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Derzeit warten fast alle auf die Erlösung der Journalismus-Krise durch ein neues Medium. Der Ort der erhofften Offenbarung liegt in den Staaten, in San Fransisco, genauer gesagt auf einer Bühne im Yerba Buena Center for the Art. Als Termin hat der Schöpfer den 26. Januar festgelegt. Denn dann soll der iSlate vorgestellt werden. Eine Art großes iPhone, dass als elektronisches Lesegerät die Bücher und die Magazine und die Zeitungen revolutionieren soll. Ich nutze diese Zeit des Wartens, um einen Blick auf den Kindle zu werfen. Das Gerät von Amazon sollte vor kurzem noch das Geschäft mit den Print-Dingern auf neue Beine stellen. Nun überbringt das Gerät schon wieder eine Botschaft aus der Vergangenheit. Aber was verdammt heißt das?
Der englische Kindle 2 ist ein praktisches Gerät. Auf jeden Fall praktischer als dieses Ding von Sony, der eReader, den ich vor ein paar Monaten getestet hatte. Das Sony-Ding war zu langsam, zu schnell alle, zu unleserlich und was weiß ich. Unbrauchbar eben für eine elektronische Revolte.
Nun aber der Kindle 2 von Amazon. Das Gerät ist seit dem 19. Oktober hier im Handel. Es liegt sehr gut in der Hand, es hat eine schwarze Lederhülle, ich kann es wie ein schweres Buch halten. Die Lesekontraste sind OK, dunkelgrau auf hellgrau. Nicht perfekt, aber eben ein bischen steiler als das matschgrau auf matschgrau des Sony-Gerätes. Die Buchstaben der elektroischen Tinte sind klar. Ich kann Seitenweise lesen, ohne Streß mit den Augen zu kriegen. Ich habe in Kneipen gelesen, in Restaurants, im Zug und im Flieger. Ich habe an Bushaltestellen gelesen und in der S-Bahn. Es ging. Ich wurde nie enttäuscht. Die Buchstaben konnte ich in einem guten halben dutzend Größenvarianten verstellen. Bis ich ein perfektes Verhältnis zwischen Bildschirmgröße, Buchstabenformat und Textmenge je seite gefunden hatte.
Vor allem der Zugang zum Internet war gut. Überall. Selbst in der Schweiz konnte ich Bücher mit UMTS-Geschwindigkeit über ein 3G-Modul runterladen. Und lesen. Es gab auch Zeitungen und Zeitschriften. Auch die konnte ich runterladen und lesen. Alles kein Problem. Ohne Zusatzkosten für einen Provider. Nur für den Lesestoff hätte ich zahlen müssen. Wenn ich ihn hätte kaufen wollen. Wollte ich aber nicht. Dazu später mehr.
Stattdessen habe ich dutzende Bücher angelesen. Denn das geht. Ich kann mir von einem Roman eine Textprobe über etwa 20 Seiten auf den Kindle runterladen. Das kostet mich auf meinen Kindle-Unter-Account in meinem amazon-Ober-Account keinen Cent. Ich kann 1500 Bücher speichern. Auf 1,5 Gigabyte.
Das waren die guten Nachrichten.
Jetzt kommen die schlechten. Keine ordentlichen Bilder. Keine Farbe. Alles in grau-in-grau. Wer braucht das?
Zudem hätte ich die Bücher alle aus dem amazon-store herunterladen müssen. Zu ziemlich hohen Kosten. Ein elektronisches Buch kostet dort nämlich ungefähr soviel wie ein Print-Stück – ohne Papierkosten. Also ungefähr vier US-Dollar weniger, wenn der Roman 14 Dollar kostet. Deutsche Bücher habe ich kaum gefunden, dafür aber 350.000 englische Werke. Aber das kann Zufall sein, weil ich so happy war, dermaßen viele spannende US-Books durchstöbern zu können, habe ich kaum nach deutschen Büchern gesucht.
Gekauft habe ich, wie gesagt, keines. Weil ich das zu teuer fand. Zudem hätte ich das erworbene Buch nirgendwo anders abspeichern können. Ich hätte es also nicht auf einem anderen Gerät lesen können. Zumindest habe ich keine Funktion gefunden, mit der das gegangen wäre. Vielleicht war ich auch zu doof. Vielleicht soll das auch gar nicht gehen. Aber was soll ich mit einem Buch, das ich nur auf einem Gerät lesen kann.
Spielen wir das mal durch. Ich investieren im Laufe eines Jahres etwa 600 Euro in Bücher. Wenn ich meinen Kindle nach drei Jahren verlieren würde, hätte ich damit nicht nur die Hardware verbummelt. Ich hätte eine Bibliothek vergeigt. Keine gute Idee. Davon ab ist das Blättern im Kindle genauso schlecht wie bei anderen elektronischen Readern mit der berühmten elektronischen Tinte E-Ink. Es dauert einfach zu lange bis ich auf neue Seiten komme, das Umblättern um 30 bis 40 Seiten vorwärts oder rückwärts ist nervtötend, auch wenn ich mir vorher elektronische Eselsohren in die Seiten gestempelt habe. Was weiß ich am Anfang, was ich später nachschlagen will. Das muss ratzfatz gehen, das Blättern, sonst ist das Mist. Um es kurz zu machen.
Ich glaube zudem die Technik des elektonischen Papiers ist Unfug. In der Theorie hört sich alles topp an. Die Bildschirme haben keine Hintergrundbeleuchtung. Zudem kann E-Tinte auf E-Papier das Licht wie normales Papier reflektieren. Texte oder Bilder werden dauerhaft angezeigt. Das spart Strom. Der Kindle beispielsweise kam mit einer Ladung gut eine Woche aus. Und ich habe viel gelesen.
Das E-Papier kann sogar verbogen werden, ohne dass sich etwas an der Lesbarkeit ändert. Der Skiff Reader beispielsweise sieht ordentlich aus, ist riesig im Vergleich zum Reklambuchgroßen Bildschirm des Kindle 2. Und lässt sich dann noch zu einer Halbschale biegen und gleichzeitig lesen. Aber. Leider bleibt alles so verdammt schwarz- weiß. Und es dauert, bis sich ein neues Bild aufbaut. Und überhaupt: wer liest ein Buch oder eine Zeitung in Form einer Halbschale?
Das Problem trifft alle E-Ink-Geräte gleichermaßen. Also nicht die sinnlose Verbiegbarkeit des Bildschirms, sondern das schwarz-weiß-Prob. Der txtr-Reader und wie sie alle heißen. Sie haben alle einen Nachteil: Eine Darstellung, die ungenügend ist. Eigentlich muss ich das anders formulieren. Eine Darstellung, die besser geht. Denn schon auf meinen Telefon kann ich schöner Texte lesen, in bunt mit Bildern. Da hilft es auch nicht, wenn die E-Ink-Geräte nun mit dem Netz verbunden werden und ich wie mit dem Kindle frei und überall Bücher und Zeitschriften shoppen kann. (Deutsche Zeitungen auf dem Kindle? – Handelsblatt und Faz. That’s it.) Selbst das Aktenstudium ist auf den Geräten so lala. Ich kann PDF aufrufen, ja. Aber nicht drin rummalen. Schwer Eselohren setzen und ähnlichen Unfug machen. Vor allem nicht schnell genug blättern.
Deswegen glaube ich auch, dass der Weg woanders lang geht.
Mein Fazit nach dem zweiten E-Ink-Test: Die Geräte braucht niemand. Wir werden in späteren Jahren kein elektronisches Buch auf Basis des E-Ink haben. Das Papier als Medium wird weiterbestehen. Das ist das Beste für Bücher.
Daneben wird es Multimedia-Geräte geben, auf denen ich Bücher schön und leicht lesen kann, die jederzeit ins Netz können, um neuen Lesestoff zu laden. Auf denen ich aber auch Spiele spielen, im Netz surfen oder Zeitungen runterladen kann.
Ich weiß nicht genau wie das aussieht. Der iSlate scheint die Richtung zu weisen. Oder andere Tabloid-Rechner. Für Zeitungen und Magazine ist das sehr spannend. In eMags können Videos eingebettet werden, Hörspiele, Interviews im O-Ton und was weiß ich. Zudem wird das leicht abrechenbar sein, wenn sich Leute Applikationen runterladen oder direkt eMags einkaufen. Auch Bücher werden sicher über die neuen Geräte gelesen werden. Wenn sie Handschmeichler sind.
Der Vorteil neben den besseren Bildschirmen. Eine breitere Funktionalität. Der Nachteil des hohen Energieverbrauchs wird durch beigefügte Ladekabel ausgeglichen. Dann muss das Ding halt öfter an die Steckdose und fertig.
Aber am Besten lese ich mein Buch immer noch im Bett und in der Badewanne. Beides Orte, an denen ich mit so einem Technik-Dingen wenig anfangen kann. Und an denen ein Papierdingen schön tauglich ist. Seit Jahrhunderten.