Wundervolles Ruhrgebiet auf Spiegel Online

Zwei gute Leute, Konrad Lischka und Jens Radü von Spiegel Online, haben eine Multimedia Reportage über das Ruhrgebiet gemacht. Sie haben Filme gedreht, Texte geschrieben und Interviews gemacht. Entlang der A 40. Mit Ruhrbaron Perik haben sie gesprochen („Anzugträger werden prophylaktisch gesietzt – bis sie Schaschliksauce am Revers haben“), mit einem Pornokönig, mit einer Comic-Dame. Mit Leuten halt, die was zu erzählen haben. Elf wundervolle, kurze Geschichten.

Ich finde das Zeug großartig. Konrad kenne ich noch aus unserer Zeit bei der taz ruhr. Damals schon hat er mich verblüfft. Etwa als er eine Reportage über einen Mc Donalds in Essen gemacht hat – erzählt entlang der Theorie über die industrielle Nahrung der Zukunft von Andy Warhol. Konrad, der alte Beutepole, kommt Mitten aus dem Revier, Jens Radü eher vom Rand. Aber egal, hier gibt es die gute Nummer zu sehen. Übrigens, selbst die Musik finde ich schön.

In eigener Sache: Das Ruhrbarone-Print-Ding

Wir melden uns hier noch mal wegen des Ruhrbarone-Magazins in eigener Sache. Und zwar haben wir dem Klartext-Verlag ein paar wenige Exemplare für Besprechungen abquatschen können. Wenn einer also ein Heft haben will, um es kritisch in seinem Medium zu beleuchten – eine kurze Email reicht und wir können es rausschicken. david.schraven (at) ruhrbarone.de

Im Handel läuft das Magazin für uns überraschend gut. Wir haben jetzt schon satt über 1000 Exemplare verkauft, wie der Klartext-Verlag gerade bestätigt hat. Und dass, obwohl wir die erste Vertriebswelle erst Ende vergangener Woche abschließen konnten. Für den neuen Titel eines Blogs, der offline geht, finde ich das knapp zwei Wochen nach Verkaufsstart richtig gut. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die erste Nummer mit 8,95 Euro auch noch extrem teuer ist. Wir sind jedenfalls guter Dinge, die Druckkosten wieder reinzuholen. Zumal selbst der Spiegel unsere Recherche zur Linkspartei in seiner aktuellen Printausgabe aufgegriffen hat – leider ohne uns zu zitieren. 🙂

Mittlerweile ist das Ruhrbarone-Print-Ding fast überall zu haben. Nach anfänglichen Schwierigkeiten kann es nun nicht nur beim Klartext-Verlag direkt bestellt werden, sondern seit gestern auch bei Amazon. Selbst die Mayerschen Buchhandlung in Bottrop verkauft das Ding. Was ich überraschend finde, da Bottrop, meine Heimatstadt, ansonsten nicht Spitzenreiter bei Innovationen ist. 🙂

Und noch etwas ist mir aufgefallen. Das Heft läuft im Online-Vertrieb viel schlechter als gedacht. Wir haben nur vielleicht 200 Magazine über die digitalen Bestellfunktionen verkauft. Das mag zum Teil daran liegen, dass wir erst seit kurzem bei Amazon zu haben sind, aber offensichtlich wollen die Menschen ein teures Heft in der Hand halten, bevor sie dieses einshoppen. Jedenfalls laufen die Ruhrbarone offline über den klassischen Buch- und Zeitschriftenhandel viel besser, als ich vermutet hatte. Der Papiermarkt ist also nicht tot. 🙂 Die Buchhandlung im Essener Hauptbahnhof hat gerade erst wieder 50 Exemplare bestellt, weil die dort schon wieder ausverkauft waren.

Wie dem auch sei: wir hoffen, den Lesern gefällt unser Heft. Über Kritik würden wir uns jedenfalls sehr freuen.

3 FÜR 7 – Oberhausen-Special

Kurzurlaub in Oberhausen – a cheap holiday in other people’s misery? Zum Teil, aber immer vor allem eine merkwürdige Veranstaltung. Die Oberhausener Kurzfilmtage und viele ihrer ProtagonistInnen verstehen und sehen sich großteils als links, was zu spannenden Grundvoraussetzungen führt. Zugespitzt gesagt (- ist ja ein Aufmerksamkeit heischendes Medium, dieses Internet): Eine Art Jutetaschen-Prosecco-Bohème gibt sich in einem zerfallenden Stadtteil avantgardistisch-künstlerisch und tut, als hätte sie die Zukunft gepachtet und im Griff, während überall (sonst) Zuschüsse gekürzt und Kurzfilme nicht gerade das Gelbe vom Ei in punkto Medienpolitik sind. Und auch ansonsten: Eine spannende Mischung aus Abgehobenheit und Rebellionsattitüde von irgendwie „unten“. Kleinformat meets Hollywood in a nutshell. Featuring cameos by: Nomeansno & And So I Watch You From Afar.

Am Donnerstag geht’s los. Und da hilft natürlich gern das Programmheft. MuVi-Preis? „Nach dem 80er-Revival kommt der Stummfilm.“ Deutscher Wettbewerb? „Filme über die Liebe und das Filmemachen“. Internationaler Wettbewerb? „Seelenlandschaften“. Klingt also alles nach „Neue Innerlichkeit“, diesem typischen Rezessionssymptom – nicht zwingend nach einer Auseinandersetzung damit, na gut. Also mal in’s Detail gucken: Bei der Eröffnungszeremonie gibt es französische Kurzfilme von vor hundert Jahren plus Klaviermusik – also mal wieder erst am Freitag hin und all das Meet-and-greet und see-and-be-seen verpassen. Erstes Podium am Freitag? Da wird mal wieder das Ich abgesprochen bei „Die Illusion des Ich“. Vielleicht mal gucken, was es denn sonst gibt bzw. wohin sich das denn aufgelöst hat. Ist aber vielleicht etwas herb für 10 Uhr morgens, wenn das Ich sich ja gerade noch finden will. Also wohl doch Schwerpunkt auf die uralten Schätzchen bei „From the Deep: The Great Experiment 1898 – 1918: Sensation Bewegung, Dimension Zeit, Präsenz der Absenz“. Gut, letztens nochmal „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ gelesen zu haben. Genau, vielleicht macht man dieses Jahr einfach mal eine Zeitreise über 100 Jahre. Hm, mal gucken.

Samstag ist 1. Mai, da bietet sich doch das Podium „Bedingungsloses Grundeinkommen“ an. Und dann stoisch „From the Deep“ weitergucken und vielleicht ein bisschen Filmbar-Atmosphäre schnuppern: „Psychedelic/Electro/Soundtracks/Filmmusik“ mit zwei Düsseldorfer Tonträgerjockeys. Überhaupt: Nomeansno (Foto: Band) spielen im Druckluft schon am Mittwoch! Aber da muss man(n) doch gucken, wie Inter diesen Messi aus der Champions League kegelt! Ts. Ach ja, Konzertalternative am Donnerstag, auch im „Drucki“: And So I Watch You From Afar.

Der Sonntag nervt: „Kinder und bewegte Bilder“ am Anfang, „No Wave Night“ ganz am Ende. Idee: Irgendwann auflaufen und die Screenings schauen, dann unverbindlich reinhören, ob man dann wirklich nochmal so ein New York Anfang Achtziger Revival braucht. Oder ausfallen lassen und am Montag „Profil: No Wave“ gucken – und hoffen, hoffen, hoffen, dass da nicht nur viel zu coole, natürlich vollsexy Trend-Nerds herumhängen. Dienstag fällt aus, Abschlussparty nur bei freundlicher, ernst gemeinter Einladung. Meine Güte, man wird ja schon während des Schreibens arrogant! Oberhausen, Oberhausen – welch tückisch Reiseziel!

Reisetipp zum Wochenende: 56. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen. Von Donnerstag bis Dienstag.

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Der Ruhrpilot

NRW: Es riecht nach Großer Koalition…Stern

NRW II: Kraft und Rüttgers schonen sich im Watte-Duell…Spiegel

NRW III: Eine Doppelpressekonferenz namens Fernsehduell…FAZ

NRW IV: Grüne: „Es gibt keine Gemeinsamkeiten mit der FDP“…Welt

Dortmund: Briefwahl-Beteiligung fürs OB-Amt zieht an…Der Westen

Dortmund II: Polizei und Rettungsdienste in Alarmbereitschaft…Ruhr Nachrichten

Duisburg: Läster-Skandal um SPD-Ratsherr…RP Online

Ruhr2010: 25. Bochum Total rundet Local-Heroes-Woche ab…Ruhr Nachrichten

Ruhr2010 II: Gebärdenchor inszeniert Verdi mit den Händen…Der Westen

Aygül Özkan: Eine Muslimin für die CDU…F!XMBR

DCTP: Hardy Prothmann zum Heddesheimblog…Heddesheim Blog

Kraft vs. Rüttgers: Duell der Drückeberger

Langweilig war es, das „Duell“ zwischen Jürgen Rüttgers (CDU) und Hannelore Kraft (SPD) im WDR. Und auf die entscheidenden Fragen gab es keine Antworten.

Eine Frage wird in den nächsten Monaten in NRW und im ganzen Land entscheidend sein: Wo wird gespart? Und auf diese Frage gab es weder von Kraft noch von Rüttgers eine klare Antwort. Rüttgers schwadronierte von 12.000 Stellen, die wegfallen sollen, ohne zu erklären, wo das denn geschehen soll. Und Kraft macht Versprechen, die sie nicht wird halten können: Abschaffung der Studiengebühren, kostenlose Kitaplätze…woher das Geld kommen soll, erfuhr der Zuschauer nicht. Einen mutigen und realistischen Ausblick auf die Zukunft des Landes gab es von keinem der beiden Kandidaten. Denn der hätte die gute Laune vermiest.

Beide gaben den engagierten Sozialpolitiker. Kraft ist mit den Mindestlöhnen eher auf der Höhe der Zeit – Rüttgers beim Zuverdienst. Man konnte zwei sozialdemokratische Politiker verschiedener Flügel  beobachten.

Während Rüttgers alle Klippen geschickt und etwas aalig umging, redete sich Kraft  zum Teil um Kopf und Kragen. Das Festhalten an den Kohlesubventionen ist wirtschaftlicher Wahnsinn, wird am Bund scheitern. Die SPD hätte das Thema hinter sich bringen können – sie kann es nicht, ihre Lernfähigkeit reichte dafür nicht aus.

Bei der Bildung punktete Rüttgers: Man kann für die Gesamtschule sein oder für das dreigliedrige Schulsystem. Man kann für ein längeres, gemeinsames Lernen sein. Die Gemeinschaftsschule mit Hauptschule, Realschule und Gymnasium unter einem Dach ist kein Konzept das überzeugen kann. Es ist ein fauler Kompromiss. Die meisten Eltern werden das nicht wollen.

Am Ende kam die Koalitionsfrage: Rüttgers will mit der FDP, nicht mit den Grünen, schloss aber Koalitionen mit demokratischen Parteien wie den Grünen – und unausgesprochen mit der SPD – nicht aus. Kraft eierte wie immer herum. Sie vergab die Chance zur Klarheit.

Das Duell Kraft gegen Rüttgers – es war auch ein Duell der Drückeberger.

Griechenland: Das schwarze Schaf der Familie – Überbrückungshilfe oder Fass ohne Boden?

In den vergangenen Monaten beherrschte ein Thema die wirtschaftspolitische Debatte, die drohende Zahlungsunfähigkeit von Griechenland. Nach vielem Hin und Her seitens der „großen“ Politik hat sich die Lage nun zugespitzt, denn im April wurde offenbar: Griechenland möchte Geld vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und den Partnerländern der EU, um seine laufende Refinanzierung sicherzustellen. Das Land muss sich durch die Aufnahme neuer Schulden refinanzieren, da alte Schuldverschreibungen nun fällig werden.

Von unserem Gastautoren Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI-Essen

Da Staaten gewissermaßen ewig leben und in der Regel für ihre Schulden gut sind, ist dies normalerweise kein Problem. Aber der Zinssatz, der bei der Aufnahme neuer Schulden am Markt bezahlt werden müsste, ist mittlerweile aufgrund der gestiegenen Risikoprämien erdrückend. Hierin schlägt sich das mangelnde Vertrauen in griechische Staatsschulden nieder. Wenn es so weiter ginge, würde die Insolvenz des Staates drohen. Um das zu verhindern, könnte ein günstigerer Kredit durchaus helfen.

Nun kann man – was außerhalb Deutschlands auch viele machen – fragen, warum ein so wirtschaftsstarkes Land wie Deutschland sich so schwer tut, die gewünschten Hilfen bereit zu stellen. Es geht doch „nur“ um einen zweistelligen Milliardenbetrag, und den könne man nach all den Kosten der großen Wirtschaftskrise doch noch schultern. Doch viele deutsche Wirtschaftswissenschaftler sind um die Anreizwirkungen besorgt, die von einer ungeschickt ausgestalteten Hilfe ausgehen. Sie verlangen als Voraussetzung für jegliche finanzielle Hilfe, dass Griechenland sich einem rigorosen Sparkurs unterwirft.

Ihre Kritiker wiederum zeigen dafür großes Unverständnis und werfen ihnen akademische Betriebsblindheit oder gar Inkompetenz vor: Wie könne man, so fragen sie, in einer Rezession auch noch einen Sparkurs verlangen, der die aktuelle griechische Krise noch verschärfen würde? Schnelle Hilfe sei stattdessen angesagt.

Dabei, so soll die folgende Parabel zeigen, ist die Frage nach den richtigen Anreizen keineswegs eine akademische Übung im monetaristischen Elfenbeinturm, sondern spiegelt harte Realitäten wider, die vielen Familien im „wirklichen Leben“ ebenfalls nicht fremd sind. Und wie es in der Familie keine einfachen Lösungen gibt, so gibt es sie auch nicht in der Makroökonomik von Währungsunionen.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten als eines von mehreren Geschwistern einen Bruder in Finanznöten. Solange die Eltern noch lebten, war dieser Bruder nicht ihr Problem gewesen. Während Sie eine eigene Familie gegründet und in harter Arbeit an ihrer beruflichen Karriere gebastelt haben, war Ihr Bruder immer noch am Studieren, jahraus, jahrein. Was seinen Lebensstil angeht, ist Ihr Bruder schon immer eine Art Hallodri gewesen. Zugegeben, er ist charmant und witzig, sehr belesen und kontaktfreudig, und nicht nur Sie genießen seine liebenswerte Art.

Finanziert wurde diese andauernde „Ausbildung“ aber durchweg von Ihren Eltern. Immer wieder mussten diese etwas zuschießen, weil der Meister sein Geld nicht bei sich halten konnte. Sie hatten darüber mit ihnen gehadert, zeichnete sich doch ab, dass der Bruder trotz aller elterlichen Mahnungen nie ein ordentliches Finanzgebaren lernen würde. Aber verständlicherweise waren Sie mit den Problemen Ihrer eigenen Familie zu sehr beschäftigt, um sich dem Ärger auszusetzen, Ihre Eltern zu belehren.
Jetzt sind diese Eltern gestorben und haben ein Erbe hinterlassen, das jedem ihrer Kinder eine bescheidene finanzielle Selbständigkeit erlaubt. Aber Ihrem Bruder rinnt das Geld immer noch nur so durch die Finger. Eigentlich ist er auch ein erwachsener Mann, für den die Geschwister nur ungern in die Elternrolle schlüpfen mögen. Aber ganz ehrlich ist er zudem auch nie gewesen. Mit seiner Rolle als Lebenskünstler vereinbar, hat er nie richtig über den Stand seiner beruflichen Bemühungen Auskunft gegeben und wenn, dann nur geschönt. Die Eltern waren in ihrer Liebe blind gewesen, aber wer Augen im Kopf hatte, der hat das Dilemma förmlich kommen sehen.

Jetzt hat sich der Bruder in einem Brief an Sie um Hilfe gewandt, denn er hat sein Erbe völlig durchgebracht, aber sein „Studium“ stünde kurz vor dem Abschluss. Sie stehen von allen Geschwistern wirtschaftlich am besten da. Dass Sie diese wirtschaftliche Stärke hart und unter Verzicht auf die angenehmen Dinge des Lebens erarbeitet haben, bestreitet keiner. Einige der Geschwister würden gerne helfen, sind aber finanziell nicht in der Lage, andere lehnen von vornherein ab.

Sie sind jetzt in einem Dilemma. Selbst wenn Sie momentan nicht gerade aus dem Vollen schöpfen können – die Wirtschaftskrise ist nicht ganz spurlos vorüber gegangen –, so haben Sie doch die Möglichkeit, eine kurze Überbrückung zu finanzieren, bis der Bruder endlich eine Arbeitsstelle gefunden hat. Und Sie wissen, was man an Familienbanden so hat – man hat eben doch mehr Gemeinsamkeiten als man sich in Kindheit und Jugend so eingestehen wollte. Blut, so haben auch Sie erkannt, ist eben doch dicker als Wasser …

Die Parallelen zur Familie der EU, bei der die Aufsichtsbehörden nicht so genau hingeschaut haben, als eines der Familienmitglieder Jahr um Jahr über seine Verhältnisse gelebt hat, sind doch nicht zu übersehen: Wie in einer Familie hat sich auch Griechenland aufgrund der Zugehörigkeit zur EU Staatsausgaben und Lohnsteigerungen leisten können, die ansonsten niemals möglich gewesen wären. Zudem war Griechenland offenbar schon in der Vergangenheit eher ein Lebenskünstler gewesen, hatte aber wegen der Mitgliedschaft in der Europäischen Währungsunion (EWU) das Instrument verloren, seine Währung abwerten zu können, um so eine Zuspitzung der Situation zu verhindern.

Und wie sich die Eltern nicht den Schmerz angetan haben, mit ihrem Sohn rechtzeitig Tacheles zu reden, und die Geschwister ihre eigenen Probleme lösen mussten, haben auch die Aufsichtsgremien der EU und die übrigen Mitgliedsländer weitgehend untätig zugeschaut. Und bei aller Liebe zur Wiege der Demokratie, die Unehrlichkeit der griechischen Statistikbehörden ist eigentlich unfassbar. Niemand weiß genau, welche Prognosen für das künftige griechische Wirtschaftswachstum realistisch sind. Schließlich trifft es zu, dass Deutschland die wirtschaftsstärkste europäische Volkswirtschaft ist. Aber hier stehen verstärkte Investitionen in Bildung an, um sich auf den demographischen Wandel vorzubereiten. Und in der Wirtschaftskrise sind nicht nur die Staatsschulden erheblich gewachsen, sondern auch die Wachstumsrate ist mittelfristig gedämpft.

Wie Deutschland in der EU, so stehen Sie in der angespannten Familiensituation unserer Parabel keineswegs vor einer einfachen Abwägung: Mit einer einmaligen Finanzspritze ist es doch in beiden Fällen wohl kaum getan. In einer Traumwelt wäre der Bruder durch die Schmach, um die Hilfe der Geschwister ersuchen zu müssen, geläutert und würde alles daran setzen, möglichst rasch auf eigenen Beinen zu stehen. In einer Traumwelt würde Griechenland von jetzt auf nachher zu einer solide wirtschaftenden Volkswirtschaft, ohne Steuerhinterziehung und Korruption, mit großer Einsicht in die Notwendigkeit beschränkter Lohnzuwächse. Beides ist aber wohl kaum realistisch. Stattdessen drohen immer wiederkehrende Bitten um finanzielle Unterstützung.

Ob es jeweils sinnvoll ist, Hilfen zu geben, hängt daher vor allem daran, ob diese an Voraussetzungen geknüpft werden können, die eine Wiederkehr des Problems verhindern. Genau dafür ist international der IWF da, der einen Fahrplan zu mehr Solidität erarbeiten muss. Es ist in beiden Fällen fraglich, ob die unangenehme Aufgabe von einem Familienmitglied geleistet werden kann. Natürlich ist es irgendwie peinlich, auf Hilfe von außen angewiesen zu sein. Aber Scham darf eine konstruktive Lösung nicht verhindern. Und wäre es wirklich denkbar, dass der Zahlmeister Deutschland dem Hilfeempfänger Griechenland offen als Lehrmeister gegenübertritt? Im Familienkontext wäre jedenfalls Ärger vorprogrammiert.

Was in der akuten Notlage gar nicht helfen wird, ist die Einberufung eines Familienrats, der für künftige Notlagen einen Notfallplan entwirft, nach dem angesparte familiäre Gelder unter Auflagen zugeteilt werden. Nichts anderes ist im makroökonomischen Zusammenhang die Idee, jetzt einen Europäischen Währungsfonds (EWF) zu gründen. Dieser müsste ebenfalls zunächst aufgebaut werden und böte wohl kaum mehr, als den Europäern künftig die Peinlichkeit der Inanspruchnahme des IWF zu ersparen. Darüber hinaus stellten sich doch die gleichen atmosphärischen Probleme wie bei einem direkten deutschen Eingreifen. Denn wer sonst als Deutschland sollte als stärkster Finanzier hinter dem EWF stehen?

Ähnliches gilt für andere Vorschläge: Ob es sich darum dreht, gemeinsam einen Kredit aufzunehmen („Eurobonds“), für einen aufgenommenen Kredit zu bürgen („Garantien“) oder eine direkte Finanzspritze zu geben („bilaterale Hilfen“), das Geld werden die Geber voraussichtlich nicht oder zumindest nicht in Gänze wiedersehen. Das wäre für sich genommen aber gar nicht so schlimm, denn Solidarität in der Familie besteht häufig in Transfers. Darauf fußt beispielsweise der allseits anerkannte Konvergenzprozess der EU, bei dem Deutschland als größter Nettozahler fungiert.

Wichtig ist aber, wie Sie es schaffen können, eine Verhaltensänderung zu erzwingen, damit aus der Überbrückungshilfe kein Fass ohne Boden (eine „Transferunion“) wird. Wenn Ihnen dies nicht gelingt, müssen Sie die Hilfe verweigern, denn Ihre eigene Familie hat es nicht verdient, für den ungezügelten Lebenswandel eines engen Verwandten ihr eigenes Wohl zu verlieren. Deutschland trägt in Europa eine hohe Verantwortung für Frieden und Integration – diese Rolle macht es erforderlich, Hilfeleistungen für selbst verschuldete volkswirtschaftliche Miseren an klare Bedingungen zu knüpfen, und sie gegebenenfalls auch zu verweigern.

Christoph M. Schmidt ist Präsident des RWI-Essen, Professor an der Ruhr Universität Bochum und Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, den sogenannten Wirtschaftsweisen.

Die Linke NRW: Fahrplan zur Bärenfellverteilung

Die Linkspartei bereitet sich auf den Einzug in den Landtag und den Einstieg in die Landesregierung vor. Nur der Wähler könnte sich als Störfaktor erweisen.

Nein, was seine Kollegen von der Volkshochschule in Gladbeck erzählen, ist falsch. Ralf Michalowsky, der Pressesprecher der Linken in NRW, erklärt auf Anfrage, er sei nicht für das Amt des parlamentarischen Geschäftsführers ausgekungelt: „Bei uns ist niemand „vorgesehen“. Das Personaltableau ist nur soweit abgesteckt, dass es einen Satzungsentwurf gibt, der beschreibt wie die Fraktionsspitze aussehen könnte. Über Personen ist bisher weder diskutiert, noch abgestimmt worden. Deshalb ist auch niemand vorgesehen, ich auch nicht. Wir haben am Dienstag nach der Wahl die konstituierende Fraktionssitzung in der ein Fraktionsvorstand gewählt wird.“

Michalowsky hatte jahrelang eine Statue des KGB-Gründers Felix Dschersinski in seiner Wohnung stehen, natürlich ohne zu wissen, wer ihn da von seinem Klavier im Wohnzimmer aus anschaute.  Die Landespressekonferenz hat sich wegen seines rüden Umgangs mit Journalisten mit ihm beschäftigt. Er stand im Zentrum einer Spitzelaffäre. Da hält man den Ball lieber flach. Nur nicht noch mehr Fehler machen so kurz vor der Wahl. Zumal die Umfrage für die Linke nicht gut aussehen: Mal ist die Partei knapp über, mal knapp unter fünf Prozent.

Aber die Linkspartei ist eine ordentliche Partei. Wenn es um die Planungen für die Zeit nach der Wahl geht, straft sie alle Lügen, die im Zusammenhang mit ihr von einer Chaostruppe reden: Die Stellen des Fraktionsgeschäftsführers und des Fraktionspressesprechers sind schon ausgeschrieben.

Auf drei Regionalkonferenzen, eine davon am 19. Mai um 18.30 Uhr im Dietrich Keuning Haus in Dortmund, soll dann die Lage nach der Landtagswahl diskutiert werden. Klappt es mit einer rot-rot-grünen Koalition oder eine Duldung von Rot-Grün soll es vom 14. – 20. Juni eine Urabstimmung geben, deren Ergebnis am 22. Juni vorliegen soll. Sollte es soweit kommen, hätte Hannelore Kraft ein paar unruhige Nächte vor sich, denn die Basis der Linkspartei gilt als unberechenbar.

Etliche Kreisverbände der Partei sind mit dem Slogan „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ in den Landeswahlkampf gezogen.

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Blog zum TV-Duell zwischen Rüttgers und Kraft

Noch vor wenigen Wochen sah die politische Lage in Nordrhein-Westfalen so aus:
Ministerpräsident Jürgen Rüttgers erklärte die Wiese für gemäht und die Landtagswahl am 9. Mai 2010 für schon entschieden. Gut möglich, dass er sich schon Pläne gemacht hat, wie es danach weiter gehen würde – entweder damit wie er weiterhin ein Stachel im Fleisch von Angela Merkel sein könne oder aber wie er sich selber zum einzig geeigneten Nachfolger von Bundespräsident Horst Köhler aufbauen ließe.

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