Gunhild Böth, Landtagsabgeordnete der Linkspartei, hielt die DDR für ein sehr demokratisches Land. Nun hat sie eine kleine Lektion in Sachen Demokratie erhalten.
Denn anders als in der von Böth geschätzten Mauerrepublik kann es Kandidaten in der Bundesrepublik passieren, dass sie durchfallen. Auch wenn sich, wie im Fall der Wahl der Landtagspräsidenten und ihrer Stellvertreter in NRW, die Fraktionen geeinigt haben, dass jeder einen der lukrativen Posten erhalten soll.
78 Abgeordnete wählten im ersten Wahlgang das Alt-Stalinchen der Linkspartei. 13 zu wenig. Eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten konnte wohl ihren Ekel vor Böth nicht überwinden.
Erst im zweiten Wahlgang wurde Böth gewählt – mit 87 Stimmen. Zieht man von den 87 Stimmen für Böth die 11 der Linkspartei ab haben 76 Abgeordnete demokratischer Parteien eine Frau zur Landtagsvizepräsidentin gewählt, die Diktaturen eigentlich ganz prima findet. Erbärmlich.
Zum Landtagspräsidenten wurde übrigens alter Freund der Ruhrbarone gewählt: Eckhard Uhlenberg (CDU). Wir gratulieren.
WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach und Duisport Chef Erich Staake sind die neuen Moderatoren des Initiativkreises Ruhr.
Der Initiativkreis Ruhr bekommt zwei neue Moderatoren. Der Zusammenschluss von 60 Unternehmen die sich mit dem Ruhrgebiet verbunden fühlen wird Staake und Hombach im November zu den Nachfolgern von Wulf H. Bernotat und Winfried Materna wählen. Anfang kommenden Jahres werden sie dann die Amtsgeschäfte übernehmen. Bernotat und Materna haben den Initiativkreis wieder zu seinen Wurzeln zurückgeführt: Mit Projekten wie Innovation City soll wieder versucht werden, Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung des Ruhrgebiets setzen. Deren Förderung war der Grund zur Gründung des Initiativkreis. Zwischenzeitlich verzichtete man allerdings auf das Bohren dicker Wirtschaftsbretter und widmete sich vor allem der Förderung der schönen Künste. Was Staake und Hombach in ihrer zweijährigen Amtszeit planen, werden sie noch bekannt geben. Bislang haben alle Moderatoren versucht, eigene Akzente zu setzen. Bei Ex-RAG Chef Werber Müller war das zum Beispiel die legendäre Ruhr hoch n Kampagne.
KiK, der Billigtextilhändler der Tengelmann-Gruppe, will ein besseres Image. Helfen sollen dabei die Stiftung Help and Hope und ein Kinderhaus in Dortmund.
Kinder klauen Pferden das Futterbrot, um es selbst zu essen, die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Einkommen sind niedrig. Es macht sicher keinen Spaß, in Dortmund-Scharnhorst aufzuwachsen. Der Stadtteil im Nordosten Dortmunds gehört zu den ärmsten Quartieren der Stadt. Und Dortmund ist die Kommune mit den prozentual meisten Armen in Nordrhein-Westfalen. Keine Frage, den Menschen in Scharnhorst muss geholfen werden. Eine Stiftung mit dem schönen Namen help and hope will das künftig tun. Hinter der Stiftung steht der Billig-Textilhändler KiK. Schlagzeilen macht das Unternehmen mit Niedriglöhnen und dem Testimonial Verona Pooth. Und Hilfe und Hoffnung – von beidem könnte Scharnhorst sicher etwas mehr gebrauchen. Help and hope will in Scharnhorst eine Kinderbetreuung aufbauen. Ein Grundstück wurde von der Stadt Dortmund gerade gepachtet. Ein Haus nach dem Vorbild der Arche in Berlin. Deren ehemaliger Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführer, Kai-Uwe Lindloff, ein ehemaliger freikirchlich-evangelischer Pastor, ist einer der Vorstandsvorsitzenden von help and hope.
Die Arche bietet unter anderem in Berlin Kindern aus sozial schwachen Familien Nachhilfe, aber auch Gesundheitsförderung oder eine warme Mahlzeit. In Berlin gehört mittlerweile auch eine freikirchliche Schule zum Angebot. Protestantischer Fundamentalismus trifft auf christliche Caritas.
Dass ein Unternehmen wie KiK sich für Kinder aus armen Familien engagiert, wundert Günter Isemeyer, Pressesprecher von Verdi-NRW, nicht: „KiK hat ein Imageproblem.“ KiK wurde wegen der Zahlung von sittenwidrigen Löhnen für Teilzeitkräfte verurteilt . „Unternehmen hoffen mit solchen Sozialaktionen positive Schlagzeilen zu machen.“ Tariflöhne, sagt der Verdi-Mann, zahlt Kik weiterhin nicht. „Das ist in der Tengelmann-Gruppe – im Gegensatz zu Aldi – so üblich.“ Für Isemeyer ist die Stiftung vor allem eine PR-Aktion für KiK. Wirkungsvoller gegen Kinderarmut, sagt Isemeyer, seien vernünftige Löhne. Sozial PR ist da billiger. Übrigens nicht nur in Dortmund: In Herne soll schon bald ein help and hope „Kidstreff“ entstehen.
LITERARY LIFESTYLE TERRORISM – die wattenscheider schule liest im FZW, dortmund. LAUSCHER-LOUNGE am mittwoch, 14.7., 20 uhr. dazwischen und anschließend musik von dj martini.
Die Bahn hat ein perfektes Timing beim Wettlauf um den Posten des bösen Buben. Wenn immer es eine Gelegenheit zur Demontage des eigenen Images gibt, die Truppe um Konzernchef Rüdiger Grube hebt die Hand. Heute tat sie dies in NRW.
Es ist wie beim Roulette, wo der Croupier beim Lauf der Kugel sagt, nichts geht mehr. Diese Erfahrung machten heute etliche Reisende zwischen Aachen, Bonn und Dortmund. Alleine in Düsseldorf warteten im Hauptbahnhof rund 3000 Reisende auf ihren Zug. Einige berichteten, dass sie schon seit 11.30 Uhr auf ihren Anschluss warteten. Doch bis 15.50 Uhr tut sich nichts. Zwar soll der Verkehr nun wieder anrollen, doch bis das Chaos behoben ist, wird es Stunden dauern.
Was war passiert? Die Bahn spricht von massiven Unwettern, die den Verkehr in NRW fast vollständig zum Erliegen gebracht haben. Blitze schlugen ein, Bäume versperren Gleise. Da kann die Bahn nun wirklich nichts für, Unwetter kommen halt jeden Sommer. Wie auch die Sonner und im Winter der Frost.
Was bei der Bahn aber mal wieder so richtig daneben ging, war die Kommunikation. Im Internet waren die Züge als verspätet oder sogar als pünktlich ausgewiesen. Viele Reisende, wie auch ich, dachten daher, dass der Verkehr zwar stottert, aber läuft. Erst am Bahnhof wurde klar, dass die Gleise für Stunden eine verkehrsberuhigte Zone sind. Nur der Form halber, füge ich mal hinzu, dass die Bahnmitarbeiter am Bahnhof frei von Wissen waren. Die konnten nur sagen, dass sie nicht wüssten, wann es weitergeht.
Ich will den Leuten am Gleis und am Informationsschalter keine Vorwürfe machen, die Kritik richtet sich an die Ebene darüber. Die muss die Informationen zusammentragen und die Mannschaft Vorort ins Bild setzen.
Aber dass dies nicht funktioniert, zeigte sich schon an den jüngsten Pannen bei der ICE-Flotte. Am Wochenende waren in drei Zügen die Klimaanlagen ausgefallen, mehrere Menschen mussten im Krankenhaus behandelt werden. Die Bahn versucht die Ausfälle als Einzelfälle abzutun. Aber das nun mal wirklich Unsinn. Als häufiger Bahnfahrer habe ich schon oft erlebt, dass die Klimaanlage ausfiel.
NRW erlebt den Wechsel. Nach nur fünf Jahren an der Macht muss die Regierung von Jürgen Rüttgers am Mittwoch einpacken. NRW wird wieder Rot-Grün. Was noch vor einem halben Jahr als undenkbar galt, tritt ein: Hannelore Kraft wird die erste Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen. Und viele Unken, Machomänner und Möchtegern-Genossenbosse müssen nun verstummen. Ich bin Wechselwählerin und sicherlich keine SPD-Hauspflanze. Aber würde ich die Partei beraten, sollte Kraft die Berliner SPD aufmischen.
Die SPD-Landeschefin hat Rüttgers im Stil einer strategischen Judoka auf die Matte geworfen. Er hatte sich verzockt und an seine Macht geklammert. Kraft ist eine Ausnahme im Männerwahlverein SPD, die sich immer noch an die durch diverse bierselige Kneipenabende hoch getrunkenen Genossen klammert. Kraft hatte keinen Bock auf die bündlerische Ochsentour und ist von jetzt auf gleich die vielleicht größte Hoffnungsträgerin der SPD. Wenn ihr rot-grünes Minderheitsexperiment funktioniert, wird Kraft auch in Berlin gebraucht. Vielleicht schon 2013 als erste Kanzlerkandidatin der deutschen SozialdemokratInnen. Schließlich ist hoffnungsfroher Nachwuchs bei den GenossInnen rar.
Es klingt undramatisch, aber Kraft ist tatsächlich durch die Dörfer getingelt und hat den bis dahin autokratisch regierten Genossen zugehört. Und wurde besser. Wirkte sie anfangs noch völlig übercoacht und hatte sich vor den Heckenschützen der eigenen Partei in den immer selben Sprech eingemauert, ist sie jetzt lockerer. Die Zeiten, als jeder Provinz-Bürgermeister sich als fähigeren Spitzenkandidaten einschätzte sind vorbei.
Schnell baute sie wieder gute Kontakte zu den Gewerkschaften auf, konzentrierte sich auf SPD-Kernforderungen (faire Arbeitsbedingungen, gebührenfreies Bildungssystem) und entkrampfte das jahrzehntelang verspannte und überhebliche SPD-Verhältnis zu den Grünen. Eine rot-rot-grüne Regierung hat sie zwar verhindert, ihre wenig großkotzige Art lässte es aber zu, dass die Linken sie nun trotzdem Ministerpräsidentin werden lassen. Nun muss sie beweisen, dass ihre Politik genaus ambitioniert sozial ist wie das Programm der Linken.
Was kann die Bundes-SPD nun von Kraft lernen?
1. Die große Koalition ist keine Alternative. Das hat Kraft durchdacht und selbst die anbiedernde CDU vor die Wand fahren lassen. Denn in einem Fünf-Parteien-System ist die CDU angesichts von drei Links- oder zumindest drei Mitte/Linksparteien strukturell fast immer die stärkste Partei. Als Juniorpartner aber bleibt die SPD blass und wird abgewählt.
2. Das Fünf-Parteien-System benötigt neue kreative Modelle, Politik zu machen. Wenn in NRW eine rot-grüne Minderheitsregierung versucht wird, ist das auch ein Test für den Bund. Zugleich justiert Kraft gemeinsam mit ihrer Vize-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann von den Grünen auch das inner-rot-grüne Verhältnis neu. Voraussetzung dafür ist aber, dass Kraft ihre vollmundigen Wahlversprechen zügig umsetzt. Nie wieder darf die SPD nur im Wahlkampf die rote Fahne schwingen. Versprechungen wie ein gerechtes, menschenfreundliches und kostenloses Bildungssystem müssen verwirklichkt werden oder Kraft ist nicht besser als Egomanen wie ihr Vorgänger Wolfgang Clement.
3. Nie wieder darf sich die SPD als „neue Mitte“ (a la Bodo Hombach) für die Interessen der Kapitalbesitzer- und verwalter verdingen. Die Lehren aus dem Scheitern der Agenda 2010 und der industriefreundlichen alten NRW-SPD müssen unumkehrbar gezogen werden. Als linke Volkspartei muss die SPD in ihrem eigenen Interesse all jene für sich begeistern, die für gesellschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritt sind.
Hannelore Kraft sagt, dass sie „Strukturen verändern“ will. Was für Bildung, Umwelt und Soziales gilt, muss auch für die SPD gelten. Parteichef Sigmar Gabriel mag ja ein immerzu sonnengebräunter guter Redner zu sein. Als Kanzlerkandidatin hätte Kraft in drei Jahren aber die besseren Chancen.
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