Wir wollen hier bei den Ruhrbaronen über Klimaschutz diskutieren. Deswegen freuen wir uns, dass Ludwig Kons, Leiter der Klimaschutz-Aktivitäten bei RWE Power, einen Gastbeitrag für uns geschrieben hat, in dem er auf die Vorwürfe aus einem Gastbeitrag von Bärbel Höhn eingeht, den die energiepolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion – und ehemalige NRW-Umweltministerin, ebenfalls hier bei den Ruhrbaronen gepostet hat. Es geht um Klimaschutz-Projekte in Afrika und anderswo, die der Konzern hier in Europa nutzen kann, um seinen CO2-Ausstoß zu reduzieren. Höhn meint, Klimaschutz muss zu Hause anfangen. Der Konzern sagt, man muss das Ganze sehen. Doch genug der Vorrede: Das Wort hat jetzt unser Gastbaron Ludwig Kons:
Nach dem Kopenhagener UN-Klimagipfel ist die Ernüchterung allseits groß. Nicht minder bei RWE. Unser Unternehmen hätte sich die Weichenstellung für ein neues, international bindendes post-Kyoto Abkommen gewünscht. Wir benötigen Klarheit darüber, wie die Emission von Treibhausgasen in Zukunft sanktioniert werden soll. Die Industrie braucht diese Klarheit für viele unternehmerische Entscheidungen, bei denen der Faktor CO2 zunehmend eine Rolle spielt. Das betrifft Investitionsentscheidungen und Projekte in Europa und auf der ganzen Welt – von der Aluminiumhütte bis zum Windpark. Dies gilt natürlich ganz besonders für Investitionen in den Klimaschutz, vor allem für Projekte des „Clean Development Mechanism“ (CDM) und „Joint Implementation“ (JI), die der strenge Rahmen des Kyoto-Protokolls regelt.
In Anbetracht des Ergebnisses von Kopenhagen scheint es leider nicht wahrscheinlich, dass sich die Staatengemeinschaft auf absehbare Zeit auf einen globalen Emissionshandel einigen wird. Ein weltweites CO2-Handelssystem ist aus unserer Sicht aber notwendig, um der globalen Herausforderung des Klimawandels kosteneffizient zu begegnen. In Europa alleine kann das 2- Grad-Ziel nicht erreicht werden, und ohne weltweite Regeln besteht die Gefahr, dass der Ausstoß von Treibhausgasen nur verlagert statt vermieden wird. CDM und JI sind wichtige Schritte auf dem Weg zu einem solchen globalen CO2-Markt. Diese Mechanismen sind derzeit die einzige Möglichkeit, globalen Klimaschutz durch markt-basierte, streng kontrollierte Instrumente zu finanzieren und umzusetzen. Alleine dadurch heben sie sich positiv von vielen theoretischen Überlegungen zum zukünftigen Klimaschutz ab.
Darum irrt Frau Höhn, wenn sie internationale Klimaschutzaktivitäten von europäischen Energieversorgern wie RWE in Frage stellt. Wenn wir ein internationales Regime zum Klimaschutz, an dem alle Staaten und Unternehmen weltweit teilnehmen sollen, aufbauen wollen, dann sind CDM und JI die Instrumente, die derzeit zur Verfügung stehen. Sie sind ein Vorreiter dessen, was international erreicht werden soll. Und wenn politischer Konsens für eine Klimaschutz-Einigung auf globaler Ebene schwierig ist – siehe Kopenhagen –, dann sollte unternehmerisches Engagement in internationalen Klimaschutz nicht kritisiert, sondern unterstützt werden. Die praktischen Erfahrungen, die dabei gesammelt werden, sind eine wertvolle Basis für den Klimaschutz nach 2012, um den in Kopenhagen gerungen wurde.
Das Beispiel RWE zeigt, dass insbesondere europäische Unternehmen Klimaschutz sowohl auf lokaler und regionaler Ebene als auch international betreiben. Der Leitgedanke dabei ist, jeden Euro dort im Klimaschutz einzusetzen, wo er für dieses Ziel das meiste erreichen kann. RWE setzt das in der Praxis längst um: 6,5 Mrd. € investiert das Unternehmen jedes Jahr in den Neubau und die Modernisierung von Kraftwerken, den Ausbau der Stromnetze und der Erneuerbaren Energien. Das alles in Europa. Dies stärkt die europäische Energieversorgung und dient dem Klimaschutz. Zusätzlich engagiert sich RWE weltweit in 120 CDM- und JI-Projekten. Bis 2020 möchten wir mit diesen Projekten 100 Millionen Tonnen CO2 vermeiden. Das entspricht der Menge an Zertifikaten, die wir unter den Regelungen des europäischen Emissionshandels einsetzen dürfen Mehr CO2-Vermeidung täte aber dem Klimaschutz – und den Ländern, in denen CDM-Projekte entwickelt werden – gut.
Frau Höhn kritisiert außerdem, dass einige Projekte auch ohne den CDM-Mechanismus umgesetzt worden wären und daher nicht „additional“ seien. Richtig ist, dass die Vereinten Nationen ein CDM-Projekt nur unter strengen Auflagen genehmigen. Bevor ein Zertifikat entsteht, wird das CDM-Projekt zweimal durch unabhängige Dritte und mehrfach durch die UN geprüft. Schwerpunkt der Prüfungen ist der Nachweis der Additionalität. Der gesamte Prüfprozess ist transparent und alle Prüfschritte werden im Internet veröffentlicht. Die von Frau Höhn erwähnte Diskussion um chinesische Windparks ist kein Argument gegen CDM, sondern vielmehr ein Beweis für die sehr sorgfältige Prüfung durch die UN.
Bei der rein ökonomischen Betrachtung gehen andere, nachhaltige Effekte von CDM-Projekten leicht unter. Das ist bedauerlich. Denn sie führen auch zu Know-how- und Finanztransfer nach Asien, Latein- und Südamerika und Afrika. Viele CDM-Projekte haben zudem eine soziale Komponente und leiten eine Verbesserung der Lebensumstände in den Projektländern ein. Bei vielen Projekten erleben wir, dass CDM zum Umdenken in Sachen Umweltschutz führt.
So hat RWE kürzlich das erste CDM-Projekt eines Energieversorgers aus der EU in einem der ärmsten Entwicklungsländer in Afrika gestartet. 300,000 Menschen in Lusaka, der Hauptstadt Sambias, werden von neuen Kochsystemen für die Zubereitung ihrer Mahlzeiten profitieren. Diese Kocher werden mit Biomasse betrieben. Die Gesundheit der Menschen wird durch die Vermeidung von Holzkohlenutzung geschützt, der Wald von Abholzung verschont. und die Menschen haben mehr Zeit für andere Tätigkeiten, denn das Kochen geht nun viel schneller. Außerdem werden die Haushaltskassen durch niedrigere Energiekosten entlastet.
Eines unserer größten CDM-Projekte am Standort Abu Quir, die Lachgasvermeidung mit Hilfe modernster deutscher Technologie in der für Ägypten so wichtigen Düngemittelherstellung, führt neben der Vermeidung von Treibhausgas zur Verbesserung der lokalen Bedingungen. Dort können weitere Schadstoffemissionen wie Stickoxide vermieden werden. Lachgas selbst ist 310-mal klimaschädlicher als CO2. Junge ägyptische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen betreiben modernste Klimaschutz- und Monitoring-Systeme. Sie sind Multiplikatoren für die Idee eines globalen Umweltschutzes. Der EnviNOx®-Katalysator von KruppUhde, der das Lachgas aus dem Abgasstrom entfernt, kommt übrigens aus dem Ruhrgebiet.
Sollen solche Projekte und ihre positiven Effekte wirklich gestoppt werden? Wir sind der Meinung: Nein. CDM leistet schon heute vieles von dem, was in Kopenhagen angestrebt wurde: Klimaschutz, der sich nachweisen läßt; Finanz-, Technologie- und Know-how-Transfer; Verbesserung der Lebensumstände in Entwicklungs- und Schwellenländern. CDM zeigt heute schon praktisch, wie die globale Herausforderung Klimawandel durch weltweites, verantwortliches unternehmerisches Handeln angenommen werden kann.
Deshalb muss die Frage lauten: Wie kann CDM für den globalen Klimaschutz verstärkt genutzt und gleichzeitig weiterentwickelt werden auf dem Weg zu einem global bindenden, fairen CO2-Handelssystem? Wollen die Europäer weiter Vorreiter beim Klimaschutz sein, lässt sich diese Position nur dann durchhalten, wenn auf den bereits gewonnenen Erfahrungen weiter aufgebaut werden kann.