NRW-Neuwahlen: Letzte Chance für die Ampel

Verblühende rotgelbgrüne Tulpe
Die Ampel

Die Ampel ist tot? Die FDP will nicht mit Grünen und SPD? Das könnte sich in ein paar Monaten ändern. Wenn über Neuwahlen diskutiert wird.

Es reicht weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Grün. Jamaica scheitert an den Grünen. Rot-Rot-Grün wird schwierig. Die FDP will die Ampel nicht – im Moment.

Denn wenn in ein paar Monaten keine neue Koalition zustande gekommen ist und die Rest-Regierung-Rüttgers mit dem Haushaltplanungen 2011 beginnt, wird von Neuwahlen gesprochen werden. SPD, Grüne und Linkspartei müssen die bislang nicht fürchten: Sie haben ihre Wähler nicht enttäuscht sondern die in sie geweckten Erwartungen weitgehend erfüllt. Bei der Union sieht das im Moment anders aus: Sie würde wahrscheinlich ein paar Prozent verlieren, könnte sich aber vielleicht noch immer in eine große Koalition flüchten. Die FDP würde auch ein paar Prozent verlieren – bei 6,7 kann das aber schnell gefährlich werden.

So toll sich Papke und Co auch dabei fühlen, das hohe Lied der Opposition zu singen – aus dem Landtags rauszufliegen ist sicher nicht ihr Wunsch. Regelmäßige Erwerbsarbeit, wohlmöglich noch in der freien Wirtschaft, das wollen die Papkes nicht. Gut möglich, dass sie dann noch einmal alles überdenken, ihre Verantwortung für das Land ins Feld führen, demokratietheoretische Defizite bei Neuwahlen entdecken und und und… . Wenn die SPD die Ampel will, sollte sie beginnen, über Neuwahlen zu diskutieren. In ein paar Wochen.

Und wer weiß – vielleicht fliegt ja auch die Linkspartei dann aus dem Landtag.

Der Ruhrpilot

Der Westen: Verschlimmbessert…Pottblog

CDU: Röttgen rangelt um Chefposten…Stern

NRW: Moron warnt SPD vor Linksbündnis…Spiegel

NRW II: Linke sondieren Bündnis in NRW…Bild

Ruhr2010: Hanna Schygulla gastiert erneut bei den Ruhrfestspielen…Der Westen

Ruhr2010 II: Wettbewerb zur Ruhrgebietsküche…Genussbereit

Ruhr2010 III: Festival Akzente verspricht magische Momente…Der Westen

Bochum: Europäische Bildungskongress Ende Mai…Bo Alternativ

Bochum II: Mobbing Vorwürfe gegen Ex-Polizeipräsident…Ruhr Nachrichten

Dortmund: Mehrheit der Dortmunder für Airport-Ausbau…Ruhr Nachrichten

Gelsenkirchen: Sommerfest in der Künstlersiedlung Halfmannshof…Hometown Glory

Blogs: Das neue Sozialhilfeniveau für Profiblogger…Blogbar

Arbeitsagentur: Bescheide jetzt ganz easy…Law Blog

Rotterdam: Genosse Ahmed…Achse des Guten

Online: Six Things You Need to Know About Facebook Connections…Zoom

Tauss: Prozess beginnt heute…Welt

Bundestag: Petition gegen das CERN

Ruhig läuft das LHC Experiment am CERN im schönen Kanton Genf: Atome klatschen gegeneinander wie Wellen an den Strand. Geht es nach einer beim Bundestag anhängigen Petition ist damit bald Schluss.

Udo Zawierucha, der die Petition gegen die deutsche Finanzierung des CERN am 12. März auf den Weg gebracht hat, kennt sich aus mit den Gefahren dieser Welt: Er gibt in seinem  Verlag Bio-i-Miner Endzeitliteratur heraus. Neben den üblichen Sorgen um den Untergang der Welt durch künstlich erzeugte Schwarze Löcher führt  Zawierucha auch ideelle Grüne an: „…die mangelnde Berücksichtigung philosophischer, religiöser/christlicher und juristischer Sichten und Erkenntnisse…“ gehört für ihn zu den größten Mängeln der heutigen Forschungspolitik:

„Die Frage nach dem Ursprung des Universums und unseres Seins stellt eine religiöse Frage dar. Sie endete bisher immer in einem Schöpfungsmythos, so auch die gegenwärtigen Antworten der Naturwissenschaften, die damit in den Status einer Religion gelangen. Die Art und Weise, in der Naturwissenschaften ihre Ergebnisse als Fortschritt anpreisen und die daraus resultierenden technologischen Verfahren stellen die eigentliche Gefährdung für das Leben auf der Erde dar.“

Der Ansturm auf die Petition hält sich bislang in Grenzen. Beim CERN können sie also beruhigt sein: Nur 166 Unterzeichner wollen den Forschern die Unterstützung der Bundesrepublik künftig verweigern. Sie haben noch bis zum 20. Mai Zeit das Ende der Welt zu verhindern.

Das Bild stammt aus einem Comic der genialen Reihe The Joy of Tech auf Geekculture

Werbung


Wer wird neuer Aufsichtsratschef bei ThyssenKrupp?

Gerhard Cromme gilt als Saubermann der deutschen Wirtschaft: Als Chef der Regierungskommission für Corporate Governance hat er die Großkonzerne vor verbindliche Gesetze bewahrt. Kritik perlt an ihm wie an Teflon ab: Entweder, weil er eigens ein Rechtsgutachten in Auftrag gibt oder weil er sich kurzerhand mit Chefredakteuren oder Verlegern telefonisch verbinden lässt. Doch die Strukturprobleme bei Thyssen liegen immer noch brach.


Wäre Gerhard Cromme nicht in Vechta geboren, er hätte glatt als Prototyp des Rheinländers durchgehen können: Er gibt sich nach außen verbindlich und im Small Talk geübt. Der hoch gewachsene Manager gibt seinem Gesprächspartner stets das Gefühl, als wenn es in diesem Moment nichts Wichtigeres geben würde als dieses Gespräch und diesen Gesprächspartner. Gerade ältere Damen finden an ihm Gefallen.
Kaum ein Thema, zu dem nicht was zu sagen hätte. Er plaudert gerne und ausführlich, parliert auf jedem glatten Parkett und erhöht sich gerne durch Kritik an Unmoralischem und lobt das moralisch Gute, den ehrbaren Kaufmann etwa. Raffgierige Manager gängelt er gerne. Dann redet er wie am Wochenende in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ von Augenmaß, das vielen Managern abhanden gekommen sei und von notwendigen „Mäßigung“ bei den Gehältern.

Dass er zu der kleinen Gruppe von Aufsichtsräten gehört, die in Deutschland als Spitzenverdiener gezählt werden können, verschweigt der 1943 geborene Cromme. Aber wenigstens zeigt er sich ehrlich, wenn er in dem Interview betont, dass es unter Managern keine Freundschaft geben könne: „Echte Freundschaft wächst da, wo es keine Eigeninteressen gibt; unter Managern verfolgt jeder auch Unternehmensinteressen, insofern rede ich da lieber von freundschaftlichen Beziehungen..“. Vor allem verfolgt Cromme eines am intensivsten und das schon seit Jahrzehnten: seine eigenen Interessen. Kaum einer weiß das so gut, wie der frühere Chef des Dortmunder Stahlkonzerns Hoesch, Kajo Neukirchen, dem mit Cromme angeblich eine langjährige freundschaftliche Beziehung verbunden haben soll. Anfang der 90er Jahre kaufte Cromme ihm dann in einer Nacht- und Nebelaktion den Konzern unter dem Hintern weg – und setzte ihn vor die Türe. Seit dem geben sich Top-Manager in den deutschen Vorstandsetagen vorsichtig, wenn sie es mit Cromme zu tun bekommen.

Cromme ist mal wieder in die Kritik geraden: Das ist an für sich nichts Ungewöhnliches, und die Medien sind in den letzten Jahren mit dem Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp teilweise heftig ins Gericht gegangen. Doch an Cromme perlte das stets ab wie Spiegeleier an einer Teflon-Pfanne. Denn entweder zückte der Herr der (Krupp-)Ringe ein Rechtsgutachten aus dem Hut. Oder er Griff gleich zum Telefonhörer, oder ließ es einen Getreuen machen, und klagte Chefredakteuren und Verlegern sein Leid über kritische Redakteure. Das ging so weit, dass  unter Journalisten in Düsseldorf schon die Gründung eines „Clubs der Cromme-Geschädigten“ (CCG) erwogen wird. Nur die gefälligen Medien kamen gut weg – besonders eine Zeitung in Frankfurt und eine in Hamburg.
Das Heikle in der aktuellen Cromme-Kritik-Krise ist, dass viele Medien und Experten dem Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp nun vorwerfen, gegen den eigenen Kodex verstoßen zu haben, als er einen Top-Manager von Siemens nach Düsseldorf geholt hat – als zukünftigen Chef von ThyssenKrupp. Immerhin stand Cromme Jahre lang der Regierungskommission für gute und transparente Unternehmensführung (Corporate Governance) vor. Manche sagen, damit hätte man den Bock zum Gärtner gemacht.
Auf jeden Fall verliert Siemens jetzt, wo Cromme Aufsichtsratschef ist, einen seiner Top-Manager und ThyssenKrupp auf der anderen Seite, wo Cromme ebenfalls das Kontrollgremium führt, gewinnt einen Manager mit einem beachten Ruf. Heinrich Hiesinger wird im nächsten Januar den Dauer-Vorstandschef Ekkehard Schulz an der Spitze des Ruhr-Konzerns ablösen. Viele werfen Cromme daher vor, die Führungsprobleme bei Thyssen auf Kosten von Siemens zu lösen.

Und weil Cromme diesmal ja einen guten Überblick bei Siemens hatte (bei der Korruptions- und Schmiergeldaffäre bei Siemens hatte Cromme das vor einigen Jahren als Aufsichtsratsmitglied wohl noch nicht), brauchte Cromme auch keinen Headhunter, wie das sonst so üblich ist, der nicht nur einen geeigneten Kandidaten sucht, sondern auch eine ausführliche Bewertung der Person, seiner Management-Stärken und Schwächen analysiert. „Nein“, sagte Cromme in dem Interview mit der Frankfurter Zeitung, die Cromme und Thyssen wie der SPIEGEL stets wohl gesonnen ist. Ein Headhunter wäre nicht eingeschaltet gewesen. „Ich habe mich mit diesem Thema die letzten zwei, drei Jahre intensiv beschäftigt“. Und mit Alan Hippe hatte Cromme sogar einen geeigneten Kandidaten vom Autozulieferer Continental nach Düsseldorf geholt. Hippe galt als einer von drei Kronprinzen und hätte auch zu anderen Konzernen gehen können, um dort mittelfristig Chef zu werden. Warum ist er also zu ThyssenKrupp gegangen, wenn nicht, um dort den unübersichtlichen Gemischtwarenladen, der im vorigen November von der Rating-Agentur Standard&Poor’s auf Schrott-Niveau heruntergestuft wurde, zu übernehmen?

Die Herabstufung auf das Niveau von Griechenland war ein herber Rückschlag, aber auch ein Zeichen, dass Cromme als Aufsichtsratschef den Konzern und die milliardenschweren Kostenexplosionen bei den Neubauten von Stahlwerken in Brasilien und den USA nicht im Griff hat. Doch auch dafür gibt es mittlerweile ein Rechtsgutachten im Konzern, das besagt, dass das Management für die Kostenexplosion nicht verantwortlich gemacht werden kann – und der Aufsichtsrat erst recht nicht. Denn der Aufsichtsrat kann ja nur prüfen, was der Vorstand ihm vorlegt. Kontrolle sieht anders aus.
Auch bei der Auswahl des neuen Vorstandchefs hat Cromme sich natürlich an Recht, Gesetz und den Corporate Governance Kodex gehalten – sagt ein Rechtsgutachten. Und in der Tat ist es so, dass der Kodex solche Personalabwerbungen nicht reglementiert. Auch wenn man den berühmten „Geist der Gesetze“ bemüht, wird es schwierig sein, Cromme ein Fehlverhalten nachzuweisen. Wie immer ist sich der Manager bewusst, dass er einen Ritt auf der Rasierklinge macht – und daher achtet er auch penibel darauf, dass er nicht auf die falsche Seite fällt.

Problematischer aber als die Frage, ob Cromme nun ein Fehlverhalten nachzuweisen ist oder nicht, ist die Frage, ob er mit dieser Personal-Entscheidung die eigentlichen Probleme bei ThyssenKrupp gelöst oder noch weiter forciert hat? Offiziell betonen Cromme und auch Schulz, dass keiner der drei Kronprinzen das Unternehmen verlassen werde, nur weil mit Hiesinger ein externer Kandidat den Vortritt erhalt hat und kein interner Manager, der das Unternehmen, seine Probleme und die Tretminen schon kennt. Für Cromme ist die Berufung eines externen Kandidaten ideal: Denn er sichert sich damit wie schon bei Siemens eine gewisse Loyalität des Neuen. Hiesinger ist zwangsweise wie damals Peter Löscher bei Siemens auf seinen Aufsichtsratschef angewiesen. Er dürfte es ihm wohl mit Loyalität zurückzahlen. Und weil Cromme ein Kontrollfreak ist, dem es vor allem um sein positives Image geht, schickt er mit Jürgen Claassen einen Getreuen in den Vorstand, der ihn schon seit Jahrzehnten bei so manchen Problemen geholfen hatte. Claassen, der bisherige Generalbevollmächtigte des Konzerns, der es in der Mitarbeiterzeitung gelegentlich auf mehr Fotos bringt als der Vorstandschef oder der Aufsichtsratschef, soll künftig die Konzernentwicklung verantworten. Vermutlich aber noch mehr. Doch dazu hüllt man sich beim Hintergrundgespräch, das Cromme extra aus Anlass der Hiesinger-Personalie führte, in Schweigen.

Dass es aber beim größten deutschen Stahlkonzern rumort, wird auch durch den neuen Vorstandschef nicht gelöst. Denn anders als Cromme und Schulz betonen, scheint das Trio der Übergangenen doch nicht so harmonisch zum Konzern zu stehen, wie sie sich das wünschen. Zumindest bei einem Konzern wurde ein Thyssen-Vorstand von einem Personalberater bereits als „veränderungswillig“ angepriesen. Doch sollte etwa der aktuelle Stahl-Chef Edwin Eichler das weite Suchen, hätte Thyssen innerhalb von 24 Monaten die drei wichtigsten Stahl-Experten verloren. Bei Konkurrenten wird dieses Szenario längst als „Horrorvorstellung“ beschrieben, was nicht unbedingt zum Nachteil der Wettbewerber sein muss. Denn mit Karl-Ulrich Köhler hat gerade der frühere Stahl-Chef von Thyssen beim britischen Konkurrenten Corus angeheuert – und bringt alle internen Thyssen-Planungen und Strategien frei Haus mit.

Und auch die Frage, was mit Cromme als Aufsichtsratschef von Thyssen passiert, ist noch nicht geklärt. Seit Jahrzehnten wird Cromme schon angedichtet, dass sein eigentliches Ziel ist, den letzten lebenden Ruhrbaron, Berthold Beitz, als Chef der einflussreichen und mächtigen Krupp-Stiftung zu beerben. Beitz, der inzwischen die 90 Jahre deutlich überschritten hat, wird seine Nachfolge wohl schon geregelt haben. Aber ob es wirklich auf Cromme hinausläuft? Zumindest einige wichtige Leute in den Ruhr-Konzernen bezweifeln dies, bringen immer wieder eine andere Variante ins Gespräch – nämlich, dass Schulz Beitz im Amt folgen könnte und Cromme den Konzern als Aufsichtsratschef weiter betreuen soll. Es ist eine gewagte These.

Viel wahrscheinlicher ist, dass Cromme den Chefposten auf der Villa Hügel für sich reklamiert und ihn auch erhalten wird. Aber das bedeutet nicht unbedingt, dass Cromme dann auch Aufsichtsratschef bleibt. Immerhin wäre er dann als Vertreter eines Minderheitsaktionärs, der Krupp-Stiftung, in einem ständigen Interessenkonflikt, ob er sich nun für das Unternehmen oder die Stiftung als Chef des Kontrollgremiums einsetzen soll. Doch gerade solche Interessenkonflikte soll der Kodex ausschließen. Viele sind daher gespannt, wie Cromme sich entscheidet und welches Rechtsgutachten er dann wieder hervor holt.

Deshalb kursiert im Konzern auch schon eine andere Variante: Schulz wird nicht nur neuer Chefkontrolleur bei RWE und löst damit im nächsten Jahr den langjährigen Bayer-Chef Manfred Schneider ab. Schulz könnte auch neuer Aufsichtsratschef bei ThyssenKrupp werden. Das zu realisieren, wird nicht ganz einfach. Nach dem Gesetz ist ein solcher Übergang eigentlich gar nicht vorgesehen. Zwei Jahre lang müsste Schulz eine Ehrenrunde drehen – es sei denn, ThyssenKrupp nutzt ein Schlupfloch. Sollte allerdings eine nötige Anzahl von Aktionären einen Wechsel aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat fordern und die Hauptversammlung zustimmen, könnte Schulz direkt wechseln. Ausreichend Stimmen hätten Schulz und Cromme schon beisammen: die Krupp-Stiftung könnte ihren 25 Prozent-Anteil in die Waagschale werfen, damit Schulz direkt wechseln kann. Mit zusammen zwei Chefposten in deutschen Großkonzernen würde Schulz sogar noch konform gehen mit dem Cromme-Kodex. Ein neues Rechtsgutachten wäre da gar nicht nötig. Thyssen könnte sich das Geld sparen und damit andere Löcher stopfen. Genug Geldvernichter gibt es ja im Konzern.

Doof und arm anne Emscher

Eine neue Bildungsstudie zeigt was alle wissen: Nirgendwo im Ruhrgebiet sind die Probleme größer als in der  Emscherzone. Lösungsansätze gibt es, aber kein Geld sie umzusetzen.

Detlef Müller-Bölling vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), Wilfried Bos von der TU Dortmund, Klaus Peter Strohmeier vom Zentrum für interdiziplinäre Ruhrgebietsforschung (ZEFIR)  und mehr als ein Dutzend weiterer Bildungswissenschaftler haben eine Vorstudie zu einem Bildunsgbericht für den Regionalverband Ruhr (RVR) vorgestellt. Er ist die Grundlage für einen Masterplan Bildung, den der RVR aufstellen will.

Das Ergebnis: Das Ruhrgebiet liegt in allen Bildungsbereichen unter dem Landesdurchschnitt – und besonders übel sieht es in der Emscherzone aus. Nirgendwo im ohnehin nicht bildungsstarken Ruhrgebiet ist die Zahl der Schüler, die ohne Abschluss die Schule verlassen höher, nirgendwo sonst haben mehr Kinder Sprachprobleme und ist die Abiturientenquote geringer.

Der BIldungssektor fügt sich damit in ein tristes Gesamtbild des zentralen Ruhrgebiets: In Städten wie Herne, Gladbeck und Gelsenkirchen finden sich auch die höchsten Arbeitslosenzahlen, die niedrigsten Immobilienpreise, der höchste Bevölkerungsrückgang und die tristesten Innenstädte. Alle Probleme des Ruhrgebiets – zwischen A40 und A2, im Bereich der Emscher sind sie konzentriert. Eine Region der Hoffnungslosigkeit.

Helfen könnten da nur massive Investitionen. Vor allem in den Bildungsbereich und in die frühkindliche Erziehung müsste Geld gesteckt werden: Die Wissenschaflter fordern neben einer besseren regionalen Abstimmung vor allem mehr individuelle Lernförderung, mehr Sprachkurse und einen massiven Ausbau der Kinderbetreuung. Auch sollen künftig mehr Gesamtschulen zur Verfügung stehen, da immer weniger Eltern ihre Kinder auf Hauptschulen schicken wollen. Generell fordern die Bildungsexperten einen Umbau des des Schulsystems:

„Die Metropole Ruhr wird um Strukturreformen im Bildungssystem nicht umhin kommen. Insbesondere im Schulsystem wird eine Reform der bestehenden Bildungsstrukturen erforderlich.

Dies wird durch den Niedergang der Hauptschule, die Gefährdung von Realschulstandorten, den hohe Ansturm auf Gesamtschulen und die notwendige Öffnung des Gymnasiums unabweisbar. Zugleich ließen sich damit auch nicht leistungsgerechte und sozial selektive Übergangsentscheidungen beseitigen.“

Die Struktur des Bildungssystems in NRW könnte sich als Ergebnis der Landtagswahl ändern. Das werden wir in den kommenden Wochen wahrscheinlich auch, zumindest in Ansätzen, erleben. Aber  Vorschläge wie gezielte Sprachförderung und individuelle Betreuung kosten Geld. Und Geld ist nicht da. Weder bei den Kommunen noch beim Land. Die Folgen für die region werden verheerend sein: Schon während des vergangenen Aufschwungs gab es im Ruhrgebiet nicht genug Fachkräfte.

Bald werden zudem die gut ausgebildeten Baby-Boomer in Rente gehen, der Fachkräftemangel wachsen. Unternehmen werden im Ruhrgebiet dann kaum noch die Mitarbeiter finden, die sie benötigen. Sie werden sich in anderen Teilen des Landes ansiedeln. Vorhandene Unternehmen das Ruhrgebiet vielleicht sogar verlassen. Fachkräftemangel und eine hohe Sockelarbeitslosigkeit bei den Schlechtqualifizierten – das Ruhrgebiet steckt in einem Schraubstock. Und eine Lösung ist nicht in Sicht.

Werbung


Der Ruhrpilot

Pleite: Karstadt vs. Duisburg – Duisburg vs. Karstadt?…Xtranews

NRW I: Linke „vorsichtig skeptisch“…Welt

NRW II: Versagen der klassischen Medien bei der Landtagswahl-Berichterstattung….Pottblog

NRW III: Grüner gegen Rot-Rot-Grün…Hometown Glory

NRW IV: Grüne für Rot-Rot-Grün…Freitag

Ruhrgebiet: Katholiken treten aus…Der Westen

Ruhr2010: Generalprobe für A 40-Sperrung geglückt…Zeit

Dortmund: Chance für das Roxy..Ruhr Nachrichten

Dortmund II: Geierabend flutet Phoenix-See…Der Westen

Mülheim: Mobbing-Vorwürfe bei der Linkspartei…Der Westen

Kultur: Soulcialism…Kochplattenteller

CDU: Lammert will Gesetz zur Finanzmarktregulierung…Spiegel

Piraten: Demnächst mehr reale Treffen…FAZ

Piraten II: Kentern oder Entern?….Stern

Recht: Angriff auf Karlsruhe…F!XMBR

Design: Hannover in der Klemme…Frontbumpersticker

Buch: Der Selbstbetrug der Mittelschicht….Frontmotor

Künstliche Intelligenz: Tragik ist nichts für Maschinen…Carta

Essen: Jugend forscht 2010 oder „Tu Gutes und rede darüber.“

Heute wurde Deutschlands Wissenschaftsnachwuchs in der Philharmonie Essen prämiert. Bundesbildungsministerin Annette Schavan war nicht die einzige, die die (fast) kostenlose PR für sich nutzte.

Foto: C.Hahn

Eines vorweg: Forschung ist wichtig und Forschung ist gut. Bildung ist die einzige Ressource, die uns noch bleibt, wenn alle Quellen leer gepumpt sind. Forschung lebt von Investoren. Gerade im Ruhrgebiet möchte man das unterschreiben.

Die Philharmonie in Essen strahlte bei der Preisvergabe von „Jugend forscht 2010“ und ließ die Debatten um die Bildungspolitik kurz verstummen. Denn heute waren alle stolz auf den Nachwuchs Deutschlands. Zurecht – denn hier präsentierten zum Teil minderjährige Genies ihre Werke. Da konnte selbst Annette Schavan mit ihrem Theologie und Philosophie-Studium einpacken.
Sobald man sich jedoch von dem Intelligent Input erholt hat, holt einen die Wirklichkeit wieder ein. Die Pressemappe platzt aus allen Nähten, gefüllt mit Infos zu den Sponsoren. Ein Firmenlogo jagt das nächste, auf der Suche nach ein bisschen Aufmerksamkeit.

Dieses Jahr schmückt das ThyssenKrupp-Logo das Wettbewerbs-Motto „Entdecke neue Welten“. Und so verläuft auch die gesamte Veranstaltung nach dem Motto „Unsere schöne PR-Welt“. ThyssenKrupp-Vorstandsmitglied Ralph Labonte hält die Eröffnungsrede und vergisst nicht, sein Unternehmen das ein oder andere Mal zu erwähnen. Tradition, Gegenwart, Zukunft – all das hat ThyssenKrupp. Jede Runde wird von einem anderen Unternehmen oder einer Stiftung gesponsert.

Wie sehr die stolzen Eltern ihre Sprösslinge sponsern, wird klar, als Annette Schavan ihre Rede hält: „Gerade in Zeiten der Krise darf niemand in Wissenschaft und Politik nachlassen. Wir brauchen mehr Investitionen in Bildung und Forschung. Wir brauchen mehr Investitionen in die Zukunft.“, lässt die Bildungsministerin verlauten. Tobender Applaus. Es ist klar, wo die stolzen Eltern stehen.

Ein bisschen Verwirrung kommt zwischenzeitlich auf: Zwischen Händeschütteln und Posing vergisst Schavan glatt das Programm, fragt nach einem kurzen Briefing und sammelt sich. Denn schließlich muss es weitergehen – so ein Termin mitten im Ruhrgebiet ist nicht die schlechteste PR. Wäre er doch nur eine Woche früher gewesen, vielleicht hätte sie für ihren Kollegen Rüttgers das Ruder rumreißen können. Ein Stückchen wenigstens.

Doch zurück zum Applaus: Schavan strahlt, schüttelt Hände, es ist ihr Job. Sie muss hier stehen und sie muss betonen, dass es auch gute Schulen in Deutschland gibt. Dass nicht alles schlecht ist an ihrer unserer Bildungspolitik. Aus aktuellem Anlass betont sie, man dürfe nicht an Bildung sparen. Applaus.

Ich hätte gern die Eltern der Sieger gefragt, welchen akademischen Titel sie haben. Oder ob die Eltern mancher Kinder nicht kommen konnten, weil kein Armani-Sakko im Schrank hängt oder schlichtweg nicht das Geld für die weite Anfahrt und ein Hotel da ist. Zwischen Jazzmusik und Perlenketten sehe ich Murat*. Er ist der einzige, der mir heute auf der Bühne aufgefallen ist, zwischen den Florians und Sebastians. Doch Murat kann man – wenn man aus dem Ruhrgebiet kommt – eigentlich nicht dazu zählen. Denn Murat kommt aus Süddeutschland und ist Gymnasialschüler.

Nach wie vor ein seltenes Bild: Frauen in der Wissenschaft / Foto: C.Hahn

Ich hätte auch gern auch Frau Schavan gefragt, woran es wohl liegt, dass gut 1/5 aller Projekte aus Süddeutschland kommen. Soll es wirklich so sein, dass wir ein Nord-Süd-Bildungsgefälle haben? Ich hätte gern gewusst, warum nur ein Mädchen aus Nordrhein-Westfalen am Finale teilnimmt. Und wie es kommt, dass unter den Erstplatzierten nur Jungen sind. Doch dafür bleibt keine Zeit.

Und dann bringt es Ralph Labonte es in seiner Rede auf den Punkt:“Wenn in den Bewerbungsunterlagen eine erfolgreiche Teilnahme an ´Jugend forscht´vermerkt ist, hat der Bewerber gute Chancen, ganz oben auf dem Stapel zu landen.“ Seine Auswahlkriterien sind klar. Labonte selbst ist gelernter KfZ-Mechaniker und hat es geschafft. Eine steile Karriere, die heute so wohl nicht mehr möglich wäre.

Elite fördert Elite, von der Krippe bis zur Bahre.

Applaus, der Saal leert sich. In der Halle gibt es Häppchen und Sekt, im RWE-Pavillon Buffet. Der Kellner kommt, er könnte Murats Bruder sein. Nur eben mit Schürze. Und im Ruhrgebiet.

*Name geändert