nach selbst gebratenen Frikadellen und Pomade. Zum ersten Rededuell um den Landesvorsitz der NRW-CDU kamen am Mittwochabend mehr als 800 Christdemokraten in die Stadthalle Münster Hiltrup. Die meisten sind über 60-jährige Männer in braunen Wildlederjacken. Könnten die Westfalen ihren neuen Landeschef alleine wählen, wäre Norbert Röttgen wohl das künftige Gesicht der CDU in Nordrhein-Westfalen. Das erste Duell mit Armin Laschet um den Vorsitz im größten Landesverband der CDU entschied der Bundesumweltminister für sich. Schon nach wenigen Worten erhielt Röttgen deutlich mehr Applaus als der ehemalige NRW-Integrationsminister. Röttgen gab präzisere Antworten und bezog klarer Stellung als sein Kontrahent und hatte den aufgeheizten Saal im Griff.

Nun haben Laschet und Röttgen noch einen Monat und sieben weitere Konferenzen Zeit, die 160 000 Mitglieder im Land zu überzeugen. Laschets stärkstes Argument ist seine Präsenz im Düsseldorfer Landtag. „Diese rot-grüne Minderheitsregierung ist so instabil, dass sie morgen zerbrechen kann. Ich bin 100 Prozent im Landtag,“ stichelte er in Richtung seines Berliner Kontrahenten.

Dem kontert Röttgen, er könne die Interessen zum Beispiel der notleidenden Kommunen in Berlin vertreten. „Die erste Aufgabe von uns ist es, die Düsseldorfer Regierung so schnell wie möglich beenden. Ich sage klar, ich möchte die kommende Landesregierung hier anführen“, sagte Röttgen.

Bislang scheint Laschets Strategie, sich die öffentliche Unterstützung der Funktionäre im Land zu sichern, nicht aufzugehen. Möglicherweise nimmt ihm die Basis seine Nähe zum abgewählten Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers übel. Der hatte in der kargen Mehrzweckhalle seinen ersten Auftritt nach der Schlappe im Mai, beschränkte sich aber darauf, als unparteiischer Moderator wortkarg auf der Bühne zu sitzen.

Rüttgers hatte sich vor mehr als einem Jahrzehnt selbst in Münster-Hiltrup der Basis gestellt – und am Ende ja bekanntlich gewonnen. Nun hat er die Landtagswahl nach nur einer Amtszeit verloren und wird den Parteivorsitz abgeben. Alle 160 000 Mitglieder an Rhein und Ruhr können bis zum 30. Oktober per Brief seinen Nachfolger wählen.

Inhaltlich waren die beiden Rheinländer Laschet und Röttgen auf einem Kurs: Beide finden Thilo Sarrazin und seine ausländerfeindlichen Thesen inakzeptabel, beide wollen verhindern, dass es eine Partei rechts der CDU gibt und natürlich befürworten sie den Mindestlohn in bestimmten Branchen, wollen eine christliche Politik durchsetzen und die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen stellen. So suchen und betonen beide nur einen formalen Unterschied – der eine arbeitet eben in Berlin, der andere in Düsseldorf. Trotzdem gehören beide dem modernisierendem Flügel der Partei an und sind zum Beispiel für schwarz-grüne Bündnisse offen.

So ist das bürgerliche Westfalen eigentlich für keinen der beiden Großstädter ein Heimspiel. Hier sind die Kreisverbände von Bauern bestimmt, die Kirchen am Sonntag noch gefüllt und nicht selten ist der Schützenkönig auch Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes. „Warum haben wir nicht einen Handwerker an der Spitze im Land?“, fragt einer. Eine andere möchte die Landesmittel für Abtreibungen streichen, ein dritter die Zuwanderung stoppen.

Für die CDU-Basis war es die erste Gelegenheit zur Aussprache nach der verlorenen Landtagswahl im Mai. Sie kam auch zahlreicher als bei den meisten Veranstaltungen der CDU im verlorenen Landtagswahlkampf. Ein Fragesteller bezeichnet die Versammlung ironisch als „erweiterte Seniorenunion.“ Auch der Speisezettel war westfälisch auf sie abgestimmt. Es gab münsterländische Frikadellen und Pfefferbeißer. Mit Senf, aber ohne Brötchen.

Freude ist…wenn ein animiertes GIF von 2 x 1 m crasht…

P1030025crEs gibt ein festes Gesetz in Deutschland: Werbung ist erst dann gut, wenn sie nervt, ärgert, auf den Sack geht. Deshalb rülpst und gackert es im WWW auch auf den meisten Seiten in Flash.

Leider werden diese rüden Sitten inzwischen in das Offline-Leben übernommen – und da gibt es keinen Flash-Blocker. Aber manchmal zumindest einen ‚Browser-Crash‘.

Aus anderen Ländern kennt man die „Cannes-Rolle“ mit den lustigsten Werbefilmen. In Deutschland gibt es im Kino auch mal eine witzige Werbung, die meiste Werbung ist aber „für total Doofe“. Im Fernsehen genauso, es wird brüllend laut, man muß einfach sofort den Ton abstellen, damit einem nicht die Bücher aus dem Regal fallen und die Nachbarn die Bullerei holen.

Übers Radio schweigen wir besser, im Zeitalter der Stationstasten hilft hier eine schnelle Reaktion. Im Internet zappelt und röhrt es auch auf allen Seiten, „Flash“ heißt hier das Mittel der Qual.

„Holzmedien“ und Plakate sind dagegen immerhin noch statisch. Normalerweise.

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Leider auch nicht immer: Aus der Computerzeitschrift purzelt garantiert beim Einsteigen in die gerade noch erwischte U-Bahn ein 1&1-Einleger auf den Bahnsteig („Junger Maaaann! Sie haben gerade etwas verloren, würden Sie das bitte wieder aufheeeben?!!!i“). Und Plakate bewegen sich inzwischen leider auch. Vordergründig, um mehrere Werbeflächen verkaufen zu können – tatsächlch, weil Bewegung aufregt, alarmiert, zum Hingucken reizt. Deshalb sind bewegte Plakate an Straßen auch in Deutschland verboten.

Nicht so in Bahnhöfen. Wenn man so in Gedanken zum Zug rennt und sich plötzlich vor einem der Boden hebt, daß es einen vor Schreck fast hinlegt, so denkt man erst einmal an ein Erdbeben oder einen Bombenanschlag. Ist aber nur ein Plakat, das eine ganze Wandsäule bedeckt und gerade nach oben rollt. Nerv!

Ab und zu verheddert sich so ein Teil aber mal. Ist nämlich reine Mechanik, gepaart mit einer Menge an Leuchtstofflampen, bei der so manches Solarium vor Neid erblassen würde. Und dann ist Schluß mit der Großflächen-Animation – und es wird in den dunklen Gängen plötzlich taghell.

Leider gibt es keine (legale) Methode, diese Werbeplakate abstürzen zu lassen.

Aber immerhin die Freude, daß am nächsten Tag wieder eins gecrasht war – und diesmal auch die anderen mit anhielt:

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Der Ruhrpilot

Nazis: U-Turm protestiert am Samstag gegen Nazis….Der Westen

Nazis II: Eskalation zwischen Nazis und Autonomen verhindert…Ruhr Nachrichten

Nazis III: Dortmunds Polizei verbietet Samstag-Nazi-Demo…Der Westen

Loveparade: Krieg der Gutachter…Der Westen

NRW: Kampf um die Führung der NRW-CDU…Stern

NRW II: CDU-Mitglieder zum Schlagabtausch…Kölnische Rundschau

NRW III: Zukunft. Röttgen…Dirk Schmidt

NRW III: Grüne wollen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) zustimmen…Pottblog

NRW IV: Grüne tragen “Schwarz-Gelbe Altlast”…Netzpolitik

Ruhrgebiet: Der letzte macht das Licht aus…Bottblog

Ruhr2010: Brüche und Vitalität der Metropolen Istanbul|Ruhrgebiet…Hometown Glory

Ruhr2010 II: Kunstpfad Ruhr – So ganz habe ich es noch nicht verstanden…Zoom

Bochum: NPD-Landeschef nicht länger Fußball-Jugendbetreuer…Dattelner Morgenpost

Essen: Neues RWE-Stadion soll 20.000 Fans fassen…Der Westen

Essen II: Alternative Szene feiert bei „Essen originell“…Der Westen

Gladbeck:…verschwindet von der Landkarte…Der Westen

Debatte: Sarrazin bei Plasberg…DL

Debatte II: Sarrazin lenkt vom Versagen der Oberschicht ab…Frontmotor

Debatte III: Der jüdische Genpool…Achse des Guten

Wirtschaft: Insolvenzverwalter setzt Karstadt-Vermieter unter Druck…Zeit

Wirtschaft II: Großmann baut RWE um…Handelsblatt

Vorbild Sarrazin

Seit einigen Tagen schockt Thilo Sarrazin die Republik. Nahezu geschlossen fordern Vertreter der etablierten Parteien und Zeitungs-Kommentatoren seinen Rücktritt als Vorstand der Bundesbank. In der Bevölkerung kann Sarrazin aber auf eine breite Unterstützung bauen.

Laut einer vom Nachrichtensenders N24 in Auftrag gegebenen Emnid-Umfrage lehnen 35 Prozent seine Thesen zwar ab, allerdings stimmen 30 Prozent der Befragten diesen zu. Noch deutlicher wird das Votum der Zuschauer von ProSieben und Sat.1.

Die beiden Sender veröffentlichen auf ihren Videotext-Seiten Umfragen die bedenkliches zu Tage fördern: Demnach geben 94,5 Prozent der Sat.1-Zuschauer Sarrazin mit seinen Thesen Recht. Nur ein verschwindend kleiner Teil stuft seine Äußerungen als „gefährlich“ oder „unsinnig“ ein.

Wer nun glaubt, die Zuschauer stammen aus dem rechten Spektrum, der hat sich getäuscht. Der Ted-Umfrage zufolge wählen über 60 Prozent der TV-Konsumenten von Sat.1 SPD, Linkspartei oder die Grünen.

Nicht viel besser sieht es bei ProSieben aus. 77,9 Prozent sehen dort Sarrazin sogar als Vorbild und 16,8 Prozent als „mutigen Mann“. Als Spalter (1,5 Prozent), Populist (0,3 Prozent) oder Hetzer (3,4 Prozent) bezeichnet ihn nur eine Randgruppe.

Die TV-Umfragen lassen sicherlich nur begrenzt Rückschluss auf die tatsächliche Meinung der breiten Bevölkerung zu, aber sie geben ein Stimmungsbild wieder. Und immerhin haben mit 5333 (Stand 21 Uhr) Stimmen fünf Mal mehr Leute ihre Meinung abgegeben als bei der Emnid-Umfrage.

Sollte Sarrazin mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ nicht nur schnell Kasse machen wollen (bei Amazon Platz eins), sondern auch politische Ambitionen hegen, dann wird es kalt in Deutschland.

Einundzwanzig Tote, Null Verantwortliche

Eine Tragödie ohne Schuldige?

Dieses bezahlte Urteil konnte nur ein Freispruch sein: Sechs Wochen nach der für 21 Menschen tödlich endenden Loveparade hat die Stadt Duisburg ein Gutachten zu ihrer Entlastung vorgelegt. Die Düsseldorfer Kanzlei Heuking sollte prüfen, ob in der Verwaltung Fehler gemacht wurden. Am Mittwochnachmittag zogen  die Juristen das vorhersehbare Fazit: „Die Stadt Duisburg hat ihre Amtspflichten beachtet und keine juristischen Fehler begangen.“

Wochenlang hat die Stadt Duisburg geschwiegen, nun sollten Juristen ihre Weste weiß waschen. Laut Anwältin Ute Jasper hätten diese „stur chronologisch die Sachverhalte geprüft“. In erster Linie hätten sie sich dabei auf Aussagen der Mitarbeiter verlassen. „Wir prüfen nicht, wer letztendlich Schuld war am tragischen Unglück,“ so Jasper. Sie hätten nur analysiert, ob formale Fehler begangen wurden.

Offenbar wollte die Stadt Duisburg nun in die Offensive gehen. Schließlich hatten die beiden anderen Beschuldigten der Tragödie, die Polizei und der Veranstalter Lopavent, schon über zahlreiche Medien ihre Unschuld versucht zu beweisen. Lopavent-Chef Rainer Schaller stellte Anfang der Woche Videoaufnahmen online, nach denen die Polizei für die tödliche Massenpanik im Tunnel verantwortlich sein soll. Sie hatte drei Ketten gebildet, die letztendlich den verheerenden Stau auf den Zugangswegen verursacht haben könnten.

Inzwischen stehen sich über die Loveparade drei widersprüchliche Gutachten gegenüber. Sie betonen jeweils die Unschuld ihrer Mandanten. Nur wenige Stunden vor der Duisburger Konferenz hatten Bonner Verwaltungsrechtler am Mittwochmorgen im Auftrag des nordrhein-westfälischen Innenministeriums ihrerseits ein Gutachten vorgestellt, nach dem die primäre Verantwortung für die Sicherheit auf der Loveparade beim Veranstalter Lopavent lag. Die Juristen kritisieren etwa, dass in dem von Lopavent vorgelegten Sicherheitskonzept weder eine Mindestanzahl der Kräfte des Ordnungsdienstes, noch die Sicherheitsdurchsagen festgelegt sind. Gleichzeitig weisen die Bonner Juristen der Stadt Duisburg die „allgemeine und übergreifende Zuständigkeit für die Sicherheit der gesamten Veranstaltung“ zu.

Vorhersehbar widerspricht die Kanzlei Heuking. „Die Stadt hat nicht die allgemeine Verantwortung für das Sicherheitskonzept“, betonte Jasper. Nicht beantworten konnte die Verwaltungsexpertin allerdings die Frage, wer am Tag der Loveparade die verhängnisvolle Stauung im Tunnel hätte verhindern müssen. Zwar sei in einigen Szenarien vor der Veranstaltung immer wieder betont werden, eine Stauung im Tunnel unbedingt zu verhindern. Und selbst nach diesem Gutachten hätte die Stadt als Ordnungsbehörde in einer Telefonkonferenz die Sperrung der Zugangswege bei einer drohenden Stauung veranlassen müssen. „Über die möglichen Telefonate liegen uns aber keine Informationen vor“, so Jasper. Warum ausgerechnet hier, am entscheidenden Punkt der Tragödie, nicht genauer überprüft wurde und er auch nicht in dem mehrere hundert Seiten dicken Gutachten erwähnt wird ist schleierhaft. Ohnehin steht die Kanzlei im Verdacht, der Stadt nahe zustehen: Seit Jahren erhält sie lukrative Aufträge der Kommune.

Der umstrittene Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) ließ sich in dem Konferenzsaal erst gar nicht blicken. Er wird am Donnerstag im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtages berichten. Hier wiederum wird Veranstalter Rainer Schaller nicht anwesend sein: Er bleibt die parlamentarische Aufklärung schuldig. Erst in letzter Sekunde hat er seinen Auftritt in der Fernsehsendung Kerner abgesagt, weil der „Druck“ zu groß gewesen sei. Knapp sechs Wochen nach der verheerenden Katastrophe ist niemand bereit, Verantwortung zu übernehmen.

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S4-Bündnis: „Dortmund hatte schon immer ein massives Naziproblem!“

Das S4-Bündnis will gegen die für das Wochenende geplanten Nazi-Demonstrationen protestieren. Die Dortmunder Polizei tut alles, um dieses Protest zu erschweren. Wir sprachen mit Sonja Brünzel, der Presseprecherin des S4-Bündnisses.

Ruhrbarone: Die Polizei hat dem S4-Bündnis den Protest gegen die Nazis sowohl
 am Freitag als auch am Samstag in deren Nähe
untersagt. Was waren die Gründe für das Verbot?

Sonja Brünzel: Die Gründe waren ähnlich wie die im letzten Jahr: Der wichtigste Punkt ist der, dass wir eine „Gefahrenprognose“ bekommen haben. Dort heißt es, wir gelten als militant und gerade unser Publikum würde mit „Molotowcocktails und Pflastersteinen“ auf Polizeibeamte losgehen. Dabei versucht die Polizei uns alles, was letztes Jahr an Straftaten gelaufen ist, unterzuschieben. Dies ist jedoch fernab jeder Realität, da wir bereits letztes Jahr weitab der Neo-Nazis starten mussten. Fakt ist: Aus unserer Versammlung heraus ging keinerlei Gewalt aus! 
Zusätzlich behauptet die Polizei, es wäre unmöglich uns am Hauptbahnhof starten zu lassen, weil dort Konflikte mit einer weiteren linken Demo zu befürchten wären und beruft sich dabei auf angebliche Aussagen des Anmelders der anderen Demo.
Das dritte und wahnwitzigste Argument ist, dass wir mit einer Demonstration in der Innenstadt dem Einzelhandel schaden würden. Die Polizei befürchtet, dass durch eine Demo in der Innenstadt mögliche Konsumentinnen und Konsumenten abgeschreckt werden.

Noch im vergangenem Jahr ist die Dortmunder Polizei mit einem
Verbot der Nazi-Demo gescheitert. Dieses Mal wurde dieser Weg nicht
beschritten. Ein Fehler?

Die Klage im letzten Jahr war insofern effektiv, dass die Neo-Nazis demobilisiert wurden. Trotzdem kamen noch ungefähr 800 zu der Kundgebung im Hafen. Natürlich ist es in gewisser Form immer schön, wenn es ein vorläufiges Verbot einer Nazidemo gibt. Selten hat dies jedoch rechtlich “Hand und Fuss”. Der Polizei ist dies bewusst. Durch die Klage, welche die Nazis im Zuge des Verbotes geführt und schlussendlich gewonnen haben, wurde rechtlich geklärt, wie die Lage aussieht und somit war ein Verbot in diesem Jahr nicht möglich. 
Stattdessen versucht die Polizei nun jeglichen Protest gegen die Nazis zu verbieten. Dabei ähneln sich die Verbote in gewissen Punkten, was einer Gleichstellung nahe kommt, und allein deswegen schon ein Skandal ist.
Dazu kommt, dass man das Naziproblem nicht mit Verboten beenden kann. Dabei geht es meist ausschließlich um die Darstellung der Stadt und deren Bekundungen etwas gegen Nazis zu machen. Wirklich etwas erreichen wird man nur, wenn eine große Anzahl von Menschen deutlich macht, dass sie die Nazis nicht wollen. Da gibt es zahlreiche Protestformen. Verbote helfen leider nur in den wenigsten Fällen, zumal sich die Nazis dadurch nur in ihrem Kampf um eine vermeintlich “freie Welt” bestärkt fühlen.

Wenn die Polizei effektive Protestformen gegen die Nazis untersagt,
was sind Eure Alternativen?

Die Polizei ist an diesem Tag für den Schutz aller Bürger verantwortlich, auch für die Nazis. Wenn die Polizei nun aber meint, alle Gegenveranstaltungen fernab der Nazis stattfinden zu lassen und somit Grundrechte beschneidet, muss sie sich bewusst sein, dass eine Vielzahl von Menschen auf ihr Grundrecht beharren werden. Somit muss auf andere Protestformen zurückgegriffen werden. Wenn die Polizei einen Protest nicht ermöglicht, werden die Menschen, die an diesem Tag in Dortmund auf den Straßen sind, dafür sorgen.
 Am Freitag und Samstag wird es auf dem WAP-Ticker, der unter ticker.nadir.org erreichbar ist, stets aktuelle Informationen zum Geschehen in Dortmund geben. Der Ticker kann mit nahezu jedem handelsüblichen Handy mit Internetfunktion abgerufen werden.
 Zusätzlich wird es zwei Tage lang auf radio.nadir.org ein Antifaradio aus Dortmund geben. Am 3.9. ab 15h und am 4.9. ab 10h werden jeweils Hintergrundberichte, Liveberichterstattung, Lesungen, Interviews und DJ-Sets gesendet.
Als Anlaufpunkt vor Ort gibt es neben mehreren Kundgebungen auch ein sogenanntes “Convergence Center”. Dort gibt es neben Verpflegung und aktuellen Infos auch einen Ort, um sich von allzu heftigen Szenen in der Stadt zurückzuziehen.
Infos über all das findet ihr auf unsere Homepage: s4.blogsport.de

Dortmund ist, unabhängig von der jährlichen Anti-Kriegstag Demo,
eine Nazi-Hochburg. Was sind Eurer Ansicht nach die Gründe und was
kann getan werden damit sich das ändert?

Dortmund hatte schon immer ein massives Naziproblem, nicht erst seit dem Aufkommen der selbsternannten “Autonomen Nationalisten”. Auch in den 80/90ern konnten Neo-Nazis in Dortmund ungestört agieren und Menschen angreifen. Das Problem ist hausgemacht. Die Stadt hat sich zu lange von einem Naziproblem distanziert. Nur durch antifaschistische Arbeit konnte genug Druck aufgebaut werden, dass nun auch die Stadtprominenz Stellung beziehen muss. Jedoch wäre es zu einfach, nur der Stadt oder der Polizei die Schuld zu geben. Sicherlich sind diese Akteure massgeblich. Aber genauso kommt es auf jeden und jede in Dortmund an. Die Nazis sind schließlich nicht nur am ersten September-Wochenende in Dortmund aktiv, sondern das ganze Jahr über. Sei es durch Flyern an Schulen, Aufkleber-Verkleben in Stadtteilen oder offensives Auftreten am Wochenende in der Innenstadt. Solange die Nazis nicht merken, dass alle sie verachten und ihnen entgegentreten, werden diese weiter selbstbewusst und aktionistisch auftreten. 
In Dortmund fehlt in unseren Augen eine Opferberatung für Opfer rechter Gewalt, denn diese gibt es fast täglich. Zudem muss ein Freiraum her, in dem sich Jugendliche selbst und frei entfalten können. Politisches Verständnis entwickeln und sich gegen Neo-Nazis engagieren und organisieren können. In jeder größeren Stadt gibt es ein Linkes/Alternatives Jugendzentrum, was sich um solche Probleme kümmert, nur in Dortmund scheint von Seiten der Stadt kein Interesse daran zu bestehen. Leute, die sich für so etwas stark machen, werden genau wie Antifaschisten kriminalisiert. Das letzte Beispiel hierfür gab es am 13. August als Alternative, Linke und Künstler ein Haus besetzen wollten, um darin Kultur zu schaffen, und dieser Versuch von der Polizei umgehend beendet wurde.

Die EstNische (3): Bärentöter

2010, Ruhrgebiet ist so gut wie vorüber. Das nächste Ding heißt Tallinn 2011, Geschichten von der See. Und ich bin dabei. Mit Geschichten von der See, der Stadt und diesem überhaupt ziemlich seltsamen Land am nordöstlichen Rande Europas.

Achtung jetzt wird’s schmutzig: Auswandern ist kein Zuckerschlecken.

Estland, sagte mir Vannu, Estland sei nicht Tallinn, nicht nur irgendeine Hauptstadt am Meer, Estland sei das Land außerhalb der Metropole, die Wälder. Draußen im Westen hat Vannu selbst etwas Land und Wald. Gerade sei ein Bär dort erschossen worden. Vannu bringt das jede Menge Ärger: 20 Formulare, Papierkrieg, 30 Kronen Gebühren, schimpft er. Besser wenn der Bär beim Nachbarn gelegen hätte. Was es koste, in Estland einen Bären zu erlegen? Vannu versteht die Frage nicht. „Sagte ich doch“, murmelt der selbst ziemlich bärtige Este: „30 Kronen und zwanzig Formblätter.“

War aber sicherlich nur so dahin gesagt beim Bier in der Kellerbar. Einen Bären zu töten, ist auch in Estland teuer. Jedes Jahr werden nur drei zum Abschuss freigegeben. Ein Braunbär wird ein paar tausend Euro kosten, für einen Luchs muss ein Jäger 1.600 Euro hinlegen, für einen ausgewachsenen Elch 4.000 Euro. Preisbewusstere Jäger können aber auch auf Biber (80 Euro) und Füchse (10) anlegen in diesem Land, das eigentlich ein Wald ist.

In Tallinn merkt man den Wald nur an dem vielen Brennholz, das vor jeder Tankstelle aufgestapelt ist.

Als ich in meiner neuen Zweitheimat ankam, habe ich selbst wie eine Tanke gerochen. Oder wie der Golf von Mexiko. Hatte mir Zugsalbe auf die Backe geschmiert gegen einen eitrigen Pickel, fühlte mich wie ein Hering im Ölteppich. Tatsächlich ist schwarze Salbe wie der schwarze Schleim, mit dem sich nordamerikanische Ölbarone johlend von oben bis unten einsauen, wenn die Bohrung erfolgreich war. In Texas werden sie wenig Probleme mit Furunkeln haben.

Hergestellt wird Schwarze Salbe aus Ölschiefer, dem einzigen Bodenschatz Estlands – neben Wald und Jagdtrophäen. Und manchmal liegt hier ein Geruch nach Sprit in der Luft, dass ich denke, es könnte sich lohnen zu bohren. Um dann im Ölregen zu tanzen. Problem: Ölschiefer ist erstmal nicht flüssig, eine Art Sand, lockeres Gestein, mehr oder weniger bedeckt von anderen Gesteinsschichten.

In Estland kann man Ölschiefer im Tagebau abbauen oder unter Tage, auch mit Bohrlöchern. In das erste wird heißer Dampf gepustet, um Bitumen aus dem Sand zu lösen, in dem anderen steigt es dann als schwarzes dickflüssiges Erdöl zu Tage. Von Duschen ist mir nichts bekannt, wohl aber dass die Ölschieferindustrie eine ziemlich schmutzige Angelegenheit ist. Es wird Landschaft verbraucht im Nordosten Estlands. Sand und andere Überreste müssen nach der energieintensiven Dampfattacke deponiert werden. Und natürlich ist der CO2-Ausstoss der zwei estnischen Kraftwerke erheblich. Trotzdem setzt Estland – erst Recht angesichts „peak oil“ – voll auf sein Ölschiefer, und ich mit: Ohne Strom und andere Netze wäre es doch ziemlich anders hier. Wald eben.