Das verordnete Schweigen der Kirche oder „de delictis gravioribus“

Der Schatten über den Missbrauchsskandalen in der Römisch – Katholischen Kirche ist lang. Es geht um Schweigen, Geheimniskrämern und Wegdrücken bis zur Grenze der Vertuschung. Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt desto schneller kommt man an die Ursache der Aktionen: Ein Schreiben des damaligen Chefs der Glaubenskongregation, verfasst und verschickt im Jahre 2001 an sämliche Bischöfe der Welt. Sein Titel: De delictis gravioribus. Das Papier ist mit dem Siegel der„Geheimhaltung“ versehen.

Es ist interessant, die Entstehung dieser Omerta Vaticana zu verfolgen:

Wir gehen zunächst zurück in das Jahr 1962. Damals verfasste Alfredo Ottaviani für den Vatikan ein 69-seitigen Schreiben, das durch Papst Johannes XXIII bestätigt wurde. Das Papier hieß: Crimen sollicitationis

In diesem Dokument wurden die Bischöfe offiziell angewiesen, Fälle sexuellen Missbrauchs durch Priester vor, während oder nach der Beichte nicht der Öffentlichkeit mitzuteilen, sondern diese Vergehen „mit größter Geheimhaltung“ innerkirchlich zu verfolgen. Auch Opfer des Missbrauchs sollten unter der Drohung der Exkommunizierung „ewiges Schweigen“ schwören. Sie sollten den Missbrauch aber innerkirchlich anzeigen. Ziel der Anordnung sei es gewesen, „Beschuldigte zu schützen, so wie dies heute bei Zivilverfahren der Fall ist.“ Das Schreiben legt im Einzelnen fest, wie innerkirchliche Untersuchungen in solchen Fällen zu führen und Priester gegebenenfalls zu bestrafen sind. Der vermutlich erste öffentliche Hinweis auf diese Anweisung erfolgte im August 2003 durch das britische Blatt The Observer. Seit wenigen Wochen ist es im Internet auf den Seiten des Vatican in einer inoffiziellen englischen Übersetzung abrufbar.

Den gleichen Titel trägt schon ein vatikanisches Dokument der Sacra Congregatio Sancti Officii (Heilige Kongregation des Heiligen Offizium), heute die Congregatio pro doctrina fidei (Kongregation für die Glaubenslehre) aus dem Jahr 1922. Es wurde von Kardinal Merry del Val unter Papst Pius XI erstellt. Das Dokument wurde im Hinblick auf das XXI. Ökumenische Konzil oder II. Vatikanisches Konzil unter Papst Johannes XXIII. 1962 von Alfredo Kardinal Ottaviani aktualisiert. Da jedoch nur zweitausend Ausgaben gedruckt wurden, reichten die Exemplare nicht für alle versammelten Konzilsväter, sodass diese Verteilung unbefristet aufgeschoben wurde. Das Dokument enthielt laut Wikipedia Verfahrensnormen, die in Fällen einer Verführung eines Beichtenden durch den Beichtvater von Seiten der Bischöfe zu befolgen waren, und um weitere sehr schwerwiegende Vergehen sexueller Art wie sexueller Missbrauch von Minderjährigen. Heute gelten in der Katholischen Kirche dafür die Bestimmungen von Sacramentorum sanctitatis tutela von 2001, welche durch den Brief De delictis gravioribus bekanntgemacht wurden.

Hier ein Auszug aus der inoffiziellen Übersetzung:

INSTRUCTION
OF THE SUPREME SACRED CONGREGATION OF THE HOLY OFFICE ADDRESSED TO ALL PATRIARCHS, ARCHBISHOPS, BISHOPS 
AND OTHER LOCAL ORDINARIES
“ALSO OF THE ORIENTAL RITE”
ON THE MANNER OF PROCEEDING IN CAUSES OF SOLICITATION.

Sein Inhalt:

Schwere Straftaten gegen

– die Heiligkeit des hochheiligen eucharistischen Opfers und Sakramentes,
– die Heiligkeit des Bußsakramentes und
– gegen die Sittlichkeit, nämlich:
…. die von einem Kleriker begangene Straftat gegen das sechste Gebot des Dekalogs mit einem noch nicht 18jährigen minderjährigen Menschen.
Sind der Glaubenskongregation als Apostolischem Gerichtshof vorbehalten. Wenn ein Bischof oder Hierarch auch nur vage Kenntnis von einer derartigen Straftat hat, muss er sie nach abgeschlossener Voruntersuchung an die Glaubenskongregation weitermelden, die, wenn sie nicht wegen besonderer Umstände den Fall an sich zieht, durch Weitergabe der entsprechenden Vorschriften dem Bischof beziehungsweise Hierarchen gebietet, durch sein je eigenes Gericht das weitere Verfahren führen zu lassen…“

Das Verfahren wird wie folgt beschrieben:

An den bei den Bischöfen eingerichteten Gerichtshöfen dürfen für diese Strafverfahren nur Priester die Ämter des Richters, des Kirchenanwaltes, des Notars und des Strafverteidigers gültig wahrnehmen. Sobald der Fall vor Gericht wie auch immer beendet ist, sind die gesamten Akten des Verfahrens möglichst rasch von Amts wegen an die Glaubenskongregation zu übermitteln…Prozesse dieser Art unterliegen der päpstlichen Geheimhaltung.

Hier interessieren nun allein die Fälle der dritten Alternative des Tatbestandes, die Kinderfickerfälle. Die Fälle, bei denen sich Priester an Kindern während der Beichte vergingen, lassen wir mal beiseite, obwohl es die auch gibt.

Man könnte ja zunächst meinen, dass die oben beschriebene Weisung Johannes Pauls II/ oder von Jupp Ratzinger eine rein innerkirchliche Angelegenheit sei, wie es einige Kirchenrechtler sagen. Etwa als sie im Jahre 2007 auf die wiederholte öffentliche Forderung von Ute Ranke-Heinemann reagierten, die ausführte:

Das Geheimschreiben Kardinal Ratzingers von 2001 bedeutet auch weiterhin großen Schaden für die betroffenen Kinder und Jugendlichen in aller Welt.

Ranke Heinemann sagte weiter, sie hoffe, dass Ratzinger seine Anweisung als Papst Benedikt XVI. wieder zurücknimmt.

Auch die Kritik von Dominikanerpater Tom Doyle, wiegelten die Kirchenrechtler ab, als dieser die Dokumente von Kardinal Ratzinger kritisierte. Doyle sagte:

Sie (die Geheimanweisungen) dienen ausschließlich dem weltweiten Schutz der Täter, die ständig, um Skandal für die Kirche zu vermeiden, nach einer Therapie in eine andere Pfarrei versetzt werden und haben eine totale Justizbehinderung für die staatlichen Gerichte zur Folge.“

Nun, wie kommt man zu einem sachgerechten Urteil, ob diese Schreiben der Vertuschung dienen oder allein der kirchlichen Bestrafung der Täter, die den Strafanspruch des Staates nicht berührt?

Wieder hilft ein Blick in das 2001-Ratzinger-Papier. Denn dort heißt es am Ende:

Durch diesen Brief, der im Auftrag des Papstes an alle Bischöfe der katholischen Kirche, an die Höheren Oberen der Priesterorden päpstlichen Rechts und der Priestergesellschaften apostolischen Lebens päpstlichen Rechtes und an andere Bischöfe und Hierarchen, die er angeht, gesandt wurde, sollen nicht nur schwere Straftaten generell vermieden werden. Er bezweckt darüber hinaus, dass Bischöfe und Hierarchen wachsame Seelsorge betreiben, um vor allem für die Heiligkeit der Priester und der Gläubigen Sorge zu tragen, auch mit Hilfe notwendiger Strafen.“

Die Seelsorge betrifft also nahezu ausschließlich die Heiligkeit der Priester und der Gläubigen, das ist die Gemeinschaft der Gläubigen, also die Kirche. Die katholische Kirche will also allein darüber bestimmen, was mit dem Kinderschändern in den eigenen Reihen geschieht. Denn das Opfer im Sinne der Anweisung ist nicht das Kind, sondern die Heiligkeit der Institution und seiner „Glieder“. Deshalb die höchste Geheimhaltungsstufe. Das tatsächliche Opfer wird ignoriert, der Schutzzweck der Vorschrift hat es nicht im Auge.

Was aus der Anweisung folgt, ist klar und erklärt die jetzigen Fälle der organisierten Schweigerei, die an Vertuschung grenzt.

Wenn ein Bischof hört, dass sich einer seiner Priester an einem Kind vergangen hat, wird er in erster Linie an seine Pflichten gegenüber seinem Dienstherrn erinnert. Er wird versuchen, der Order „de delictis gravioribus“ gerecht zu werden. Schließlich geht es um nichts geringeres als um die Sorge der „Heiligkeit des Priesters“, die Fürsorge für den „Bruder“. Für das säkulare Strafrecht bleibt bei diesem Bewusstsein kein Raum.

Im Gegenteil: Selbst wenn man den Bischöfen zugute hält, dass bei ihnen in den 1960er, 1970er und auch noch Anfang der 1980er Jahre, das Verständnis für die schrecklichen Folgen des sexuellen Missbrauchs gefehlt hat, verstärken zumindest zwei Faktoren die Bereitschaft der Bischöfe, etwas gegenüber der breiten Öffentlichkeit zu verheimlichen.

Die Bischöfe stellen das Ansehen der Kirche, die von Ihnen als „Leib Christi“ verstanden wird, über die Leiden der missbrauchten Kinder. Denn die Kirche steht nach ihrem Verständnis unter der Leitung des Heiligen Geistes. Schließlich ist der Papst ja unfehlbar, oder so.

Zudem wollten und sollten die Bischöfe nicht in erster Linie die Kinder schützen, sondern die Gläubigen und die Kirche selbst vor den Folgen aus den Skandalen in den eigenen Reihen schützen.

Diese Bereitschaft der Bischöfe, die Leiden der Opfer nicht bei den weltlichen Behörden anzuzeigen, wurde ganz entscheidend durch die zitierten päpstlichen Schreiben, zuletzt das von Ratzinger aus 2001, gefördert. Wenn nicht sogar von Rom aus angewiesen.

Und genau das ist die Hauptursache für die offensichtliche Vertuschung der Kinderfickerei gegenüber der breiten Öffentlichkeit über Jahrzehnte.

Es wird niemanden verwundern, dass nach Paragraph 1341 des kanonischen Rechts ein Bischof nur dann weltlich-juristisch gegen einen Geistlichen vorgehen soll, nachdem er sicher ist, dass alle anderen Optionen versagen.

Natürlich wird man nun von geneigter Seite einwenden, dass die Vorschrift „de delictis gravioribus“ allein der innerkirchlichen Bestrafung – Ermahnung, Versetzung, Exkommunikation etc. – dient und eine Strafanzeige davon nicht berührt wird.

Dagegen spricht jedoch die „Handhabung“ der Missbrauchsfälle der Diözesen in den letzten 60/70 Jahren, gleich ob in Australien, USA, Irland, Italien, Österreich, Niederlande oder Deutschland.

Erst 2002 ist es Opfern in Boston, USA, gelungen, die Vorgänge um die Vertuschung der Missbrauchsfälle durch die zuständigen Bischöfe in die Öffentlichkeit zu ziehen und so in USA eine Welle der Aufdeckung von Missbrauchsfällen auszulösen und der römischen Kirche Entschädigungen in Höhe von insgesamt 2,6 Mrd. US-Dollar abzutrotzen. Bis dahin stand allein der Täterschutz im Vordergrund der Bischöfe. Der Priester wurde in Therapie  geschickt oder in eine andere Gemeinde versetzt. Die Opfer selbst wurden durch Einschüchterung, Drohung mit einer Anzeige etwa wegen „übler Nachrede“ zum Schweigen verdonnert. In einigen Fällen wurden die Opfer durch Verschwiegenheitserklärungen gegen Zahlung eines Geldbetrages in Schach gehalten. Der Rest war dann nur noch „interne Geheimhaltung“ wie bei der Omerta der Mafia. So ähnlich lassen sich auch die Fälle deuten, die jetzt aktuell in Deutschland bekannt werden. Etwa von dem Bottroper Priester, der nach mehreren Kinderschändereien von Bottrop aus durchgereicht wurde bis nach München, wo ihn der damalige Erzbischof Ratzinger ohne weltliches Verfahren nach neuen Kinderfickereien in ein weiteres Amt versetzte.

Perfide ist weiter, dass man sich den Umstand zunutze macht, dass Opfer, wenn überhaupt, erst nach dreißig, vierzig oder noch mehr Jahren über das an ihnen begangene Verbrechen reden. Das heißt, wenn die strafrechtliche Verjährung abgelaufen ist und sich kein Staatsanwalt mehr für den Fall interessiert.

So können dann, wie in USA geschehen, auf das „Konto“ eines einzigen Priesters, des 1998 verstorbenen Lawrence C. Murphy, 200 hörgeschädigte Kinder und Jugendliche gehen. Ohne jegliche strafrechtliche oder kanonische Konsequenzen. Die New York Times berichtete darüber. Auf der Seite bishop-accountability kann man die Originalakten des Murphy-Falles bis 1999 einsehen. Es ist der Prototyp einer katholischen Verheimlichungsorgie.

Zum Murphy-Fall anzumerken ist noch, dass erst im Verfahren wegen seiner Taten gegen die Römische Katholische Kirche im Jahr 2005 die Apostolische Order „De delictis gravioribus“ von amerikanischen Anwälten öffentlich gemacht werden konnte. Der Kirchenkritiker Hans Küng greift deswegen Ratzinger alias Papst Benedikt XVI. frontal an. Er habe seit Jahren von den Mißbrauchsfällen gewusst.

Es stellt sich die Frage nach der Offenheit und Transparenz. Stephan Ackermann , der Frontmann der katholischen Bischofskonferenz für die Aufklärung der deutschen Missbrauchsfälle, hat die Vertuschung durch die katholische Kirche eingestanden. Aber ist er bereit und imstande, die in den Archiven der Glaubenskongregation schlummernden Akten herauszugeben, die das ganze Ausmaß des Missbrauchs und der Vergewaltigung beweisen?

Erst wenn diese Papiere der Allgemeinheit vorliegen, darf von der Ernsthaftigkeit des Aufklärungswillens ausgegangen werden.

Mir allerdings fehlt die Hoffnung zu einem solchen Vorgehen. Denn das Öffnen der Sex-Archive käme in manchen Fällen einer Selbstanzeige der Bischöfe gleich.

Zudem kann eine bewiesene Vertuschung durchaus eine strafrechtliche Relevanz gewinnen. Sprich: Knast kann drohen. Dann kann es weltweit zu Zivilklagen und Schadensersatzforderungen kommen, wie in Amerika.

Wen wundert es da, wenn jetzt selbst der Papst für seine juristische Verteidigung Vorsorge trifft. Die Nachrichtenagentur AP berichtet aus US-Justizdokumenten, dass drei Kläger aus Kentucky dem Vatikan vorwerfen, mit Berichten über Missbrauchsfälle nachlässig umgegangen zu sein und weder die Polizei noch die Öffentlichkeit über vergewaltigende Priester informiert zu haben, die Kinder missbraucht haben sollen.

Die Klage wurde bereits 2004 eingereicht, berichtet der KURIER aus Wien. Der Fall in Kentucky sei deshalb von Bedeutung, weil er einer von mehreren in den USA ist, in denen der Vatikan selbst das Ziel ist. Dabei geht es um die grundsätzliche Frage, ob die Opfer Ansprüche gegen die Kirchenspitze in Rom und nicht nur gegen die katholische Kirche in den USA geltend machen können. Frühere derartige Versuche sind gescheitert oder noch in der Schwebe.

Aber das könnte sich ja ändern. Warum nicht auch in Deutschland. Wäre doch mal gut, echte Kinderschänder anzugreifen und nicht nur über Internetsperren zu philosophieren.

Foto: achima auf Flickr.com

Neue Perspektiven für Bochums denkmalgeschützte Baulücken

Denkmalgeschützte Baulücke an der Viktoriastraße gegenüber des Bermudadreiecks

Innenstädte: Normalerweise Stätten des verdichteten Bauens. Haus an Haus. Nur selten kann der Blick entspannt in die Ferne gleiten. Nicht so in Bochum.

Die Stadt verfügt als einzige in Deutschland über eine Route der denkmalgeschützten Baulücken. „Sie sind ein Symbol der Verletzlichkeit des Stadtraums“, so der Bochumer Stadtbaurat Dr. Ernst Kratzsch. Ob an der Kortumstraße, dem Nordring oder der Viktoriastraße – überall finden sich in den Innenstadt Bochums Baulücken in den verschiedensten Stilen.

Nun, im Jahr der Kulturhauptstadt, kommt ihnen eine besondere Bedeutung zu. Bochum wird seine architektonischen Wahrzeichen in eine der spektakulärsten Kunstaktionen des Kulturhauptstadtjahres einbringen. Kulturdezernent Michael Townsend: „Wir waren begeistert als  Jochen Gerz uns das Projekt „Häuser! Imaginär!“ anbot.“

Gerz, der sich schon mit den beiden Projekten „3 Straßen“ und dem „Platz des europäischen Versprechens“ an der Kulturhauptstadt beteiligt, ist begeistert von dem Möglichkeitsraum: „Nur für Menschen ohne Phantasie sind das Baulücken. Für mich sind es imaginäre Häuser, bewohnt von imaginären Menschen.“ Die sollen, so der Plan von Gerz, die imaginären Häuser individuell gestalten um so dem Stadtraum neue Perspektiven zu geben.

Das Imaginäre steht ohnehin im Zentrum fast aller Aktivitäten der Stadt im Jahr 2010. „Ein neues Museum zu bauen, wie Essen es getan hat, ist banal. Ein altes Industriegebäude wie den U-Turm in Dortmund umzubauen profan,“ erklärt Kulturvisionäre Townsend. Bochum setzte Zeichen der anderen Art: Ein imaginäres Konzerthaus, der geträumte Umzug des Prinz-Regent-Theaters, ein Haus der Literatur nur auf Papier und ein Kleinkunsttheater als Illusion – damit setzt die Stadt Maßstäbe. „Seit Bilbao ist Kulturpolitik sächlich geworden. Wir wollten neue Maßstäbe setzen und öffnen uns einer neuen Dimension, die jenseits des haptischen liegt,“ so Townsend.

Dank an Fred.

China ist ein Risiko – keine Rettung

Mitten in der Wirtschaftkrise wurde Kritik am Wirtschaftsjournalismus geübt. Es hieß, die Medien hätten nicht laut genug gewarnt vor dem dräuenden Zusammenbruch. Mittlerweile gibt es sogar Studien passend zu dieser These. Hier eine der Otto-Brenner-Stiftung. Klick. Ich meine allerdings, es genügt nicht eine Zeitungsschelte. Überall standen die Warnschilder. Auch wenn sie in der Otto-Brenner-Studie kaum zu finden sind.

In fast allen Zeitungen gab es neben den üblichen Jubelberichten detaillierte Analysen über die US-Immobilienkrise und die daraus resultierenden Gefahren. Nur, diese Analysen haben zu wenige Leute gelesen. Und wer aber nicht sehen will, den kann man nicht warnen. Und da der Mainstream aus Lesern und Schreibern gemacht wird, führte das dazu, dass der Mainstream eben falsch lag. Das kommt vor. Es gab daneben aber genug Leute, die mit ihren Einschätzungen aus den vorliegenden Berichten richtig lagen, und sich rechtzeitig aus allen gefährlichen Investitionen verabschiedet haben. Warum ich das schreibe? Weil wieder Zeichen an der Wand aufflammen, und wieder nicht ausreichend reagiert wird. Diesmal geht es um die China-Bubble.

In China hat sich in den vergangenen Jahren eine gigantische Immobilienblase aufgebläht. Staatlich und halbstaatlich finanziert wurden gewaltige Wohn- und Geschäftsgebirge in die Landschaften gesetzt. Es wurden Siedlungen und Städte gebaut. Bewundert von den Deutschen, wie Wolfgang Clement und Co.

Mittlerweile ist das ganze System dort krank geworden. Das Time Magazine berichtet von Taxi-Fahrern, die sich vier Wohnungen auf Millionen-US-Dollar-Pump gekauft haben. Die größten Paläste stehen leer. Häusertycoons in der Schwächephase werden von den Kommunisten vor der Pleite bewahrt. Die Wirtschaftswoche warnt vor der nächsten großen Blase, selbst die Weltbank mahnt.

Bei jeder Bubble heißt es, aus diesen und jenen Bedingungen wird sie nicht platzen. Im Falle von Japan in den Neunzigern hieß es, die Immobilienpreise würden hoch bleiben, weil Japan zu klein für seine Bevölkerung sei. Shit, falsch gedacht. Im Falle der US-Immobilienkredite hieß es, da könne nix passieren, weil die Darlehen durch moderne Kredit-Default-Swaps abgesichert seien. Uihhh. Pech Mann. Im Fall von China sagt man nun, da könne nix schief gehen, weil die chinesische Wirtschaft so rasant wachse und deswegen der Bedarf immer höher werde, nach Häusern, nach Wohnungen, nach Büros.

Ich glaub da nicht dran. Die chinesische Wirtschaft wächst seit über drei Jahren nur noch auf staatlichen Pump. Wirklich verlässliche Statistiken über das Reich der Mitte gibt es nicht, weil das Land nicht frei ist, sondern die staatlichen Manipulateure alles schön rechnen. Von der DDR hieß es auch kurz vor dem Mauerfall, die Kommunisten hätten dort eine der größten und erfolgreichsten Volkswirtschaften aufgebaut. Was ein Mumpitz.

Warum soll dann in China stimmen, was anderswo gelogen war, wenn selbst kleinste Kunst-Kritiker ins Gulag wandern? Welche Statistiker soll dort soviel Mumm haben, die Wahrheit zu sprechen.

China ist ein Import/Exportland. Als am Beginn der Krise die chinesischen Rohstoffimporte zurückgingen, brach der Welthandel fast zusammen. Ich kann mich an die vollen Papierlager im Rotterdamer Hafen erinnern.

China hat die Probleme kosmetisch übertüncht, indem aberwitzige Milliardensummen in die Wirtschaft gepumpt werden. Aber das hilft nicht, hat noch nie geholfen. Der Zusammenbruch wird so nur vertagt, aber nicht verhindert. Sobald Chinas Kasse leer wird, ist alles zu Ende.

Die Wohnungen in den Boomregionen des Landes können bereits jetzt nicht zu den hohen Mieten wie gefordert vermietet werden. Die Folgen sind bekannt.

Die Preise brechen zusammen, Kredite platzen, Banken gehen kaputt. Weitere Kredite platzen, und mit ihnen dann die Bubble. Pow.

Wir in Deutschland erleben derzeit keinen wirklichen Aufschwung aus der Krise, sondern nur einen virtuellen. Die Hilfen aus der Schrott-Prämie sind weg, der Autoabsatz wird bald wieder stottern. Die künstliche Nachfrage aus den Konjunktur-Paketen geht genauso zu Ende. Die Kommunen und Gemeinden sind so fertig, dass sie absurde Abgaben, wie die Katzensteuer, überlegen und ihre Leistungen einschränken. Die schwarz-gelbe Regierung im Bund plant seit Wochen eine Gift- und Sparliste, die aber erst nach der Landtagswahlen in NRW veröffentlicht werden soll – um den Wahlsieg von Jürgen Rüttgers (CDU) nicht zu gefährden.

Wenn Chinas Blase platzt, wird mit ihr mehr kaputt gehen, als wir uns das jetzt vorstellen können.

Das ist eine Warnung, sozusagen. Jeder kann daraus seine Schlüsse ziehen. Die wenigsten werden das tun, dafür aber nachher wieder auf die Medien fluchen, die nicht laut genug gewarnt hätten. Da bin ich mir sicher.

Foto: Qiao-Da-Ye auf Flickr.com

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Der Ruhrpilot

NRW: Rüttgers Interview –  „Nicht derjenige gewinnt, der die meisten Plakate aufhängt“…Ruhr Nachrichten

NRW II: 25 Parteien treten am 9. Mai an…Kölnische Rundschau

NRW III: Neuer Bahngipfel…Bild

NRW IV: Die Landeier schlagen zurück…Kölnische Rudnschau

Ruhrgebiet: Will Hagen raus?…Pottblog

Ruhr2010: Duisburg startete erfolgreich ins Kulturhauptstadtjahr…xtranwes

Ruhr2010 II: Platz nehmen auf der A40…Der Westen

Kinder: Cornelia Funke unterstützt Leselust…Ruhr Nachrichten

Digital: Die Hintergründe von Censilia…Netzpolitik

Verbraucherschutz: Hol Dir Deine Schufa-Daten…taz

3 FÜR 7 – Spektakel-Special

Das waren noch Zeiten, als Guy Debord „Die Gesellschaft des Spektakels“ geschrieben hat! Die Massenmedien waren noch jung, hatten aber schon ihre Weltkriege hinter sich; es gab „Glotzen“ statt „Interaktivität“, es gab Leserbriefe statt einem Strauß eigener Webseiten für uns alle. 1967 war das, und im selben Jahr vereinten sich die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl mit der Europäischen Währungsgemeinschaft zur EG. Und nun, 43 Jahre später, dies: Kulturhauptstadt Europas Ruhrgebiet! Spektakulär, nicht wahr? Die Themen: Star Wars in Concert, Metropole Ruhr Metal-Festival, Peer Gynt im Grillo.

Science Fiction, äh: Faszination Zukunft. In Büchern oft eher technologie- und systemkritisch gehalten, mutieren die Geschichten via Hollywood, Babelsberg & Co. gern zu Märchen, Psychothrillern oder Kriegs-Sagas. Okay, Perry Rhodan kritisch? Kaum. „1984“ und „Fahrenheit 451“ als Filme? Sicher sehr in Ordnung. Aber meist? „Johnny Mnemonic“? Pff! Emmerich? Ich bitte Sie! Gern umstritten: „Solaris“, welche Version auch immer. Aber wie schrieb Walter Benjamin: „So ist die filmische Darstellung der Realität für den heutigen Menschen darum die ungleich bedeutungsvollere, weil sie den apparatfreien Aspekt der Wirklichkeit, den er vom Kunstwerk zu fordern berechtigt ist, gerade aufgrund ihrer intensivsten Durchdringung mit der Apparatur gewährt.“ Eine sicherlich diskutierenswerte Haltung, nicht erst heutzutage. Und jetzt also George Lucas, der Stars Wars mal neu zusammengeschnippelt hat, plus live das Royal Philharmonic Concert Orchestra samt Chor (Foto: Handwerker Promotion). Unter dem Banner von König Pilsener. Extravaganter Hypertrash oder große Popkultur? Wie sagte Diedrichsen letztens: Für die Amis ist sowas Pop.

Und was ist für den Ruhrie Pop? (haha) Metal zum Beispiel, nach landläufiger Meinung. Und auch für diese ach so bodenständigen Kreuzritter der Authentizität (denen man ja eher nur nicht „mädchenhaftes“ Popgehabe vorwerfen darf), gibt es jetzt spätestens – tusch! – die „Metropole Ruhr“. „Wie geil ist das denn, bitte?!“, um es einmal mit Trashpop-Chefideologe Dieter Bohlen zu sagen. Auch Oberhausen. Wieder Vollspektakel. Brauchen die ärmsten Städte eigentlich zwingend die dicksten Spektakel?

Nein, denn Essen hat sich ja als Hauptnamensgeber für die Kulturhauptstadt schwer Richtung Sonne geschoben, und da reicht dann auch einmal Roger Vontobels Version von „Peer Gynt“. Ibsen hier auch eher im Single-Remix, sozusagen, also kurz – aber wer sagt denn, dass Spektakel großformatigst, zeitintensiv und mit Macht überbordend sein müssen? Genau, seit vielen Jahren nur noch die, die sich von den vielen kleinen Alltags-Spektakeln absetzen wollen. Das Prinzip aber ist jeweils dasselbe – Sie baden gerade Ihre Hände darin.

„Star Wars in Concert“ am Mittwoch.
„Metropole Ruhr“ am Sonntag.
„Peer Gynt“ am Sonntag für zehn Euro.

Wider das Nützlichkeitsdogma – Arbeitslosigkeit geht alle an

Wohin mit unserem Sozialstaat? Nach der Jungen Union vertritt nun die Chefin der Jusos, Franziska Drohsel, bei den Ruhrbaronen ihre Ansicht von einem menschenwürdigen Leben – auch für Hartz IV-Empfänger. Sie sagt: Der alte Grundsatz „Nur wer arbeitet, soll auch essen“ dürfe nicht gelten. Das Grundgesetz schütze alle Menschen, auch die Armen. Aber genug der Vorrede. Es schreibt unsere Gastautorin Franziska Drohsel:

In unserer Gesellschaft gibt es zunehmend eine Stimmung, die Menschen in nützlich und nutzlos teilt. Dabei findet eine immer stärkere Ausgrenzung von Erwerbslosen statt. Sie bekommen zu hören, dass sie zu faul, undiszipliniert und arbeitsscheu seien. Das ist verheerend.

Arbeitslosigkeit ist ein gesellschaftliches Problem und darf nicht zu einem individuellen verklärt werden.

In den letzten zehn Jahren ist die Armut deutlich gestiegen. Unter der Armutsschwelle lebt knapp ein Viertel aller 19 -25-Jährigen. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die ALG II-Regelsätze für Kinder nicht dem tatsächlichen Bedarf entsprechen. Deshalb muss es endlich ein Verfahren zur Bedarfsfeststellung von Kindern geben, mit dem das soziokulturelle Existenzminimum ermittelt wird.

Die populistische Stimmungsmache, wie Guido Westerwelle sie betreibt, ist diffamierend und trägt zu noch stärkerer Ausgrenzung bei. Besonders schockierend wird es, wenn es heißt, dass nur Menschen, die sich nützlich einbringen und sich „arbeitsbereit“ halten, ein Recht auf eine menschenwürdige Existenzsicherung haben. Das ist eine Vorstellung von gesellschaftlichem Zusammenleben, die nicht nur zutiefst inhuman ist, sondern auch gegen unsere Verfassung verstößt. In der Konsequenz bedeutet diese Ideologie nämlich: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ Das Grundgesetz schützt das Recht auf Leben. Dazu gehört ein soziokulturelles Existenzminimum, um überleben zu können. Dieses ist nicht an die Arbeitsbereitschaft geknüpft, sondern an die Tatsache, Mensch zu sein.

Deshalb muss man offensiv gegen diesen Nützlichkeitswahn vorgehen. Als erstes müssen die Sanktionen gegen Erwerbslose abgeschafft werden. Im Rahmen der Hartz-Reformen wurden auch die Sanktionsmöglichkeiten gegen Erwerbslose verschärft. So gibt es die Möglichkeit, einem Erwerbslosen den ALG II-Regelsatz um 100 Prozent zu kürzen. Diese muss als Erstes fallen! Denn es ist die eindeutige Konsequenz der Ideologie, dass den Arbeitslosen nur mehr Druck gemacht werden müsse, damit sie wieder einen Job finden.

Das ist falsch! Arbeitslosigkeit hat gesellschaftliche Ursachen und genauso muss sie auch behandelt werden. Deshalb muss auch sozialer Ausgrenzung offensiv entgegengetreten werden. Mehr Teilhabemöglichkeiten und mehr Mitsprache der Betroffenen sind notwendig.

Jeder muss in dieser Gesellschaft die Möglichkeit und das Recht auf ein menschenwürdiges Leben haben und jeder Relativierung muss dabei konsequent entgegengetreten werden.

Foto: Jusos

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Der Ruhrpilot

NRW: Grüne Basis setzt Hürden für Bündnis mit CDU…RP Online

NRW II: FDP – Schon zehn Prozent…Lawblog

NRW III: Rot-Grün ist kein Projekt…FR Online

NRW IV: Die Partei tritt an…FAZ

Ruhr2010: Interview mit Bochums Kulturdezernent Michael Townsend…Pottblog

Ruhr2010 II: Die Zeche ist bezahlt…Tagesspiegel

Ruhr2010 III: Schachtzeichen dringend gesucht…Der Westen

Sozialticket: SPD will nicht…RP Online

Netzsperren: Bundesregierung gegen EU-Pläne…Spiegel

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Netzsperren III: Piratern sehen Zugangserschwerungsgesetz reloaded…xtranews

Antroprosophen: Yoga statt Geld…taz

Sponsoring: Fiege will ran an die graue Maus…Pottblog

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