Konrad Adenauer Stiftung für Despoten

Die Konrad Adenauer Stiftung veranstaltet am 13 Mai 2010 ausgerechnet am fünften Jahrestag des Massakers von Andischan in Taschkent ein Seminar mit einer dem usbekischen Regime nahe stehenden Organisation und plant die Unterschrift unter ein Memorandum zur Deutsch-usbekischen Medienzusammenarbeit.

Ich habe darüber in der TAZ und den Ruhrbaronen geschrieben.

„Wir sehen kritisch, wenn Stiftungen oder Nichtregierungsorganisationen ausgerechnet am Jahrestag des Massakers von Andischan ein Memorandum zur Zusammenarbeit mit einer dem Regime nahe stehenden Organisation unterzeichnen. Das ist ein falsches Signal und rücksichtslos gegenüber den Opfern und Überlebenden von Andischan“, kommentiert Reporter ohne Grenzen die Terminwahl der KAS.

Nun hat der Regionalbeauftragter der Konrad Adenauer Stiftung für Zentralasien Thomas Kunze mir geschrieben:
„Sehr geehrter Herr Bensmann,

ich habe soeben Ihre Fragen erhalten und auch Ihren Beitrag in der „taz“ gelesen. Ich bedauere sehr, dass bei Ihnen der Eindruck erweckt wird, durch eine Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung könnten die Opfer des furchtbaren Blutbades von Andischan aus dem Jahr 2005 in Misskredit gebracht werden.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung setzt sich weltweit für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte ein. Dazu zählt auch das Recht auf Meinungsfreiheit. Ausschließlich diesen Zielen dienen unsere Veranstaltungen. Mit der Nationalen Gesellschaft für elektronische Printmedien, in der auch viele reformorientierte Journalisten und Medienmacher vertreten sind, führt nicht nur die Konrad-Adenauer-Stiftung Seminare und Trainingsprogramme durch, sondern dies tun auch Organisationen wie etwa UNICEF, die UNESCO und die Vertretung der Vereinten Nationen in Usbekistan. Diese Aktivitäten haben zum Ziel, zu einer Liberalisierung und Professionalisierung der Medien in Usbekistan beizutragen.

Der von Ihnen hergestellte Zusammenhang zwischen den schrecklichen Ereignissen von vor fünf Jahren sowie die Unterstellung, wir wollten diese Ereignisse in irgendeiner Weise relativieren, ist völlig abwegig und wird der Arbeit der der Konrad-Adenauer-Stiftung in keiner Weise gerecht.“

Die Auffassung Herrn Kunzes über die „Nationale Gesellschaft für elektronische Printmedien“ spiegelt in meinen Augen nicht die Realität wieder.

Es ist leider so, dass es in Usbekistan schlicht keine von der Macht tolerierte unabhängige Organisation gibt. In den nächsten Tagen werde ich mich genauer diesem Thema widmen.

Die UNESCO arbeitet übrigens auch mit der Stiftung der usbekischen Präsidententochter und usbekischen Botschafterin in Spanien Gulnara Karimowa zusammen, und das ist wahrlich kein Ausweis für Demokratie und Menschenrechte. Die El Pais hat erst am Sonntag über die Dame eine nette Reportage verfasst.

Pro NRW will Provinzpartei bleiben

Auf dem „Anti-Minarett-Kongress“ Ende März in Gelsenkirchen träumte Pro-NRW Hirn Markus Beisicht noch von einer bundesweiten Expansion. In Zukunft wollen die Rechtspopulisten kleinere Brötchen backen.

“Wenn wir  unsere Hausaufgaben in NRW erledigt haben”, tönte Pro NRW Chef Beisicht Ende März auf dem „Anti-Minarett-Kongress“ in Gelsenkirchen, “werden wir die Rechte in Deutschland neu ordnen.”

Das kann noch dauern: Nach dem Flop bei den Landtagswahlen sieht sich ProNRW auch langfristig als NRW-Provinzpartei. In einer heute veröffentlichen Pressemitteilung verkünden die Rechtspopulisten ihr „Projekt 2015“.

Darin ist von der Neuordnung der Rechten in Deutschland unter Führung von Markus Beisicht keine Rede mehr:

Der Pro-NRW-Vorstand beschloss nach einer ausführlichen Analyse und Diskussion des Wahlergebnisses vom Sonntag einstimmig, in den nächsten Jahren alle Kräfte für das „Projekt 2015“ in Nordrhein-Westfalen zu konzentrieren.“

Selbst dabei ist man bescheiden: Selbst bei der nächsten Kommunalwahl 2014 will man in NRW noch nicht einmal versuchen, flächendeckend anzutreten. Angeblich sicher wollen die Rechtspopulisten in Duisburg, Oberhausen, Essen, Herne, Bottrop, Wuppertal, Remscheid, Solingen, Hagen, Kreis Lippe, Märkischer Kreis und dem Kreis Recklinghausen ihr Glück versuchen. In weiteren Städten und Kreisen, so ProNRW, seien Kandidaturen „angepeilt“.

Im Versagen hat Pro NRW Übung: Schon die angekündigte „Großdemonstration“ gegen eine Moschee, die Pro NRW in  Duisburg Marxloh im März parallel zu einer NPD-Demo veranstaltete, geriet zum Flop: 150 Männer und Frauen brachte die Truppe um Beisicht auf die Straße. Und unter denen  waren zahlreiche ausländische Sympathisanten aus Belgien und Österreich.

Ach so: Und 2015 will Pro NRW in dem Landtag einziehen. Aber wollen ist nicht werden…

Die Konrad Adenauer Stiftung für Despoten

Die CDU nahe Stiftung hat einen hohen Anspruch. „Die Konrad-Adenauer-Stiftung setzt sich national und international durch politische Bildung für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit ein“, heißt es auf der Webseite. So die Theorie.

In der Realität aber vergisst die CDU nahe Stiftung das Gedenken an die Opfer eines der weltweit schlimmsten Regime.

Am 13. Mai 2010 jährt sich das Massaker von Andischan zum fünften Male. Der usbekische Herrscher Islam Karimow ließ 2005 in der usbekischen Provinzstadt Andischan einen Volksausstand niederschlagen. Uniformierte schossen ohne Vorwarnung von vorbeifahrenden Panzerwagen aus gnadenlos in eine mehrtausendköpfige Menge. Viele Hunderte Menschen starben bei dem Feuerüberfall.

Nach dem Massaker von Andischan entfachte das usbekische Regime eine Repressionswelle in dem zentralasiatischen Land, die die letzten Reste einer unabhängigen Bürgergesellschaft vernichtete. Oppositionelle, Menschenrechtler, Journalisten wurden verhaftet, aus dem Land getrieben oder auch getötet.

Der 13. Mai ist seither der Schreckenstag für alle Opfer des blutigen Regimes aus Usbekistan.

Und was macht die Konrad Adenauer Stiftung an diesem Tag?

Sie veranstaltet in Taschkent ein Seminar mit einer dem usbekischen Despoten hörigen Medienorganisation und unterschreibt ein Memorandum zur „deutsche-usbekischen Medienarbeit“.

Die Unterschrift der KAS unter ein Memorandum in Usbekistan mit einer der Macht hörigen Organisation wäre an sich schon mehr als fragwürdig.

In Usbekistan steht der freie Journalismus unter Strafe. Es gibt keine legale vom Staat unabhängig veröffentlichte Meinung. Die wenigen mutigen Journalisten, die gegen das staatliche Verbot verstoßen und heimlich für im Ausland ansässige Webseiten schreiben, schweben in ständiger Gefahr verprügelt, verhaftet oder gar getötet zu werden.

Bisher sitzen zehn Journalisten in usbekischen Gefängnissen, darunter auch Salidschon Abdurachmanow. Dem Journalisten hatten usbekische Polizisten im Sommer 2008 Drogen untergeschoben. Später wurde Abdurachmanow zu 10 Jahren Haft verurteilt.

Was will die KAS mit einer Organisation in Usbekistan zur Medienzusammenarbeit denn verabreden, die den freien Journalismus bekämpft?

Sobald mir das Memorandum vorliegt, werde ich es hier veröffentlichen.

Die KAS liegt mit diesem fragwürdigen Despotenkuscheln aber auf der Linie des ehemaligen deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeiers(SPD). Trotz Andischan und Menschenrechtsverletzungen ließ der Sozialdemokrat die deutsche Außenpolitik zu einer Lobbyveranstaltung für den usbekischen Bluthund verkommen, um den Flughafen im usbekischen Termes nicht zu gefährden, von dem aus Deutschland den Afghanistankrieg führt.

Die Tatsache aber, dass die Denkschrift der KAS mit einer dem usbekischen Regime nahe stehenden Organisation ausgerechnet am 13. Mai unterschrieben wird, zeigt, dass aus der Konrad Adenauer Stiftung die Idee für Demokratie und Menschenrechte ausgezogen ist und die CDU nahe Parteienstiftung zu einem Wärmestübchen für usbekische Despoten verkommen ist.

„Wir sehen kritisch, wenn Stiftungen oder Nichtregierungsorganisationen ausgerechnet am Jahrestag des Massakers von Andischan ein Memorandum zur Zusammenarbeit mit einer dem Regime nahe stehenden Organisation unterzeichnen. Das ist ein falsches Signal und rücksichtslos gegenüber den Opfern und Überlebenden von Andischan“, kommentiert Reporter ohne Grenzen das KAS Seminar.

„This essentially spits in the face of all the victims of the Andijan massacre. Why KAS is handing the regime such a propaganda tool, I cannot understand.”, sagt der Mediendirektor der International Crisis Group Andrew Stroehlein in Brüssel.

Thomas Kunze, der die KAS seit März 2010 in Usbekistan leitet, erklärte mir am Telefon, dass er vergesse habe, dass am 13. Mai der Jahrestag von Andischan sei und wenn er daran gedacht hätte, das Seminar samt Unterzeichnung des Memorandums auf einen anderen Tag gelegt hätte. Das Datum sei ein Fehler, die Veranstaltung nicht, erklärte Kunze.

Sollte diese Erklärung stimmen, dann muss die KAS dringend ihre Personalpolitik hinterfragen.

Wie kann die KAS einen Vertreter nach Usbekistan schicken, der das Datum des wichtigsten politischen Ereignisses des Landes nicht auf der Pfanne hat?

Ich weiß nicht, was der größere Skandal ist. Das bewusste Ignorieren des Andischaner Blutbades oder dessen Vergessen.

Dabei gilt Kunze als Usbekistan Spezialist. Seit 2004 hat er Ehrenprofessuren an der Präsidialakademie Taschkent und der Staatlichen Al-Chorezmi-Universität inne.

Ich habe Kunze gefragt, ob die KAS in dem Memorandum wenigstens die Freiheit der inhaftierten Journalisten einfordern werde. Telefonisch verneinte der KAS Vertreter das.
Aber mal sehen, bis morgen ist ja noch etwas Zeit.

Spannend ist, dass die KAS vor einem Jahr selbst Bekanntschaft mit dem usbekischen Machtapparat gemacht hatte. 2009 musste ihr Repräsentant aus Usbekistan ausreisen. Die usbekischen Behörden verweigerten aus heiteren Himmel im Frühjahr 2009 Gregor Ryssel die anstehende Visumsverlängerung. Erst im März 2010 kehrte mit Kunze wieder ein KAS-Mann nach Taschkent zurück.

Die usbekische KAS-Affäre 2009 traf die Stiftung aus heiterem Himmel. In der Zentrale in Berlin zeigten sich die Verantwortlichen „irritiert“. Ryssel musste samt Familie im März 2009 das Land verlassen. Der deutschen Öffentlichkeit blieb die Affäre verborgen.
Das Auswärtige Amt wehrte sich aber damals ein wenig. Am 23. Februar 2009 bestellte Staatssekretär Reinhard Silberberg den damaligen usbekischen Botschafter ein. „Dabei wurde diesem mitgeteilt, dass – sofern der Leiter der KAS-Vertretung ausreisen müsse – die Voraussetzung einer Botschafterkonferenz in Taschkent entfallen würde“, sagte eine Sprecherin des AA.Für März 2009 war eine regionale Konferenz der in den fünf zentralasiatischen Staaten akkreditierten Botschafter in Taschkent geplant. Das Treffen hatte für die usbekische Führung die weltpolitische Bedeutung eines Kindergeburtstages und sie pfiff auf die Drohung.

Vor allem die Friedrich-Ebert- und Konrad-Adenauer-Stiftung profitierten von dem deutschen Schmusekurs in Taschkent. Sie konnten ihrer Arbeit in Usbekistan fortsetzen. Beide Stiftungen hüteten sich, die Menschenrechtsverletzungen zu kritisieren. Genützt hatte es dem damaligen KAS-Mann in Taschkent 2009 nicht. Vielleicht hat der neue Vertreter mehr Glück.

Foto: Konrad Adenauer Stiftung

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FDP-Parteispende: Schlechtes Investment

Immer pöstchenbereit: Andreas Pinkwart

Das nennt man wohl ein schlechtes Näschen: Kurz vor der Wahl spendete der Verband der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen noch 60.000 Euro für die FDP. Andere waren da klüger.

60.000 spendete der Verband der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Düsseldorf einen knappen Monat bor der NRW-Wahl der FDP – mit etwas Pech wurde da aufs falsche Pferd gesetzt.

Klüger war man hingegen in Bayern. Wie in den vergangenen Jahren streute BMW seine Gunst auch wenige Wochen vor der Landtagswahl breit: CDU, CSU und SPD bekamen jeweils weit über 100.000 Euro, die FDP immerhin noch gut 54.000 Euro. Grüne und Linkspartei gingen hingegen leer aus.

Politik, Fußball und Projektion

Wäre eine Ampel in NRW eine Perversion? Ist die Linkspartei eine moderne linke Partei? Der VfL Bochum das St. Pauli des Ruhrgebiets? Die FDP marktradikal? Vor allem wenn wir  Zuneigung erfinden sehen wir nur was wir wollen.

Frank Goosen hat vor ein paar Tagen einen schönen Text über den VfL Bochum geschrieben. Er beschrieb den VfL als einen piefigen Kleinstadtverein ohne Ambitionen, geführt von dicken, alten  Männern ohne Visionen, der eigentlich nur eines erfolgreich kann: Seine Fans enttäuschen.

Andere haben im vergangenen Jahr die FDP gewählt und gingen davon aus, ihre Stimme strammen Marktwirtschaftlern gegeben zu haben. Die Enttäuschung über die gewährten Steuersubventionen für Hotelbesitzer  war schnell ebenso groß wie über die Rücknahme der vorsichtigen Liberalisierungen auf dem Arzneimittelmarkt.

Und auch hier bei den Ruhrbaronen ist in den Kommentaren oft viel Wut zu spüren, wenn die Linkspartei in NRW nicht als Schutzmacht der kleinen Leute, als moderne, freche Alternative zur SPD geschildert wird, sondern als Versorgungsprojekt für in Bedeutungslosigkeit ergraute Trotzkisten wie Zimmermann oder Stalinisten wie Böth. Die soll nun auch noch Landtagsvizepräsidentin werden.

In der Vorstellung ihrer Anhänger sind die Jusos links, ja, zum Teil linksradikal, wie das Werbebild der Jusos aus Esslingen zeigt und nicht eine biedere Parteijugend. Wahrscheinlich glauben auch viele CDU-Anhänger die CDU wäre konservativ. Fußballfans wollen glauben, Schalke sei ein Arbeiterverein und der FC St. Pauli der  verlängerte Fuß der Hamburger Subkultur.

Gerade beim Fußball und der Politik fällt es vielen schwer, mit der Wirklichkeit zurecht zu kommen – vor allem wenn Leidenschaft im Spiel ist und machen wir uns nichts vor: Ohne Leidenschaft macht weder die Beschäftigung mit Fußball noch mit Politik Spaß.

Bei näherer Betrachtung ist alles so entsetzlich banal: Schalke ist ein mäßig geführter Verein, der seinen Zielen seit Jahrzehnten hinterherläuft. Die FDP ist vor allem eine Klientelpartei, die an Marktwirtschaft und Wettbewerb so viel Interesse hat wie RWE und E.ON. Gerade in der Energiewirtschaft sitzen ja bekanntermaßen die größten Feinde des Kapitalismus.

St. Pauli ist das Muster des gentrifizierten Fußballvereins.  In der ach so konservativen Union treffen notorische Fremdgeher auf Schwule und Lesbierinnen. Die größte Sammlung an Ferrari-Büchern habe ich in der Wohnung eines grünen Fundis gesehen.

Wähler wollen das alles nicht so genau wissen. Fußballfans auch nicht. Die meisten zumindest. Sie sind mit Leidenschaft ihrer Partei oder ihrem Verein verbunden. Diese Leidenschaft bezieht sich allerdings eher auf eine Projektion als auf die Wirklichkeit. Die eigenen Wünsche, das eigene, in der Regel ja schon arg konstruierte, Selbstbild wird mit Partei, Verein oder beidem verbunden. Die banale Wirklichkeit wird ausgeblendet. Dabei ist diese Banalität ein großer zivilisatorische Fortschritt: Alle wurschteln herum, versuchen irgendwie durchzukommen und machen komische Kompromisse. Das wird auch bei der Regierungsbildung in NRW passieren – oder bei der Wahl eines neuen Trainers für den Vfl Bochum. Die Wirklichkeit in Deutschland ist immer eher grau und langweilig. Das ist gut. In einem spannenden Land zu leben, in dem die Leidenschaft regiert ist  ziemlich anstrengend. Und manchmal auch gefährlich.

Inseln im Konsum: Künstler im Gespräch zum Ruhr-Atoll 2010

Schlagzeilen um das Projekt auf dem Baldeneysee, das heute eröffnet wird. Aus 20 Projekten wurden viereinhalb, vermodernde Äpfel mit Ölrand schmecken dem RWE nicht und das Wetter ist auch nur 20 Grad besser als bei der Eröffnungsparty zur Kulturhauptstadt. Kurz: Alle reden über Geld und Politik und vermeiden so die Auseinandersetzung mit der Kunst. Das Gespräch mit Norbert Bauer, dem Kopf hinter dem Ruhr-Atoll und auf dem oberen Foto links, ist hier, die Künstler sprechen hier:

Jens Kobler (auch obere Fotos) ? : Im Laufe der Zeit wurden ja einige Ursprungskonzepte sowohl im Rahmen des Gesamtprojektes als auch die einzelner Inseln verändert. Über Ihre Arbeit, den „Iceberg“, hatte ich noch von der Pressekonferenz im letzten Jahr in Erinnerung, es sollten Originaltöne aus einem Labor im Südpol zu hören sein. Wie sieht es Mitte Mai 2010 aus?

Andreas Kaiser (2.v.l. auf der Kabakov-Insel): Die Idee hat sich verändert. Am Anfang war die Idee des Eisbergs mit dem Forscher- oder auch Künstlerzelt obendrauf. Und das ist ja auch eine Metapher: Dieser Eisberg mit dem Zelt, und da kommen Geräusche heraus. Es kam als Nächstes die Idee, das wissenschaftlich zu fundieren, mit einem Forscher oder Wissenschaftler zusammen zu arbeiten. So traf ich Lars Kindermann und kam auf ein Forscherlabor mit abrufbaren Daten. Aber das hat sich dann immer weiter abstrahiert, weil ich dieses typische Bild des Forschers nicht bedienen wollte. Wir alle haben dieses Bild von einem total chaotischen Labor und einem Wissenschaftler, der leicht neben der Spur ist. Und das Labor sah auch bei einem ersten Besuch bei Lars Kindermann so aus, weil da gerade ein Paket aus der Antarktis angekommen war, das er untersuchen musste. Aber beim zweiten Besuch war es dann gar nicht so, sondern sehr aufgeräumt und ordentlich. Also fragte ich mich, welche Bilder ich da eigentich transportieren will; und wir haben dann bald gesagt, dass wir reduzieren und abstrahieren. Daher gibt es im Inneren des Eisberges jetzt Bilder, die man abrufen kann. Dabei geht es darum, was der Mensch benutzt oder tut, um Natur nachzubilden, um die Datenströme im Sinne von Sound und um die anschließende Datenspeicherung, also die Frage, wie wir die Natur als Daten aufbewahren und verwerten.

?: Das erinnert mich an die Field Recordings aus der Antarktis von Chris Watson, die ich letztens einmal gehört habe: Sich verschiebende Eisplatten und Ähnliches. Wie klingt so etwas denn für einen Physiker bzw. habe ich mir nun vorzustellen, dass Sie hier beim Ruhr-Atoll nur an Statik und so etwas denken oder wie vertragen sich bei Ihnen Kunst, Ästhetik und Wissenschaft?

Lars Kindermann (l.): Ich hatte nach einiger Zeit halt auch Bilder im Kopf und erzählte dann auch Andreas Kaiser von meinen eigenen, recht abstrusen Ideen. Einiges davon ist vielleicht umgesetzt worden, manches war vielleicht zu abstrus. (lacht) In meiner Arbeit begegnen mir aber tatsächlich viele Dinge, insbesondere Töne, von denen kein Mensch weiß, was sie bedeuten. Ich sitze also den ganzen Tag in meinem Labor und höre im Hintergrund Geräusche aus dem Antarktischen Ozean. Und dabei entstehen einfach Bilder im Kopf, und das ist für meine Arbeit genau der Teil, den ich eben nicht einfach ausrechnen kann. Das ist vielleicht das Ziel, dass ich das irgendwann kann, also einen Algorithmus schaffe, der jedem dieser Klänge etwas zuordnet. Aber bis dahin ist immer noch die Imagination gefordert, und das ist doch sehr, sehr nahe an einer künstlerischen Tätigkeit.

?: Herr Katase, Herr Wilkens. In der hierzulande dominierenden Kultur wird ihrer Insel, dem „Teehaus“ (Grafik: Ruhr2010), ja quasi als Nachteil ausgelegt, dass es nicht begehbar, nicht kurzzeitig in Besitz zu nehmen ist. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht nur Ihren Vorstellungen von Eigentum, sondern auch von Kontemplation widerspricht.

Kazuo Katase atmet auf: Ja, danke.

Michael Wilkens: In Venedig zum Beispiel gibt es wunderschöne Gärten, die auch nicht zu betreten sind, was dann vielleicht neidisch macht, aber auch inspiriert. Man kann das dann in Phantasie genießen, und darum geht es bei dem Teehaus sehr stark. Wenn das alles so in Besitz genommen werden könnte, so á la „Komm, lass uns da mal ne Party machen!“, dann verliert etwas diesen Reiz, dieses Reizen der Phantasie.

Kazuo Katase: Das Ganze ist ja auch ein Entwurf, ein Bild. Jeder und jede möchte dieses und jenes, aber es ist nicht erlaubt, nicht gewollt, man ist manchmal nicht privilegiert, dieses oder jenes zu haben. Als Künstler oder Architekt hat man aber die Chance, diese Möglichkeiten zu realisieren oder auch einfach nur darzustellen. Dabei geht es eben nicht automatisch darum, etwas konsumfähig zu machen, sondern eher darum, Realität und Phantasie gleichberechtigt nebeneinander zu stellen, auf eine Ebene. Wir haben diese Insel etwas versperrt und gesagt: „Stop. Vorsicht, bitte.“ Und ich denke, das ist notwendig, weil heutzutage so unglaublich vieles anzutatschen und umzulaufen ist, mit der Begründung, genau das sei nun eine freie Gesellschaft, eine Demokratie oder was weiß ich.

?: Kunst im öffentlichen Raum oder auch Architektur ist ja im Grunde eben nicht immer grundsätzlich begehbar oder benutzbar. Es gibt also auch im Alltag hier sehr viele Formen dieser anderen Form von Interaktivität, die eben nicht auf Betreten, Benutzen, symbolische Inanspruchnahme beruht, sondern auch mit Tabus und Phantasien arbeitet. Gleichzeitig werden über die Medien zusätzliche Begehrlichkeiten geweckt, und so weiter. In Bezug auf Ihr Werk gab es doch sicherlich Versuche, es der üblichen Verfügbarkeit zuzuführen?

Kazuo Katase: Darüber haben wir diskutiert, schon weil uns tatsächlich einige Angebote bezüglich unserer Insel gemacht wurden. Letztlich haben wir gesetzlich verfügen lassen, dass das Teehaus eben nicht auf diese Art benutzt werden kann. Und das hat auch Geld gekostet. Jemand wollte dort Tai-Chi spielen oder Yoga – genau das wollte ich nicht. Nicht diese Beliebigkeit,sondern ein bisschen etwas von einem Ideal.

Ab heute: Ruhr-Atoll 2010 auf dem Essener Baldeneysee.

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