K2010: Frieren für Bilder

Morgen beginnt die Kulturhauptstadt. Es ist Arschkalt. Das angekündigte Programm ist gut. Grönemeyer singt, ein Philharmonie-Orchester spielt. Es wird Schnee treiben. Über die Menschen, über die Sitze, über die Musiker. Nur hier und da in sackkalten Hallen wird vor Komödiantenbühnen kein Schnee auf die Mützen rieseln. Warum das Ganze?

Ich will kein Miesepeter sein. Aber ich kann mich so schlecht zurückhalten, wenn ich etwas so dumm finde, wie das hier, die Eröffnung der KH-Zwanzig10. Warum wird der Event nicht verschoben, wenn alle Zeichen auf Scheißwetter stehen? Jetzt, wenn man das noch rechtzeitig organisieren kann? Warum wird das nicht umgelegt in eine Halle? Und warum ist das Ganze überhaupt da draußen auf Zollverein und nicht wie versprochen in der Schalke-Arena?

Die Begründungen, die ich höre, sind alle gleich schlecht. Es heißt, die Arena sei zu teuer gewesen. Mann, Mann, dann hätte man ein wenig mehr Geld besorgen müssen, oder das Programm abspecken. Es heißt, ein wichtiger Spitzenverantwortlicher der Zwanzig10.GmbH habe sich mit dem WDR zerstritten, deswegen müsse das Ganze nun für das ZDF über die Bühne gerockt werden. Es geht um die Bilder. Für’s Fernsehen, heißt es. Es soll geil aussehen.

Bilder. Die Menschen morgen sollen also für Bilder frieren. Für’s Fernsehen frieren. Ich hoffe, jeder wird morgen dran denken, wenn ihm die Kälte durch die Schuhe kriecht, durch die Hose kriecht, bis an die Nieren kriecht.

Und wenn dann bei der Live-Übertragung zur Spitzensendezeit um 15:30 Uhr in einer Schnee-Böe die Haare der Moderatorin im Monitor verwehen. Wenn hinter ihr weniger Zuschauer im Eiswind ausharren, als im ZDF-Fernsehgarten. Ich hoffe dann werden die Bilder das erhoffte positive Signal ausstrahlen. Der Ruhrpott erstarrt im Eis. Geil.

Ich war mal vor Jahren bei der Aufzeichnung einer WDR-Show für die ARD im Bottroper Saalbau. Ich war ein Kind und saß da hinter den Kulissen bei der Generalprobe mit weit aufgerissenen Augen. Da sang irgendein Kasper unmotiviert auf einer Bühne. Er sang ein Lied, in dem ging es um Tennis. Ich kann mich erinnern, wie der Regisseur der Show mit einem arroganten Gesicht zu einer Assistentin sagte: "Schmeißt da Bälle rein, fürs Bild".

Am Abend habe ich die Show im Fernsehen gesehen. Da stand der Kasper und sang, in der einen Hand einen Tennisschläger in der anderen ein Mikrofon. Von vorne flogen Bälle ran und der Typ schlug ungefähr jeden dritten ins Publikum, der Rest flog in die Dekoration.

An diese Szene denke ich, wenn ich an die Zollverein-Nummer morgen denke.

Die Bälle sind diesmal die Zuschauer. Die Staffage, die Ausstattung, die Kulisse.

Die Veranstaltung morgen ist – trotz tollem Programm – nicht für die Menschen hier gemacht, sondern für die Bilder. Für die Bilder alleine.

Auch wenn morgen Kanzlerin Merkel und Präsident Köhler kommen. Sie sind Staffage. Ich hoffe, sie holen sich bei dem sinnlosen Schnee-Spektakel morgen nicht den Tod – oder hauen rechtzeitig wieder ab.

Da fällt mir ein: Es heißt, die Musiker würden, sollen, müssen Open Air spielen. Kann mir einer erklären, wie eine Oboe bei minus 5 Grad im Schnee klingt? Wie ein Cello, wie eine Tuba, wie eine Geige? Ich vermute, das ist Scheißegal, weil die Mukke eh vom Band kommt, oder?

Sorry, das musste raus. Ich werde morgen auf jeden Fall nicht nach Zollverein fahren. Ich will das gar nicht hören. Ich bleib zu Hause, mach den Kamin an, zieh mir die Decke bis ans Kinn, und lese meinen Kindern aus dem neuen Frank Goosen Buch vor. Das ist mein Eintritt in das Kulturhauptstadtjahr. Sollen sich andere den Arsch abfrieren.

Foto: Flickr.com / Goofi.Ge

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet.

Dressler: Bürgernähe statt Opernhäuser…Der Westen

Ruhr2010: Kulturhauptstadt startet als Wintermärchen…Hamburger Abendblatt

Ruhr2010 II: Die sesshafte kreative Klasse…FR Online

Ruhr2010 III: Gorny: "Nachhaltigkeit erzielt"…Kölner Stadtamzeiger

Ruhr2010 IV: Ruhr 2010…Irish Times

Ruhr2010 V: Programm…Pottblog

Ruhr2010 VI: etzt glänzt der Pott – nur für wen?…Stuttgarter Zeitung

Ruhr2010 VII: Twitterwall…Gelsenkirchen Blog

Ruhr2010 VIII: Local Hero Dinslaken…Der Westen

Ruhr2010 IX: Made in Marxloh…Prospero

Ruhr2010 X: Am Vorabend des Spektakels…Indymedia

NRW: Rüttgers will Hartz-Revision…FAZ

Ruhrgebiet: Bilder von der ewigen Baustelle…Kölner Stadtanzeiger

Ruhrgebiet II: "Wir wissen nicht, was das ist, wo wir leben"…ddp

Dortmund: Forsa-Umfrage zur Kommunalwahl am Samstag…Der Westen

Gelsenkirchen: Georg Kreisler…Zoom

Gelsenkirchen II: Sozialkirche gescheitert?…Hometown Glory

Winter: Deutschland im Schnee…Frontmotor

Wirtschaft: Haare schneiden auf isländisch…Weissgarnix

Medien: Slow Media 2…Mediaclinique

Sternsinger: War der Kraftwerksboykott richtig…Ruhr Nachrichten

Solidarpakt: Woran sich die CDU erinnern sollte…

Für "fachlichen Unsinn" erklärt der NRW-Minister für Bundesangelegenheiten, Andreas Krautscheid (CDU), den Vorschlag von Hannelore Kraft den Solidarpakt zu überdenken. Der gute Mann hätte vor seiner Kraft-Schelte mal mit seinem Parteifreund Oliver Wittke reden sollen.

Denn wie unlängst Hannelore Kraft forderte auch Oliver Wittke (CDU) früher den Solidarpakt umzubauen. Damal war Wittke allerdings noch nicht ehemaliger Verkehrsminister und Landtagsabgeordneter sondern ein aufstrebender Stern am Himmel der CDU in NRW und Oberbürgermeister von Gelsenkirchen. 2004 schrieb der Focus über Wittkes Haltung zum Solidarpakt: Der Abbau West, längst nicht mehr schleichend, kann nach Ansicht des Gelsenkirchener Oberbürgermeisters Oliver Wittke, 37 (CDU), nur gestoppt werden, wenn den Krisenregionen dort mindestens annähernd so geholfen wird wie dem mit Milliardentransfers gepäppelten Osten. „Im Jahr 14 der deutschen Einheit ist es Wahnsinn, Förderung nur nach der Himmelsrichtung auszurichten“, poltert der Kommunalpolitiker..

Im Gegensatz zu Andreas Krautscheid (CDU), der vor seiner Berufung ins Ministeramt als PR-Mann und FH-Dozent tätig war und  Kommunalpolitik und der Finanzmisiere der Städte aus eigener Erfahrung soviel versteht wie ein Wal vom Schlittschuhlaufen mühte sich Wittke damals, eine Pleite-Stadt zu regieren.

Aber auch Wittke fand damals mit seiner Idee den Solidarpakt zu ändern keine Freunde in der seinerzeit rot-grünen Landesregierung. Focus:  „Den Solidarpakt will keiner antasten“, verspricht NRW-Wirtschafts- und Arbeitsminister Harald Schartau (SPD). Allerdings war Schartau mit seiner Kritik an Wittke deutlich zurückhaltender Krautscheid: „Nicht jeder, der sich an der jetzigen Praxis der Förderung reibt“, erinnert Schartau seine Kollegen in den neuen Ländern, „ist ein Gegner des Aufbaus Ost.“

Auch noch als Verkehrsminister forderte Wittke, damals im Einklang mit Hannelore Kraft, in der Welt eine Änderung des Solidarpaktes. Einen Unterstützer fanden beide damals in CDU-Generalsekretär Wüst: Wüst verlangte ebenfalls Finanzhilfen für NRW-Städte. "Die Grundlage für die Gewährung von Fördermitteln aus dem Solidarpakt darf nicht mehr nur die Himmelsrichtung sein, sondern die wirkliche finanzielle Situation der Kommune", sagte Wüst. Die Bürger in Nordrhein-Westfalen hätten durch große finanzielle Kraftanstrengungen mit dazu beigetragen, den Aufbau der ostdeutschen Städte zu unterstützen: "Diese Solidarität erwarte ich jetzt auch für die armen Städte in Nordrhein-Westfalen."

Auch das eine offensichtlich vollkommen unqualifizierte Aussage – allerdings erst eineinhalb Jahre alt. Neben Sommer und Uhlenberg hat Rüttgers wohl mit Krautscheid einen weiteren intellektuellen Titanen in seiner Regierung.

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Dortmund: Klagen der Ehre wegen

Morgen wird die Dortmunder SPD-Fraktion die Liste der gegen Neuwahlen klagenden Genossen veröffentlichen. Danach geht es in die Fraktionsklausur.

Klar scheint zu sein, dass mehrere SPD-Ratsmitglieder gegen Neuwahlen klagen werden. Der Hauptgrund der meisten, die vor Gericht ziehen werden, ist die Rettung der sozialdemokratischen Ehre, denn die meisten der Klagenden haben wohl einen sicheren Direktwahlbezirk und müssen kaum um ihren Wiedereinzug in den Rat bangen. "Viele", so ein Dortmunder Sozialdemokrat zu den Ruhrbaronen, "sehen sich nicht als Wahlbetrüger und glauben auch nicht, dass eine Wahlwiederholung rechtlich in Ordnung ist. Das Wort "Ehre" fällt im Augenblick sehr oft, wenn es um die Frage der Klage gegen die Neuwahlen geht."

Aber der eigenwilliger Ehrbegriff ist nicht das einzige Motiv – bei einzelnen Ratsmitgliedern spielen auch taktische Überlegungen eine Rolle. Sie gehen davon aus, dass die SPD bei Neuwahlen ein noch schlechteres Ergebnis als im August erzielen würde. Schon im vergangenen Jahr fuhren die Genossen das schlechteste Ergebnis bei einer Kommunalwahl seit dem Krieg ein. Eine Machtverschiebung zu Lasten der SPD könnte zu einem längeren Verlust der Regierungsfähigkeit der Genossen in der Stadt führen – für Sozialdemokraten in der Tat keine angenehme Perspektive. Da ist die Verführung groß, auf ein mangelndes Gedächtnis der Wähler zu setzen und die Krise auszusitzen. Eine Milchmädchenrechnung.

 

Ein Blick nach vorne und zurück. Der Kindle

Foto: Flickr.com / Yaisog

Derzeit warten fast alle auf die Erlösung der Journalismus-Krise durch ein neues Medium. Der Ort der erhofften Offenbarung liegt in den Staaten, in San Fransisco, genauer gesagt auf einer Bühne im Yerba Buena Center for the Art. Als Termin hat der Schöpfer den 26. Januar festgelegt. Denn dann soll der iSlate vorgestellt werden. Eine Art großes iPhone, dass als elektronisches Lesegerät die Bücher und die Magazine und die Zeitungen revolutionieren soll. Ich nutze diese Zeit des Wartens, um einen Blick auf den Kindle zu werfen. Das Gerät von Amazon sollte vor kurzem noch das Geschäft mit den Print-Dingern auf neue Beine stellen. Nun überbringt das Gerät schon wieder eine Botschaft aus der Vergangenheit. Aber was verdammt heißt das?

Der englische Kindle 2 ist ein praktisches Gerät. Auf jeden Fall praktischer als dieses Ding von Sony, der eReader, den ich vor ein paar Monaten getestet hatte. Das Sony-Ding war zu langsam, zu schnell alle, zu unleserlich und was weiß ich. Unbrauchbar eben für eine elektronische Revolte.

Nun aber der Kindle 2 von Amazon. Das Gerät ist seit dem 19. Oktober hier im Handel. Es liegt sehr gut in der Hand, es hat eine schwarze Lederhülle, ich kann es wie ein schweres Buch halten. Die Lesekontraste sind OK, dunkelgrau auf hellgrau. Nicht perfekt, aber eben ein bischen steiler als das matschgrau auf matschgrau des Sony-Gerätes.  Die Buchstaben der elektroischen Tinte sind klar. Ich kann Seitenweise lesen, ohne Streß mit den Augen zu kriegen. Ich habe in Kneipen gelesen, in Restaurants, im Zug und im Flieger. Ich habe an Bushaltestellen gelesen und in der S-Bahn. Es ging. Ich wurde nie enttäuscht. Die Buchstaben konnte ich in einem guten halben dutzend Größenvarianten verstellen. Bis ich ein perfektes Verhältnis zwischen Bildschirmgröße, Buchstabenformat und Textmenge je seite gefunden hatte.

Vor allem der Zugang zum Internet war gut. Überall. Selbst in der Schweiz konnte ich Bücher mit UMTS-Geschwindigkeit über ein 3G-Modul runterladen. Und lesen. Es gab auch Zeitungen und Zeitschriften. Auch die konnte ich runterladen und lesen. Alles kein Problem. Ohne Zusatzkosten für einen Provider. Nur für den Lesestoff hätte ich zahlen müssen. Wenn ich ihn hätte kaufen wollen. Wollte ich aber nicht. Dazu später mehr.

Stattdessen habe ich dutzende Bücher angelesen. Denn das geht. Ich kann mir von einem Roman eine Textprobe über etwa 20 Seiten auf den Kindle runterladen. Das kostet mich auf meinen Kindle-Unter-Account in meinem amazon-Ober-Account keinen Cent. Ich kann 1500 Bücher speichern. Auf 1,5 Gigabyte.

Das waren die guten Nachrichten.

Jetzt kommen die schlechten. Keine ordentlichen Bilder. Keine Farbe. Alles in grau-in-grau. Wer braucht das?

Zudem hätte ich die Bücher alle aus dem amazon-store herunterladen müssen. Zu ziemlich hohen Kosten. Ein elektronisches Buch kostet dort nämlich ungefähr soviel wie ein Print-Stück – ohne Papierkosten. Also ungefähr vier US-Dollar weniger, wenn der Roman 14 Dollar kostet. Deutsche Bücher habe ich kaum gefunden, dafür aber 350.000 englische Werke. Aber das kann Zufall sein, weil ich so happy war, dermaßen viele spannende US-Books durchstöbern zu können, habe ich kaum nach deutschen Büchern gesucht.

Gekauft habe ich, wie gesagt, keines. Weil ich das zu teuer fand. Zudem hätte ich das erworbene Buch nirgendwo anders abspeichern können. Ich hätte es also nicht auf einem anderen Gerät lesen können. Zumindest habe ich keine Funktion gefunden, mit der das gegangen wäre. Vielleicht war ich auch zu doof. Vielleicht soll das auch gar nicht gehen. Aber was soll ich mit einem Buch, das ich nur auf einem Gerät lesen kann.

Spielen wir das mal durch. Ich investieren im Laufe eines Jahres etwa 600 Euro in Bücher. Wenn ich meinen Kindle nach drei Jahren verlieren würde, hätte ich damit nicht nur die Hardware verbummelt. Ich hätte eine Bibliothek vergeigt. Keine gute Idee. Davon ab ist das Blättern im Kindle genauso schlecht wie bei anderen elektronischen Readern mit der berühmten elektronischen Tinte E-Ink.  Es dauert einfach zu lange bis ich auf neue Seiten komme, das Umblättern um 30 bis 40 Seiten vorwärts oder rückwärts ist nervtötend, auch wenn ich mir vorher elektronische Eselsohren in die Seiten gestempelt habe. Was weiß ich am Anfang, was ich später nachschlagen will. Das muss ratzfatz gehen, das Blättern, sonst ist das Mist. Um es kurz zu machen.

Ich glaube zudem die Technik des elektonischen Papiers ist Unfug. In der Theorie hört sich alles topp an. Die Bildschirme haben keine Hintergrundbeleuchtung. Zudem kann E-Tinte auf E-Papier das Licht wie normales Papier reflektieren. Texte oder Bilder werden dauerhaft angezeigt. Das spart Strom. Der Kindle beispielsweise kam mit einer Ladung gut eine Woche aus. Und ich habe viel gelesen.

Das E-Papier kann sogar verbogen werden, ohne dass sich etwas an der Lesbarkeit ändert. Der Skiff Reader beispielsweise sieht ordentlich aus, ist riesig im Vergleich zum Reklambuchgroßen Bildschirm des Kindle 2. Und lässt sich dann noch zu einer Halbschale biegen und gleichzeitig lesen. Aber. Leider bleibt alles so verdammt schwarz- weiß. Und es dauert, bis sich ein neues Bild aufbaut. Und überhaupt: wer liest ein Buch oder eine Zeitung in Form einer Halbschale?

Das Problem trifft alle E-Ink-Geräte gleichermaßen. Also nicht die sinnlose Verbiegbarkeit des Bildschirms, sondern das schwarz-weiß-Prob. Der txtr-Reader und wie sie alle heißen. Sie haben alle einen Nachteil: Eine Darstellung, die ungenügend ist. Eigentlich muss ich das anders formulieren. Eine Darstellung, die besser geht. Denn schon auf meinen Telefon kann ich schöner Texte lesen, in bunt mit Bildern. Da hilft es auch nicht, wenn die E-Ink-Geräte nun mit dem Netz verbunden werden und ich wie mit dem Kindle frei und überall Bücher und Zeitschriften shoppen kann. (Deutsche Zeitungen auf dem Kindle? – Handelsblatt und Faz. That’s it.) Selbst das Aktenstudium ist auf den Geräten so lala. Ich kann PDF aufrufen, ja. Aber nicht drin rummalen. Schwer Eselohren setzen und ähnlichen Unfug machen. Vor allem nicht schnell genug blättern.

Deswegen glaube ich auch, dass der Weg woanders lang geht.

Mein Fazit nach dem zweiten E-Ink-Test: Die Geräte braucht niemand. Wir werden in späteren Jahren kein elektronisches Buch auf Basis des E-Ink haben. Das Papier als Medium wird weiterbestehen. Das ist das Beste für Bücher.

Daneben wird es Multimedia-Geräte geben, auf denen ich Bücher schön und leicht lesen kann, die jederzeit ins Netz können, um neuen Lesestoff zu laden. Auf denen ich aber auch Spiele spielen, im Netz surfen oder Zeitungen runterladen kann.

Ich weiß nicht genau wie das aussieht. Der iSlate scheint die Richtung zu weisen. Oder andere Tabloid-Rechner. Für Zeitungen und Magazine ist das sehr spannend. In eMags können Videos eingebettet werden, Hörspiele, Interviews im O-Ton und was weiß ich. Zudem wird das leicht abrechenbar sein, wenn sich Leute Applikationen runterladen oder direkt eMags einkaufen. Auch Bücher werden sicher über die neuen Geräte gelesen werden. Wenn sie Handschmeichler sind.

Der Vorteil neben den besseren Bildschirmen. Eine breitere Funktionalität. Der Nachteil des hohen Energieverbrauchs wird durch beigefügte Ladekabel ausgeglichen. Dann muss das Ding halt öfter an die Steckdose und fertig.

Aber am Besten lese ich mein Buch immer noch im Bett und in der Badewanne. Beides Orte, an denen ich mit so einem Technik-Dingen wenig anfangen kann. Und an denen ein Papierdingen schön tauglich ist. Seit Jahrhunderten.

Goosen und die Prilblumen: dat Ruhrgebiet im Färnsehn

Man kommt sich immer mehr so vor, als hätten die Europäische Union oder die Weltbank oder Abu Dhabi Millionen bereit gestellt, um Horden von Ethnologen (Volkskundlern) ins Ruhr2010gebiet zu schicken, die uns jetzt staunend entdecken und mal so richtig durchleuchten.

Das fühlt sich eigentlich ganz schön an, muss ich gestehen. An die Wertschätzung des neuen GEO Specials oder des ADAC Reisemagazins haben wir uns ja schon gewöhnt, und täglich filtern ja auch die Ruhrbarone Artikel aus fernen Städten und Ländern über uns heraus. Das ist oft lustig zu lesen, vor allem, weil die Autoren häufig Abtrünnige sind, die es hier nicht gepackt haben und dann nach Hamburg gehen mussten.

Nachdem nun auch die aktuelle ADAC Motorwelt ihre entsprechende Titelstory hat („Ruhr 2010: Revier der Ideen“) und in der ZEIT seit Wochen eine sehr lesenswerte Reihe mit tollen Ruhrgebietssagen auf der Kinderseite läuft (zuletzt: „Emscher Neck und Emscher Nixe“; zuvor u.a. „Der Barbarazweig“ oder „Der Raubritter Joost“, was mich an den Heimatkundeunterricht in meiner Volksschule in Bochum-Riemke erinnert, als wir vom Riesen auf dem Tippelsberg erfuhren), nach all diesen putzigen Annäherungs- und Wertschätzungsversuchen also ist leider die Woche fast wieder um, in der das ARD-Morgenmagazin seine Reporter auf uns hetzt und hier mal untern Teppich kuckt.

Heute morgen (aber da schlafen Ruhrbarone noch) ging es zu Frank Goosen nach Bochum. Der Mann ist nicht nur ein Töfften, der dicke Glatzenmann hat auch erheblich abgenommen, so viel, dass ich mir bei meinen eigenen Diätbemühungen bei diesem Anblick schon sage, dass ich es soo weit nun auch wieder nicht kommen lassen möchte. „Könnte glatt Skispringer werden“, flachste Sportmoderator Peter Großmann aus Dortmund-Bodelschwingh. Anyway, warum das Ganze wirklich witzig und mir zumindest neu war: Die eine Omma vom Goosen ist die „Omma Rathaus“, die offenbar früher eine Dienstwohnung im Rathaus bewohnte; Räume, die heute noch unverändert als Amtsstuben genutzt werden. Dass der kleine Frank in der Schule damit punkten konnte, dass seine Omma im Rathaus wohnte, kennt man aus seinen Geschichten; wie das aber da aussieht, lässt einem dat Härz aufgehen. Astreiner brauner Linoleumboden von Anfang der Siebziger (hatten wir in Dunkelgrün), im hellgelb gekachelten Badezimmer (heute der Kopierraum) noch die eigenhändig von Kinderhand angeklebten Prilblumen, und am Waschbecken sogar noch der orangefarbene Plastik-Rasiererhalter vom Oppa. Dazu die Omma am Tisch, die mit orginal Bochumer rauchiger Eckes-Edelkirsch-Stimme von früher erzählte. Herrlich, ich bin heute mit bester Laune und voller Stolz auf unseren Stamm vom Frühstückstisch aufgestanden. Danke, Frank!

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Metropolenträume ausgeträumt

RUHR.2010 startet und Häme wäre eine angemessene Reaktion – meinen unsere Gastautoren von der AG Kritische Kulturhauptstadt Viele der geplanten Projekte werden angesichts der Finanzierungsprobleme der Kulturhauptstadt und leerer kommunaler Haushaltskassen nicht realisiert werden.

In Bochum untersagte die Bezirksregierung eine weitere Verschuldung der Stadt, mit der der Bau des geplanten Konzerthauses finanziert werden sollte. Stattdessen soll nun ein umfassendes Sparprogramm helfen, den Haushalt soweit zu sanieren um auch am Bau eines Konzerthauses festhalten zu können. Wie üblich soll dabei besonders im sozialen Bereich an öffentlicher Infrastruktur gespart werden, was zeigt, dass im Ruhrgebiet Kritik und Protest statt Häme auf der Tagesordnung stehen müsste.

Der „Strukturwandel“ zur Kulturhauptstadt wird genauso an der Mehrheit der BewohnerInnen des Ruhrgebiets vorbei gehen wie schon die Technologieparks der 80er und 90er Jahre. Und mehr noch: Die von der Deindustrialisierung zurückgelassenen Menschen spielen für einen „Wandel durch Kultur“ auch keine Rolle.

Die Kulturhauptstadt 2010 agiert mit einem ausgrenzenden und instrumentellen Kulturverständnis. Kultur dient in erster Linie als Werkzeug zur Wirtschaftsförderung, von der nur eine Minderheit profitieren wird. Die Entdeckung der Kreativwirtschaft als trendige Urbanisierungsmaschine, die gefördert werden muss, reduziert Kreativität auf eine Geschäftsidee.

Ein solches Verständnis von Kultur als Standortfaktor kann im Ruhrgebiet nur scheitern. Schadenfreude ist jedoch unangebracht, sondern eher Wut über die Ignoranz gegenüber einer sozialen Alltagskultur, die sich hinter dem Wortgeklingel der Kulturhauptstadt und ihrem bunten Bespaßungsprogramm versteckt.

Was aber könnte „Strukturwandel“ für das Ruhrgebiet jenseits von „Kreativwirtschaft“ und Kulturhauptstadtmarketing bedeuten? Die Suche nach möglichen Anworten sollte sich vom Zwang der unbedingten ökonomischen Verwertbarkeit lösen. Die Milliarden, mit denen das unvermeidliche Sterben des Bergbaus hinausgezögert wurde, hätten sinnvoller eingesetzt werden können.

Eine Basisforderung hat jedoch auch heute noch unbedingte Gültigkeit: Wenn öffentliche Gelder im Ruhrgebiet investiert werden, sollten sie den Menschen zugute kommen, die hier leben. Das bedeutet, dass kulturelle Infrastruktur in erster Linie soziale Infrastruktur sein muss. Dazu gehört die Entwicklung von Bildungsangeboten, die nicht selektieren, sondern fördern, ebenso wie die Finanzierung von Stadtteilzentren, ein schneller bezahlbarer öffentlicher Nahverkehr oder Schwimmbädern.

Denn wer hier lebt, weiß: Das Ruhrgebiet ist keine Metropole und die Kulturhauptstadt keine Chance, sondern ein leeres Versprechen. Daher fordern wir dazu auf, sich ins Kulturhauptstadtspektakel einzumischen, sich Räume zu nehmen und mit den eigenen Wünschen zu füllen, Unsichtbares sichtbar zu machen, Fragen zu stellen und mögliche Antworten zu diskutieren.

AG Kritische Kulturhauptstadt