Der neue Theo

Das Ruhrgebiet im Kino war selten so abgerockt, liebenswert und erfolgreich wie in den "Theo"-Filmen. Die zwei Streifen mit Marius Müller Westernhagen atmeten den Versuch ohne Pütt zu überleben, weiter zu machen – jung, bekloppt, neu, schnell, hartnäckig, loser with attitude. Damals war das Revier in einem Aufbruch als die Kreativwirtschaft noch kein Cluster war. Und jetzt ist Theo wieder da…

Nee, natürlich ist das …

Theo 2010.

Adam Bousdoukos spielt Zinos Kazantsakis. Besitzer einer alten Lederjacke und Industriehalle in einem Gewerbegebiet, in der er die "Soul Kichen" betreibt. "Das ist ein romanisches Kaffee, die Leute werden euch die Bude einrennen", sagt der Meisterkoch zu dem speziellen Ambiente, das wir im Ruhrgebiet ja ganz gut kennen.

Doch der nette Film von Fatih Akin übers Weiterleben, über DAS Projekt, übers Durchwursteln, zur Not auf der letzten Bandscheibe, dieser neue Theo-Streifen mehr als dreißig Jahre später spielt nicht mehr im Ruhrgebiet, sondern irgendwo in Hamburg. Schade. Aber auch kein Wunder.

Im Ruhrgebiet jenseits von Wanne, Eickel oder Herne werden nächste Woche Bundespräsidenten auf Zeche Zollverein die Kulturhauptstadt vor 1.200 Ehrengästen eröffnen. Mit Damenprogramm, wochenlanger Vorbereitung, einem Sicherheitsaufwand und Protokollstab rund um Horst Köhler, als ob er Angst hat, dass ihn sonst keiner bemerken würde. Und so Unrecht hat er ja nicht damit. Im größten Freilichtmuseum der Welt freuen wir uns auf die Eröffnung des Berthold-Beitz-, pardon, Folkwang-Museums, auf die Erweiterung der Küppersmühle im Innenhafen, auf das U in Dortmund. Auf Volksfeste, Fischerchöre, Theaterfestspiele. Und haben damit auch nicht ganz Unrecht.

Nur Theo Gromberg, Schmutz, Dreck, Gosse, der "Kinderschänder von Herne", der ewige Zocker, der doch nur seinen eigenen Laster haben will und sein Ding machen, die Keimzelle von allem, der ist nicht mehr hier.

Fürchte, da hilft auch keine "kreative Klasse". 

PS: Wotan Wilke Möhring (Bild 1) sieht nur so aus wie Theo, spielt in Soulkitchen einen fiesen Audifahrer; wuchs aber im wirklichen Leben immerhin in Herne auf, heute, natürlich, Köln.

Steinmeier wird am Hindukusch verteidigt

Der SPD Vorsitzende Sigmar Gabriel zückt die afghanische Karte. Wie die Abstimmung über Freibier ist der Ausgang der von Gabriel angeregten Genossenbefragung über den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr vorhersehbar: Raus aus Afghanistan und zwar schnell. Damit grätscht Gabriel vor allem dem SPD Fraktionsvorsitzenden Frank Walter Steinmeier in die Beine.

Der Afghanistaneinsatz der Bundeswehr ist auch Steinmeiers Werk, erst als Kanzleramtsminister unter Gerhard Schröder und später als Außenminister trägt er dafür die politische Verantwortung. Nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 bereiteten Bundeskanzler Schröder und der damalige Außenminister Joschka Fischer den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr vor. Mit dem militärischen Engagement der Bundeswehr schlug die Bundesregierung zwei Fliegen mit einer Klappe. Anfänglich konnte sie damit die versprochene  „uneingeschränkte Solidarität“ zu den USA belegen und später den deutschen Anspruch auf Eigenständigkeit in der Außenpolitik begründen. Weil die Bundeswehr in Afghanistan war, konnte Schröder den „Deutschen Weg“ ausrufen, den Irakkrieg ablehnen und die Bundestagswahl 2002 gewinnen. Steinmeier hat dabei an vorderster Stelle mitgemischt.

Er trägt damit aber auch Verantwortung für den Konstruktionsfehler des militärischen Einsatzes. Von Anfang an verweigerten Schröder und Fischer der Bundeswehr in Afghanistan den klaren Auftrag. Auf keinen Fall sollte es ein Kriegseinsatz sein. Die Entsendung als bewaffnete Brunnenbohrer war von Anfang grotesk. Die Bundesregierung schielte von Beginn des Afghanistaneinsatzes an allein auf die außenpolitische Münze des Engagements und verweigerte sich klare Ziele und Aufgaben für die Soldaten aufzuzeigen. Dieses Versäumnis führte letztendlich zu der Kunduskrise, als im Sommer 2009 auf Anforderung eines deutschen Bundeswehroberst US Kampfflugzeuge zwei Tanklaster bombardierten und viele Zivilisten töteten. Acht Jahre lang verirrte sich die Bundeswehr in dem Verwirrspiel über Sinn, Aufgabe und Ziel der Afghanistanmission. Spätestens seit Moltke ist jedoch bekannt, dass ein Krieg ohne klare Ziel- und Strategievorgaben nicht zu gewinnen ist. Zumal der Krieg nicht mal ein Krieg sein durfte.

Steinmeier hat an diesem Versteckspiel mitgewirkt. Später als Außenminister sicherte er den  Afghanistaneinsatz der Bundeswehr durch Bündnisse mit dem usbekischen Despoten Islam Karimow ab, um auf dem Territorium des usbekischen Menschschlächters eine Bundeswehrbasis zu halten.

Spätestens seit diesem Sommer ist klar, dass Afghanistan den Bach runter geht und damit auch die verunglückte Bundeswehrmission.Die meisten Genossen in der SPD hatten von Anfang an Bauchschmerzen mit der Mission und würden wohl  lieber heute als morgen für den Abzug stimmen. Auch wenn die SPD keine Regierungsverantwortung mehr trägt, würde dies der Parteiseele guttun. Gabriel hat dies erkannt. Der SPD Chef weiß aber auch, dass dann für ihn ein Amt im Bundestag frei werden würde. Denn, wenn die SPD mit Rückendeckung Gabriels die Zustimmung zu einem weiteren Bundeswehreinsatz am Hindukusch verweigert, beendet dies die politische Karriere des jetzigen SPD Fraktionsvorsitzenden. Steinmeier müsste sich andernfalls jeden Tag der Lächerlichkeit preisgeben, wenn er als Oppositionsführer für den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan streiten würde.

Jahresrückblick 2009: Oktober

Schalke geriet in finanzielle Turbulenzen, wir entdeckten unsere Liebe zu Hagen und Roberto Ciulli sprach über seine Fassbinder Inszenierung.

Meisterschaft in den kommenden vier Jahren? Erst einmal wird Schalke sich um seine Finanzen kümmern müssen – das gefiel den meisten von uns zwar auch nicht, musste aber trotzdem geschrieben werden. Was uns auch nicht gefiel war, dass ein russischer Priester so lange von muslimischen Jugendlichen bedrängt wurde, dass er schließlich Bochum verließ – wir sprachen mit ihm. Ebenfalls ein Interview gab uns Robert Ciulli, die Intendant des Theaters Müllheim – er hatte das Stück "Der Müll, die Stadt und der Tod" aufgeführt – das Fassbinder-Stück gilt als antisemitisch. Als Antisemit gilt auch Waldorfschulen-Begründer Rudolf Steiner – wir fragten nicht nur deshalb nach der Qualität der Waldorfschulen.

Im Oktober war auch der Koalitionvertrag von FDP und CDU fertig – und die Netzsperren damit erst einmal vom Tisch. Die Linkspartei-NRW belustigte uns mit ihrem Programm zur NRW-Wahl und wir entdeckten unsere Liebe zu Hagen. So kanns kommen.

 

Jahresrückblick 2009:

Januar

Februar

März

April

Mai

Juni

Juli

August

September

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet.

Ruhr2010: Grüne fordern späte Korrektur der Mittel…Der Westen

Ruhr2010 II: Homer im Pott…News.de

Ruhr2010 III: Essen, Pecs, Istandbul…ORF

Ruhr2010 IV: Raum ertanzt…Der Westen

Ruhr2010 V: Boah hömma…Hamburger Abendblatt

Essen: Interview mit OB Paß…Der Westen

Iran: Regime Change statt Dialog…Lizas Welt

Gelsenkirchen: Innenstadt atmet auf…Gelsenkirchen Blog

Kunst: Ausstellung im Halfmannshof…Hometown Glory

CCC: Island zum Datenfreihafen machen…Netzpolitik

App: Talk-O-Meter…Pottblog

WAZ: Westfälische Rundschau schließt Büro in Kreuztal…Medienmoral NRW

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Jahresrückblick 2009: September

Im September war Bundestagswahl, aber auch der Bau des E.on  Kraftwerks in Datteln wurde erst einmal gestoppt und dann gab es noch das Internet Manifest.

Phillip Missfelder, der aus Recklinghausen stammende Chef der Jungen Union, war im Interview bei uns gegen eine Fortsetzung der großen Koalition – und manchmal werden Wünsche war. Selbst der Rumänen-Ausfall von Ministerpräsident Rüttgers änderte am Erfolg der Union nichts. Anders sah es bei der SPD aus: Die schmierte ganz übel ab.
Ob das auch an den Haushaltslügen in Dortmund lag? Wir hielten jedenfalls schon vor drei Monaten Neuwahlen in Dortmund für unumgänglich.

Schlechte Nachrichten gab es auch für E.on: Der Weiterbau des neuen Kohlekraftwerks in Datteln wurde dem Stromkonzern vom OVG erst einmal untersagt. Hannelore Kraft (SPD) und Bärbel Höhn (Grüne) reagierten mit Gastkommentaren auf die Entscheidung.

Aber es gab auch noch schöne Themen: Die Liebe zum Beispiel. Die Jungs von der Wattenscheider Schule machten sich auf, sie zu finden. Und es gab Erfolge: Westen-Chefin Katharina Borchert wechselte zu Spiegel-Online. Sogar ein Internet-Manifest gab es – wir fanden es aber eher öde.

Jahresrückblick 2009:

Januar

Februar

März

April

Mai

Juni

Juli

August

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Jahresrückblick 2009: August

Bei der Kommunalwahl im Ruhrgebiet landete die SPD einen Überraschungserfolg – zumindest bei der OB-Wahl. Es gab Ärger um einen geplanten Stadionneubau in Essen und auch die Schalke-Hymne sorgte für Aufregung.

Ulrich Sierau

Kurz vor der Kommunalwahl gab  uns SPD-OB Kandidat Ullrich Sierau ein Interview – die Haushaltsprobleme, deren Verschweigen für Neuwahlen in Dortmund sorgen sollten, waren kaum ein Thema. Und mit Kandidaten wie Sierau gewann die SPD die OB-Wahlen im Ruhrgebiet. In den Räten schnitten die Roten dagegen eher schlecht ab.
Ein weiteres Ergebnis der Wahl: Rechte zogen in viele Räte in NRW ein.
Der PFT-Skandal weitete sich aus – im August war klar dass über 1000 Felder in NRW mit dem Gift kontaminiert waren. Und dann regten sich ein paar muslimischen Fundamentalisten über die Schalke-Hymne auf – aber es blieb ein Sturm im Wasserglas. Die Pleitekicker von RWE riefen hingegen den Staatsanwalt auf den Plan.
Und dann kam ja auch die Bundestagswahl näher. Wir diskutierten über Schwarz-Grün.

 

Jahresrückblick 2009:

Januar

Februar

März

April

Mai

Juni

Juli

 

Jahresrückblick 2009: Juli

Bei der Piratenpartei sorgte ein Rechter für Aufregung, Gelsenkirchens OB Frank Baranowski kann sich einen Revier-OB vorstellen und Jusos können nicht tanzen.

Frank Baranowski

Lange blockierte die SPD jede Entwicklung im Ruhrgebiet – im Juli gab es Hoffnung auf einen Kurswechsel: Gelsenkirchens OB Frank Baranowski konnte sich die Direktwahl eines Revier-OBs vorstellen – für die Grünen eine späte Erkenntnis.
Bodo Thiesen hieß der Mann der im Juli bei den Piraten für Aufregung sorgte – er leugnete den Holocaust und das wurde massiv kritisiert.
Ärger hatten das Blog Bo-Alternativ: Ein Tortencomic galt der Staatsanwaltschaft als Aufruf zur schweren Körperverletzung. Im Juli kam der Freispruch. Später ging die Staatsanwaltschaft in die Revision. Vor Gericht trafen sich auch die NRW-Landesverbände von CDU und SPD wegen der von uns Veröffentlichten Änderungen im Lebenslauf von SPD-Chefin Hannelore Kraft – die Sozialdemokraten gewannen. Ein Grund für die SPD-Jugend zu feiern, aber wir stellten leider fest: „Jusos können nicht tanzen.“

Jahresrückblick 2009:

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