Meine Angst: Das Patt des Grauens

Ich habe gerade Kaffee getrunken. Einen Keks gegessen. Dann nachgedacht. Über den Satz eines guten Kollegen. Der hat nämlich mal folgende Regel aufgestellt: In der Politik passiert immer das Langweiligste, das denkbar ist. Gut, habe ich mir überlegt, was ist das Langweiligste, das heute in NRW denkbar ist – jetzt bei den Landtagswahlen?

DAS PATT DES GRAUENS.

Wie kann das aussehen? Ganz einfach: SPD und CDU bekommen etwa 35 Prozent der Stimmen. Die Grünen landen bei 11 Prozent und die FDP kriegt irgendwas mit 6. Dooferweise kommen die Linken mit 5,05 Prozent rein.

Das bedeutet: Weder rot-grün, noch schwarz-grün ist möglich. Auch schwarz-gelb geht nicht. Alles hat keine Mehrheit. rot-rot-grün geht auch nicht – weil das nicht getragen wird. Rot-gelb-grün geht genauso wenig, wie schwarz-grün-gelb. Die Leute können das nicht. Die würden sich in so einer Koalition mit Farbbeuteln bewerfen.

Es geht nur die große Koalition. Und das auch nur im Patt. Ohne eindeutigen Sieger. Wer soll da Ministerpräsident werden? Jürgen Rüttgers, der CDU-Loser, Kraft, die SPD-Loserin? Keiner von beiden, sage ich. Im Patt des Grauens wird ein neuer gesucht, es wird wochenlange Verhandlungen geben, um jeden einzelnen Posten und jedes einzelne Ministerium. Alles verfangen in Personalien, weil jeder weiß, nur der Ministerpräsidentenposten zählt. Jeder Minister ist egal. Das mussten wir in der Berliner großen Koalition lernen.

Danach werden sich die Politiker im Patt des Grauens jahrelang belagern. Misstrauisch, nervös, feige. Im Land wird derweil so gut wie nix passieren.

Nach fünf Jahren Eiszeit werden dann einer oder vielleicht auch beide Koalitionäre abgestraft und die ehemaligen Volksparteien landen bei unter 25 Prozent. Nach dem Patt des Grauens werden die Ränder des Spektrums stärker, von Linkspartei bis Pro NRW. Das ist meine Angst.

Hoffentlich kommt heute eine klare Aussage bei den Wahlen raus.

Ich befürchte aber, dass ich mit meiner Angst Recht behalten könnte.

NRW-Landtagswahl: „Morgen Kinder wihird es was geben…“

Gleich gehe ich wählen. Und ich weiß wo ich meine Kreuzchen machen werde. Schade ist, dass mir keiner sagte, was in den nächsten Jahren auf mich zukommen wird.

Es wird gespart. Sobald die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen sein werden. Egal welche Koalition es geben wird. Und es wird hart gespart werden: Im Bund, im Land und in den Städten. Getrost kann man alle Wohltaten vergessen, die im Wahlkampf angekündigt wurden. Ich hätte mich gerne zwischen verschiedenen Sparkonzepten entschieden, aber die wollte mir ja niemand erklären.

Vielleicht gibt es auch gar keine verschiedenen Sparkonzepte. Vielleicht wird einfach auf die Ausgabenbremse getreten dass es kracht.

Ich glaube viele ahnen, dass dieser Wahlkampf eine noch schlimmere Show-Veranstaltung  war, als die meisten vorher gehenden Wahlkämpfe.

Das Interesse an der NRW-Wahl war nur in den Medien groß,  die Wahl hatte  massive Auswirkungen auf die Bundespolitik der vergangenen Monate.

Aber habt ihr das Gefühl, dass die Menschen der Wahl entgegenfieberten? Die Einschaltquoten des Duells Rüttgers-Kraft im WDR waren mies. Bei uns liefen viele NRW-Wahl-Geschichten höchstens im Schnitt, oft aber auch stark drunter.

In Kneipen und auf Partys habe ich mehr Gespräche über das iPad, Apple, das miese Wetter und die Griechenland-Krise miterlebt, als über die NRW-Wahl. An den Ständen der Parteien war wohl auch nicht die Hölle los. Und die politischen Veranstaltungen waren oft schlecht besucht. Wechselstimmung? Angst vor Rot-Rot-Grün? Hoffnung auf einen Aufbruch? Ich habe davon nichts mitbekommen.

Außerhalb der Medien und der Politik hat der Wahlkampf die Menschen nicht erreicht. NRW-Themen schon gar nicht. Das könnte sich in den nächsten Monaten ändern, wenn die Sparpläne auf den Tisch kommen. Dann wird es sich rächen, dass die Parteien diese Wahl nicht dazu genutzt haben, sich die einstehenden Einschnitte vom Wähler legitimieren zu lassen.

Der Ruhrpilot

NRW: Schön, sozial und dreckig…Zeit

NRW II: Es geht um die Macht im Land der Fußgängerzonen…Welt

NRW III: Europas Krise dominiert den Wahlkampf…FAZ

NRW IV: Rüttgers kämpft gegen Griechenland-Effekt…Spiegel

NRW V: Wahltag…xtranews

NRW VI: Piraten in Dortmund…Zoom

Dortmund: Flattern in der Herzkammer…FR Online

Ruhr2010: Rückkehr zu den Wurzeln…Welt

Ruhr2010 II: Galerie unter freiem Himmel…Der Westen

Ruhr2010 III: Jüdische Bienale im Ruhrgebiet…Freie Presse

Fußball: Ausschreitungen in Bochum nach Abstieg…Der Westen

Missbrauch: Der Bock, der sich selbst zum Gärtner machte…Achse des Guten

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Wählerinitiativen: Peinliche Engagementsimulatoren

Ob Bochumer Wählerinitiative, Bochumer für Norbert Lammert oder Rüttgers „Wähler für den Wechsel“ – die Wählerinitiativen sorgen für Schlagzeilen. Zum Glück für schlechte.

Irgendwann einmal gab es vielleicht ein wirkliches Engagement für einen Kandidaten. Damals, 72, als tausende mit „Willi wählen“ Buttons durch die Städte liefen. Sicher, auch das war eine Kampagne, aber sie traf den Zeitgeist und wurde von vielen Menschen ehrlich weitergetragen. Und 80 gelang das noch einmal: Ohne „Stoppt Strauß“ Anstecker konnte man sich auf dem Schulhof kaum sehen lassen.

Das war es dann aber auch schon. Alles was wir seitdem erlebt haben, sind nichts anderes als peinliche Engagementsimualtoren, die so tun, als ob Kandidaten nicht nur von ihren Parteien aufgestellt wurden, sondern von der Begeisterung der Bevölkerung getragen werden. Und in ihrer Peinlichkeit tun  sich die „Wählerinitiativen“ von CDU und SPD nichts.

Die Initiativen sind nicht mehr als plumpe Parteien-PR, haben zum Teil noch nicht einmal eigene Konten, werden vor allem von Parteigängern getragen, von den Parteien mehr oder weniger stark gesteuert und sorgen für kleinere Spendenskandale. Sie sind für SPD und CDU  zu Belastungen geworden. An ihre Unabhängigkeit hat eh nie jemand geglaubt. Zeit mit diesem Unsinn Schluss zu machen.

Der Ruhrpilot

NRW: Zu lange in die Vergangenheit investiert…Handelsblatt

NRW II: Im Westen was Neues?…Stern

NRW III: Die Pirouette des Jürgen Rüttgers…FAZ

NRW IV: Schwarz-Gelb bangt um seine Handlungsfähigkeit…Welt

NRW V: Letzte Hoffnung: SPD…taz

Ruhr2010: Villa Hügel – Das Haus der Macht…Zeit

Ruhr2010 II: Folkwang fest im Gäste-Griff…Der Westen

Ruhr2010 III: Kunstmarkt rund ums Schloss Herten…Hometown Glory

Ruhrgebiet: Das harmlose Land…Welt

Ruhrgebiet II: Pottimpressionen…Kueperpunk

Opel: Einenkel wieder zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt…Bo Alternativ

Krise: Nach der Griechischen Eröffnung – Europa in wenigen Zügen Schachmatt…Mediaclinique

Recht: Neuer Personalausweis ab 1. November…Law Blog

CDU tarnte Pro-Lammert -Initiative

Die CDU hat offenbar eine als unabhängig auftretende Wählerinitiative für Bundestagspräsident Norbert Lammert finanziell und organisatorisch gefördert. Nach Informationen der Frankfurter Rundschau hat die Partei Flyer der Initiative „Bochumer für Norbert Lammert“ gedruckt und Veranstaltungen im Bundestagswahlkampf 2009 organisiert. Ein Sprecher der CDU NRW erklärt schriftlich: „Im Rahmen des Bundestagswahlkampfs für Norbert Lammert wurden Aktivitäten der Wählerinitiative auch von der CDU-Kreisgeschäftsstelle in Bochum unterstützt.“ Möglicherweise muss sich der oberste Prüfer des Bundestages jetzt selbst überprüfen.

Denn die logistische und finanzielle Unterstützung der Partei wurde auf den Flyern der Initiative verschleiert. Wörtlich und mehrfach steht dort, die Initiative sei „überparteilich“, über ein Impressum verfügt es nicht. Lammert sei „ein Mensch unserer Stadt und des Reviers, der über eine hohe politische Kompetenz verfügt und dem man Vertrauen schenken kann“, heißt es dort. Aufgelistet sind lediglich „Bochumer“, die für Lammert werben – angeblich unabhängige lokal oder regional bekannte Personen. Doch die große Mehrheit gehört der CDU an, andere gelten als parteilos wie der VFL-Trainer Darius Wosz oder der Bochumer Theater-Intendant Elmar Goerden.

Gründer der Initiative ist offenbar Klemens Kreuzer, altgedientes CDU-Mitglied in Bochum. Der kulturpolitische Sprecher seiner Fraktion engagiert sich seit Jahren wie der Bochumer Lammert für ein Konzerthaus in der bankrotten Revier-Stadt. Während des Wahlkampfes im September 2009 veranstaltete die Gruppe zum Beispiel Diskussionsabende, auch diese wiederum mit CDU-Größen wie dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz Bernhard Vogel.

Dies ist schon die zweite zweifelhafte Wählerinitiative der CDU in den vergangenen Wochen. Zurzeit beschäftigt sich Bundestagspräsident Lammert auch mit der CDU-Initiative „Wähler für den Wechsel“. Sie hatte im Wahlkampf 2005 den damaligen Oppositionsführer Jürgen Rüttgers (CDU) unterstützt. Für den Aufbau der Gruppe hatte die NRW-CDU Geld bezahlt. Die Spenden, die die Initiative eingeworben hatte, tauchen aber nicht im Rechenschaftsbericht der CDU auf.

Auch diese angeblich unabhängige Gruppe war personell eng mit den Christdemokraten verwoben. Zwar bezeichnet die CDU den damaligen Initiator der „Wähler für den Wechsel“-Gruppe, Tim Arnold, immer verharmlosend als Student, obwohl er schon längst Manager bei Bertelsmann gewesen war. Nur ein Jahr nach der Wahl wurden die engen Kontakte von Arnold zur CDU aber offensichtlich: Rüttgers machte den jetzt 40-Jährigen zum Leiter der NRW-Landesvertretung beim Bund in Berlin. Spenden soll das Bochumer Pendant jedoch nicht gesammelt haben. „Nach jetzigem Kenntnisstand hatte die Initiative weder ein eigenes Konto, noch hat sie Spenden für sich eingeworben“, formuliert es der CDU-Sprecher vorsichtig.

Weder die Bochumer CDU noch das Bundestagsbüro von Norbert Lammert wollten sich zur Initiative äußern. Lammert sei im Flieger unterwegs. Offenbar aber hat der Parteistratege sich schon vorher selbst prophylaktisch in Schutz. Laut WAZ hat er heute im Ältestenrat Wählerinitiativen generell in Schutz genommen. Er könne nur davor warnen, dass es im Wahlkampf „ohne Kenntnis des konkreten Sachverhalts zu hysterischen Überreaktionen kommt“, sagte er dort lau WAZ. Ob Lammert dies seinem Leib- und Magenblatt selbst gesteckt hat? Wir wissen es nicht. Aber schon ein denkwürdiger Zufall.

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Die Geschichte vom schwarzen Millionen-Loch im digitalen Nordrhein-Westfalen

Einst waren 25 Mio. Euro dafür vorgesehen, elektronische Rathäuser in NRW einzuführen, in etwa so wie auf dem Plan hier. Aus den Ideen ist aber nicht viel geworden. Wo das Geld versandet ist, bleibt unklar.

von Bastian Rothe, Johanna Rüschoff und David Schraven

Die Zukunft sah so toll aus. Das Projekt d-NRW sollte der Startschuss für eine neue internetbegeisterte Verwaltung in Nordrhein-Westfalen sein – so hieß es damals zu Beginn des Jahrzehnts unter der Regierung von Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD). Eine Vision, gut 25 Mio. Euro schwer. Doch aus der Nummer ist wenig geworden. Das Geld ist weitgehend versandet, wie Recherchen der Ruhrbarone zeigen. Ausschreibungen wurden fast durchgehend vermieden, die beteiligte Softwarefirma weist eine bilanzielle Überschuldung aus und der Verbleib etlicher Millionen ist bis heute ungeklärt. Die aktuelle Landesregierung scheint sich nicht weiter um das Vorhaben kümmern zu wollen, dabei gingen noch Mitte 2008 unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) neue Aufträge in das Projekt. Mit neuen Kosten in Millionenhöhe.

Die verworrene Geschichte um d-NRW beginnt mit dem Investor Clemens J. Vedder. Dieser ansonsten eher im Hintergrund agierende Finanzhai, Jahrgang 1947, mit Wohnsitz in Florida wurde vor allem mit seiner Investorengruppe Cobra bekannt, als diese bei der Commerzbank einstieg. Aktuell steckt Vedder hinter dem Hedge Fond „Blacksmith Fund Ltd.“ Auf Grand Cayman.

Auch im digitalen Nordrhein-Westfalen agierte Vedder weit im Hintergrund im Herzen eines kleinen Firmengeflechts, das um die Fördermillionen buhlte.

Die cosinex GmbH wurde im Jahr 2000 von einigen Studenten und Bediensteten der Privatuni Witten/Herdecke gegründet. Es hieß, man habe ein akademisches Start-Up vor sich. Doch schon kurz nach der Gründung stieg Finanzhai Vedder in die Unternehmung ein und brachte rund 2,5 Millionen Euro Kapital mit. Bei seinem Einstieg ließ sich Vedder von seinem Geschäftspartner, dem Kölner Anwalt Martin Fervers, vertreten. Fervers war Geschäftsführer der Finanzholding Rebon B.V. in Amsterdam, in der Vedder seine Interessen bündelte. Zur Rebon B.V. gehörte auch die Investorengruppe Cobra, deren Geschäftsführung Fervers 2002 übernahm.

Die cosinex GmbH ist wiederum in einer öffentlich-privaten Partnerschaft verstrickt, die mit dem Land NRW eng verwoben ist. Die Struktur ist kompliziert: Während die öffentliche Hand heute ihre Interessen am Projekt in der d-NRW Besitz-GmbH und Co. KG bündelt, steckt die cosinex wie eine russische Holzpuppe hinter dem privaten Teil der Partnerschaft, die heute unter dem Titel d-NRW Betriebs-GmbH & Co. KG firmiert.

Die Idee war, dass die öffentliche d-NRW Besitz-GmbH der privaten Betriebs-GmbH Aufträge für die Digitalisierung der Verwaltung vermittelt. Davon profitieren sollten beide. Der private Partner von den Fördermitteln für die Entwicklung der Software, die Öffentliche Hand von der neuen Technik.

Ursprünglich gab es sogar eine Ausschreibung für die d-NRW Betriebs-GmbH. In diesem Wettbewerb setzten sich zunächst die Unternehmensberatung CapGemini Ernst&Young gemeinsam mit der cosinex GmbH durch. Das Land gründete dann mit diesen beiden Firmen die d-NRW
Betriebs-GmbH. Allerdings stieg die CapGemini bereits nach kurzer Zeit aus dem Projekt wieder aus. Die kleine cosinex blieb damit als alleiniger Partner übrig, der heute 100 Prozent der d-NRW Betriebs-GmbH kontrolliert.

Mit der Beteiligung hatten Vedder und Partner große Pläne, wie ein Insider erzählt. Mitten in der Euphorie am neuen Markt habe man geglaubt, mit der cosinex dank der Partnerschaft mit dem Land einen Volltreffer zu landen. Wenn alle Rathäuser in NRW die kostspielige Software kaufen würden, könnte man ein Systemhaus mit Milliardenumsätzen schaffen, so die Hoffnung. Es heißt, selbst ein Börsengang der cosinex sei angedacht worden. Spiritus Rektor sei damals Stephan Jansen gewesen, ehedem Leiter des „Institute for Mergers & Acquisitions (IMA)“ an der Universität Witten/Herdecke und heute Präsident der Zeppelin University in Friedrichshafen.

Leider blieb der erwartete Ansturm auf das digitale Rathaus aus. Dann brach auch noch der neue Markt zusammen. Schlechte Zeichen. Im Juni 2002 verliert sich die Spur von Vedder aus den Akten. Dafür erscheint eine Graf von Wolkenstein-Trostburg Vermögensverwaltungs- und Grundstücksverwertungs-GmbH in Köln in den Unterlagen. Diese Firma übernimmt nach und nach Anteile von Studenten an der cosinex. Kontrolliert wird die Graf von Wolkenstein GmbH von Martin Fervers, jenem Vedder-Rechtsanwalt, der einst die Cobra steuerte. Laut Handelsregister steht Fervers heute alleine hinter der Wolkenstein GmbH.

Die cosinex erhielt öffentliche Fördermittel in Millionenhöhe aus dem Ziel-II-Programm der Europäischen Union und des Landes NRW. In einer internen Mail an das Innovationsministerium von Minister Andreas Pinkwart (FDP) betonte cosinex-Geschäftsführer Carsten Klipstein, dass die stattliche Summe von 25 Millionen Euro als Förderung vorgesehen war.

Aber wie viel Geld davon tatsächlich abgeflossen ist, bleibt unklar. Niemand in NRW scheint eine Antwort geben zu können oder zu wollen. Der Geschäftsführer der öffentlichen D-NRW Besitz GmbH, Roger Lienenkamp, sagt: „Die Inanspruchnahme der reservierten Fördermittel erwies sich als so aufwändig, dass die d-NRW Besitzgesellschaft lediglich in einem einzigen Fall, nämlich für das Projekt, Informationsbüro d-NRW, einen Förderantrag gestellt hat.“ Dies machte einen Betrag von 3,2 Mio. Euro aus. Mit dem Geld sollte das Informationsbüro für die digitale Verwaltung werben.

Erst nach und nach wird weiter bekannt, dass die cosinex auch direkt Geld aus Fördertöpfen bekam. Zur „Entwicklung eines interkommunalen Marktplatzes zur Abwicklung formaler Vergaben“ flossen weitere 830.000 Euro. Für die „Realisierung eines interkommunalen Katalogs“ gab es 190.000 Euro. Beides eher normale Softwareentwicklungen.

Dann bekam auch noch ein Verein „European Society for eGovernment“ in Köln rund 200.000 Euro. Auf Nachfrage, welches Projekt damit gefördert wurde, heißt es, die European Society habe die Aufgabe gehabt, „den Stand der Einführung von E-Government-Prozessen zu erheben und die Öffentlichkeit über das Potenzial von E-Government-Prozessen zu informieren.“ Frei könnte man das mit „Public Relation“ übersetzen.

Nach wochenlangen Nachfragen erklärt die Aufsicht führende Landesgesellschaft, der Projektträger Jülich, es seien insgesamt etwa 4,46 Millionen Euro im Rahmen von d-NRW ausgeschüttet worden. Dies sei aber möglicherweise nicht die Gesamtsumme, da einzelne Ministerien auch direkt gefördert haben könnten.

Auf die Fragen wer das war, gibt es von den Ministerien im Land NRW keine ausreichenden Antworten. Lediglich aus dem Finanzressort heißt es, dem Projekt d-NRW seien drei Aufträge zur Installation und Pflege von Software erteilt worden. Der letzte im August 2008. Insgesamt flossen auf diesem Weg bis heute weitere 2,7 Mio. Euro durch das Firmengeflecht an cosinex. Ein Teil des Geldes wurde allerdings unterwegs als Eigenanteil von den anderen Firmen abgezogen. Die Aufträge hießen „Vergabemarkplatz NRW“ „Vergabemanagementsystem NRW“ und „Einkaufskatalog NRW“.

Diese Namen erinnern frappierend an die Titel der ursprünglich bewilligten Förderprojekte.

Auffällig ist zudem, dass es abgesehen von der ersten Ausschreibung für den privaten Partner von D-NRW keine weitere Ausschreibung der Software oder der PR gab. Eine Sprecherin von Finanzminister Helmut Linssen (CDU) sagte, im Falle der Aufträge aus dem Finanzministerium habe es sich um „Inhouse-Geschäfte“ gehandelt, die nicht hätten ausgeschrieben werden müssen.

Tatsächlich wurden die Dienstleistungen immer wieder über das Geflecht von öffentlicher und privater D-NRW-Gesellschaft an die cosinex durchgereicht. So wurde die Förderung für das angesprochene Informationsbüro d-NRW genauso wie die Aufträge aus dem Finanzministerium an die öffentliche d-NRW Besitz-GmbH gegeben. Von dort aus ging das Geld über die private d-NRW Betriebs-GmbH als Unterauftrag an die cosinex GmbH – alles ohne öffentliche Ausschreibung.

In den Unterlagen zu dem Vorhaben sehen die Aufsichtsbehörden diese Weitergabe der Aufträge kritisch. Allerdings heißt es in einem internen Vermerk, Ausschreibungen könnten solange zu recht vermieden werden, wie sie auf Basis eines Rahmenvertrages stünden, der zwischen der öffentlichen und der privaten d-NRW Gesellschaft abgeschlossen worden sei. Denn dieser Rahmenvertrag sei selbst auf Basis einer Ausschreibung zustande gekommen. Alle Dienstleistungen, die Teil dieser ursprünglichen Ausschreibung gewesen seien, dürften also ohne Wettbewerb vergeben werden.

Es bleibt also die Frage offen, ob die neuen Aufträge Teil dieser ursprünglichen Ausschreibungen waren? Zumindest das Informationsbüro kam im ursprünglichen Rahmenvertrag vor, wenn auch nur am Rande. Die restlichen Projekte waren kaum zu identifizieren.

Gleichzeitig wurde mit Macht versucht, die Notwendigkeit der digitalen Verwaltung publik zu machen, um möglichst viel Software zu verkaufen. Gleich mehrere Professoren und Experten wurden beauftragt, Begleitstudien für d-NRW anzufertigen, die wie Werbung aussehen. Die Autoren erhielten für die Broschüren mit einem Umfang von wenigen dutzend Seiten oft mehrere zehntausend Euro. An Stundensätzen wurde fast ausschließlich das höchste, gerade noch gesetzlich zulässige ausgezahlt. Alleine die Fernuni Hagen rechnete weit über 200.000 Euro für verschiedene Studien ab.

Dabei ließ zumindest ein Professor auch Geld in die eigenen Taschen fließen. Für das Versenden von Einladungen zu einem Public-Relation-Tag in Münster etwa stellte Professor Jörg Becker auf dem Briefpapier der Uni Münster 13.685 Euro für eine Memo Tagung GbR in Rechnung. Diese Firma residiert in Beckers Privathaus im malerischen Altenberge. Auf Nachfrage bestätigte der Professor, dass die „Familiengesellschaft“ unter anderem ihm gehört.

Ausschreibungen für die ganzen Arbeiten konnten in den Unterlagen zum Projekt d-NRW nicht gefunden werden, stattdessen traten immer wieder Mitglieder der Aufsichtsgremien als „Paten“ in den PR-Studien auf.

Aus dem Innenministerium war etwa Abteilungsleiter Johannes Winkel dabei, oder Christoph Gusovius von der Steuerungsgruppe „Verwaltungsstrukturreform“ und Vertrauter von NRW-Innenminister Ingo Wolff (FDP).

Aber selbst der Beistand der Ministerialen konnte nicht dabei helfen, die Entwicklung und Vermarktung von Programmen wie den „Vergabemarktplatz für Ausschreibungen“ oder „Melderegister online“ zu einem durchgreifenden Erfolg zu machen. Trotz Fördermillionen meldete die cosinex in der aktuell vorliegenden Buchhaltung eine bilanzielle Überschuldung ans Finanzamt.

Ein Grund für den Misserfolg kann die Vorgehensweise der beteiligten Partner gewesen sein: viele Kommunen im Ruhrgebiet, in denen bereits komplexe Projekte zur elektrischen Verwaltung liefen, fühlten sich übergangen. „Wir Kommunen verfügen über fundiertes IT-Wissen“, sagt ein IT-Insider einer großen Revier-Kommune. „Die hätten uns vorher fragen müssen.“

Eine politische Aufarbeitung über den Erfolg des Projektes hat es in der Landesregierung bis jetzt nicht gegeben. Stattdessen sieht es so aus, als habe man sich mit dem Stand der Dinge abgefunden. D-NRW läuft weiter. Und sucht frische Aufträge und frisches Geld.

Illustration: D-NRW

Michael Spreng: „Rüttgers hätte früher in der Partei aufräumen sollen!“

Michael Spreng war Redakteur bei Bild und Welt, Chefredakteur von  Bild am Sonntag  und Kölner Express und beriet Edmund Stoiber und Jürgen Rüttgers in Wahlkämpfen. Spreng,  dessen Blog Sprengsatz zu den wichtigsten politischen Blogs der Republik gehört,  sprach mit uns über den Wahlkampf von Jürgen Rüttgers

Ruhrbarone: Der Wahlkampf in NRW neigt sich dem Ende entgegen und Rüttgerst steht unter Druck. Was hat er im Wahlkampf falsch gemacht?
Michael Spreng: Die Probleme von Jürgen Rüttgers und der CDU in NRW haben ihre Ursache vor allem in dem schlechten Start der Bundesregierung und dem Unmut der Wähler über die finanzielle Unterstützung Griechenlands. Er muss jetzt die Suppe auslöffeln, die ihm andere eingebrockt haben.


Rüttgers ist es auch nicht gelungen, mit seinen Themen zu Punkten. Die Schulpolitik war nicht das Hauptthema des Wahlkampfs.
Nein, der wurde von bundesweiten Themen bestimmt. Aber die Schulpolitik ist für die Union generell ein schwieriges Terrain. Alle Umfragen zeigen, dass auf diesem Feld der SPD eine höhere Kompetenz zugestanden wird.

Und dann war da noch das Thema Rot-Rot-Grün. Wirkt das noch?
Eine Anti-Linkspartei Kampagne wirkt heute nicht mehr so stark wie noch in den 90er Jahren. Aber es war richtig von Jürgen Rüttgers auf die Gefahr einer rot-rot-grünen Regierung hinzuweisen. Frau Kraft hat eine solche Koalition nie ausgeschlossen und der Gedanke, dass die chaotische Linkspartei in NRW an einer Landesregierung beteiligt werden könnte, macht vielen Menschen Sorgen.

Rüttgers stolperte  auch über eigene Skandale…
Ja, Rent a Rüttgers hat ihm geschadet und sein Image beschädigt.

Er spricht von einem nie dagewesenen Negative Campaigning.
Mit solchen Superlativen wäre ich vorsichtig. Die Kampagne gegen Willy Brandt 1972 war deutlich übler. Damals schalteten Unionsanhänger Willy Weinbrandt-Anzeigen in den Zeitungen. Auch andere Wahlkämpfe wurden sehr hart geführt. Neu ist für mich, dass Rüttgers größte Gegner aus den eigenen Reihen kamen. Enttäuschte CDU-Funktionäre haben offensichtlich die Medien mit Informationen versorgt, um Rüttgers zu schaden. Das Motiv war Rache.

Rüttgers hätte sich in seiner Partei nicht so viele Feinde machen sollen.
Das sehe ich anders. Rüttgers hätte früher in der Partei aufräumen sollen.

Sie selbst bloggen unter Sprengsatz.de. In den letzten Tagen war viel über die gestiegen Bedeutung von Blogs die Rede.
Wir in NRW und die Ruhrbarone konnten Themen setzen, aber für die Wahl wird das nicht entscheidend sein. Wie bereits gesagt: Die Griechenlandhilfe und der Fehlstart von Schwarz-Gelb in Berlin sind die großen Probleme der CDU in NRW.

Eine letzte Frage: Es gab das Gerücht, Sie würden Jürgen Rüttgers in diesem Wahlkampf beraten.
Das habe ich auch gelesen. Es stimmt nicht.