Zülfiye Kaykin ist in Hannelore Krafts Schattenkabinett als künftige Integrationsministerin gesetzt. Sie steht für eine moderne Ausländerpolitik. Zu dem Treiben der rechtsradikalen Grauen Wölfe in der Merkez Moschee schweigt sie.
Am 11. April fand in der Merkez Moschee in Duisburg Marxloh eine Trauerfeier für den 1997 verstorbenen türkischen Politiker Alparslan Türkeş statt. Türkeş war der Gründer der rechtsextremen Grauen Wölfe. Ausgerechnet die Merkez-Moschee: Sie gilt als die Muster-Moschee der Republik. Sie ist nicht nur die größte Moschee der Republik, sondern steht auch für eine große Integrationsleistung: Schon während der Planung arbeitete die türkischstaatliche DITIB, die Betreiberin der Moschee, eng mit den christlichen Gemeinden in Marxloh zusammen.
Als im März deutsche Rechtsradikale in Marxloh für ein Minarettverbot demonstrierten, besuchten SPD-Chef Sigmar Gabriel und SPD-NRW Spitzenkandidatin Hannelore Kraft die Moschee. Tausende demonstrierten hier gegen Fremdenhass und Nationalismus.
Als am 11. April die Anhänger des Gründers der Grauen Wölfe in der Merkez Moschee ihrem verstorbenen Anführer gedachten, protestierte niemand. Der Aufmarsch der türkischen Rechtsradikalen fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dabei sind die Wölfe nicht nur irgendeine Truppe, die vom Verfassungsschutz NRW beobachtet wird. Die Wölfe wollen den EU-Staat Griechenland in die Türkei eingliedern, sie leugnen den Völkermord an den Armenier, Männer aus ihren Reihen ermordeten Schriftsteller, Dichter und Journalisten. Und ihr Kumpan Mehmet Ali Ağca beging das Attentat auf Papst Johannes Paul II.
Nur beim „Bündnis für Marxloh“ sorgte die Feier der Wölfe für Aufsehen. Die Menschen, die maßgeblich hinter den Protesten gegen die deutschen Rechstradikalen vor ein paar Wochen standen, erklärten:
„Vor wenigen Wochen stellten sich mehrere tausend Menschen in Marxloh mit Sitzblockaden, Demonstrationen und Kulturveranstaltungen gegen die rassistische und islamfeindliche Hetze von Pro NRW und NPD in den Weg.
Die Rechtsaußen-Parteien wollten ihren Wahlkampf auf Kosten des friedlichen Zusammenlebens der Menschen in Marxloh betreiben und hatten hierfür nach Vorbild der rassistischen Kampagne gegen das Minarettverbot in der Schweiz die Merkez-Moschee zum Aufhänger ihrer Aufmärsche erklärt.
Gemeinsam wirkten über einen Zeitraum von über acht Wochen verschiedenste Kräfte überparteilich und interreligiös zusammen, um ein deutliches, unübersehbares Zeichen gegen Rechts und für Frieden und Völkerverständigung zu setzen.
Von vornherein war die DITIB-Gemeinde integraler Bestandteil des Bündnisses und beteiligte sich an unseren Planungen, Diskussionsabenden, Infoständen und weiteren Aktivitäten unter dem Motto „Hand in Hand gegen Rassismus“.
Mit Befremden und Abscheu mussten wir nunmehr feststellen, dass in den Räumen der Merkez-Moschee am 11.4.2010 eine Trauerfeier für den verstorbenen historischen Führer der aus der Türkei stammenden rechtsextremen MHP (Partei der Nationalen Bewegung), Alparslan Türkeş, abgehalten wurde. Für diese Veranstaltung hatte die in Deutschland ansässige MHP Vorfeldorganisation ATF (Türkische Föderation in Deutschland) kurzfristig auf Plakaten in mehreren Stadtteilen geworben.
Die MHP ist seit ihrer Gründung in den 60er Jahren in der Türkei für ihre Hetze gegen Minderheiten, Übergriffe auf Oppositionelle und Gewerkschafter sowie die tiefe Verstrickung in Putsche und Bürgerkrieg bekannt. Zuletzt 2007 kam es auch in Marxloh zu einem Aufmarsch der Exilstrukturen dieser Gruppierung, auf dem mehrere hundert Menschen nationalistische und kriegsverherrlichende Parolen skandierten.
In der letzten Sitzung des Marxloher Bündnisses vom 12.4.2010 versichert uns der Vorsitzende der Gemeinde, daß er bis zum Schluß versucht habe diese Veranstaltung zu verhindern, jedoch letztlich sich einer Anordnung vom Amt für religiöse Angelegenheiten der Türkei nicht entziehen konnte.
Wir erwarten eine lückenlose Aufklärung aller politisch Verantwortlichen, wie es zu dieser Veranstaltung kommen konnte.“
Die für die Moschee verantwortliche DITIB-Zentrale in Köln teilte dazu mit:
DITIB und alle in ihr organisierten Moscheevereine stehen als offene Zivilorganisationen im selben gebührenden Abstand zu allen Personen, Parteien und Institutionen. Eine solche Totenmesse zu veranstalten, gehört zum Spektrum von Religionsdiensten, die Menschen nicht verwehren können.“
Und erscheint in diesem Zusammenhang ein Detail pikant: Zülfiye Kaykin, Hannelore Krafts Schatten-Integrationsministerin, ist Geschäftsführerin des Vereins, der die Begegnungsstätte auf dem Moschee-Gelände betreibt. Sie hat ihren Job dort gekündigt, ist aber zur Zeit dort noch tätig. Und ausgerechnet von ihr gab es keinen öffentlichen Protest gegen die türkischen Rechtsradikalen. Auf Anfrage der Ruhrbarone erklärte sie, mit der Bereitstellung der Moscheeräume an die Grauen Wölfe nichts zu tun zu haben:
„Die DITIB-Begegnungsstätte zu Duisburg-Marxloh e.V. und die DITIB Merkez Moschee in Duisburg sind zwei autarke Vereine. Ich bin lediglich die Geschäftsführerin der Begegnungsstätte. Diese hat eine Nutzungsvereinbarung mit dem Dachverband der DITIB. Das Hausrecht in den Gebetsräumen hat indes die Merkez Moschee. Insofern liegt das nicht in meinem Betätigungsfeld. Infolgedessen habe ich weder eine Nutzungsvereinbarung unterschrieben, noch eine Genehmigung erteilt, was mir zudem rechtlich verwehrt gewesen wäre.“
Ok, das können wir nachvollziehen. Aber warum hat sie nicht den Protest gegen die Grauen Wölfe organisiert, und warum hat sie sich nicht öffentlich dazu geäussert?
Auch hierzu fragten wir Kaykin. Sie sagte, als Geschäftsführerin der Begegnungsstätte sei sie zum „Stillschweigen“ verpflichtet. Sie habe sich aber dafür eingesetzt, in der Begnungsstätte keine „politischen Veranstaltungen“ durchgeführt werden dürfen.
Auch gut. Aber hier geht es nicht um eine „politische Veranstaltung“ in der Begegnungsstätte, sondern um eine Feier für einen toten türkischen Rechtsradikalen.
Um es klar zu sagen: Die Verschwiegenheitserklärung von Zülfiye Kaykin, im Arbeitsrecht üblich, bezieht sich auf ihren Arbeitgeber – den Verein, der die Begegnungsstätte betreibt. Die Veranstaltung der Grauen Wölfe fand allerdings in der Moschee statt, die von einem anderen Verein betrieben wird. Kaykin selbst bezeichnet sie als „zwei autarke Vereine“.
Wir wollten von Zülfiye Kaykin wissen, warum sie die Vorgänge um die Grauen Wölfe nicht öffentlich gemacht hat, da ihre Verschwiegenheitserklärung sich nicht auf den Moschee-Verein bezieht.
Wir haben sie gefragt, warum sie nicht gegen die Rechtsradikalen in der Moschee protestiert hat, wie man es von einer Schattenministerin der Sozialdemokratie erwarten könnte.
Wir erhielten von Zülfiye Kaykin keine Erklärung.
Sie sagte nur:
„Jedweder Versuch, mich in Verbindung mit rechtsextremen Organisationen zu
bringen, ist darüber hinaus absurd und haltlos.“
Hier ging es nicht um eine „Verbindung“ zu rechtsradikalen Organisationen, sondern darum, wann man schweigt, und wann man spricht – als Sozialdemokratin.
Wir haben deswegen nochmal in der SPD-Zentrale nachgefragt. Von dort verwies man uns auf die eindeutigen Antworten von Zülfiye Kaykin.
Kann man auch anders sehen.