Jürgen Rüttgers und Hannelore Kraft sind doch im Einklang

Sing! Day of Song in der Arena auf Schalke
Sing! Day of Song in der Arena auf Schalke
Die Behauptungen, dass Jürgen Rüttgers (CDU) und Hannelore Kraft (SPD) ein disharmonisches Verhältnis untereinander haben ist bereits vor einigen Tagen eindrucksvoll widerlegt worden.

Bei Sing! Day of Song, dem gemeinsamen Singen in der Arena auf Schalke sangen sowohl der nur noch geschäftsführende Ministerpräsident als auch seine Herausforderin einträchtig gemeinsam die Lieder wie beispielsweise „Glückauf“. So ganz dem Braten trauen wollten die Organisatoren der Ruhr 2010 GmbH jedoch nicht und platzierten daher unter anderem Fritz Pleitgen zwischen den beiden Politikern, die momentan um die Macht in Nordrhein-Westfalen kämpfen.

„Das Alter ist ein Massaker“

Am 2. Juni 1920 wurde Marcel Reich-Ranicki geboren. Wir sprachen mit seinem langjährigen Freund und Wegbegleiter Hellmuth Karasek über Leben, Streit und Freundschaft des einflussreichsten deutschen Literaturkritikers.

Herr Karasek, Marcel Reich-Ranicki ist für seine öffentlich ausgetragenen Fehden mit ehemaligen Freunden von ihm wie Joachim Fest, Martin Walser, Günter Grass oder Elke Heidenreich berühmt und berüchtigt. Sie hingegen sind bereits seit mehreren Jahrzenten mit ihm eng befreundet. Was macht Ihre Freundschaft aus?
Ich müsste von allen guten Geistern verlassen sein, wenn ich nicht erkennen würde, welch wichtige Rolle Marcel Reich-Ranicki für mich gespielt hat und was er mir alles ermöglichte. Zuerst ist er mein Mentor gewesen, dann wurde er mein Partner und schließlich ein hochgeschätzter Freund. Aber ich muss etwas zu den vielzitierten Fehden Reich-Ranickis sagen. Bei seinen Auseinandersetzungen mit Freunden konnte er immer mit mir rechnen. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass das Recht auf seiner Seite war.

Welche Auseinandersetzungen meinen Sie genau?
Zum Beispiel den Bruch mit Joachim Fest, dem früheren Herausgeber der F.A.Z. Das war eine ungeheuerliche Geschichte. Es war Fest, der Reich-Ranicki zur F.A.Z. holte, was eine großartige Idee war. Reich-Ranicki hat bis heute den besten Literaturteil dieser Zeitung produziert. Dann hat Fest im Historikerstreit die Position bezogen, dass die Verbrechen der Nazis an den Juden bloß die Kopie einer russischen Tat gewesen seien.

Hinzu kam, dass Fest auf Albert Speer hereingefallen war.
In Fests Biographie „Albert Speer“ wurde er, wohlgemerkt Hitlers engster Mitarbeiter, als besserer Teil Hitlers beschrieben, der von der Judenvernichtung nichts gewusst hätte. Dabei war Speer Rüstungsminister und in dieser Funktion hatte er die Ausbeutung und die Vernichtung der Juden systematisch betrieben. Doch damit nicht genug. Reich-Ranicki wurde zu einem Empfang Fests eingeladen und fand dort zu seiner Überraschung Speer vor. Reich-Ranicki und seine Frau waren genötigt, ihrem potentiellen Mörder die Hand zu geben. Und Speer hat dabei auch noch sarkastisch-freundlich reagiert. Sie sehen: Reich-Ranickis Fehden entbrannten oftmals an der entscheidenden deutschen Frage, wie Deutschland mit seiner Vergangenheit und dem größten Verbrechen der Geschichte, dem Holocaust, umging, in dessen Vorhölle Reich-Ranicki überlebt hatte.

Dies trifft ebenfalls auf seinen Streit mit Martin Walser zu. Vor kurzem wurden die Tagebücher des Schriftstellers aus den Jahren 1974-1978 veröffentlicht, die nicht weniger als das Zeugnis einer ungeheuren Verletzung sind. Reich-Ranicki hatte 1976 Walsers Roman „Jenseits der Liebe“ verrissen und seine Rezension mit „Jenseits der Literatur“ überschrieben.

Der harte Verriss allein wäre noch im Bereich des möglichen geblieben, wenn Walser seine Situation nicht in seiner Erwiderung mit dem Schicksal Reich-Ranickis im Ghetto verglichen hätte. Walser hat bis heute nicht eingesehen, dass es der verrückteste und maßloseste Vergleich war, den er jemals riskiert hat. Aus diesem Vergleich gingen seine Rede in der Paulskirche und sein antisemitischer Roman „Tod eines Kritikers“ hervor. Walser hatte sich aus einer berechtigten Enttäuschung unberechtigt verrannt – in eine politisch ganz und gar verhängnisvolle Weise.

Gab es Phasen, in denen Ihre Freundschaft von der Tatsache überschattet wurde, dass Sie die Napola, die nationalpolitische Lehranstalt, besuchten und somit als Kind nationalsozialistisch sozialisiert wurden?

Es gibt eine belächelte Formulierung von Helmut Kohl, die ich in Wahrheit für großartig halte: „Die Gnade der späten Geburt“. Ich hatte die Gnade der späten Geburt und damit verbunden musste ich mir die erschreckende Frage stellen: „Was wäre gewesen, wenn ich diese Gnade nicht gehabt hätte?“ Belastet hat diese Frage unser Verhältnis indes nie. Wir beide wissen zwar, was früher war, aber wir haben die sehr hilfreiche Neigung, nach vorne blicken zu können.

Wie und wann haben sie sich eigentlich kennengelernt?

Ich habe Reich-Ranicki bei den Tagungen der Gruppe 47 in den 60er-Jahren kennengelernt. Mit fiel sofort auf, wie wortgewandt und wortgewaltig er war. Und dass er sich eine hohe Autorität durch diese Wortgewalt und nicht zuletzt auch durch seine Biographie erworben hatte.

Was bewundern Sie an Ihrem Freund?

Vor zwei Tagen ist Bundespräsident Köhler zurückgetreten. Herr Köhler hatte das höchste Amt in Deutschland inne – auch wenn es gleichzeitig das machtloseste ist. Offenbar hat er es nicht verkraftet, dass er ein Bundespräsident ohne Autorität war. Reich-Ranicki hingegen bekleidet kein Amt, genießt aber dennoch eine ungemein große Autorität.

Gab es in Ihrer Freundschaft nie Gefühle der Konkurrenz zwischen dem Kritiker Karasek und dem Kritiker Reich-Ranicki?

Nein. Ich wurde neulich von Mathias Döpfner als Reich-Ranickis Adjutant bezeichnet und wurde gefragt, ob ich mich nicht mit meiner Rolle, die an Fritz Wepper in der Serie „Der Alte“ erinnerte, zurückgesetzt fühle. Darauf kann ich nur entwaffnend offen sagen: Ich habe nie gegenüber jemanden Neid empfunden, der 16 Jahre älter ist als ich.

In den Interviews, die Marcel Reich-Ranicki zu seinem 90. Geburtstag gegeben hat, wirkte er resigniert und geradezu gelangweilt vom Leben und der Literatur, die ihm zeitlebens ein Zufluchtsort gewesen war. Hat der von ihm hochgeschätzte Schriftsteller Thomas Bernhard Recht, als er schrieb, dass der Mensch nicht das ganze Leben nur in die Dichtung und in die Musik hineinflüchten könne, da am Ende eines Lebens naturgemäß die existentielle Langeweile steht?

Da ist sicher etwas dran. „Das Alter ist ein Massaker“, heißt es in Philip Roths Roman „Jedermann“ ganz treffend. Wenn Sie aber die ganzen Interviews gelesen haben, müssen sie sich vergegenwärtigen, dass da viel Frust darüber auftaucht, dass er sich in diesen Interviews endlos wiederholen muss. Nehmen sie allein das Interview vom Wochenende aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung…

… in dem Marcel Reich-Ranicki die Journalistin Johanna Adorján zum Beispiel wegen Ihrer Frage „Wohnen Sie zur Miete“ auflaufen lässt.

Das Interview ist fast schon ein satirisches Stück. Aber was die Wohnung von Reich-Ranicki betrifft: Auch ich war anfangs überrascht, wie bescheiden er in einer Neubauwohnung zur Miete wohnt. Materielles hat ihm nie etwas bedeutet. Übrigens habe ich immer darauf aufmerksam gemacht, dass die Geschichte seines genauen Wohnorts noch eine sehr ironische Pointe hat.

Sie spielen auf die Gustav-Freytag-Straße im Frankfurter Dichterviertel an, in der er wohnt?

Ja, Reich-Ranicki wohnt er nicht in der Heine- oder Thomas-Mann-Straße, sondern ausgerechnet in der Gustav-Freytag-Straße. Und Freytag ist immerhin der Autor von „Soll und Haben“, der antisemitischste Roman der Nach-Romantik mit seiner dem Antisemitismus entsprungenen Figur des Veitel Itzig.

Das Interview erschien ursprünglich auf Cicero

TV (und heute auch Radio) ohne Fußball – viele Tagestipps (III)

Liebe Fußballdesinteressierte, heute ist der erste von mindestens/vielleicht nur 😉 drei harten Tagen: Deutschland spielt (um 20.30 h).

Was können Sie tun? Sie haben hoffentlich gestern lecker eingekauft. Dann kochen Sie sich heute was Schönes. Und legen sich dazu mal eine schöne Langspielplatte auf. Sie haben doch noch welche, oder? Dann können Sie heute um 15.05 beim Deutschlandfunk hören, wie reich Sie damit geworden sind. Doch Vorsicht! Dieser Sender schreckt nicht davor zurück, Sie mit kritischem Sportjournalismus, z.B. über die mafiöse Politik des Weltfußballverbandes FIFA oder des DFB doch für Fußball zu interessieren. Beim Fernsehen sind Sie davor sicherer. Das einzige journalistische und kritische Format („Sport inside“/WDR) macht während der WM was? Na klar, Pause! Wir wollen doch nicht unsere eigene Produktpräsentation mit Kritik stören, da haben wir nicht genug Leute für – aber ich schweife schon wieder ab.
Massenhaft Tipps heute:
für die Eisenbahn-Bekloppten Pflichtprogramm: Eisenbahnromantik (16 h, SWR)
Für Fans von Clooney und der Regiebrüder Coen: Ein unmöglicher Härtefall ( USA 2003, 20.15 h, RTL)
Um 22.15 h bringt Pro7 Shaft – noch Fragen? (USA 2000), bestimmt ein Super-Cop-Thriller, aber ich ziehe das Original aus den 70ern mit Richard Roundtree, der hier übrigens einen Gastauftritt hat, vor.
Nach dem Fußball für Schlaflose noch ein gutes Angebot der ARD, die zielsicher alle Perlen nachts versenkt: Couscous mit Fisch (Frankreich 2007) um 23.55 h.

SPD: Hoffnung auf den Doppelschlag

In der SPD kursiert ein Plan: Schaffen es CDU und FDP nicht Wulff als Bundespräsidenten durchzusetzen kommt es zu Neuwahlen im Bund – und in NRW. Ein Doppelschlag soll die Sozialdemokraten zurück an die Macht bringen.

Hannelore Kraft und der SPD-Vorstand haben die neue Linie vorgegeben: Die Regierung Rüttgers bleibt im Amt während SPD und Grüne im Parlament  die Politik bestimmen. Unterstützt von den Stimmen der Linkspartei.

An diesem Wochenende wird die Parteibasis und die mittlere Funktionärsebene auf vier Regionalkonferenzen über den Kurs der Partei informiert. Die neue Linie wird Bestand haben. Mindestens bis zum 30. Juni. Denn im Landesvorstand der SPD kursiert ein Doppelschlag-Plan: Wenn am 30. Juni der CDU-Präsidentschaftskandidat Christian Wulff gegen den Kandidaten von Rot-Grün, Joachim Gauch verlieren sollte, bricht die Koalition in Berlin auseinander. Es könnte zu Neuwahlen kommen. Die SPD würde dann ihren Kurs ändern und auch für zeitgleiche Neuwahlen in NRW eintreten. Ein Doppelschlag in Berlin und Düsseldorf soll die SPD in Düsseldorf und Berlin wieder an die Macht bringen.

Ein wagemutiges Unterfangen. Zwar streiten sich die Parteien der Bundesregierung untereinander wie ein zerstrittenes Alkoholikerehepaar, aber Neuwahlen stehen erst einmal nicht an: CDU und FDP wären wohl die sicheren Verlierer. Warum sollten sie mit ihrer Mehrheit das eigenen Aus beschließen? Auch wenn die Bundesregierung auseinanderbricht, gäbe es kaum eine Mehrheit für Neuwahlen.

Und noch ist die Wahl von Wulff wahrscheinlich. Auch wenn Gauck der beliebtere Kandidat ist, hat er bislang keine Mehrheit in der Bundesversammlung. Bekommt die Koalition Wulff durch, könnte sie vielleicht sogar wieder Tritt fassen. Darauf setzen zumindest Christdemokraten und Liberale.

Und ohne den ersten keinen zweiten Teil des Doppelschlages. Die SPD müsste dann über einen längeren Zeitraum der Regierung Rüttlers mit den Stimmen von Grünen und Linken Gesetze vorschreiben, die die nicht umsetzen will. Und die von der Verwaltung in den Ministerien blockiert werden.

Die Sozialdemokraten gehen davon aus, dass sie in diesem Trio die Führung haben werden. Das ist naiv. Die Linkspartei wird die SPD vor sich her treiben und von allem immer etwas mehr fordern. Ein Spiel, das die SPD nicht gewinnen kann.

Und auch die Liebe der Grünen zu den Sozialdemokraten ist längst nicht so intensiv wie man der Öffentlichkeit glauben machen will. Viele in der Landtagsfraktion könnten sich künftig auch eine Schwarz-Grüne Regierung vorstellen. Und die Sozialdemokraten wissen das. Ein guter Grund für Misstrauen.

Die Chancen für den Doppelschlag stehen schlecht. In ein paar Wochen oder Monaten wird Kraft dann einen erneuten Strategiewechsel zu verkünden haben. Dann stehen Neuwahlen auf dem Programm. Kann gut sein, dass die Wähler dann die Nase voll haben von dem Chaos in Düsseldorf. Verantwortlich machen werden sie dafür Kraft. Und die könnte das an einem noch fernen Wahltag im kommenden Winter oder Frühjahr zu spüren bekommen.

Es gab übrigens schon einmal einen Plan für einen Doppelschlag in NRW: Jürgen Möllemann (FDP) wollte mit ihm Rot-Grün in Berlin und Düsseldorf ablösen. Hat auch nicht geklappt.

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Der Ruhrpilot

NRW: Merkel wirft Kraft Verantwortungslosigkeit vor…Welt

NRW II: Kraft zum regieren aus der Opposition…Pottblog

NRW III: Das Hessen Modell…taz

NRW IV: Was nun, Frau Kraft?…Zeit

NRW V: pro und kontra Minderheitsregierung…xtranews

Karstadt: Berggruen setzt Vermieter unter Druck…Welt

Opel: Die letzte Chance…Welt

Ruhr2010: Bottrop ist Local Hero…Waltroper Zeitung

Bochum: Dritter Tortenprozess im Juli…Bo Alternativ

Duisburg: …ist Scheiße…Xtranews

Festivals: Juicy Beats bietet Elektro-Spektakel und Rock…Der Westen

Festival II: Kreative bei der c/o pop…Der Westen

Festival III: Ruhrfestspiele ziehen positive Bilanz…Der Westen

Präsi: Evangelikale sonnen sich in Wulffs Glanz…taz

Krise: Bankenrettung in der Retrospektive…Verlorene Generation

Umland: Noch ein Abgang beim rechten Wählerbündnis…Zoom

Verschwörungen: Das Bilderberger Phänomen…Spiegelfechter

Regierende Opposition – warum denn nicht?

Zugegeben, am liebsten wäre mir nach all den gescheiterten Sondierungen nun eine Neuwahl des Landtags in Nordrhein-Westfalen. Auch, wenn dies natürlich keine Garantie ist, dass im zweiten Anlauf ein klareres Ergebnis dabei herauskommt. Wie sagte Kabarettist Winfried Schmickler im Mai: Der Wähler hat gesprochen, und es klang wie Grmlpf.

Rüttgers und Pinkwart wurden abgestraft und praktisch abgewählt, die CDU behielt aber eine hauchdünne Mehrheit, aus der sie Ansprüche saugt. Hannelore Kraft durfte sich zwar als Ministerpräsidentin der Herzen fühlen, trotz eines miserablen SPD-Ergebnisses – kriegt aber keine Koalition gebacken. Die Grünen sind die Wahlsieger, haben sich aber für das Frauenbündnis Löhrmann-Kraft entschieden – statt als Koalitionär Schwarz-Gelb zu retten.

Nein, ein klarer Wählerwille sieht anders aus. Eine Neuwahl gibt den Wählern die Möglichkeit, nach nochmaligem Nachdenken etwas deutlicher zu formulieren als Grmlpf.
Der Wahlkampfspruch, wonach man die LINKE wählen muss, um Rüttgers abzulösen, war Augenwischerei. Zumal schon vorher völlig klar war, dass mit dieser Jokertruppe keiner koalieren will und kann. Wer Schwarz-Gelb weg haben wollte, hätte wohl oder übel SPD oder Grüne wählen müssen. Wenn eine(r) aus Überzeugung sein Kreuzchen bei der LINKEN gemacht hat, okay. Wer dies aber nur aus Protest oder für eine neue Politik im Lande tat, lag schief. Ein wenig weniger LINKE, und wir hätten bereits eine rot-grüne Landesregierung im Amt und das „System Rüttgers“ wäre Vergangenheit.
Um es klar zu stellen: Dies ist überhaupt keine Wählerbeschimpfung. Aber wenn – angesichts der bestehenden Polit-Konstellationen – ein lähmendes Patt herauskommt, dürfen die Wähler aus meiner Sicht nachher auch nicht die Parteien beschimpfen, weil sie mit dem Kuddelmuddel auf Anhieb nichts anfangen können.
Hannelore Kraft gibt seit dem Wahlabend die Honorige. Nachdem sie die ihr bis zum Erbrechen vorgehaltene LINKE-Klippe bravourös umschifft hat (und damit gleichzeitig bewies, dass sie eben nicht nur die persönliche Macht anstrebt), soll nun wohl auch noch der dumme Vorwurf ausgeräumt werden, man wähle halt neu, bis es mal passt.

Übrigens darf man die Grünen nicht vergessen und aus der Verantwortung lassen, die in Formation mit der SPD durch die Sondierungen flog. Wenn man aus staatspolitischer Verantwortung jede Kröte schlucken muss, wie es jetzt so manche Kommentatoren ausschließlich der SPD andienen, dann gilt das auch für andere: Die Grünen hatten und haben es in der Hand, sofort für die ach so wichtigen stabilen Verhältnisse im Landtag zu sorgen. Jamaika (sprich: Schwarz-Grün-Gelb) – und das Thema Hannelore Kraft ist durch.

Nochmal: Neuwahlen wären mir persönlich am liebsten. Aber womöglich hat Hannelore Kraft Recht, wenn sie in den nächsten Wochen zunächst versucht, es zumindest so aussehen zu lassen, dass die Forderung nach Neuwahlen nicht allein von ihr ausgeht. Sie sagt zum Beispiel im Pottblog-Interview : „Dann machen wir den versprochenen Politikwechsel eben zunächst einmal von den Abgeordnetenbänken aus. Durch einzelne Anträge, mit wechselnden Mehrheiten.“

Man sollte zwar abwarten, was die Basis und am Montag dann der SPD-Beirat sagen. Aber: Eine regierende Opposition – warum sollte das nicht eine Zeitlang gehen? Wechselnde Mehrheiten – da schlägt doch die Stunde des Parlaments, ein Hochgenuss für Demokraten. Und vielleicht macht es ja sogar grimmigen Spaß mitzuerleben, wie eine Landtagsmehrheit, die nicht seine eigene ist, den zum Mini-Präsidenten geschrumpften Regierungschef (der mit dem k.w.-Vermerk) lächelnd vor sich her treibt und den „Geschäftsführer“ Rüttgers und seine Minister auf Zeit dazu zwingt, immer neue „Zumutungen“ vertreten und umsetzen zu müssen.

Irgendwann verliert einer die Nerven. Auch durch Zermürbung erreicht man ja manchmal seine Ziele.

TV ohne Fußball – der Tagestipp (II)

Liebe Fußballdesinteressierte, Sie können heute gefahrlos in den Biergarten. Deutschland spielt erst morgen. Sehen Sie allerdings Gruppen von Engländern und Engländerinnen, halten Sie sich unbedingt fern.

Denn heute Abend tritt Wayne Rooney auf, der seine Frau verhauen und betrogen, sie aber jetzt wieder ganz doll lieb haben soll. David Beckham, das an alle interessierten Damen, spielt dagegen nicht mit – sie müssen also nicht sinnlos warten, bis er endlich eingewechselt wird.
Gehen Sie also in den Biergarten, und wenn der schon um Mitternacht schliessen muss, Sie aber noch nicht müde sind, schalten Sie zum Absacker RTL ein: um 0.10 h sehen Sie dort – angekündigt ist leider nur eine „Familiensender“-kompatible Schnittversion – From Dusk Till Dawn (USA 1996). Der Regisseur Robert Rodriguez wurde 1992 schlagartig berühmt mit einer großartigen Low-Budget-Version von El Mariachi. Danach durfte er in Hollywood erst mal fast alles, und das merkt man From Dusk Till Dawn auch an. Total Bekloppt. Leckerer gut gekühlter Alkohol passt super dazu, aber auch ohne trinken denken Sie bald, Sie seien besoffen.
Wer lieber einen klassischen politischen Thriller mag, wird von dem deutschen TV-Konzern, der von den WM-Fernsehrechten nichts abgekriegt hat, heute auch gut bedient: Der Manchurian-Kandidat (USA 2004), 20.15 und nochmal um 1.55 auf Pro 7.

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Vuvuzelas in NRW: Das Land der Polit-Tröten!

Polit-Tröten: Rüttgers und Kraft

Mitten in der Krise besinnen sich Jürgen Rüttgers und Hannelore Kraft auf das, was ihnen am wichtigsten ist: Die Pflege der eigenen Eitelkeit.

Das Wahlergebnis in NRW macht die Bildung einer Landesregierung nicht einfach: Weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün gibt es eine Mehrheit. Die Linkspartei im Land besteht vorwiegend aus rostigen Hämmern und Sicheln. FDP und Grüne pflegen eine tiefe Feindschaft. CDU und SPD sind im Landtag gleichauf. Der Vorsprung der Union bei der Wahl war mit knapp 6.000 Stimmen klein, aber es war ein Vorsprung.

Am Ende, nachdem alle Gespräche gescheitert waren, gab es nur noch zwei Alternativen: Große Koalition oder Neuwahlen. Die Union hat sich inhaltlich auf die SPD zubewegt, aber durch das Festhalten an Rüttgers eine große Koalition sabotiert. Und Hannelore Kraft wollte nicht die Nummer zwei werden. Es wäre auch in ihrer Partei der Anfang ihres Endes gewesen. Kann man alles nachvollziehen, ist aber egal. Denn es geht nicht um die Zukunft von Kraft und Rüttgers. Es geht um das einwohnerreichste Land der Bundesrepublik.

Und das steht jetzt auf unbestimmte Zeit ohne handlungsfähige Regierung da, denn Kraft und die SPD haben sich entschlossen, keine Verantwortung zu übernehmen. Es wird keine Gespräche mit der Union geben. Dafür einen Dauerwahlkampf im Landtag. Viele Monate lang.

Kraft wird FDP und CDU mit Anträgen gegen Studiengebühren und anderen Themen vor sich her treiben. Einen Haushalt, in dem beispielsweise die Kompensation  der dann wegfallenden Studiengebühren erfolgt, wird es nicht geben.

Niemand wird bereit sein, ohne Not für Kürzungen und Stellenabbau zu stimmen. Beides muss es aber geben. Das Land ist so pleite wie der Bund. Politik in NRW wird in den kommenden Jahren keinen Spaß machen. Hat man vorher gewusst, hätte man ja auch vorher drüber reden können. Das wollte aber niemand.

Reformen in der Bildungspolitik kann es nicht gegen die Union geben. Versucht Kraft die Gemeinschaftsschule gegen CDU und FDP durchzudrücken, wird es einen Schulkrieg im Land geben. Und viele Wähler von SPD, Grünen und der Linkspartei werden dabei auf der Seite der Union stehen. Ein Blick nach Hamburg genügt um zu wissen, was auf NRW zukommen wird.

Kraft versucht sich über die Runden zu retten um Ministerpräsidentin zu werden. Sie setzt auf Neuwahlen. Irgendwann. Und wird versuchen im Landtag die Zusammenarbeit mit der Linkspartei durch die Hintertür zu etablieren. Der Preis ist, das NRW keinen Haushalt haben wird und keine handlungsfähige Regierung. Um ihre politische Zukunft zu retten, spielt Kraft mit der Zukunft Nordrhein-Westfalens. Mitten in einer Krise. Besser kan man nicht zeigen, dass man nicht das Format zur Ministerpräsidentin hat.

Und auch Rüttgers hat in den vergangenen Wochen bewiesen, das ihm das eigene Schicksal wichtiger ist als das des Landes. Ohne ihn wäre eine Große Koalition möglich. Auch er spielt auf Zeit. Er könnte gewinnen:  Nach ein paar Monaten Chaos im Landtag werden viele Wähler einfach nur Stabilität wollen. Sollte es im kommenden Jahr Neuwahlen geben, ist eine von ihm oder einem anderen Christdemokraten geführte Landesregierung wahrscheinlich. Die SPD wird ann die Quittung für die Politik bekommen, die sie mit ihrem gestrigen Beschluss begonnen hat.

Kraft und Rüttgers: Zwei verantwortungslose Polit-Tröten ringen um die Macht und machen Nordrhein Westfalen zum Land der Vuvuzelas.