Ein Sneak-Preview in das Ruhrmuseum, ein Live-Bericht von der Generalprobe zur Kulturhauptstadteröffnung. Aus dem feinen Pressezentrum im Sanaa-Gebäude (Ex-Designschool), von der Kohlenwäsche (Ruhrmuseum) und der Kokerei (OpenAir-Probe) auf Zollverein. Mit Updates, chronologisch von unten nach oben zu lesen.
16.30 Uhr
Brrr. "Wo das geht, geht alles"? Nun, "alles" im Sinne von "hart wie Kruppstahl" vielleicht. Das Publikum der Generalprobe sitzt auf Plastiktüten, die okaye Designstühle abdecken. Der alte Fritz (Pleitgen) hat O. Scheytt eine Kosakenmütze geschenkt, dann haben beide Champagner gegen das Lampenfieber getrunken. Es gibt schwer zu findende Wolldecken und es zeigt sich, dass Scheinwerferlicht nicht zwingend wärmt. Die 2010-Belegschaft macht sich Sorgen, ob die Politikgäste bei dem zu erwartenden Verkehrschaos morgen pünktlich da sein werden. Übertragen wird nun doch live im ZDF, und man mag sich fragen, warum es wohl nur die Optionen "frierender Ehrengast auf Tribüne", "Pressemensch vor Leinwand im Architekturkunstwerk" und "TV-Heimglotzer" geben wird, und nicht z.B. Leinwände in den Hallen. Oder springen gar Gastwirte darauf an? Wohl kaum, ist ja kein Fußball.
Nun, es ist ja nur der Festakt, aber wie bei allen hoheitlichen Inszenierungen darf wohl schon hinterfragt werden, was diese über den Bezug zum "Volk" und die "Botschaft" allgemein aussagt. Und so ist das Volk beim Festakt nunmal einfach real recht außen vor – und darf erst zum "Kulturfest" richtig dazukommen. Und die vielgerühmten "Bilder"? Die Kulisse der Kokerei ist ja bekannt: Stahl, Rost, Martialisches. Darin tummelt sich denn quasi die Kultur ein wenig, ob beim Tanzen des Kulturhauptstadt-Logos oder beim Lied von Grönemeyer. Die seit IBA-Zeiten den Diskurs dominierende Architektur hingegen bestimmt das "große Ganze": Es sind die alten Bilder, vor denen Aufbruch vielleicht nur simuliert wird. "Wir sind das Feuer" ist das Motto des Eröffnungsfeier-Intendanten Gil Mehmert. Aber können die Menschen dieses alte (Architektur- und Industrie-)Erbe wirklich erwärmen? Man sieht eher etwas wie "Wir werden immer noch verheizt" vor sich, also eher "Wir sind die Kohle". Dass heute tapfere Freiwillige die Statisten geben und sich nur bedingt am Scheinwerferlicht erwärmen können und morgen die Ehrengäste erst recht tapfer zittern müssen, das ist natürlich irgendwie auch schön. Es ist aber vor allem schade, dass wie seit Jahrzehnten vor allem "Durchhaltevermögen", "Es gibt kein schlechtes Wetter, nur unpassende Kleidung" und "Was nicht passt, wird passend gemacht" als Bilder transportiert werden. Und das ist leider alles, nur nicht "Wandel durch Kultur". Schade, aber typisch. Das Programm zum Kulturfest am Samstag und Sonntag und ein paar News unter: http://www.ruhr2010.de/
14.00 Uhr
Nun, 55 Millionen und mehr für das Ruhrmuseum. Das ist viel Geld für eine darbende Region. Aber es ist vor allem die Möglichkeit für die Menschen hier, auch durch ihre Gäste, selbst-bewusst zu werde. Wäre das Ruhrgebiet jetzt aus der Adoleszenz heraus, könnte man sagen: Hier sieht man, wie wir wurden was wir sind. Das Ruhrmuseum existiert nämlich an einem Ort, der einmal kein Gebäude, sondern eine Maschine war, eine Kohlenwäsche, die die Kohle vom Rest-Berg trennte. Mensch-Maschine, darum geht es hier schon strukturell, denn wie einst die Arbeiter werden nun die Besucher durch die (ehemalige) Maschine geschickt.
Mit der längsten Rolltreppe der Welt hinauf, dann der Bereich "Gegenwart" mit Film- und Fotodokumenten der Gegenwartskultur der Region. Fritz Eckenga, Problemviertel, Fußballdevotionalien, leicht Interaktives. Dann von Ebene 17 auf Ebene 12. Hier: "Gedächtnis". Warum letztlich die Natur (und dementsprechend ihre Ausbeutung durch den Menschen) diese Gegend geprägt hat. Mittelalter, Religion. Viele exquisite Exponate. "Geschichte" ist noch eine letzte Ebene darunter. "Neuere Geschichte", könnte man sagen, das Profil der Region Prägendes, nicht ohne Nationalsozialismus, Emanzipationsbewegungen, Strukturwandel natürlich. Überhaupt zeigt sich die Identität der Region sehr als eine zerrissene. Wo nun die Regierungsbezirke sind waren es früher ähnliche Strukturen. Vielleicht findet sich das Ruhrgebiet als solches erst mit der Musealisierung seiner fremdbestimmten Geschichte. Das Ruhrmuseum wird dann einen großen Anteil daran haben. Zumindest wenn die Menschen das Angebot für sich nutzen (und nicht nur auf der großen Kulturhauptstadtsparty mal wieder versaufen – der Bericht von der Generalprobe im Anschluss am späteren Nachmittag). Tag der offenen Tür im Ruhrmuseum am Sonntag. http://www.ruhrmuseum.de (Foto: Brigida Gonzáles)