Seit Wochen geistert die CDU-Maulwurf-Affäre durch die Medien. CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid hat zunächst unter anderem die Ruhrbarone deswegen angegriffen, aber seither immer stärker den Wir-in-NRW-Blog. Und jetzt seit ein paar Tagen steht die Gelsenwasser AG im Focus der CDU-internen Maulwurf-Ermittler. Das Spiel ist dabei ziemlich durchsichtig. Anstatt sich mit den enthüllten Problemen aus der CDU-Parteizentrale und der NRW-Staatskanzlei unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zu beschäftigen, werden angebliche Informanten enthüllt und eine noch angeblichere Spur zur SPD gelegt.
Die erhoffte Folge dieser Strategie: Anstatt sich mit der unzulässigen Verquickung von Staat und Partei zu beschäftigen, mit unzufriedenen Mitarbeitern und zweifelhaften Finanzierungen rund um den Miet-Mich-Rüttgers, sollen die Menschen über die Gelsenwasser AG staunen und die Beschaffung von gescannten Unterlagen. Die Rede ist mittlerweile von einem „Gelsen-Gate“.
Zunächst scheint diese Strategie aufzugehen. Die Bild-Zeitung und die Rheinische Post berichten groß über die Nummer. Selbst der WDR ist auf die Geschichte eingestiegen. Allerdings sind die Fakten hinter der großen Geschichte dünn.
Ja, es ist richtig: vor allem der Wir-in-NRW-Blog hat Fehler gemacht. Es wurden PDF-Dokumente ins Netz gestellt, ohne die Datei-Informationen zu löschen. Mit wenig Aufwand konnte so der Weg der Information zurückverfolgt werden. Zumindest ein Stück weit, wie der Deutschlandfunk schon am 11. März enthüllte.
Im Kern kann man seither sagen, dass in den Räumen der Gelsenwasser AG, vermutlich auf der fünften Etage, mindestens an zwei Tagen zwei Dokumente gescannt wurden, die später beim Wir-in-NRW-Blog ins Netz gestellt wurden. Eines davon war ein internes Papier aus der CDU-Parteizentrale. Ein Papier, das vom berühmten Maulwurf stammen könnte.
Alfons Pieper hat das ganze mehr oder weniger gut erklärt. Er sagt, seine Leute hätten halt die Technik bei Gelsenwasser genutzt, um ein anderswo erlangtes Papier einzuscannen. Alles normal, sagt er. Damit erklärt er allerdings nicht, dass die Dokumente an zwei verschiedenen Tagen eingescannt wurden. Es sei denn, er wäre zweimal zu Scan-Tagen bei Gelsenwasser gewesen. Was eher weniger wahrscheinlich ist. Auch die Verteidigung nach dem Muster „Alles Quatsch“ von einem anonymen Schreiber ist eher suboptimal.
Aber ist das Scharmützel um die Frage, wer was wo gescannt hat, nicht auch egal? Der von Krautscheid gesuchte Maulwurf sitzt ganz sicher nicht bei Gelsenwasser. Wenn überhaupt sitzt der in der CDU. Die Spur endet hier, bevor sie aufgenommen werden konnte.
Schwerwiegender ist in meinen Augen deshalb, dass mit der Gelsenwasser AG ein Informant in der Sponsoring-Sache rund um Miet-Mich-Rüttgers verbrannt wurde, weil nicht sorgfältig genug mit PDF-Dokumenten umgegangen wurde. Gelsenwasser steht jetzt da mit dem schwarzen Peter.
Die Firma verteidigt sich, so gut es geht. Sie hat ihre Briefe an Krautscheid ins Netz gestellt, in denen ein Rechtsanwalt im Namen der Unternehmensspitze zusammengefasst sagt, dass eigentlich jeder die Scanner im Herzen des Konzerns habe nutzen können, wie in einem Studi-Copy-Shop. Man wisse nicht, wie und was da gescannt wurde. Im Prinzip sei man das Opfer der eigenen Gutmütigkeit geworden. Eine schwache Verteidigung.
Die Strategie Krautscheids scheint zu ziehen. Weil die SPD über die rot-regierten Rathäuser im Ruhrgebiet das Sagen bei Gelsenwasser hat, wird so getan, als handele es sich bei der Maulwurf-Geschichte um eine SPD-Kampagne. Wer weiß, vielleicht finden sich unter den PDF-Dokumenten auch welche, die ihren Weg aus der SPD-Zentrale bis in den Wir-in-NRW-Blog gefunden haben. Dies würde dann die Strategie Krautscheids noch verstärken. Dabei sieht sein Vorgehen schon jetzt so aus, wie eine PR-Strategie, die über die Bild und die Rheinische Post gefahren wird.
Aber wovon soll abgelenkt werden? Vom Kern der Geschichte eben, dass der angebliche CDU-Maulwurf kein SPD-Mann ist. Hier bleibt es dabei, dass die Quellen für die Rüttgers-kritischen Informationen vielfältig sind und sich nicht auf einen einzigen Mann oder eine einzige Frau reduzieren lassen. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass weitere Geschichte durchsickern.
Und wenn die nächste Enthüllung kommt, sollen die Wähler nicht mehr fragen, was geschah da? Und warum? Sondern sie sollen denken: „Ach so, das ist eine SPD-Wahlkampagne.“ Und sie sollen denken, dass diese Blogs sowieso unseriös sind. Und zuletzt sollen auch noch die alten Medien daran gehindert werden, Stories aus dem Netz aufzugreifen.
Dass Krautscheid mit seiner Strategie soweit kommen konnte, ist auf die Fehler im Wir-in-NRW-Blog zurückzuführen.
Aber um es ganz klar zu machen. Es waren nur technische Fehler im Blog. Mehr nicht. Inhaltlich waren die Stories OK, soweit ich das beurteilen kann.
Und deswegen wird Krautscheid nicht die Geschichte vom Blog „Wir in NRW“ mit seiner Strategie beenden. Fehler werden gemacht und vergessen. Es wird weiter gehen. Und weitere Insider-Stories geben. Auch beim Wir-in-NRW-Blog.