Linkenpolitiker Dierkes: „Das läppische Existenzrecht Israels“

Für Hermann Dierkes, den Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei im Duisburger Rat, ist das Existenzrecht Israels „läppisch“.  Am 16. April will Dierkes im Internationalen Zentrum in Duisburg aus seinen Buch:

Bedingungslos an der Seite Israels – nur bedingt auf der Seite des internationalen Rechts“ vorlesen.

Das Video zeigt Dierkes auf dem Trotzkistenkongress Marx is muss, der im vergangenen November in Berlin stattfand. Dort diskutierte er  mit Gesinnungsgenossen über sein Buch. Gleiches könnte am kommenden Dienstag in Duisburg passieren: Israelhetze in städtischen Räumen – im Duisburger Internationalen Zentrum (IZ). Ein Gespräch mit dem Leiter des IZ: Hier, im Update unten.

Die Williamsburg-Story Teil 3: Im Visier der Spekulanten

williamsburg3Die  metropolitane Immobilienwirtschaft, New York nennt sich nicht umsonst  „ The World Capital of Real Estate“ , hatte zu dieser Zeit schon länger einen Blick in die „Outer Boroughs“ geworfen. Die Entdeckung der Urban-Waterfront war seit dem spektakulären städtebaulichen Projekt Battery-Park-City in vollem Gange, aber noch sehr stark auf die Wasserlinie um Manhattan fokussiert.

Die weitsichtigeren unter New Yorks Immobilienspekulanten, die örtlichen Banken eingeschlossen, hatten Williamsburg jedoch schon im Visier. Ebenso den  heute so genannte DUMBO-Bezirk unterhalb der Manhattan-Bridge, der zu diesem Zeitpunkt ebenfalls hafenzugehöriges Gewerbegebiet mit riesigen Lagerhäusern war. Down Under the Manhattanbrige Overpath, wie DUMBO mit vollem Namen heute heißt, wurde jedoch aus einer (Immobilien)Hand entwickelt, während Williamsburg von mehreren Developern und lokalen Hauseigentümern/Spekulanten stufen- und straßenweise in den Griff genommen wurde.

Williamsburg war nämlich, im Gegensatz zum sehr sehr viel kleineren DUMBO-Bereich, außerhalb seiner Waterfront zum großen Teil bewohnt. DUMBO, was auch eine eigene Story wert wäre, war dagegen reines Gewerbegebiet das damals schon fast völlig leer Stand. Umgewandelt musste die  arbeitsbezogene  Waterfront jedoch in beiden Fällen werden ehe damit richtiges  Geld verdient werden konnte und zwar in ein Wohngebiet mit eben dem spektakulärem Blick auf Manhattan, der mich bei  meinem ersten Besuch  so fasziniert hatte.

Sowas dauert auch im schnellen aber doch sehr demokratisch organisierten New York sehr lange. In Williamsburg wuchs, im Gegensatz zum  DUMBO-Bezirk, obendrein in der kommenden Zeit etwas heran was die Developer zwar nicht geplant, was ihn aber letztlich die beabsichtigte Aufwertung  erheblich erleichtert hat. S. und seine Freunde waren nur die erste Vorhut von etwas, das in nur wenigen Jahren zur regelrechten Invasion werden sollte. Die Übernahme der reichlich vorhandenen gewerblichen und wohnungsmäßigen Leerstände durch die heute so genannten „Kreativen“.

Williamsburg g a l t in der Stadt nicht nur als arm und gefährlich. Es  w a r es auch wirklich. Wenn auch weniger als das nicht weit davon gelegenen Bushwick oder das sogenannten und gänzlich schwarze BedStuy, ausgeschrieben Bedford Stuyvesant. Diese No-Go-Arrea wurde durch die späteren Filme bzw. „Joints“ von Spike Lee, dem ersten in Amerika und später auch in Europa berühmten afroamerikanischen Regisseur, auch über Brooklyn hinaus bekannt. Er war zu der Zeit als ich Brooklyn zum ersten Mal aufsuchte knapp über 20 Jahre alt und hatte seinen ersten Independent Film gedreht: She´s gotta have it. Eine wundervolle Komödie über eine Afroamerkanerin, aus Brooklyn natürlich, die gleichzeitig mit 4, natürlich afroamerikanischen, Männern flirtete. Natürlich in schwarz weiß gedreht und  Spike Lee war, wie in independent Filmen mit Minibudget nicht unüblich,  nicht nur Regisseur  sondern auch einer der 4 schwarzen  (Proto)Typen. Alle wurden im Plot witzig und selbstironisch persiflierte.

Nicht nur das schwarze New York lachte sich einen Ast, aber alle weißen New Yorker wussten natürlich, dass keiner von ihnen diesen Film hätte genauso drehen dürfen. Und Spike Lee wusste das natürlich auch. Am meisten schmunzeln mussten jedoch  alle darüber, dass einer der Liebhaber aus Manhattan kam. Er war affektiert, selbstverliebt und obendrein kein guter Liebhaber, und diese Anspielung verstand natürlich auch ganz New York City. Der ewige Zwist zwischen den eingebildeten und hochnäsigen „Manhattanies“ und den ehrlich-offenen und bodenständigen „Brooklynites“, den ich erst später so richtig durchschaute, war hier ganz in schwarzer  Haut gespiegelt.

Jahre später lernte ich nämlich beim argentinischen Tango im Central Park ein  eingefleischtes  Manhattan-Girl   kennen. Auch sie ist mir bis heute eine sehr gute Freundin geworden, während ich S. später wieder aus den Augen verloren habe. J. war aber erst vor einem Jahr bereit, mit mir nicht in Manhattan sondern in Brooklyn essen zu gehen, weil man das ihrer Meinung nach, außer bei Peter Lugers,  genauso wenig könnte, wie wohnen.

Peter Lugers galt und gilt bis heute als das beste Steakhouse von ganz New York. Man muss  sich mindestens eine Woche vorher dort einen Tisch buchen. Die Limousinen standen damals in Reihe vor der Tür und die Security. Denn das wunderschöne alte Brownston-Gebäude, in dem der deutsche Einwanderer Peter Luger Ende des 18. Jahrhunderts sein Restaurant eröffnete, stand zwar nicht weit von Manhattan, genauer gesagt am Brooklynfuß der Williamsburg Bridge. Aber eben der Williamsburg- und nicht der gar nicht weit davon entfernt gelegenen Brooklyn Bridge.

Da stand und steht heute das weltberühmte River-Cafe direkt am Wasser und man konnte dort, und kann natürlich auch heute noch, an warmen Sommerabenden unbeschwert draußen herumlaufen, um die Skyline von Downtown Manhattan in der Abendsonne erglühen zu sehen. Wenn man aus Peter Lugers raus kam, wollte man dagegen ganz schnell in die mitgebrachte Limo mit Fahrer oder in das nächste Taxi. Da es aber in der Gegend aus verständlichen Gründen nicht viele gab, hatten die Manager von Peter Lugers selber welche angeheuert, die immer abfahrbereit zur Verfügung standen.

Heute würde einem das kaum einer mehr glauben, denn die Williamsburg Waterfront ist mittlerweile genauso so sicher wie die Wasserterasse des River Cafes. Und viel größer. Damals allerdings standen dort bedrohlich leere und herunter gekommene Lagerhäuser, die riesige, noch aktive Domino-Sugar-Raffinerie und einige der zentralen Müllverarbeitungs- und Weitertransportstationen der Stadt New York. Alles was die „Manhattanies“ halt nicht mehr so haben wollten. Und genau so sahen das auch die noch verbliebenen Einwohner von Williamsburg.

Anders die Künstler und Studenten in Manhattan.  Sie waren, wie S. auf Grund ihres in der Regel knappen Budgets dort immer mehr unter Druck geraten. Soho war zu diesem Zeitpunkt schon komplett gentrifiziert.  Die Lower Eastside  und das East Village standen kurz  davor bzw. war die Sache rund um den Tomskin Square schon im vollen Gange.  Den ebenso herunter gekommenen und drogenverseuchten Union Square  an der 14th Street versuchten die Stadtväter durch die Einrichtung einer Dependance der New York University zurück zu erobern und hatten damit in den kommenden Jahren auch zunehmend Erfolg.

In der Welthauptstadt der Immobilienspekulation hatte das jedoch eine unausweichliche Folge: kontinuierliche bis exponentielle Mietpreissteigerungen. In dieser Zeit schrieb eine Studentenzeitschrift, ich glaube sogar die der Columbia Universität, dass Williamsburg eigentlich gar nicht so unsicher sei wie behauptet würde und nur eine Station von Manhattan entfernt läge. Was eindeutig stimmte, vor allem aber insgesamt nur 4 U-bahnstationen vom Union Square, an dem genau die neue Filiale der NYU entstand. Mit einem mal war damit eine U-Bahnlinie ins Bewusstsein der Stadt gerückt, die bislang – mit Ausnahme der „Brooklynites“ die sie regelmäßig benutzen mussten – kaum jemand kannte: Die L.

Die L-Linie läuft im wahrsten Sinne des Wortes quer durch Manhattan um dann, im Gegensatz zur JMZ, unter dem Wasser nach Brooklyn vor zu stoßen. Über Williamsburg und Bushwick geht sie dann über die Broadway-Junction ebenfalls tief in dieses Stadtgebiet hinein. In dem kurzen Stück innerhalb Manhattans heißt die L auch die 14Th Street Line, weil sie dort von der 8Th Avenue komplett und genau unterhalb dieser Verkehrsader verläuft.
Dadurch hat sie verkehrstechnisch einen für ihre Nutzer uneinholbaren Vorteil: Sie quert nicht nur alle wichtigen Subwaylinien Manhattans sondern sie erlaubt dank ihrer Bahnhöfe auch den schnellen Umstieg in jede von ihnen. Selbst zur Columbia Universität in Harlem geht es dadurch, dank des Express-Local-Systems selbst von Brooklyn aus vergleichsweise schnell.

Aber nur, wenn man in Williamsburg, also genau auf der anderen Seite des Eastriver, eine Studentenbude hatte. Möglichst nah am ersten L-Haltepunkt hinter dem Fluss. Der hieß damals wie heute Bedford Avenue und um ihn herum ist das äußerst quirlige, hippe  und teure Zentrum des neuen Williamsburg entstanden.

Als ich die Bedford Avenue zum ersten Mal in meinem Leben entlang lief, und sie ist verdammt lang, war sie das genau Gegenteil. Hierzu weiter in der nächsten Folge…
Die Williamsburg Story Teil 1…Klack

Die Williamsburg Story Teil 2…Klack

Ruhrpilot – Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

dierkesAntisemitismus: Es muss in Deutschland möglich sein…xtranews

Antisemitismus II: Lieber Herr Dierkes…Prospero

Antisemitismus: III: Lieber Onkel Adolf, mach was!…Unkreativ

NRW I: Umfragetief für Bundesregierung…Spiegel

NRW II: Hannlore Kraft und ihre Patzer…RP Online

NRW III: Kommt ein Lichtlein her…Sprengsatz

Opel I: Widerstand gegen Einenkel…Zeit

Opel II: Bochumer Werk in Gefahr…Der Westen

Ruhr2010 I: „Die Städte im Ruhrgebiet sind geteilt“…NZZ

Ruhr2010 II: Kemnade International in Gefahr…Ruhr Nachrichten

Ruhr2010 III: Als Kölns Erzbischof zu Tode kam…Welt

Fußball: Bloggen über das kleine Derby…Pottblog

Sicherheit: Datenleck in Münster…Netzpolitik

Pop: Farside…Kochplattenteller

Rechte: Zwei Nazis vor Gericht…Der Westen

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Steuer-CD: Nicht nur für UBS-Kunden wird es eng

ubsLangsam sickert durch, welche Daten sich auf den angekauften Steuer-CDs befinden. Für Steuerhinterzieher wird die Luft immer dünner – und das Zeitfenster, in dem man sich stellen kann immer kleiner.

Nach Informationen der Ruhrbarone sollen den Steuerbehörden zum Teil Kundendaten  der Banken UBS, HSBC, Julius Baer und dem Versicherungskonzern Generali vor. Die Datensätze zeigen teilweise  sowohl den Einzahler, den Zeitpunkt von  Einzahlungen und die erzielten Zinserträge. Nach Einschätzung von Experten ist damit die Indentifikation der Täter über einen Abgleich mit den Finanzamtsdaten problemlos möglich.

Noch, so unsere Informationen, seien die Täter nicht ermittelt und könnten mit einer Selbstanzeige einem Strafverfahren entgehen. Dieses Zeitfenster wird sich aber in wenigen Tagen schließen. Dann drohen neben hohen Steuernachzahlungen auch Vorstrafen.

3 FÜR 7 – Drei Veranstaltungen der Woche

tom-liwaEtats werden gekürzt, es wird debattiert. Alleine die Veranstaltungen, die schnell noch für 2010 entwickelt worden sind, stehen direkt wieder zur Disposition. Der Konkurrenzdruck steigt. Kulturarbeit, Sportstätten, Jugendarbeit werden gegeneinander aufgewogen. Plötzlich erhält Standortpolitik ein noch höheres Gewicht, als eh schon beim Thema Kulturhauptstadt (da vor allem als Tourismus- bzw. weicher Faktor): Was nutzt diese und jene Veranstaltung oder Institution der Kommune, vielleicht den Bürgern? Und was wird eigentlich aus dem Colosseum in Essen? Kann man da nicht den RWE rein…? Die Tipps: Tom Liwa, Der Pott Filmt, Tocotronic.

Persönliches zu Tom Liwa: Damals als der Autor dieser Zeilen von heute auf morgen das Kulturprogramm im KKC Essen bewerkstelligen musste (und die Konzertszene an der Ruhr etwas mit-aktualisieren wollte), fragte er sich: Wen rufe ich an, damit ich schnell gute Empfehlungen für gute Leute bekomme, mit denen ich gerne zusammen arbeite? Er rief Tom Liwa an (und hatte schnell direkt gute Agenturen, gute Tontechnik und nicht unwichtige Konzerte). Warum ihn? Wer sich heute den Künstler Tom Liwa anschaut, bemerkt typischwerweise eher nur Spurenelemente von dem, was damals die Flowerpornoes ausgestrahlt haben: Leben können hier, aber mit Blick nach Draußen. Diese Mischung aus Nicht-Abfinden, leichter Hippiekommunen-Haftigkeit, Kümmern, Freund(schaft)lichkeit und natürlich die zur Aufrechterhaltung dieser Haltung nötige Schutzschicht aus höflicher Arroganz und Ablehnung gegenüber offenkundig bornierten Nicht-Verstehern. Das kann ein Mann alleine schwer schultern, oder er gerät schnell in den Verdacht von Larmoyanz und Pose. Genau dem aber setzt sich Tom Liwa (Foto: Amadis) verstärkt gern aus, demnächst wieder mit einem neuen Album. Er hat aber auch seine Bandprojekte, verstärkt das Tim Isfort Orchester als Type von hier und hat sich so auf die Dauer dagegen abgesichert, zu einem Klischee zu verkommen. So rettet sich vielleicht dieses Besondere – indem es schwieriger zu finden, zu okkupieren ist. (Erschreckend: Wer sich alles Intimstfolker aus den Staaten gibt, aber Tom nicht zuhören (ver)mag.)

Wie oben angesprochen gibt es in diesem Jahr auch einiges Neues im Jahresprogramm der Kulturfestivals. Und wie Ende des letzten Jahres angesprochen in dieser Kolumne, wird dabei nicht zuletzt der Faktor Film für die hiesige Kulturwirtschaft hier und da noch einmal hervorgehoben. Natürlich stellt sich dabei – wie hier zuletzt anhand der Oberhausener Kurzfilmtage diskutiert – die Frage, ob nicht der Film nach der Musik die nächste Branche sein wird, in der garantiert nicht mehr viel zu holen ist. Andererseits könnte behauptet werden, Filmen tue wie Fotografieren und Musik machen ja inzwischen fast jedeR, also sei das unbestritten durchsetzbar und Populärkultur vom Feinsten, und daher relativ kürzungsresistent. „Der Pott Filmt“ kann jedenfalls mit einem eingespielten Veranstalterkollektiv (nennen wir es Lobby?) und einem den Filmemacher/innen gerecht werdenden Konzept aufweisen – dass hierbei cinemaphile Menschen aus Brandenburg oder Chile ausgeschlossen werden, übersehen wir dann doch einfach mal wohlwollend.

Häme kommt mit dem Erfolg. So sagte der Autor dieser Zeilen letztens zu einem sich nicht in den Charts tummelnden Musiker von der Ruhr: „Komisch, genau jetzt wo ich so in etwa weiß, was Tocotronic falsch gemacht haben, sind die auf 1.“ Zum Glück nur in etwa, so dass das hier auf keinen Fall expliziert und in Stein gemeißelt werden kann. Und außerdem: 1:1 ist ja schon lange vorbei, nicht wahr? Dass HIM aber ausverkauft ist im FZW, und nicht die geschätzten Tocos … das mag dann doch noch zu denken geben am Ende – falls gewünscht natürlich nur.

Tom Liwa am Mittwoch.
Der Pott Filmt ab Donnerstag.
Tocotronic (und Dillon) am Freitag.

Williamsburg II: Gute Aussichten

williamsburg2Den Hauptgrund für die kommende Aufwertung von Williamsburg bekam ich im wahrsten Sinne zu sehen, nachdem ich von S. an der mehrfach verriegelten großen Stahltür des 6-stöckigen Fabrikgebäudes abgeholt, mit einem uralten klapperigen Lastenaufzug in das oberste Geschoss geholpert war und dort durch eine weitere mit drei Schlössern und einem inneren Querbalken verschlossen Eisentür in ein riesiges, rundum verglastes Loft geführt wurde: Den unverstellten Blick auf Manhattan und die Williamsburg Bridge.

Genauer gesagt auf drei Brücken, denn hinter der stadtteilbezogenen Wasserüberführung reihten sich in südlicher Blickrichtung weiter die Manhattan- und die Brooklyn Bridge auf. Noch überwältigender war jedoch der Besuch des direkt über dem Loft liegenden riesigen flachen Dachs mit dem typischen aufgeständerten Wasserbehälter. S. hatte sich die oberste Fabriketage mit einer Künstlerkollegin geteilt, wobei sie den kleineren Teil, dafür aber die eigentliche Wassersichtfront mit westlichem direktem Blick auf Manhattan bekommen hatte. Dafür verfügte S. über sage und schreibe 600 m² mit den drei anderen Blickseiten von denen zwei, die südliche und die nördliche, wenn auch seitlich, ebenfalls die Skyline im Visier hatten. Nach Westen konnte man weit über Brooklyn selbst schauen.

Auf dem Dach gab es die Totale und das übertraf alles was ich auf den Rooftops in Manhattan mit Ausnahme vom damals noch existierenden World Trade Center und vom jetzt immer noch existierenden Empire State Building gesehen hatte. Die Skyline war von außen gesehen nämlich mindesten so beeindruckend wie von innen. Von hier aus war sie in der ganzen Länge zu betrachten. Von Downtown bis Midtown. Selbst die Queensborough Bridge, die, wie der Name schon sagt, den gleichnamigen Borough mit Manhattan verbindet und ebenso mächtig und filigran wie die Williamsburg Bridge ist, war von hier aus im ständigen Blickfeld.

Dieses Panorama war und ist der Grund für das, was die folgenden 25 Jahre mit ganz Williamsburg geschehen sollte: die systematische soziale und bauliche Aufwertung die meistens auch mit einer Veränderung und Verjüngung der sozialen Struktur der Bewohner einhergeht, die von Fachleuten so genannte Gentrification. Diesen Wahnsinnsblick hatte man nämlich auch dann, wenn man hier nicht so hoch wohnte, und zwar direkt am Wasser. Ebenso unverstellt, noch näher an Manhattan und für alle.

Die Williamsburg-Waterfront war aber zu diesem Zeitpunkt nur an wenigen Stellen zugänglich, denn die Blocks entlang des East River waren immer noch gewerblich-industriell genutzt, wenn auch bei weitem nicht mehr so intensiv wie noch in den 60ger und 70ger Jahren.  Die Deindustrialisierung New Yorks war zu diesem Zeitpunkt jedoch schon fast abgeschlossen und die gewerblichen Leerstände in Williamsburg entsprechend groß und vielzählig.

So waren S. und seine Künstlerfreunde auch an ihre Lofts gekommen. In den ersten 3 Etagen ihrer Fabrik wurde jedoch noch körperlich schwer gearbeitet. Einer der vielen sogenannten Sweatshops auf Niedrigstlohnbasis die zu diesem Zeitpunkt noch in New York mit ihrer Verlagerung in die Entwicklungsländern konkurrieren konnten. Die Latinos der Umgebung fanden hier noch bezahlte Arbeit, mussten dafür jedoch Arbeitsbedingungen akzeptieren, die auch den New Yorker Behörden die Haare hätten zu Berge stehen lassen, wenn sie den vorbei gekommen wären. In solche Gegenden kamen die städtischen Ordnungskräfte aus gutem Grunde jedoch nicht so oft und die Arbeitslosigkeit in solchen Vierteln war so hoch, dass die, die dort noch Arbeit fanden, froh waren, dass sie überhaupt eine hatten.

Wenn man jedoch von dem Panoramablick auf dem Dach oder aus den riesigen fabrikmäßigen Fenstern eingefangen war, vergaß man das alles sehr schnell. Erst recht wenn man wusste, wie billig er war. S. zahlte für das ganze Loft nicht mehr als 600$, also etwas mehr als 1$ pro Quadratmeter. Und die eine U-bahn-Station von Manhattan entfernt. Er war genau deswegen aus Manhattan weggegangen. Dort konnte schon damals ein noch nicht erfolgreicher Künstler die Miete selbst in der letzten Bruchbude nicht mehr bezahlen. Heute können es selbst die Erfolgreichen kaum noch.

Jetzt wird das auch in Williamsburg immer schwieriger. S. wurden vor ein paar Monaten mehrere 100.000$ von seinem Landlord geboten, wenn er nur endlich ausziehen würde. Der Umzug selbst würde ihm natürlich sowieso bezahlt. Seine Miete ist auch schon lange höher als zu Anfang. Aber durch die für amerikanische Verhältnisse immer noch recht mieterfreundliche Gesetzgebung des Staates und der Stadt New York, ist sie, dank eines kunstgesonnenen Rechtsanwaltes, den S. in Ermangelung von Bargeld immer nur mit Bildern bezahlt hatte, für ihn immer noch bezahlbar. Im Verhältnis zu den jetzigen Neuvermietungen sogar spottbillig. Was seinen Landlord natürlich in den Wahnsinn treibt.

Arbeitsplätze gibt es in der Fabrik überhaupt keine mehr. Dafür eine neuen Aufzug, der gesetzlich die Voraussetzung für die offizielle Wohnvermietbarkeit schafft und damit für enorme Mietsprünge bei Neuvermietungen. Hintergrund ist ein lange Kampf der New Yorker Immobilienkamarilla zur Veränderung der Bodennutzungsregelung in Williamsburg, die am Wasser vor allem industrielle Nutzung vorsieht bzw. vorsah. Sie haben ihn am Ende gewonnen, mussten dabei aber ein paar Kompromisse mit der Bevölkerung schließen, die gerne noch gewerbliche Arbeitsplätze im Stadtteil behalten hätte. Nicht zuletzt weil die ihrer insgesamt eher niedrigen Ausbildung entsprachen.
Aber dazu in der nächsten Folgen mehr.

Williamsburg Story: Teil I

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Slow train coming: Die NRW-Wahl ruckelt näher, die Parteienlandschaft wackelt und die Parteien ringen um Aussagen, damit sie Slogans bringen können, die Wähler beeindrucken. Was sagt die SPD über die schwer Vermittelbaren? Hartz-IV-Empfänger sollen zukünftig umsonst arbeiten – das aus dem Mund einer Partei, die sich traditionell den sozial Schwachen verpflichtet fühlt. Notwendigkeit oder Vernachlässigung der eigenen grundlegenden Ziele? Was hätte Willy Brandt dazu gesagt? Wäre sein Lächeln milde wie das der Mona Lisa gewesen, weil er keinen anderen Weg gesehen hätte, oder hätte er dafür gestritten, eine politische Alternative zu bringen?

Wahlaussagen prägen das Image der Parteien nachhaltig. Sie zementieren eins ums andere mal die politische Positionierung. Die Wirtschaftskrise lädt dazu ein, wie im Schlußverkauf populäre Versprechen abzugeben. Wohin es führt, wenn man die nicht hält, sieht z.B. die FDP zur Zeit. Wenn die (finanziellen) Probleme drücken, liegt andererseits eine Aussage wie die zu Hartz IV leicht auf den Lippen einer Partei.

Aber unabhängig vom Tagesgeschäft und der großpolitischen Wetterlage, wo bleibt die Programmatik, für die eine Partei steht? Die SPD betreibt wohl Zielgruppensplitting: Die Sozial Schwachen gibt sie an die Linken ab. Aber wer soll sie dann wählen?