Private Kontodaten für Vertreter: Postbank muss hohe Strafe zahlen

Es kommt selten vor, das ein Datenschutzbeauftragter ein Bußgeld verhängt. Umso ungewöhnlicher, dass in diesem Fall hier die Postbank AG sogar 120.000 Euro zahlen muss, weil das Unternehmen mit den Daten seiner Kunden unflätig umgegangen ist. Die Bank hatte irgendwelchen Vertreter die Kontodaten von potentiellen Kunden durchgestochen, wie die Stiftung Warentest im vergangenen Jahr enthüllte. Dass ein Datenschutzbeauftragter zubeißt, ist so ungewöhnlich, dass wir die entsprechende Pressemeldung des erst Ende Januar angetretenen Mannes in ganzer Pracht präsentieren:

Der NRW-Datenschutzbeauftragte, Ulrich Lepper, hat ein Bußgeld in Höhe von 120.000 Euro gegen die Postbank verhängt, weil diese bis Herbst 2009 freiberuflichen Handelsvertretern für Vertriebszwecke den Zugriff auf die Kontobewegungsdaten der Postbankkunden ermöglicht hatte. „Die Postbank ist eindeutig zu weit gegangen. Ich frage mich, was das Bankgeheimnis noch wert sein soll, wenn rund 4000 freiberufliche Außendienstmitarbeiter weit über eine Million Kontodatensätze von Kundinnen und Kunden abrufen können“, sagt Lepper.

Kontobewegungen sind sehr sensible Daten, die viel über unsere Lebensweise aussagen. Wer sein Einkommen von der Sozialbehörde bekommt, wer welche Zeitung abonniert oder wer welche Rechnung einer auf Herzkrankheiten spezia-lisierten Klinik überweist, das und vieles mehr kann auf dem Konto ablesbar sein. „Diese Daten dürfen weder von Banken und erst recht nicht von Handels-vertretern für Werbezwecke ausgewertet werden“, stellt Ulrich Lepper fest.

Ein Bericht der Stiftung Warentest hatte Ende Oktober 2009 die Untersuchung des Vorgangs ausgelöst. Die Prüfung offenbarte unter anderem Arbeitsanwei-sungen, wonach die Handelsvertreter vor einer Kontaktaufnahme zu den Kundinnen und Kunden die Kontodaten auswerten sollten, um neue Finanzprodukte gezielt anzubieten.

Die Postbank betreibt ihre Kundenwerbung nicht selbst, sondern organisiert dies über die Postbank Finanzberatung AG, die mit einem Netz von selbstständigen Handelsvertretern arbeitet und diese zur Auswertung der Kontobewegungen an-gehalten hatte. Der Postbank wird vorgeworfen, die Kontobewegungsdaten ihrer Kunden für diesen Zweck zum Abruf bereitgehalten zu haben.
Die Postbank hat den Zugriff der Handelsvertreter auf die Girobewegungsdaten seit Anfang November 2009 technisch unterbunden.

FDP: Die Rache der babylonischen Knechtschaft

Die Chancen für die FDP auch nach der Wahl der  Landesregierung anzugehören stehen schlecht. Dabei könnte die Partei von Schrumpfen der ehemaligen Volksparteien profitieren.

Schwarz-Grün, große Koalition, Rot-Rot-Grün – wenn über Koalitionen nach der Landtagswahl spekuliert wird, denkt  schon seit Wochen niemand mehr an die FDP. Dabei können die Liberalen nach den meisten Umfragen sogar mit einem leichten Plus rechnen.

Sicher, auch die Liberalen leiden unter dem schlechten Start der Bundesregierung, dem Festhalten an wenig glaubwürdigen Steuersenkungen und der Klientelpolitik Westerwelles. Doch Stammwähler der FDP haben sehen für sich keine Alternative: Wer nicht daran glaubt, dass es der Staat schon regelt, wer keine Lust hat, den größten Teil des Jahres für das Finanzamt zu arbeiten, kommt in ihren Augen an den Liberalen nicht vorbei, auch wenn der Bekennermut der FDP-Wähler in den vergangenen Monaten deutlich nachgelassen hat.

Doch auch ein leicht verbessertes Wahlergebnis wird die FDP nicht in Macht umwandeln können: Die feste Bindung an die CDU, die ein Grund für den Aufstieg der FDP in Zeiten der großen Koalition war, hat sich zu einem Malus gewandelt: Nur in Dreier-Kombinationen mit, wahlweise, CDU und Grünen oder SPD und Grünen kann die FDP langfristig in einem Fünf-Parteien-System ihren Einfluss wahren. Die babylonische Knechtschaft, in der sich die FDP im Verhältnis zur Union befindet, wird zum Problem. Nur Grüne und FDP können nicht miteinander – und unter dieser Aversion leiden die Liberalen im Moment stärker als die Grünen.

Es gibt gute politische Gründe für den besonders bissig geführten Konflikt zwischen Grünen und FDP: Atompolitik, Sozialpolitik etc. Es gibt aber auch eine biografische Ebene, die der Parteienforscher Franz Walter im Spiegel beschrieben hat:

…im Grunde geht ein Teil der Ressentiments zurück auf die Pubertät der Hauptakteure in beiden Parteien. Die Jugendkultur vor etwa 30 Jahren war geteilt in – wohl mehrheitliche – „Trittins“ und – seinerzeit weniger zahlreiche – „Westerwelles“. Die einen gerierten sich sehr links, bekämpften zumindest mit Plaketten und Autoaufklebern die Atomkraft, verbrachten die Kneipenabende auf ziemlich schmuddeligen Sofas, trugen ausgefranste Parkas und lange Haare. Die anderen präferierten für die geselligen Abendstunden die mit teuren Alkoholika gut ausgestatteten Partykeller der Eltern, kleideten sich in gelbe Pullis und nicht ganz billige Kaschmir-Schals, legten Wert auf Façon beim regelmäßigen Haarschnitt und gaben sich betont affirmativ gegenüber dem Staat, der Wirtschaftsordnung, der Leistungsgesellschaft.

Das mag klischeehaft klingen, aber es war eine hunderttausendfach geteilte Alltagserfahrung irgendwo in den Jahren 1973 bis 1983.

Solange Grüne und FDP ihre Konflikte nicht entemotionalisieren und zu einem normalen Verhältnis zeinander kommen, wie es unter demokratischen Parteien üblich sein sollte, vergeben sich beide Möglichkeiten, ihre Politik umzusetzen. Die Jamaika-Koalition im Saarland zeigt, dass es eine, wenn auch nicht allzu große, Basis für eine gemeinsame Arbeit gibt.

Grüne und FDP sind im Kern liberale Parteien. Sie verkörpern verschiedene Fraktionen des Bürgertums. Zumindest miteinander reden sollte man da schon können – und wenn es nur aus egoistischen Gründen ist.

Die Verweigerung der FDP über eine Ampel in NRW auch nur nachzudenken ist im Kern genau so iedeologisch wie die Weigerung der Grünen, über Jamaica auch nur zu verhandeln. Es gibt keine „Modelle“ mehr: Passt es zwischen demokratischen Parteien, erreicht man zusammen mehr als mit anderen Partnern, sollte man es machen. Wenn nicht, lässt man es. So einfach sollte das sein.

Feuerwehrchef ist Brandstifter

Nationalisten haben V-Mann bei der Feuerwehr

Die rechtsradikale Szene verfügt möglicherweise über vertrauliche Informationen von Polizei und Feuerwehr: Der Chef des Dortmunder Instituts für Feuerwehr- und Rettungstechnologie (IFR) ist offenkundig Anhänger von Neonazis. Jetzt ist Klaus Schäfer suspendiert. Er verfügt über intimes taktisches Wissen aus Polizei und Feuerwehr.

Schäfer nahm am vergangenen Wochenende auf einer Demo der bundesweit aktiven „Autonomen Nationalisten“ in Dortmund teil. Als Leiter des IFR war er maßgeblich an strategischen Planungen für Polizei und Feuerwehr beteiligt. Die Stadt Dortmund ist „überrascht“ von ihrem hohen Beamten mit der Nazi-Gesinnung.

Im IFR hat Schäfer bundesweit bedeutsame Forschungen betreut. Eines der Projekte namens „LAGE“ erforscht die zivile Sicherheit und wird vom Bundesministerium für Forschung und Bildung gefördert. Auf der Internetseite heißt es dazu: „LAGE will eine „vernetzte Einsatzführung“ bei „innerstädtischen Großveranstaltungen“ ermöglichen. Dazu zählen Großdemonstrationen, wie sie gerade im Ruhrgebiet häufig von Rechten und Gegendemonstranten organisiert werden. Auch die Vize-Vorsitzende der Dortmunder SPD, Nadja Lüders, bestätigt: „Schäfer hat in einem hochempfindlichen Bereich“ gearbeitet. Die Rechtsanwältin kennt den Mann aus vielen Ratssitzungen. Nach ihren Aussagen habe Schäfer an Plänen für Gefahrenabwehr mitgearbeitet, an Notfallplänen für Anschläge. „Inwieweit er dieses Wissen nun an die Rechten weitergibt wird noch geprüft“, so Lüders.

Klaus Schäfer ist in Dortmund eine bekannte Person. Er gilt intern als „pressegeil“. Der 55-Jährige hat in seinem früheren Amt als Leiter der Feuerwehr viele öffentlichkeitswirksame Auftritte hingelegt. Von seiner rechtsradikalen Gesinnung ist die Stadt aber nun “sehr überrascht“, so ein Sprecher. Sie hat ihm alle Zugänge zum IFR versagt und vorläufig vom Dienst suspendiert. Auch die SPD, bei der Schäfer seit 13 Jahren Mitglied ist, hat ein Parteiausschlussverfahren gegen das abtrünnige Mitglied begonnen.

Seine neue politische Heimat, die Autonomen Nationalisten, gelten als extrem aggressiv. Sie waren für die gewaltsamen Ausschreitungen bei den Maidemonstrationen im vergangenen Jahr in Dortmund verantwortlich, bei der dutzende Demonstranten der Gewerkschaften mit Steinen beschmissen und umgeknüppelt wurden. Ein Jahr zuvor sorgten sie in Hamburg für die gewalttätigsten Krawalle, die die Stadt seit langem gesehen hatte. Laut Verfassungsschutzbericht des Landes NRW gehören den Glatzen rund 450 Personen an, die ein „rassenbiologisch geprägtes völkisches Menschenbild“ verfolgten.

Schäfer hat sich nun krank schreiben lassen und bislang jede Aussage verweigert. Erich Pulpanek aber, Genosse aus seinem SPD-Ortsverein in Dortmund Barop, sprach mit Schäfer am Telefon. „Er hat zu mir gesagt – wenn ich auf die Demo des Gewerkschaftsbundes gehen kann, kann ich doch auch zu den Autonomen gehen“, erzählt Pulpanek. Er könne nicht verstehen, was in Schäfer vorgehe. „Er war ein allseits bekannter und angesehener Mann.“

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Der Ruhrpilot

NRW: Gemeinschaftsschule – die Bigotterie der Politik…Welt

NRW II: Rüttgers reitet auf Messers Schneide…FAZ

NRW III: Linke sieht sich nach NRW-Wahl in der Opposition…BILD

NRW IV: NRW-Zitterwahl gefährdet schwarz-gelbe Großprojekte…Spiegel

NRW V: Merkel’s upper house majority at risk over local poll…Irish Times

NRW VI: SPD, Bürger- und Wählerinitiative (BWI) Bochum und ein angeblicher Skandal…Pottblog

Dortmund: Straftat-Verdacht gegen Sierau vom Tisch…Der Westen

Dortmund II: Teil-Stilllegung im Hafen nach PCB-Alarm…Ruhr Nachrichten

Mülheim: Tricksen, tarnen – wie Kommunen gegen leere Kassen kämpfen…Handelsblatt

Duisburg: Marxloh muss bald auf eigenen Füßen stehen…Der Westen

Bochum: Bermuda3Eck plant Veränderungen…Ruhr Nachrichten

Ruhr2010: Zwischen Gasometer, Koks und Loveparade…Stern

Ruhr2010 II: Hagen zeigt moderne Kunst der Türkei…Westfälische Nachrichten

Ruhr2010 III: Gemalter Hafen der Kulturhauptstadt…RP Online

Ruhrgebiet: Videocamp im Juni…Hirnrinde

Krise: Top10 Staatspleite-Risiko…Verlorene Generation

Umland: PFT-Lügen im Sauerland?…Zoom

Abmahnwelle: Schwalbe entschuldigt sich…Netzpolitik

Online: Wer ist gefährlicher: Google Street View oder Finanzamt? „We know who you are!“…Mediaclinique

Bauausstellung 2.0 und der Wahlkampf

Blühende Landschaften an der Emscher versprach Ministerpräsident Jürgen Rüttgers Mitte April dem Wahlvolk. Das sollte zwar nicht sofort geschehen, aber mit einer Neuauflage der Internationalen Bauausstellung will der Landesvater neue Maßstäbe setzen. „Wir wollen ein grünes Band von Dortmund bis Duisburg schaffen, das weit über die reine Renaturierung der Emscher hinausgeht“, erklärte er vor geladenem Publikum beim Politischen Forum in Essen.

IBA II soll das Projekt heißen, aber weitere Erläuterungen blieb Rüttgers bislang schuldig. Etwas mehr Aufklärung verspricht ein Positionspapier aus der Staatskanzlei in Düsseldorf. Da wird das Emschertal bis 2020 zum Herzstück der Metropole Ruhr aufgewertet und die Botschaft spart nicht mit starken Worten: „Es verbindet Arbeiten, Wohnen, Freizeit, Kunst und Umweltschutz zu einem europaweit einzigartigen Modellprojekt für mehr Lebensqualität, mehr Kreativität und sozialen Zusammenhalt in der umweltfreundlichen Industrieregion der Zukunft“. Natürlich fehlt nicht der allgegenwärtige Hinweis auf Neuauflage „eines Programms für Kreativquartiere, die im neuen Emschertal konzentriert werden“. Das kreative Element ist mittlerweile eine politische Allzweckwaffe, wenn man sich besonders modern und innovativ geben will. Die Realität der Kreativen an der Ruhr sieht leider anders aus und die Arbeitsbedingungen sind weiterhin schwierig. Dazu tragen die öffentlichen und kommunalen Institutionen bei, die Aufträge lieber an vermeintlich hippe Agenturen aus Düsseldorf oder Köln vergeben.

Es steht nicht die Umnutzung alter Industriegebäude auf der Agenda der Landesregierung, sondern die Entwicklung einer „Zukunftswerkstatt“. So sollen „innovative und zukunftsfähige“ Konzepte des Städtebaus entstehen. Dazu will Jürgen Rüttgers „die besten internationalen Architekten, Städteplaner und Denker wie Richard Senett, Saskia Sassen, John Howkins, Charles Landry, Richard Florida, Martin Heller, aber auch Künstler wie Ai Wei Wei oder Olafur Eliasson“ an die Emscher einladen. Man möchte sich die IBA II etwa 200 Millionen Euro kosten lassen. Woher das Geld kommen soll, ist dabei genauso unklar, wie die mögliche Beteiligung der klammen Kommunen an der Emscher. Das Projekt soll nicht zu Lasten der bereits geplanten Investitionen von rund 2,8 Milliarden Euro im Bereich des Emscherumbaus oder der Stadtentwicklung gehen. Allerdings ist die CDU seit Regierungsantritt bemüht das Förderprogramm „Soziale Stadt“ einzuschränken, womit in vielen Stadtteilen im Ruhrgebiet seit Jahren erfolgreich Stadtentwicklung betrieben wird.

Die rot-grüne Opposition im Landtag hat die wenigen Informationen zur IBA II bisher vor allem aus der WAZ erhalten und das überrascht nicht wirklich. Allerdings sind die Christdemokraten im Lande auch nicht besser dran. „Die CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag unterstützt grundsätzlich die Vorschläge, die ihr Landesvorsitzender und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers macht“, erklärt Achim Hermes, Pressesprecher der Landtagsfraktion. „Der Vorschlag zur Internationalen Bauausstellung ist in der Fraktion noch nicht vorgestellt und erörtert worden“. Das will man nach der Wahl nachholen, wobei die politischen Konstellationen dann ganz andere sein dürften.

Es gibt eine Reihe von Fragen zu diskutieren und die Finanzen sind es nicht alleine. Zur Umsetzung einer „neuen IBA“ wird über die mögliche Gründung einer neuen Landesgesellschaft spekuliert. Die dürfte neben den bereits etablierten Institutionen wie der Emschergenossenschaft oder dem RVR ihre Geschäfte vorantreiben. Das würde bei den bereits chaotischen Strukturen im Ruhrgebiet keinen Sinn machen und den administrativen Überbau weiter aufblähen. Stefan Laurin hat in seinem Beitrag über den Ruhrplan des Büros Albert Speer die Vorschläge von Jürgen Rüttgers als heiße Luft bezeichnet und damit dürfte er sehr nah an der Wahrheit liegen. Die IBA II ist nicht mehr als ein glückloser Versuch im Wahlkampf ein paar Punkte zu machen.

Bündnis ’90 adé? Nein, nur auf Halde. – Grüner Wahlkampf in Essen

Donnerstag nachmittag, Essener Innenstadt: (V.l.n.r.) Mehrdad Mostofizadeh, Cem Özdemir, Sylvia Löhrmann und Oliver Keymis stehen auf der Bühne. „Fragen? 3 Tage wach antwortet!“ ist das Motto der Kampagne für die letzten 72 Stunden vor der Wahl in NRW. Zeit, Essentials und Substanz von sowohl Inhalten als auch Positionierungen zu überprüfen.

Inhalte & Stimmung: Das „Bündnis ’90“ fehlt ja im Wahlkampf. Die Grünen geben sich betont westlich, mag fast gesagt werden. Walter Wandke, wie Mostofizadeh einer der Landtagskandidaten der Stadt, erzählt, dass neben den Reclam-artigen Heftchen mit dem Titel „Die Räuber in Schwarz-Gelb“ vor allem die „Rüttgers-Club“-Kampagne gut funktioniere. In ihren Reden sprechen Özdemir und Löhrmann viel vom Green New Deal, beispielhaft von Häuserdämmung, die gleich 100.000 Arbeitsplätze schaffen solle. Es gäbe hierfür Unterstützung von Seiten der Gewerkschaften, des Mittelstandes und der Kommunen. Kinder sollen in Ganztagsschulen ein warmes Mittagessen erhalten. Atom- und Kohleausstieg. Längeres gemeinsames Lernen auch nach der 4. Klasse. Abschaffung der Studiengebühren. „Dem Schwarz-Gelben Spuk da ein Ende machen, wo er auch begonnen hat.“ Lieber eine 2er-, als eine 3er-Koalition. Özdemir erwähnt zusätzlich noch ein paar Linkspartei-kompatible Punkte extra. Und eine stellvertretende Ministerpräsidentin ist gewünscht, vielleicht gar eine weibliche Doppelspitze. Friedliches Zusammenleben der Kulturen. Mehr Geld für Kindergärten und Pädagogen. Die Steuerentlastungen der Bundesregierung verhindern. Passt all das eigentlich zusammen?

Szenario für nach dem kommenden Sonntag: Es gibt ein 5-Parteien-Parlament. Eine davon wird mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Sollte dies quasi wie aus heiterem Himmel doch Hannelore Kraft sein, muss sie mit den Grünen klären, ob FDP oder Linkspartei dazu geholt werden soll. Die CDU wird nie im Leben Juniorpartner unter Kraft spielen. Oder würde Rüttgers doch soweit gehen, um das Abendland vor der Linkspartei zu retten? Eine zu köstliche Vorstellung. Frage das doch einmal jemand Jürgen Rüttgers in den nächsten Stunden, bitte. Spannend an der Idee einer sehr starken SPD ist natürlich auch, dass es dann für Schwarz-Grün rechnerisch nicht einmal reichen würde. Fall b) also: Rüttgers darf/muss sich Koalitionspartner suchen. Das wäre unangenehm, weil ja im Grunde SPD wie Grüne via Bundesrat die Koalition in Berlin torpedieren wollen. Und das würde die SPD sicher liebend gern als Verhandlungsmasse einbringen bzw. sich mit Macht bundesweit in die Regierungsarbeit einmischen. Da wären die Grünen sicherlich leichter abzuspeisen. Es bleibt also dabei: Schwarz-Grün, Große Koalition oder Rot-Rot-Grün sind die Optionen für NRW, alles andere scheint abwegig. Sind die Grünen also um ihre Position zu beneiden? Keinesfalls.

Beobachtungen/Prognose: Die Berliner Grünen scheinen mit ein wenig Grauen darauf zu schauen, wie wenig sie die Situation in NRW unter Kontrolle haben. Wie sollte man in NRW mit der CDU koalieren und gleichzeitig die Bundesratsmehrheit kippen? Wie sollte Rot-Rot-Grün in NRW mit den Partnern überhaupt zustande kommen, geschweige denn funktionieren? Ist das Personal überhaupt stark genug, um solchen Belastungen standzuhalten? Ist die reine Oppositionsrolle nicht doch die derzeit dankbarste? Wer auch immer gemutmaßt hat (ich auch), dass die NRW-Grünen quasi den Vermittler, den Kitt zwischen rechten Sozialdemokraten und Linkspartei geben könnten, muss eingestehen: Im Grunde erscheint das mit dem aktuellen Personal nahezu aberwitzig; NRW als Experimentierfläche für so ein Projekt stünde unter permanenter Fremdherrschaft aus Berlin. Und der rechte Flügel der SPD wird dann lieber schon vor der Koalitionsbildung nein sagen. All das Gerede von Düsseldorf als Testlauf für Berlin wird sich dennoch nicht in Luft auflösen, es wird nur anders kommen als gedacht: Wie die SPD die 3er-Koalition werden die Grünen die Schwarz-Grüne Option verhindern wollen, und zwar jeweils eher von Berlin aus – und es wird Schwarz-Rot geben. Sorry, harte Zeiten = Große Koalition. Variante: Die SPD holt mehr als die CDU und ist quasi in der Pflicht, eine Ampel oder Rot-Rot-Grün zu bauen. Dann könnte sich theoretisch der Flügel um Gabriel und Nahles tatsächlich durchsetzen. Und es ginge gar nicht mal um „Kraftilanti“, de fakto hinge das Wohl und Wehe von Gabriel und Nahles von Düsseldorf ab. Auch Özdemir wird inzwischen gedämmert sein: Rot-Rot-Grün für NRW will niemand in der SPD. Genauso wenig wie die Grünen in Berlin Schwarz-Grün für NRW.

Und so wird es kommen: Die Landesverbände proben den Aufstand gegen Hauptstadt und innerparteilichen Mainstream, aber irgendwie scheitern die Verhandlungen mit Beteiligung der kleineren Parteien, auch weil niemand die Grünen zur CDU lassen will. Die sogenannten Volksparteien raufen sich abermals zusammen, die CDU rächt sich nebenbei ein wenig an der FDP, und die fast schon vergessene Steinbrück/Steinmeier-SPD geht ihren bitteren Weg weiter: in eine Große Koalition unter Rüttgers. Wer glaubt, dagegen einfach mal Kraft, Grün oder Linkspartei wählen zu können, wird Pech haben. Aber es könnte Sinn machen, die sogenannten „Volksparteien“ vorher noch zu schwächen, wo es eben geht. Dies ist eine Wahlempfehlung gegen CDU und SPD.

Und das wird aus „Bündnis ’90“: Es steht genau dann ein Revival an, wenn Rot-Rot-Grün sich gegen die rechte Sozialdemokratie (SPCDU) in NRW und Schwarz-Gelb in Berlin gleichzeitig formiert – natürlich nur in der Opposition und mit dem passenden Personal. Der nächste Umsturz kommt also bestimmt, aber noch nicht in NRW, und wohl auch bis auf weiteres nicht.

Geheimklausel: Psst, liebe (Berliner) Grüne, hier noch ein Ausweg, damit doch Pöstchen verteilt werden können und weil Ihr ja doch immer die Wichtigsten seid, ne: Schwarz-Grün in NRW doch machen, aber das richtig, richtig, richtig schlecht! Genau das braucht die Kanzlerin am wenigsten! Und es ist ein tolles Argument für Rot-Rot-Grün später mal, ne? Aber wie gesagt: Pscht! 😉

Emnid: Rot-Grün vor Schwarz-Gelb, Linke auf der Kippe

Und wieder eine Umfrage. Diesmal von Emnid: Patt zwischen Rot-Grün und Schwarz/Gelb. Die Linkspartei muss um den Einzug in den Landtag zittern.

Hier neue Zahlen von Emnid für die NRW-Wahl am kommenden Sonntag: CDU 37Prozent, SPD 35 Prozent, Grüne 12 Prozent, FDP 8 Prozent und Linke 5 Prozent.

Es könnte also gut sein, dass wir am Sonntag um 18.00 Uhr nicht wissen wie es weiter geht, sondern auf das vom  Wahlleiter verkündete Ergebnis warten müssen.

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Forsa hängt sich weit raus: CDU und SPD in NRW gleichauf?

Gibt es einen „last swing“ gegen die CDU? Darauf deuten die Umfragen der letzten Tage hin.

Forsa, das Institut des „Friend of Gerd“ Manfred Güllner, hängt sich heute – im Auftrag von stern.de – besonders weit raus, was die Sonntagsfrage für die NRW-Landtagswahl betrifft: CDU 37 (-2 gegenüber vor zwei Wochen), SPD 37 (+4), Grüne 10 (+-0), FDP 6 (-1), Linke 5 (-1).
Die Spannweiten der Parteien bei den diversen Instituten sehen jetzt so aus: CDU 35-38; SPD 33-33,5 (außer jetzt bei Forsa 37); Grüne 10-12; FDP 6-8,5; Linke 5-6; Sonstige 4-5 (FGW/ZDF gibt den Piraten dabei 3).
Für die These vom „last swing“ gegen die CDU sprechen übereinstimmende Sonntagsfragen von Emnid und Forsa für den Bund. Danach hat die CDU in einer Woche 2% verloren, ohne dass das zu Gewinnen der FDP führte. Spricht also doch vieles für die Vertiefung der Völkerfreundschaft zwischen Griechenland und NRW?

Sternsingen mit Jogi

Bundes-Mangastar Jogi Löw redet gerade im Livestream. Und wer noch nicht weiß, warum, hat DFB-Sprecher Harald Stenger zu Beginn aufgeklärt: Es gehe um den vierten Stern von Mercedes in Südafrika. Oder so ähnlich.

Genau 27 Spieler nimmt der Bundestrainer mit auf das WM genanne Joint Venture von öffentlich-rechtlichem Rundfunk, Autoindustrie und Männerpflegeserie. Keine großen Überraschungen dabei – vielleicht der kleine Andreas Beck aus Hoffenheim/Sibirien, Dennis Aogo aus Hamburg, Stuttgarts Christian Träsch, Holger Badstuber aus München und das doch wieder offene Rennen im Tor. Sieht so aus, also ob leider nicht Schalkes Manuel Neuer, sondern Routinier Jörg Butt am 13. Juni in Durban im Tor stehen wird.

Grafik: ruhrbarone