Das schwarz-gelbe Stipendium

Bibliothek Uni DortmundDas neue Stipendienmodell gibt es in NRW seit einem Semester, aber nicht viele wissen davon.

Ende Februar legte die Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) einen Gesetzentwurf zum Aufbau eines nationalen Stipendienprogramms vor. Danach sollen zukünftig acht Prozent der besten Studenten mit 300 Euro im Monat gefördert werden. Die Gelder sollen je zur Hälfte vom Staat und von der Wirtschaft kommen. Dieser Entwurf verwirklicht das leistungsbezogene Stipendiensystem, das die schwarz-gelbe Regierung im Koalitionsvertrag in Berlin festgehalten hat. Doch eigentlich weht der Wind nicht von der Spree, sondern vom Rhein.

Die Idee stammt vom NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP). In Nordrhein-Westfalen bekommen bereits 1400 Studierende seit dem Wintersemester 2009/2010 dieses Stipendium. Nun soll das NRW-Modell bundesweit als Vorbild dienen.

Musterbeispiel: Uni Duisburg-Essen

„Liebe Studierende, nutzen Sie Ihre Chance und bewerben Sie sich!“ Der Rektor der Universität Duisburg-Essen Ulrich Radtke klickte im August 2009 auf „Verschicken“. Die E-Mail mit dem Betreff „NRW-Stipendienmodell“ wurde an mehr als 30 Tausend Studierende der Hochschule adressiert, landete jedoch oft im Nirgendwo. Denn nur wenige Studenten benutzen den Uni-Account. Eine kleine Umfrage auf dem Essener Campus bestätigt das. Nur drei von zwanzig Studenten haben vom Stipendienmodell überhaupt schon mal gehört. Die meisten Befragten machen große Augen: „Das NRW-Stipendienprogramm? Was ist das?“

Dabei gilt die Uni Duisburg-Essen als Musterbeispiel in der Umsetzung des Stipendienmodells. Ende Mai bekam der Uni-Fundraiser Bernd Thunemeyer einen Brief vom nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium. Es versprach Stipendien für 80 Studenten. Unter einer Voraussetzung: die Hälfte der Gelder soll die Uni selbst von Unternehmen und Stiftungen einwerben. „Wir haben doppelt so viel Sponsoren gefunden“, sagt Thunemeyer stolz. Darunter Hochtief, Evonik, Sparkasse, Volksbank Rhein-Ruhr, Kulturstiftung und Alumni-Vereine. Nun bekommen 151 Studenten in Duisburg in Essen ein Stipendium. Aber: Das sind nur 0,5 Prozent aller Studierenden.

Rund 1850 Studierende haben sich für das Stipendium beworben. Es könnten viel mehr sein – wenn sie die E-Mail vom Rektor gelesen oder sich auf der Uni-Homepage erkundigt hätten. Denn Plakate oder Flyer zum Stipendium gab und gibt es auf dem Campus nicht. Bei der Informationsveranstaltung des Uni-Beratungszentrums “Stipendium? Nichts ist unmöglich!“ im Dezember, wo verschieden Förderwerke vorgestellt wurden, fiel über das frisch eingeweihte NRW-Modell auch kein Wort.

Gefördert wird, wer der Wirtschaft nützt

Bei der Bereitstellung der Gelder können die Förderer entscheiden, welche Fächer sie unterstützen. An der Uni Duisburg-Essen bekamen die Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften zwei Drittel aller Stipendien, die Geistes- und Naturwissenschaften gingen praktisch leer aus. Auch an der RWTH Aachen spiegelt die Fächerverteilung der Stipendiaten das Interesse der Wirtschaft wieder: Maschinenbau – 90 Stipendien, BWL – 22, Philosophie – 3, Architektur – 2. Die durch Exzellenzinitiative ausgezeichnete Hochschule lockte am meisten Sponsoren an: 196 Stipendien für rund 0,7 Prozent aller Studierenden. „Wir haben einfach sehr gute Kontakte zur Industrie und Unternehmen“, erklärt die RWTH-Fundraiserin Angela Pohl.

Der NRW-Wissenschaftsminister kann sich freuen. Vor einem Jahr sagte er: „Ich hoffe, dass unser Modell bundesweit Schule macht.“ Seine Worte wurden anscheinend gehört. Übrigens sponserte Herr Pinkwart selbst einen Stipendiaten. Macht Frau Schavan bald auch da mit?

Der Text ist in der taz erschienen.

Dierkes: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen – Ruhe im Duisburger Affenhaus

dreiaffenSie kennen doch die drei Affen; sie haben, so steht es bei Wikipedia „ihren Ursprung in einem japanischen Sprichwort und stehen dort für den vorbildlichen Umgang mit Schlechtem“. Und wie man damit vorbildlich umzugehen hat – die drei Affen machen es ja vor: „nichts (Böses) sehen, nichts (Böses) hören, nichts (Böses) sagen“!

Von unserem Gastautor Werner Jurga

Dieser Tage demonstriert die Ruhr-Metropole Duisburg auf eindrucksvolle Art und Weise, dass buddhistische Weisheit keineswegs nur im Fernen Osten anzutreffen ist, sondern auch im Westen des Westens. Vordergründig geht es um den Nahen Osten, substanziell geht es im tiefsten Westen immer nur um das Eine. In der heilen Welt der wichtigen Leute in Duisburg geht es letztlich nur darum, dem Affen Zucker zu geben, was soviel bedeutet wie: seiner Eitelkeit frönen. Aber auch: ausgelassen lustig sein.

Aufmerksame Leser mögen es schon ahnen, und ich traue es mich kaum zu sagen: ja, es geht noch einmal um Hermann Dierkes, dem Duisburger Vorsitzenden der Linksfraktion, der am Dienstag endlich auch mal in einem Heimspiel dem Affen richtig Zucker geben will. Bei den Ruhrbaronen findet sich ein Video, auf dem in knapp sieben Minuten zu sehen und zu hören ist, was dieser Herr im November diesbezüglich in Berlin zum Besten gegeben hat, was folglich am Dienstag auch in Duisburg zu erwarten ist.

Dierkes wird „Israel (und den USA) vorwerfen, der „Aggressor Nr.1“ zu sein und eine systematische Ausrottung arabischer Bevölkerung zu betreiben“, und vielleicht auch schon einmal anregen, „gegen imperialistische Kriegstreiberei und Aggressionskriege Israels und der USA auf die Straße zu gehen.“

Vermutlich wird er sich jedoch noch etwas deutlicher äußern (siehe Video); denn diese etwas weichgespülten Sprüche waren nicht von ihm, sondern von der NPD, die sich umständehalber etwas vorsichtiger äußern muss. Trotzdem fragt man sich, wer hier eigentlich von wem abschreibt: Dierkes von der NPD oder die NPD von Dierkes.

Wenn sich Dr. Olaf Rose (NPD) zu den Kassam-Raketen äußert, bei denen „es sich immer noch um ungesteuerte, blind abgeschossene Raketen, ohne jede Zielgenauigkeit“ handelt, und deren Abschüsse nichts anderes als „Hilferufe“ sind, ist man geneigt, Herrn Dierkes eine Urheberrechtsklage ans Herz zu legen.

Doch sollen uns Streitigkeiten ums Copyright zwischen Rechts- und Linksextremisten genauso wenig interessieren, wie uns das ganze antisemitische Gejaule eigentlich am unbekleideten Gesäß vorbeigehen könnte. Der Einfluss hiesiger Judenhasser auf den Gang der Dinge im Nahen Osten tendiert gegen Null. Und dass Antisemiten noch einmal in Deutschland etwas zu sagen bekommen könnten, sollte eigentlich ausgeschlossen werden.

Wäre da nicht, nur mal so als ein Beispiel, der Umstand, dass Herr Dierkes in einem städtischen Gebäude, das der Volkshochschule der Stadt Duisburg zugeordnet ist, seinem Affen Zucker geben darf. Ja, der darf das!

Ich hätte wirklich nicht damit gerechnet, dass man in einer Einrichtung der Stadt Duisburg den Holocaust – als Referent! – relativieren und das Existenzrecht Israels als „läppisch“ bezeichnen darf, um es infolgedessen in Abrede zu stellen und zum bewaffneten Kampf gegen diese „rassistische Vision“, wie Dierkes den Judenstaat nennt, aufzurufen. Wirklich nicht; doch ich bin eines besseren belehrt worden.

Als ich aus den Ruhrbaronen von diesem Vorhaben erfahren hatte, wandte ich mich an die Verantwortlichen und schrieb ihnen am Mittwoch, den 10. März:

„Sofern also diese Nachricht zutreffen sollte, gehe ich davon aus, dass Ihnen nichts von dieser Planung bekannt ist. Ich bin sicher, Sie werden sich darum kümmern, dass diese Veranstaltung nicht in einer städtischen Einrichtung stattfinden wird.“

Nun gut, ich habe mich daran gewöhnt: der Oberbürgermeister antwortet mir nicht, er lässt auch nicht antworten – oder doch? Gestern lese ich, dass sein Pressesprecher erklärt: „Der Oberbürgermeister vertraut wie bei allen übrigen Veranstaltungen dort der Entscheidungskompetenz ihres Leiters Dr. Gerhard Jahn.“

Und genau dieser Dr. Jahn hatte sich in der Tat bei mir gemeldet. Schon vorher, telefonisch. In dem Telefonat hatte mir der VHS-Leiter mitgeteilt, dass die Veranstaltung stattfinden wird. Ich machte eine kurze Gesprächsnotiz und ließ auch ihm eine Kopie zukommen. Irgendetwas scheint dem guten Jahn daran nicht gepasst zu haben. Er schrieb mir – am besten zeige ich Ihnen mal die eMail komplett im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Dr. Jurga,

zu Ihrer Mail an mir unbekannte Dritte bezüglich des Inhalts unseres heute Morgen geführten Gesprächs nehme ich wie folgt Stellung:

1. Sie sind von mir nicht autorisiert worden Gesprächsinhalte unseres Telefonats an Dritte weiterzugeben.

2. Weder Inhalt noch Verlauf des Gesprächs hat in der von Ihnen beschriebenen Form stattgefunden.

3. Als Quintessenz ist allerdings richtig, dass ich vor dem Hintergrund der Satzung des IZ´s keine Veranlassung sehe, die Veranstaltung zu verbieten.
Hochachtungsvoll

Dr. Gerhard Jahn

Hoppla, mein alter Freund Gerd! Was jetzt? Gar nicht antworten? Fragen, wo der Schuh drückt? – Ich dachte mir, komm, gieß mal kein Öl ins Feuer. Er wird sich schon irgendetwas dabei gedacht haben. Also antwortete ich dem sehr geehrten Herrn Dr. Jahn auch mit einem „Hochachtungsvoll“, ohne mir jedoch verkneifen zu können, darauf hinzuweisen, dass ich für gewöhnlich nicht auf Autorisierungen warte, wenn ich Dinge für erzählenswert halte.

Fair geht vor: da Jahn zufolge weder Inhalt noch Verlauf des Gesprächs in der von mir beschriebenen Form stattgefunden (hat), habe ich ihm Gelegenheit eingeräumt darzulegen, was wir denn wirklich besprochen hatten. – Doch Herr Dr. Jahn antwortete nicht.

Die Quintessenz ist richtig; ansonsten heißt es: „nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“! Und wenn man jetzt schon sozusagen genötigt wurde, nicht umstandslos mehr auf das Nichtsehen und Nichthören verweisen zu können, dann sagt man zumindest nichts. Das gilt für Alle! Vielleicht außer für den Jahn; der hat den Schwarzen Peter. Und wenn der so dusselig ist, und dem Jurga etwas sagt …

Seine Sache, fast möchte man meinen: Privatsache. Aber ansonsten halten alle Affen dicht. Die ganze Verwaltung. Augen, Ohren, Münder – alle fest geschlossen. Auch für die Parteien gilt: die Reihen fest geschlossen. Kein Statement, nichts dergleichen. Die Lokalpresse – ebenfalls fest verrammelt im Affenhaus. Kein Mucks, still geblieben; das sitzen wir aus!

Wikipedia weist noch darauf hin, dass die drei Affen in der westlichen Welt einen Bedeutungswandel durchgemacht haben: „Während die drei Affen in Japan eigentlich die Bedeutung ,über Schlechtes weise hinwegsehen` haben, werden sie in der westlichen Welt eher als ,alles Schlechte nicht wahrhaben wollen` interpretiert. Aufgrund dieses negativen Bedeutungswandels gelten die drei Affen daher häufig als Beispiel für mangelnde Zivilcourage.“

Bei den meisten in der Duisburger Verwaltung, Politik und Presse treffen die drei Affen, die in unserem Kulturkreis beispielhaft für mangelnde Zivilcourage stehen, den Nagel auf den Kopf. Feiglinge im Kartell der Mittelmäßigkeit, ängstlich bibbernd, dass am Dienstag Abend nicht irgendein Heckmeck geschehen möge, der das eigene Kaff abermals über Rhein und Ruhr hinaus mit dem hässlichen deutschen Antisemitismus zusammenbringt.

Doch fragt man sich, warum die Affen sich all diese Peinlichkeiten nicht einfach dadurch ersparen, dass sie sich klar und deutlich von Dierkes´ antisemitischer Hetze distanzieren. Warum beließ es OB Sauerland vor einem Jahr, als Dierkes zum Israelboykott aufgerufen hatte, bei der Anregung, Herr Dierkes solle seine Worte noch einmal überdenken? Warum weist sein Pressesprecher jetzt darauf hin, bei Dierkes handele es sich um einen „aufrechten Mann“? Warum wäre so ziemlich jedem dieser ach so wichtigen Leute Ähnliches über den geifernden Judenhasser zu entlocken?

Kant hatte die Dummheit und die Feigheit als die beiden wesentlichen Untugenden ausgemacht. Damit ließe sich die Ruhe im Duisburger Affenhaus hinlänglich erklären; es sei denn, es gäbe dort auch welche, die klammheimlich mit Dierkes´ Tiraden sympathisieren. Abschließend präsentiert Wikipedia noch eine dritte Bedeutung der drei Affen:

„Bei Strafgefangenen wurden die drei Affen auf drei Punkte reduziert, die in dreieckiger Anordnung auf der Handrückseite in die Kuhle zwischen Daumen und Zeigefinger tätowiert werden. Sie stellen eine Art Ehrenkodex dar und zeigen an, dass an Außenstehende nichts verraten wird.“

Werner Jurga, 13.03.2010

Eine Geschichte aus New York: Williamsburg – Teil 7: Vom Lagerhaus zum Loft

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Lastwagengaragen bzw.  deren Reperaturwerkstätten gab es in Williamsburg zu Hauf. Die Güter auf den Schiffen an den ehemals florierenden Piers des Industrie- und Arbeiterstadtteils Williamsburg, von denen nur noch der an der Raffinerie in Funktion stand, wurden meistens direkt in die Lastwagen umgeladen und dann zu den naheliegenden Fabriken und Lagerhäusern oder sonstwo in die Stadt gebracht. Mit dem niedergehenden Hafen standen dann neben den Lager- , Ver- und Bearbeitungsstätten auch die Transportergaragen zunehmend leer.

Sie wurden von den kreativen Stadtteilzuwanderern mit viel Fantasie nicht nur zu Musikclubs und Restaurants sondern auch zu Lofts um- und ausgebaut. Ihre Höhe und ihre Fläche waren dazu perfekt geeignet. Die Baubehörden drückten beide Augen zu bzw. wurden sie gar nicht erst informiert. Erst wenn man erwischt wurde wurde nachinvestiert und nachgearbeitet. Vor allem was feuer- und hygienerechtliche Bedingungen betraf. Sanitärtechnisch waren die meisten Lofts zu Anfang auf einem sehr niedrigen Niveau ausgestattet.

Die Landlords waren erst einmal nur an der Miete bzw. überhaupt an Einnahmen interessiert, denn die Buden standen vor der Umnutzung oft viele Jahre leer. Sie spielten das Versteckspiel mit und so konnte so ein Umbau viele Jahre ohne große behördliche Kontrolle existieren. Ich hatte die ersten Jahre viele Monate an der Berrystreet bei S. verbracht und haben dann Leute kennengelernt, die Lofts monatsweise vermietet haben. In einer dieser umgebauten Garagen, was weniger Blick bzw. mehr  Ober- statt Seitenlicht bedeutete, denn die Garagen standen oft mit anderen Gebäuden Seite an Seite in einer Straßenflucht.

Aber da ich sehr  viele Zeit außerhalb des Lofts verbrachte war das relativ egal. Erst recht weil es auch eine wunderbare Dachterrasse für alle Mieter gab. Dort trafen sich alle „Lofties“ am Abend. Die meisten waren Künstler, viel davon aus Europa und später auch aus Asien und Lateinamerika. Die Umgangssprache war natürlich englisch bzw. amerikanisch. Manchmal aber auch Deutsch, den zunehmend hatte es sich auch in meinem Heimatland in einer kleinen Szene rumgesprochen, dass  es in Williamsburg komplette Lofts auf Zeit und zu einem fairen Preis zu mieten gab.

Die weiteren Treffpunkte  waren die Kneipen an und um die Bedford und natürlich unser wilder „Stadtpark“ am Wasser. Kocheinrichtungen gab es die ersten Jahre in den Lofts nur behelfsmäßig so dass man oft zum Essen ausging, was zu diesem Zeitpunkt in der Nachbarschaft sehr günstig war. Es gab zunehmend Auswahl bis man alles an internationaler Küche ein paar Straßen entfernt rauf und runter essen konnte. Und immer noch viel billiger als in Manhattan.

Dort bin ich nur noch zu Mahlzeiten gegangen, wenn ich dort auch unterwegs war und natürlich wegen meiner Freundin J. die sich standhaft weigerte außerhalb von Manhattan Nahrung zu sich zu nehmen, wie sehr ich ihr auch immer Williamsburg anpries. Da die Tangoszene und ihre Lokalitäten sich ebenfalls in Manhattan konzentrierten und noch konzentrieren, und natürlich die Shoopingmöglichkeiten dort insgesamt tausend Mal größer waren, war ich  gleichzeitig  „Brooklinite“ und „Manhattanie“ geworden. Ich kannte allerdings nach einiger Zeit auch die anderen Stadteile wie meine Westentasche, denn ich fuhr von  Anfang an in dieser Stadt leidenschaftlich gerne Fahrrad. Aber das ist eine andere Geschichte.

Viele meiner sporadischen Mitmieter in unserem Loftkomplex hatten, wie die meisten der  dauerhaften Zuzügler, diesen Stadtteil ja ausgewählt, weil er so nahe an Manhattan lag, viel billiger war  und zunehmend ein attraktives kulturelles Eigenleben entwickelte. Viele der Künstler arbeiteten in Ermangelung ihres Erfolges in einem ganz normalen Job in Manhattan. Meistens als Hilfskräfte, manche aber  auch in einem qualifizierten Job. Taxifahren war ebenfalls einer der bevorzugten Verdienstmöglichkeiten. Eine ebenso häufige Tätigkeit war, vor allem für das ganz schnelle Zwischendurchverdienen das „Artmoving“.

Die vielen Galerien und Museen in Manhattan setzen mit Vorliebe junge noch nicht erfolgreiche Künstler als Schlepper- und Transporteure von Kunstwerken ein, weil sie davon ausgingen, dass diese sozusagen naturgemäß vorsichtiger mit dem umgingen was sie zu tragen oder sonstwie zu bewegen hatten. Es gab sogar eine Agentur, die in Williamsburg die schnelle Verbindung zwischen den dortigen Künstlern und den Auftraggebern in Manhattan organsierte. Handys waren zu dieser Zeit noch nicht sehr verbreitet bzw. für die meisten Künstler zu teuer. Festnetz , Kneipe, Straße und Park  waren die vorrangigen Kommunikationsmedien respektive Orte.

Roofpartys waren bei entsprechendem Wetter die fünfte große Interaktionsform. Die Szene lud sich dort gegenseitig ein, es gab zunehmende Unterszenen und immer neue Clubs- und Restos als Treffpunkt, aber alles immer nur jeweils einen Steinwurf voneinander entfernt. Bis später auch die Galerien zu beliebten Meetingpoints wurden.

Danach kamen in einem  noch größerem sozialen Maßstab die ersten gemeinsamen Art- und Musikfestivals dazu,  die die Stadtteilszene gemeinsam organisierte.  Alles erfahren konnte man in den Szenezeitungen die zu Anfang monatlich, dann aber wöchentlich erschienen und fast an jedem Treffpunkt auslagen. Aber mittlerweile auch, was die größeren Events betraf, in „Time Out“ und „Village Voice“, den angesagten Programm- und Szenemagazinen Manhattans.

An den Wochenenden kamen dann zunehmend so viele Besucher aus der restlichen Stadt und aus Manhattan dazu, so dass sich spezielle In-Kneipen ausbildeten, wo die Szene unter sich bleiben wollte und konnte.  Entweder gab es einen bestimmten Dresscode und andere äußere Zeichen oder sie lagen weiter von der Bedford weg als üblich. Oder man traf sich wieder wie früher in den Lofts selbst und feierte dort.

Die erfolgreichen Kreativen hatten meistens auch die Größten und deswegen am besten zum Feiern geeigneten. Die Unterschiede innerhalb des Loft-Lifestyles nahmen, was Ausstattung, Ausdehnung und Lage betraf damit auch zu. Der eigene und dauerhafte spektakuläre Blick auf Manhattan war jetzt auch innerhalb der Szene das äußere Zeichen des Erfolgs. Damit nahm unweigerlich  auch die Wohnkonkurrenz innerhalb der Szene zu.

Es gab jetzt, wo der Stadtteil hip wurde, das Loft nicht nur als besonderen Arbeitsort sondern auch als  neues Statussymbol, vor allem wenn man noch erfolgreichere Kreative aus dem nach wie vor unerreichbaren Manhattan beeindrucken wollte. Die Landlords wussten das natürlich und die Kauf- und Mietpreise für diese Räume stiegen an.  Entsprechend entstanden die ersten nur auf Williamsburg fokussierten Immobilienbüros.  Natürlich an der  Bedford und Umgebung. Zu Anfang kleine Butzen im Souterrain, dann immer protzigere Läden mit einer großen  mit vielen Angeboten bestückten Fensterfront.

Die Leute die mein Loft umgebaut und vermietet hatten waren so klug gewesen für den ganzen Komplex von vorne herein einen langfristigen Vertrag  abzuschließen. Die, die das nicht getan hatten, wurden sehr bald mit ersten Mieterhöhungen konfrontiert, die, wenn sie sie nicht bezahlen konnten, unweigerlich zum Auszug führten. Mit dem vorhandenen Mietbudget musste man dann den guten Lagen in W-Burg entsagen und sich woanders eine neue Bleibe suchen. So wurden auch die Teile von L-City von den Zuzüglern infiltriert, die bislang davon verschont worden waren, was wiederum dort die Mieten tendenziell steigerte.

Damit war die friedliche Phase der Gentrification zu Ende. Jetzt  kamen nicht mehr Leerstände  und untergenutzte Räume ins Spiel sondern schon bewohnte. Die Verdrängung der angestammten Bewohner begann.  Hierzu weiter in den nächsten Folgen.

Was bisher geschah:
Die Willamsburg Story I…Klack

Die Willamsburg Story II…Klack

Die Willamsburg Story II…Klack

Die Williamsburg Story IV…Klack

Die Williamsburg Story V…Klack

Die Williamsburg Story VI…Klack

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Ruhrpilot – Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

pinkwart_pkNRW: Pinkwart will 10 + X…Welt

NRW II: Westerwelle will sich nicht beirren lassen…Welt

NRW III: Kraft  will höhere Hartz IV-Regelsätze…Spiegel

Steuern: Diät für den Mittelstandsbauch…Sprengsatz

Dierkes: German politician belittles Holocaust…Jerusalem Post

Medien: Schüler müssen auf Abos warten…Kress

RRX: Es fährt ein Zug nach irgendwo…Welt

Ruhr2010: „Man weiss nie, wo man gerade ist“…NZZ

Umland: Revervoir Dogs…Zoom

Israel: Gefährliche Siedlungspolitik?…xtranews

Parteichef oder Außenminister – Ein Rücktritt ist muss.

westerwelle_public_domainParteichef, Vizekanzler, Außenminister, Bundestagsabgeordneter: Von einem dieser Jobs wird sich Westerwelle trennen müssen, wenn er nicht scheitern will. Und er muss sehr schnell lernen, sein Partei- und Privatleben vom Amt zu trennen.

Der Außenminister ist normalerweise einer der beliebtesten Politiker Deutschlands. Die Gründe dafür liegen in seiner geringen innenpolitischen Bedeutung: Außenminister sagen schwerstichtig klingende Sätze in Mikrofone, äußern sich mit Bedacht zu Konflikten, die die meisten Bürger nicht direkt betreffen und tun vor allem nichts, was die eigener Bevölkerung gegen sie aufbringt: Sie erhöhen keine Steuern, sie kürzen keine Sozialausgaben und sie wollen keine Geschwindigkeitsbegrenzungen auf den Autobahnen.

Selbst der blasse Kinkel war beliebt. Von Stars wie Fischer, Brandt und Genscher ganz zu schweigen. Außenminister stehen immer ein wenig über den Parteien – zumindest seit den Ostverträgen.

Mit dem Job des Parteivorsitzenden verträgt sich das nicht: Der muss polarisieren, die Konturen seiner Partei scharf herausstellen und sich als Generalist zu allen denkbaren Themen äussern.
Eine allzu große Nähe zur Partei passt nicht zur staatstragenden Aura des  Aussenministers. Man kann nur einen der beiden Jobs richtig machen: Kinkel war eine Null als Parteivorsitzender, Fischer interessierte sich für seine Partei überhaupt nicht und Steinmeier war der wohl windelweichste Kanzlerkandidat aller Zeiten.

Westerwelle will beides machen und stößt an seine Grenzen. Er ist ein Terrier, im Auftreten noch immer mehr Generalsekretär als Parteivorsitzender. Er polarisiert und sucht den Konflikt. Immer. Westerwelle ist alles, nur kein Diplomat. Will er einer werden, muss er sich vom Parteivorsitz trennen. Ein Außenminister darf auch keine Parteispender bevorzugen. Er muss die Interessen Deutschlands vertreten und  nicht die ihm lieb gewonnener privater oder politischer Freunde.
Das Westerwelle die Kritik an sich als infam bezeichnet ist albern.
Wie groß wäre der Aufschrei gewesen, wenn Fischers Frau ihn auf Dienstreisen begleitet und die Gelegenheit zur Schaffung von Geschäftskontakten genutzt hätte? Nein, Westerwelle hat keinen Grund sich über die Kritik an sich und seiner Amtsführung zu beschweren.

Als Parteivorsitzender kann man anders agieren als ein Minister, solange es offen geschieht. Der Wähler kann sich dann ja entscheiden, ob er einer solchen Partei vertraut oder nicht. Westerwelle ist nicht der Außenminister der FDP, er ist der Außenminister der Bundesrepublik. Versteht er das nicht, ist er für dieses Amt nicht geeignet. Ohnehin hat man das Gefühl, dass da einer auf der Karriereleiter mindestens eine Sprosse zu hoch geklettert ist. Das Peter Prinzip – es könnte auch Guido Prinzip heißen.

Ruhrgebiet: Wer wird was?

rotgruenkoalitionrvrIn der  Rot-Grünen Koalition im Ruhrparlament hat die Diskussion um das Führungspersonal des Ruhrgebiets begonnen.

Eigentlich wollte die Rot-Grüne Koalition in Ruhe die Landtagswahl abwarten und dann ganz entspannt die Personalfragen des kommenden Jahres besprechen. Durch den Tod des Chef-Wirtschaftsförderers des Ruhrgebiets, Hanns-Ludwig Brauser, hat sich die Personaldiskussion nun beschleunigt. Neben einem Nachfolger für Brauser müssen sich SPD und Grüne auch noch auf Nachfolger für den RVR-Regionaldirektor Heinz Dieter Klink und die Dezernenten Thomas Rommelspacher (Grüne) und Dieter Funke (SPD) einigen. Auch soll eine neuen Kulturabteilung als Nachfolger der Ruhr2010 GmbH aufgebaut werden und auch die braucht einen Chef.

Grüne und SPD wollen sich möglichst diskret einigen und lange Personaldiskussionen vermeiden. Beiden Parteien wäre eine Paketlösungen am liebsten. Wer wird am Ende in diesem Paket stecken? Diese Frage ist nicht nur die wichtigste der gerade begonnenen Legislaturperiode des Ruhrparlaments, sie wird auch zeigen, wie ernst es den beiden Parteien mit der vollmundig verkündeten Stärkung des RVR und der Zusammenarbeit im Ruhrgebiet ist.

Vor allem die Posten des Chefs der Wirtschaftsförderung und des Regionaldirektors sind entscheidend.

Der nächste Regionaldirektor, so hört man aus beiden Parteien, soll nicht wieder so eine Null wie der jetzige Amtsinhaber Heinz-Dieter Klink (SPD) werden. Der war vom damaligen Dortmunder OB, Gerhard Langemeyer (SPD) auf den Posten bugsiert worden. Langemeyer wollten einen möglichst schwachen RVR-Chef und Klink war dafür der Richtige: Völlig ambitionslos, mit mäßigem Arbeitseifer und ohne eigene Ideen machte Klink brav was man ihm sagte. In seiner Amtszeit gab es aus dem RVR heraus nicht eine einzige nennenswerte Initiative. Mit jedem seiner Auftritte vor Publikum gelang es Kling zudem sich lächerlich zu machen – und die Region gleich mit.

Aus beiden Parteien hört man, dass ein peinlicher Komplettausfall wie Klink  nicht wieder an die RVR-Spitze kommen soll.  Ein Stadtplaner, so ist man sich einig, wäre nicht schlecht.  Die SPD widerspricht allerdings den Gerüchten, sie hätte sich schon personell festgelegt. Bochums ehemaliger Stadtplaner Martin zur Nedden, im Moment Stadtbaurat in Leipzig, könnte ein Kandidat werden. Oder Ullrich Sierau: Scheitert er bei der OB-Wahl in Dortmund ist es unwahrscheinlich, dass er unter Pohlmann als Dezernent arbeiten würde. Sicher ist das alles aber noch lange nicht.

Schwierig wird auch die Brauser-Nachfolge. Im Moment ist Dieter Funke provisorischer Geschäftsführer. Hanns-Ludwig Brauser war extrem gut vernetzt und in der Lage, Mehrheiten im Ruhrgebiet für seine Projekte zu organisieren. Die gefielen nicht immer allen Wirtschaftsförderern: Das Brauser  Immobiliendaten für das gesamte Ruhrgebiet erheben und veröffentlichen ließ, störte viele, lagen doch Brausers Zahlen zum Teil deutlich unter den von den Städten veröffentlichten.  Klar ist, dass keiner der Wirtschaftsförderer der drei großen Ruhrgebietsstädte Dortmund, Duisburg und Essen den Posten haben will.  Unklar ist jedoch, ob die Wirtschaftsförderung überhaupt als GmbH erhalten bleibt oder stärker in den RVR eingegliedert wird, wie es sich manche in der Koalition vorstellen können.

Es kursieren zur Zeit zwei Modelle für die Spitze der Wirtschaftsförderung: Ein direkter Brauser Nachfolger oder derer gleich zwei: Einen Verwaltungsmann für das interne Management und die Zusammenarbeit mit der Politik und einen ehemaligen Manager oder Unternehmer für die Aussendarstellung und den Kontakt mit der Wirtschaft. Bei beiden Modellen kommt es letztendlich auf die künftig handelnden Personen an: Wählt man Männer oder Frauen mit eigenen Vorstellungen und kräftigen Ellenbogen oder einen reinen Koordinator, einen Business-Klink, dessen Agenda die Wirtschaftsförderer der Städte diktieren?

Klar ist, das Ruhrgebiet braucht durchsetzungsfähige Persönlichkeiten mit eigenen Ideen und Ambitionen auf beiden Positionen. Rot-Grün können mit der richtigen Auswahl wichtige Weichen stellen – oder aber zeigen, dass das Gerede von der Stärkung des Ruhrgebiets nicht mehr als heiße Luft ist.

Eine Story aus New York: Williamsburg – Teil 6: Sehen und Gesehen werden

williamsburg-6Der Manhattaner Kunstszene, zumindest aber einigen der dortigen Galeristen, war Williamsburg als Künstlerstandort sehr früh bekannt. Mein Freund S. hatte es z.B. in der Zwischenzeit an die Broadway-Galerie O.K Harris geschafft. Aber die Verantwortlichen dort kamen nie zu ihm sondern er besuchte seinen Galeristen in Manhattan.  Nur dann, wenn es wirklich etwas Neues in seinem Loft anzuschauen gab, kamen Leute aus Manhattan zu ihm.

Einen regeren personellen und informationellen Austausch gab es zwischen Manhattan und Williamsburg erst als es dort auch Galerien gab die sich einen wenn auch kleinen Rang und Namen am Kunstmarkt erobert hatten.  Das gelang ihnen, in dem sie mutiger und innovativer in ihrer Künstler- respektive Kunstauswahl  waren und sich eigene Vertriebswege aufbauten.  So wurde in Williamsburg z.B. die kleinste Galerie der Welt erfunden. Nicht viel größer als eine Telefonzelle und dadurch hochmobil. Das Künstlerpotential  selbst war dagegen vor der Haustür und es nahm von Jahr zu Jahr zu.

Bis die etablierten Kunstzeitschriften allerdings einen Artikel über W-Burg schrieben bzw. schreiben ließen vergingen fast 10 Jahre. Auf ein Titelblatt schaffte es „Young and Wild W-Burg“ erst Anfang des neuen Jahrtausends. Danach erst begann der Stadtteil wirklich zu brummen. Vorher hatte jedoch schon die New Yorker und vor allem die Clubszene Manhattans den Stadtteil entdeckt, und das ungefähr zeitgleich mit der Gastroszene, die sich nicht nur hier einander überlappen.

Auch hier waren es vor allem die jungen  und risikofreudigen Leute die zuerst die Angst vorm imagemäßig immer noch als unsicher geltenden W-Burg auf der anderen Seite des Ost-Flusses  verloren. An den Wochenenden schaute man dann doch mal rüber und später auch unter der Woche und musste entdecken, dass die Gegend um die Beford ziemlich cool war.  Die Gesetze von Sehen und Gesehen werden brachen sich Bahn und je mehr Leute als Besucher nach W-Burg gingen  desto mehr kamen neue Besucher hinzu. Die Eigendynamik des Sceneseeking eben.

W-Burg wurde Kult und nun hatten auch weitere Boutiquen und Restaurants ihre Überlebenschance. Natürlich mussten sie selber noch hipper sein als die die schon da waren. Ein richtiggehender  innenarchitektonischer Wettbewerb begann parallel mit der zunehmenden Mode- und Outfitkonkurrenz der Besucher und der kreativen  Community im Outdoorbereich.  Die Gebäude und der städtebauliche Gesamteindruck waren dagegen, im Verhältnis zu Manhattan, nachwievor bescheiden.

Williamsburg war immer noch stadtästhetisch ein hässliches Entlein, dass man nur auf den zweiten Blick schön  finden konnte. Aber die Immobilienentwickler saßen diesbezüglich schon in der Warteschleife. Sie hatten zwar schon reichlich Grundstücke und Häuser gekauft, aber die Kunden die sie nach der Generalsanierung und den damit erheblich höheren Mieten beziehen sollten fehlten noch.  Die Besucher des Stadtteils  wurden immer mehr, auch die zuwandernden Künstler, aber immer noch kam nicht die kaufkräftige weil gut verdienen obere Mittelschicht, und schon gar nicht die ökonomische Elite der Stadt.

Die für diese Gruppe so attraktive Waterfront war immer noch nicht in Wohngebiet umgewandelt, denn gerade die auch zahlenmäßig stark gewordene Künstlercommunity wehrte sich in den diesbezüglichen öffentlichen Anhörungen besonders heftig, was die restlichen Bewohner dazu bewog es ihnen gleich zu tun. Weniger die Hausbesitzer als die Mieter unter ihnen natürlich. Und zunehmend auch die Stadtteilpolitiker, denn die wurden nun mal gewählt und dazu brauchten sie Mehrheiten und das waren immer noch die Mieter und nicht die Landlords von W-Burg.

Die wenigsten Künstler und  Galeristen hatten es in der Zwischenzeit zu Hauseigentum gebracht, was für sie natürlich in Anbetracht dessen, was jetzt auf den Stadtteil bald zukommen sollte, das Beste gewesen wäre.  Bei den zunehmend professionell geführten  Restaurants, Clubs und Boutiquen war das jedoch anders. Hier hatten die Betreiber und ihre Berater sehr schnell erkannt, dass es gut ist nicht nur den Betrieb sondern auch seine bauliche Hülle zu besitzen. Es  gab also schon in der golden Ära der Gentrification mehr oder weniger erfolgreiche unter  den Kreativen. Aber sie saßen fast alle noch im gemeinsamen Boot und wollten die Großspekulanten aus Manhattan von ihrem  W-Burg  möglichste fern halten.

Das große politische Streitobjekt war dabei natürlich die immer noch für Industrie und Gewerbe vorgesehene Uferzone und vor allem eine kleine grüne Brache zwischen den dort noch bebauten respektive gewerblich genutzten Flächen. Sie war auf Drängen einer mittlerweile gegründeten Bürgerintiative und den Lokalpolitikern von der Stadt New York nicht neu verpachtet  worden und somit im öffentlichen Besitz. Der mittlerweile auch in ersten Blueprints deutlich gewordene Traum der Immobilienspekulanten war dagegen, auch diese wilde Brache in eine Reihe von Hochhausbauflächen einzuverleiben, die die zukünftige Waterfront südlich und nördlich der Williamsburg Bridge vor allem vertikal gestalten sollten.

Williamsburg waren solche Highriser bislang aber völlig fremd. Nur einzelne  Lagerhäuser und Fabriken waren hier bisher höher als 4 Geschosse, und genau das machte auch den besonderen Village-Charme dieses Viertels aus. Sowohl für die Besucher als auch für die Bewohner. Niemand wollte also die Hochhäuser die zwar einen fantastischen Blick auf Manhattan, aber dafür keine Fernsicht mehr für den Rest der W-Burger booten. Vor allem aber  keine grüne Lunge mehr mit Blick auf Manhattan für alle. Es gab noch einen kleinen weiteren Uferpark, aber der reichte natürlich bei weitem nicht für die in der Zwischenzeit viel zahlreicher  gewordenen Bewohner aus.

Der grüne Park der noch gar keiner  war, wurde zum Identifikationsobjekt und zu einer alternativen Vision für die Zukunft der Waterfront, denn an die Ansiedlung neuer hafenbedürftige Industrien glaubten auch, bis auf die Gewerkschaften, die meisten Alt- und Neubürger des Stadtteils nicht mehr. Eine Unter-Gruppe meiner Studenten hatte viele Jahre vorher, neben den gut 70 Entwürfen der Gesamttruppe in allen Stadtteilen New Yorks, auch genau zu diesem Areal  einen  Plan gefertigt, der dort eben diesen Park vorsah und visionär zu gestalten versuchte. Er war jedoch , obwohl  in öffentlicher Hand,  immer noch eingezäunt. Nur die immer wieder und eigenhändige  und nächtlich vorgenommene systematisch Durchtrennung des Maschendrahtes erlaubte es durch Gestrüpp und Betonreste der ehemaligen Piers an das  Wasser zu kommen.

Dort saßen dann alle friedlich beieinander. Jung und Alt, schräg oder normal, Künstler, Bohemiens und „einfaches“ Volk  auf selbst gemachten Liegen und Sitzgelegenheiten und verbrachte , redend, schweigend, lesend und angelnd den Abend und häufig auch die Nacht. Die städtischen Ordnungskräfte gaben es nach einiger Zeit auf, den Zaun immer wieder zu reparieren. Es fanden die ersten Land-Art Aktionen statt, es wurden feste Sitzplätze in Eigenregie gebaut.

Es war eine wunderbar friedliche Insel und der Blick von dort auf die Skyline faszinierte auch mich über viele Jahre bis heute, denn nur der Park konnte gegen die  Spekulanten durchgesetzt werden und ist mittlerweile  schlicht und doch schön gestaltet, der Treffpunkt aller geblieben. Nur dass es nicht mehr dieselben sind, wie vorher.

Ich wohnte bis vor kurzem  mindestens den ganzen  Mai und September ganz in der Nähe dieses grünen Treffpunktes. Genauer gesagt nur 100 Meter entfernt in einem Loft in einer umgebauten Lastwagengarage. Aber dazu mehr in der nächsten Folge.

Was bisher geschah:
Die Willamsburg Story I…Klack

Die Willamsburg Story II…Klack

Die Willamsburg Story II…Klack

Die Williamsburg Story IV…Klack

Die Williamsburg Story V…Klack

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NRW: Schwarz-Grün – Aus Spiel wird Ernst…Zeit

NRW II: Gabriel glaubt nicht an Schwarz-Grün…Der Westen

Ruhr2010: Die Krise spielt verstecken…Kölner Stadtanzeiger

Online: Welttag gegen Internetzensur…Spreeblick

NRW III: Grüne: Dreifaches Stoppsignal nach Berlin…Ruhr Nachrichten

Medien: Arrogante Journalisten?…FIXMBR

Wirtschaft: Was macht der US-Konsument?…Weissgarnix

NRW IV: Spur des Maulwurfs?…Post von Horn

Fotos: Erste Tour des Jahres…Kueperpunk