Update der Internetsperre: WDR feiert erst einmal Karneval

NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter hat dafür gesorgt, dass die Mitarbeiter ihres Ministeriums nicht mehr auf das Internetangebots des Westdeutschen Rundfunks zurückgreifen können. Die Personalvertretung ist erbost – der WDR indes schweigt.

Bislang konnten laut FR-Online die Mitarbeiter des NRW-Justizministeriums über die automatische Startseite der Ministeriums-Rechner, Justiz-NRW, auf das Angebot zugreifen.

Damit ist nun Schluss: Denn das NRW-Justizministerium verweigert Kritikern aus dem eigenen Haus den vollen Zugang zum Netz: Der WDR ist für Bediensteten der Justiz ab jetzt Tabu, wie aus einem internen Schreiben aus dem Justizministerium hervorgeht, das den Ruhrbaronen vorliegt. Die Ursache könnte sein, dass auf WDR.de nach dem Ausbruch von zwei Schwerverbrechern aus einem Aachener Gefängnis immer wieder heftige Kritik von Forums-Schreibern an Ministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) veröffentlicht wurde. Das Ministerium bestreitet den Zusammenhang.

Offiziell heißt es, der WDR habe gesperrt werden müssen, weil die Justiz-Mitarbeiter während ihrer Arbeitszeit zu viel gesurft hätten. „Die Tunnellung zum WDR ist aufgegeben worden, weil Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass während der Dienstzeit in mehr als nur unerheblichem Umfang dienstfremder Beschäftigung nachgegangen worden ist“, steht in der Mitteilung. Bislang konnten die Mitarbeiter von ihrer „Justiz-NRW“-Startseite auf verschiedene Seiten zugreifen, zum Beispiel auf Wikipedia, die gelben Seiten und „meinestadt“. Der öffentlich-rechtliche Sender WDR gehörte traditionell zu den Top-Links, er wurde nun als einziger gesperrt.

„Hier wird ganz klar Zensur geübt“, sagte mir Manfred Evers, oberster Personalrat beim Oberlandesgericht Düsseldorf. Unliebsame Kritik an der Ministerin solle totgeschwiegen werden. „Die Kollegen sind sauer über eine Ministerin, die für Personalnot und tausende Überstunden verantwortlich ist“, sagte Evers. Seit 33 Jahren arbeite er beim OLG, aber „diese Ministerin topt mit ihrer Untätigkeit alle Vorgänger“, so Evers.

Das Ministerium weist eine politische Zensur von sich. Es gebe keinen Zusammenhang zu der Kritik auf WDR.de, sagt Sprecher Ulrich Hermanski. Die Seite habe zu „dienstfremden Beschäftigungen“ geführt und dienstliche Belange beeinträchtigt. Konkrete Einzelfälle habe es aber nicht gegeben.

„Dienstfremd“ waren in diesem Fall vielleicht auch die mehr als hundert Foreneinträge. Meistens berichten die JVA-Beamten unter Pseudonym von ihrem stressigen Arbeitsalltag. „Die Ministerin ist eine Zumutung“, schreibt einer. Auf den Fluren stapelten sich die Akten und Fristen könnten längst nicht mehr eingehalten werden. Ein anderer Teilnehmer schreibt, die Ministerin würde „immer weiter auf Kosten der Sicherheit Personal sparen, um es den Knackis noch gemütlicher zu machen.“

Seit vor zwei Wochen die beiden Schwerverbrecher aus dem Gefängnis ausbrechen konnten, steht die Juristin Müller-Piepenkötter unter Druck. Nur scheibchenweise informierte sie die Öffentlichkeit über die Vorgeschichte des skandalträchtigen Ausbruchs: Inzwischen ist bekannt, dass ein Vollzugsbeamter bei der Flucht geholfen haben soll. Zehn Tage vor der Flucht seien gegen den Mann Ermittlungen wegen Bestechlichkeit eingeleitet worden.

Die Opposition forderte erneut den Rücktritt der CDU-Dame: "Es kommen immer neue Hinweise über katastrophale Missstände an der JVA Aachen an die Öffentlichkeit“, sagt SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger. Die Ministerin gebe aber immer nur das zu, was sich nicht mehr leugnen ließe. „Sie klammert sich an ihren Ministersessel“, so Jäger. Schon an diesem Mittwoch muss MüPi, wie sie in Düsseldorf genannt wird, vor dem Landtag wieder Rede und Antwort stehen. Die Mitarbeiter aber wird der Zensur-Versuch sicherlich nicht von ihrer Kritik abhalten: Von ihrem privaten Rechner aus können sie weiter ihre Forumsbeiträge absetzen.

Bei der WDR-Presestelle will man sich  zu dem Vorgang nicht äussern und verschickt indes lieber eine Pressemitteilung zum bunten Karnevalsprogramm des Senders: "Der Westdeutsche Rundfunk präsentiert auch in der Session 2010 ein kunterbuntes, jeckes Karnevalsprogramm in Fernsehen, Hörfunk und Internet."

3 FÜR 7 – Diesmal ohne Tipps

Sorry. Diese Woche wird der Joker gezogen, der da heißt: Der Autor dieser Zeilen möchte gar nichts empfehlen, was mit Veranstaltungen zu tun hat. Anderes vielleicht. Aber nicht (z.B.): Weihnachtskonzerttraditionen, Prominentenschaulaufen, Geburtstagspartys.

Mag ja sein, dass die Show immer weiter gehen muss, jedes Tierchen sein Pläsierchen bekommen soll und sich über Geschmack vortrefflich streiten lässt. Ich frage mich gerade, ob es in Afghanistan schon Charts gibt. Nicht dass wir uns missverstehen: Deutschland hat seinen Anteil daran, dass das Attentat auf das WTC stattfinden konnte; das Militär schlägt mal so einfach derbe zu und freut sich, dass geschaffene Fakten für sich sprechen (erinnert mich an manche Argumentationsmuster beim letzten Militärschlag Israels gegen Palästina); Steinmeier und Struck sind aus der medialen Schusslinie, Schröder und Fischer eh, zu Guttenberg ist habhaft. Alles geschenkt in diesem Moment, auch dass die parlamentarische Opposition nur Machtpolitik betreibt. Aber dieses Hineinsickern von Kriegsmentalität in die Gesellschaft… Irgendwie hört der Schreiber dieser Zeilen z.B. nie mehr (natürlich zufällig) Metallica, ohne daran zu denken, dass das Soldaten gerne beim Töten hören. Was hören eigentlich die deutschen Soldaten? Kreator? Oder so sexy Cunt Rock? Jedenfalls sind all die Heavy Metal Festivals rund um das größte Fest der Christenheit (samt Teufel und was sonst noch so dazugehört) dieses Jahr No-Go-Area. Anti-Tipp.

Huppert war da, Lucy schaut auch mal rein. Irgendwann im Verlauf des nächsten Jahres wird es schon aufgrund des irre tollen Prominentenaufkommens jedeR denkbare KritikerIn des werten Kulturhauptstadtgebahrens schwer haben. Die Kameras richten sich ja irgendwie auf alle Ruhries, und selbst die Haltung "Wir sind fast pleite! Was soll all der Glam!?!!" wird zur Mentalitäts typischen Folklore erklärt werden. Auf dass bloß nicht daran gerührt wird, dass der Standort ja anscheinend viele Investoren braucht, deren Lebensinhalt es ist, immer wieder Karten für Veranstaltungen mit Promibeteiligung zu ergattern. Ruhm kostet ja nichts, und ein wenig Sexyness wird auch schon abfallen, fein. Eigentlich noch schlimmer: Die dazugehörige dankbare Haltung, weil die Region hier so etwas ja sooo nötig hat! Die Kultur wird Beiwerk sein für unverbesserliche Schöngeister, der Rest macht Sehen und Gesehen Werden, "realpolitik", wie es mittlerweile ja auch im Englischen heißt – und nicht erst seit irgendein Oberst die Drecksarbeit für Obama (und andere) macht. Erschreckend, wie das große Ganze manchmal verschütt gehen kann, und alle haben ja genug mit sich selbst zu tun oder so.

Und so feiert die hehre Christenheit also Kindergeburtstag, und auch diese und jene Diskothek, so mancher DJ, etc. Am letzten Wochenende hatte der Schreiber dieser Zeilen die Ehre, gleich drei dieser Veranstaltungen besuchen zu dürfen und ist jetzt schon richtig satt, aber es wird weitergehen. Überall reden die Leute über Pop, Erfolg und … Idiosynkrasien, tatsächlich. Und natürlich trifft sich die Meute, die Szene, der Kiez auch immer einfach gerne noch einmal gen Jahreswechsel oder kurz danach, wie bei anderen Firmenveranstaltungen ja fast auch. Das Schlimme: Es wird im Ruhrgebiet vielleicht das ganze nächste Jahr über so weitergehen! (Der Autor schickt den Artikel ab und schüttelt sich.)

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Ruhr 2010: Aus für Bochumer Konzerthauspläne?…Der Westen

Ruhr 2010 II: Bochum sieht sich nicht als Verlierer…Der Westen

Ruhr2010 III: Eröffnungsfeier…Hometown Glory

Dortmund: Auch die FDP setzt auf Pohlmann…Ruhr Nachrichten

Hooligans: DFB verurteilt Revier-Clubs…Ruhr Nachrichten

Google: Ratingen lässt nur gegen Geld filmen…Der Westen

Rechte: Demo für MInarettverbot…Welt

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Buch: Gelsenkirchener Geschichten…Gelsenkirchen Blog

Ruhr2010 IV: KNSK bringt Kulturhauptstadt ins Radio…Horizont

Ruhr2010 V: Möwe landet im Hafen…Der Westen

Vorratsdatenspeicherung: Heute mündliche Anhörung…Netzpolitik

Nerdküche: Hot-Dog-Pizza…Kueperpunk

 

 

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Kuschelige Kreative

Das Empirica-Institut befragte 48 ausgewählte Unternehmen der Kreativbranche im Ruhrgebiet  nach ihren Bedürfnissen und den Gründen für die Standortwahl. Das Ergebnis: Die Kreativen im Revier mögen es gerne kuschelig und scheuen den Konkurrenzdruck.

Die Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet gilt als einer der Hoffungsträger der Wirtschaft im Ruhrgebiet – zumindest bis zum Ende des bald beginnenden Kulturhauptstadtjahres.

Nun schaute sich das Empricia-Institut im Auftrag der Ruhrgebiets-Wirtschaftsförderung die Kreativen im Revier etwas genauer an.

Nach der Umfrage sind die meisten Unternehmen der Branche klein – nur wenige haben mehr als fünf Mitarbeiter und jeder fünfte Kreative arbeitet von seiner Wohnung aus. Die Schwerpunkte der Kreativwirtschaft im Revier liegen in Dortmund, wo 36 Prozent der Kreativunternehmen des Reviers beheimatet sind, Essen (21%) und Duisburg (15%) folgen auf den Plätzen zwei und drei. Auf den billigen Rängen finden sich dann Bochum (10%) und Dinslaken (6) wieder. In Gelsenkirchen, Oberhausen und Mülheim sind  gerade einmal je 4 Prozent der Kreativen tätig.  

Größtes Segement innerhalb der Kreativwirtschaft im Revier ist nach dieser Untersuchung mit 26 Prozent die Designwirtschaft, gefolgt vom Kunstmarkt (24%) und der Werbung (10%).

Und was lieben die Kreativen? Ein Umfeld mit netten Cafés und Kneipen und billigen Räume. Über sieben Euro den Quadtratmeter möchte und kann kaum jemand zahlen. Die Gründe im Ruhrgebiet zu arbeiten sind eher pragmatisch und zeugen von einem geringen Wachstumspotential:  Man war schon immer hier – und schätzt den Mangel an Konkurrenz, der man ja in Köln oder Berlin begegnen könnte: "Als Gründe für die Zufriedenheit mit dem Standort Metropole Ruhr wurden vor allem die weniger große Konkurrenz durch andere Kreativunternehmen und die dadurch erfahrene erhöhte Aufmerksamkeit genannt."

Eine Branche die den Konkurrenzdruck scheut als Hoffnungsträger der wirtschaftlichen Entwicklung? Warum nicht. Es soll ja auch Fußballprofis mit Schweißallergie geben.

Umfrage als PDF zum Download: Klick

Das nächste Jahrzehnt

Vor zehn Jahren ungefähr stand ich auf einem Dach in Berlin Prenzlauer Berg. Es war der erste Januar des neuen Jahrtausend. Wenige Minuten nach null Uhr. Es war nebelig, kalt und glatt. Raketen zischten in den Himmel – zu sehen war fast nichts. Der Nebel wurde dichter. Nur hier und da hörte ich die verhaltenen Detonationen der Böller. Selbst unten am Brandenburger Tor soll nichts zu sehen gewesen sein, schon gar nichts von der angekündigten Lichterschau. Später hieß es, das war wohl ein seltener Wettereffekt.

Foto. flickr.com / slipper buddha

Zehn Jahre sind jetzt um. Ich bin fast vierzig. Ich habe zwei Kinder, eine Frau. In meinem Beruf konnte ich mich durchsetzen, darüber bin ich froh. Damals, ich kann mich gut erinnern, war ich gespannt, was das neue Jahrtausend bringt. Als Kind in den Achtzigern habe ich immer gedacht, im Jahr 2000 wird alles gut. Wenn ich nur so alt werde, das zu erleben, werde ich in einem Sessel sitzen und meinen Enkeln erzählen, was wir damals für ein Elend hatten. Manchmal kam ich mir selbst vor, als würde ich auf einer Rakete in die Zukunft geschossen.

2001 im September habe ich beim Time Magazin gearbeitet. Es war ein schöner Spätsommer in New York. Bis die Flugzeuge in den Türmen explodierten. Ich habe den Brand damals über den Hudson ziehen sehen, weit über Long Island hinaus, bis auf den Atlantik und weiter. Ein Mann stand da neben mir, während wir auf herabregnende Akten in der Wall Street blickten. Er sagte mir, bald werde ein Staat von der Landkarte verschwinden. Welcher war damals fast egal. Die New Yorker Boulevard-Blätter titelten: „WAR“ Und genau das war das Gefühl. Und genau das war die Botschaft in das neue Jahrzehnt.

Ich war am "Ground Zero" damals. In dichten Stößen stieß da der Rauch aus den Spalten. Es stank erbärmlich nach brennendem Plastik. Ich bin eine ganze Woche unterwegs gewesen. Ein paar Hush-Puppy-Schuhe hab ich in der City kaputt gelaufen. Meine Haut war seltsam gerötet, ich konnte nur schwer durch die Nase atmen. Eine Bekannte sagte, das komme vom Trümmerdreck in Manhattan. Ich hatte keine Staubmaske auf.

Tausende Menschen wurden vermisst. Wenige hundert Tote wurden geborgen. Eine Freundin sagte, der Rest sei zu Asche verbrannt. Die Temperatur in den brennenden Twin Towers seien größer gewesen als in einem Krematorium.

Ich krame in meinen Notizbüchern. Immer wieder habe ich mir Namen notiert, die auf den Flugblättern in der ganzen Stadt hingen. Hinter jeden Namen habe ich die Etage geschrieben, in der das Opfer gearbeitet hat. Nie die Telefonnummer des Suchenden. Ein paar Flugblätter sehe ich immer noch vor Augen. Wie das von Dr. Sneha Ann Phillip, 106. Etage. Es klebte einsam an einem Laternenpfahl an der Ecke Broadway und 50. Straße. Auf dem Flugblatt sind vier Fotos, drei farbige, eines in Schwarzweiß. Unter den Fotos ist ein Steckbrief abgedruckt. Augen: braun. Haare: schwarz. Hautfarbe: oliv. Ron Lieberman bittet um Rückruf, falls jemand Frau Phillip gesehen hat.

Auf den Fotos lächelt Sneha Ann. Sie spielt mit einer getigerten Katze. Ein anderes ist vor uralten Säulen aufgenommen, ein feines Relief ist zu erkennen. Sneha Ann schaut direkt in die Kamera – als suche sie die Person dahinter. Auf dem Schwarzweißfoto sind ihre Augen weit geöffnet, die Lippen feucht. Der Kopf ist vorgeneigt, eine Locke hängt ihr ins Gesicht. Es sieht so aus, als sei Sneha Ann verliebt.

Ich kann mich erinnern, wie mir die Erkenntnis kam. Es war später irgendwann, ich habe mir wieder an die Nase gefasst und versucht den Dreck rauszuniesen, der sich beim Brand am Ground Zero festgefressen hatte. Ich habe erkannt. Das war der Staub aus dem Krematorium der Türme. Ich hatte wohl Leichen geatmet.

Die Tage in New York haben mich verändert, sicher. Ich habe Angst davor gekriegt, dass der Krieg uns frisst. Ich habe heute Angst um meine Söhne, dass sie irgendwann in so einen Krieg ziehen müssen, der im Nebel stattfindet, über den Leute erzählen, es würden Tankwagen zerstört, wenn es darum geht, Menschen am lebendigen Leib zu verbrennen.

Das aber ist nicht alles, was das vergangene Jahrzehnt gebracht hat. Mit dem Krieg und meinen Kindern kam die Sorge um den Planeten zurück. Ich habe in den Achtzigern gegen Treibhausgase demonstriert. Damals ging es um die Mittel aus dem Spraydosen, ich war vielleicht fünfzehn oder so. In meinen zwanziger Jahren habe ich mir gedacht, was soll es, ich will Leben. Die Statistiken gingen mir zwar nicht aus dem Kopf, von den aussterbenden Arten, von den verbrannten Wäldern, von den vergifteten Flüssen. Ich habe nur gelernt, das alles zu ignorieren. Mehr nicht.

Nun aber habe ich es wieder gesehen. In den vergangenen Jahren. Die leeren Gletschertäler, in denen das Eis fehlt. Die ausgebrannten Hügel, auf denen Urwälder standen. Ich habe auch die dreckigen Flüssen gesehen und die toten Fische. Es ist alles eingetreten, vor dem ich als Kind Angst hatte.

Heute wird verhandelt über ein neues Klimaabkommen in Kopenhagen. Es wird wenig zurückholen, von dem was verloren ist. Vielleicht wird es im kommenden Jahrzehnt irgendetwas retten. Ich weiß es nicht.

Ich denke an eine Schneewiese, die ich als Kind gesehen habe. Frisches, glattes, kitschiges, reines Weiß. An meiner Grundschule. Es ist früher Morgen, ich bin der erste hier. Alles neu, Kristalle glänzen, wie Märchenfunkel. Ich will nicht weitergehen. Ich will nur sehen. Sekunden später werfen die anderen Bälle, sie jagen sich. Lachen. Irgendwo hinter meinem Rücken. Ich gehe ein paar Meter, schaue in die kahlen Bäume. Und das reine Weiß. Ich werfe mich auf den Boden und wedele mit meinen Armen und Beinen. Ich will ein Adler werden. Wenn ich aufstehe, kann ich den Adler auch tatsächlich sehen. Ich atme Raureif. Meine Nase ist kalt. Meine Backen glühen. Ich bin wohl glücklich.

Dann drehe ich mich um. Die Schneewiese ist verschwunden. Jetzt ist es grauer, verdreckter, steiniger Matsch. Kinderfüße, Erdbrocken. Ich kann mich an die Stiche in der Brust noch heute erinnern. An meine Tränen in der Nase. Etwas war im Spiel zerstört zu Bruch gegangen, das ich in wenigen Minuten so geliebt hatte.

Später gingen wir dann in die Klassen. Ich habe aufgehört zu flennen. Und stattdessen rechnen gelernt. Und schreiben.

Ich habe heute Hoffnung für das neue Jahrzehnt. Ich weiß nicht, wie es wird. Ich weiß nicht, was wird. Aber ich sehe, dass es Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen Menschen gibt, die daran arbeiten, dass alles besser wird. Wir werden vor Problemen stehen, die unüberwindbar erscheinen. Es wird um reines Wasser gehen und um warme Häuser. Wir werden Angst haben, vor neuen Krankheiten und vor alten Feinden. Vielleicht werden viele Menschen sterben. Aber es wird immer einer überleben.

Aids können wir behandeln und manchmal sogar Krebs heilen. Es gibt Spülmaschinen und Elektroautos. Speicherkarten und das Internet. Sprachförderung und Kindergärten, Erdbeeren im Winter und Latte Machiatto.

Das Ende der Welt war niemals nahe. Es war manchmal hart und manchmal beschissen. Aber es ging immer weiter.

Vielleicht müssen wir mehr auf Gott vertrauen. Und darauf, dass die Menschen in der Not immer den richtigen Ausweg finden. Nicht für alle. Aber für die meisten. Ich denke mit meiner Frau gerade drüber nach, eine Wohnung zu kaufen. Als Altervorsorge. Riestern ist ja wohl nichts. Und irgendwas muss man ja tun.

Damals vor zehn Jahren in Berlin sind wir nach ein paar Stunden auf dem blinden Dach zurück in die Wohnung geklettert. Wir haben auch dort nicht in die Zukunft gesehen, selbst beim Bleigießen nicht. Aber wir hatten es warm und gemütlich. Ich meine wir haben Glühwein getrunken. Und Zigaretten geraucht. Scheiß drauf, wir waren noch jung. Jetzt werde ich alt. Das neue Jahrzehnt beginnt.

Rüttgers Problemzone – der Wähler

In Nordrhein-Westfalen lässt CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers seine Truppen nicht durch Rücktritte schwächen. Gerade jetzt nicht, im Aufgalopp zum Wahlkampf für die Landtags-Elektion im kommenden Mai. CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst will nicht abtreten. Obwohl er unberechtigt Geld kassiert hatte. CDU-Umweltminister Eckhard Uhlenberg ist nicht zurückgetreten. Obwohl er die Öffentlichkeit getäuscht hatte. CDU-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter kriegt die NRW-Knäste nicht in den Griff. Abtreten deswegen – ach quatsch. Die CDU-Landtagspräsidentin Regina van Dinther stellt Wüst einen zweifelhaften Persilschein aus – auf bitten der CDU-Fraktion. Ein Grund zum Schämen? Doch nicht im Nordrhein-Westfalen von Jürgen Rüttgers, dem selbst ernannten CDU-Arbeiterführer. Stattdessen werden hierzulande die Medien personalpolitisch auf Spur gebracht, um den Wahlkampf offensiv zu beeinflussen. Schlagzeilen von Rücktritten könnten hier doch schaden, oder?

Wenn man in diesen Tagen durch Düsseldorf streift, hört man immer wieder ein Urteil zur Rüttgers-Regierung. Die CDU sei mittlerweile so verkommen, wie die SPD unter Wolfgang Clement, heißt es. Nur hätten die Genossen dafür 30 Jahre gebraucht. Die CDU hat das in fünf Jahren geschafft. Ein zu harsches Urteil? Ich denke kaum. Wer übernimmt in der Regierung Verantwortung? Niemand. Im Gegenteil. Alles wird ausgesessen.

Beispiel eins: Die Wüstilanti-Affäre. Der Generalsekretär der CDU Wüst ist wegen der aus der Staatskanzlei gesteuerten Bespitzelungsaffäre gegen SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft unter Druck geraten, dann kommt die Krankenkassenaffäre hinzu. Tritt der wegen seiner Kraftilanti-Angriffe bekannte Wüst zurück? Nein. Er steht fest in seinem Amt und feuert nahezu willkürlich Mitarbeiter aus haarsträubenden Gründen, die er der Feindarbeit verdächtigt. Der Skandal wird verdrängt in der Hoffnung, dass auch die Menschen in NRW dieses Verhalten vergessen.

Beispiel zwei: Genauso im Fall Uhlenberg. Der Minister bekommt vom Landgericht Berlin bestätigt, dass er im PFT-Giftskandal an der Ruhr die Öffentlichkeit getäuscht hat. Tritt er deswegen ab? Nein. Der Minister sitzt den Skandal aus. Gedeckt von Rüttgers. Unglaublich, oder?

Beispiel drei: CDU-Justizministerin Müller-Piepenkötter wacht immer noch über übervolle Skandal-Knäste. Sie hat einen Untersuchungsausschuss erlebt. Macht sie das vorsichtig? Nein, sie macht einfach weiter und zündet Blendgranaten im aktuellen Fall über die Ausbrüche aus dem Aachener Knast. Müller-Piepenkötter deklarierte Informationen für die Abgeordneten im Landtag zu den Hintergründen der Ausbrüche als "geheime Verschluss-Sache", um laufende "schwierige Ermittlungen" nicht zu gefährden. Der Fluchthelfer der beiden aus der Aachen JVA entfleuchten Schwerkriminellen, ein JVA-Beamter, sei als Köder gegen einen Drogenring eingesetzt und deshalb nicht vom Dienst suspendiert worden. Leider will der Aachener Oberstaatsanwalt Robert Deller nichts von der Darstellung der Ministerin wissen. Er dementierte die Köder-Aussage. Konsequenzen? Nicht in NRW unter Rüttgers.

Von der Schulministerin Barbara Sommer haben wir hier noch gar nicht gesprochen.

Diese Machtbesoffene Arroganz der Regierung Rüttgers könnte ohne Konsequenzen durch den Wähler bleiben, wenn es nicht noch ein paar Nebenhandlungen gäbe. Und hier müssen wir uns an Opel, Nokia und Rumänen erinnern. Rüttgers selbst erzählt und verspricht schon mal unhaltbares.

Als er sich feiern ließ in Bochum bei Nokia, welche Arbeiter können sich daran nicht erinnern? Gibt es das Werk noch? Was denken die Menschen vor Ort?

Auch bei Opel ist Rüttgers Einsatz der Erinnerung wert. Seine persönlichen Treffen mit der GM-Spitze. Erinnert sich da draußen einer an die Subventionsversprechnungen?

Und die Rumänen, die nicht arbeiten können? Rüttgers hat das gesagt. Erinnert sich wer?

Wenn die CDU einen stabilen Vorsprung vor SPD und Grünen hätte, wären diese Einzelfälle egal. Die Menschen würden trotzdem für die Rüttgers-Regierung stimmen. Doch genau das ist nicht der Fall. Es wird knapp. Rüttgers verliert an Zustimmung. Auch seine Versuche, wie Roland Koch in Hessen die Macht über die Medien auszubauen, bleiben nicht unbemerkt. Es geht nicht um die Beherrschung der Zeitungen, es geht um die Köpfe der Menschen. Niemand will sich nicht vergurken lassen. Das aber bedeutet, dass die vielen ausgesessenen Skandale in ihrer Summe auf der Waage der Wähler den Ausschlag geben könnten. Die Regierung Rüttgers kann tatsächlich die Mehrheit verlieren – weil sie Skandalimmun sein wollte.

Ich halte es für einen echten Fehler, dass Rüttgers an Wüst, Uhlenberg, Sommer und Müller-Piepenkötter festgehalten hat, obwohl sich diese in der Öffentlichkeit diskreditiert haben. Es scheint nur um die Binnensicht der Partei zu gehen. Die Herrschenden in der CDU achten offenbar nur auf das, was in ihrem Umfeld passiert. Und wenn dort die Wahrheit lange genug geleugnet wird, trifft sie nicht mehr zu, so dass scheinbare Denken. Die Wähler werden das Verhalten schon nicht strafen.

Warum denken die Rüttgers-Getreuen so über ihre Wähler? Entweder weil Rüttgers und Co die Wähler für dumm halten, für unwichtig oder für uninformiert. Zumindest an letzterem können wir ein Stück weit etwas ändern.

Und dann werden wir sehen, wie die Wähler entscheiden.

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Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet.

Foto: Frederik Görges

Europäischer Filmpreis: Ein großer Preis, aber wer schaut hin?…Welt

Europäischer Filmpreis II: Vorwärts in die Vergangenheit…Tagesspiegel

Europäischer Filmpreis III: Jahrhunderthalle hat gewonnen…Ruhr Nachrichten

Ruhr2010: Der Pott, ein Hotspot…Kurier

Uni-Protest: Demo am kommenden Samstag in Bochum…Bo-Alternativ

Musik: Jüdisch-Russicher Abend…Hometown Glory

Justiz: Asmiovs nulltes Robotgesetz ist tot…Kueperpunk

Afghanistan: Merkels Krieg…Sprengsatz

MiR: Es steht ein Palast in Gelsenkirchen…Welt

Essen: Weiter Debatte um Schließung von Schulen…Der Westen

EIGHTIES FOREVER

Wie lange lässt Du Dich täglich berieseln, wie oft hockst du vor der Glotze? Wie viele Minuten Deines Lebens schluckst Du Werbebotschaften, lernst, was in Deiner Welt wichtig ist? Wann hast Du Deinen Fernseher zum Gott erhoben und wann Deinen Geist befreit? Wir waren Fernsehkinder, wir haben nie einen Gedanken daran verschwendet unseren Herrn zu verbannen. 1984 (!) öffneten uns die Privatsender das Tor zur Erleuchtung und zeigten uns die Welt. Sozialisation Mattscheibe. Der Durchschnitts-Deutsche guckt zwei Monate im Jahr fern – nonstop. Unsere Lehrmeister fuhren einen sprechenden Trans Am, trugen Iro und Goldkettchen und konnten mit einem Taschenmesser die Welt retten. Warum sind wir geworden, was wir sind? Wir sind zurück in die Vergangenheit. Ein 14 Stunden Marathon aller großen Helden unserer Kindheit. Ein Trip voller Desillusionierungen, großartigen Wiederentdeckungen und der Erkenntnis, dass wir nur die Kinder unserer Idole sind. Ein Erlebnisbericht von Herrn Schlange und Herrn Joswig.

Die stählernen Kampfjets glänzen in der Morgensonne. Mechaniker schieben einen Prototypen aus dem Hangar über das Rollfeld, die Luft über dem geheimen Nasa-Stützpunkt flimmert in der Hitze des Tages. Hoch dekorierte Generäle stehen im Schatten der Flugzeugflügel, den Geschmack von Wüstensand auf der Zunge. Alles wartet auf einen Mann: Steve Austin.

Schwarz zeichnet sich seine Silhouette gegen die Sonne an den Horizont. Lässig schlendert Austin zur Landebahn – bordeauxroter Jersey-Overall, die Daumen in den Hosentaschen, einen Zahnstocher im Mund. Sein Auftritt meißelt ein ewiges Gesetz in Stein: Die Coolness trägt Schlaghose.

Schlabberbuchsen, kariert und gestreift, Bäuche aufgedunsen von Knabberkram quellen über die zerfransten Hosenbünde, ihre Finger sind schmierig von Fett und Glutamaten. Schlange und Joswig hängen auf einer Couch in Wattenscheid und greifen in eine Tüte Zwiebelringe. Die Bewegungen zäh, als klebten ihre Arme wie Kaugummi am Sitz. Die Luft steht in Joswigs Wohnzimmer, Staubpartikel sinken langsam auf den Laminatfußboden. Es ist 18 Uhr MEZ. Die Sonne dämmert, die Kiste flimmert.

Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann (Titelmelodie)

1974-1978, Deutsche Erstausstrahlung 1988

Der Weltraum schafft Helden, der Geheimdienst Waffen. Steve Austin (Lee Majors) ist Beides. Nach einem Absturz mit einem Flugzeug-Prototypen ist der Astronaut nur noch ein Haufen Mensch gefesselt ans Krankenbett. Zufällig sucht das US-Militär für ein sechs Millionen Dollar teures Geheimprojekt eine Testperson. In einer unvorstellbar komplizierten Operation werden Austin ein Arm, beide Beine und ein Auge durch bionische Teile ersetzt. Völlig problemlos. Steve Austin wird zum Cyborg (gesprochen „Kübork“), ein kybernetischer Organismus – ein Spezialagent, halb Mensch, halb Maschine. Nukleargespeiste Generatoren in den Gliedmaßen verleihen ihm extreme Geschwindigkeit (Laufen 100 km/h, Schwimmen 70 km/h), sein Reaktor-Arm besitzt die Power eines Bulldozers und das Auge ermöglicht es Austin über größte Distanzen selbst winzigste Details zu erkennen – Nachtsicht inklusive. Mit diesen schier fantastischen Fähigkeiten kämpft er fortan für das Office of Scientific Intelligence gegen diabolische Wissenschaftler, fremde Nationen, Roboter, Außerirdische und sogar gegen Bigfoot.

Tüdüdüdüdt – wie lange hatten die zwei Pantoffelhelden dieses Geräusch nicht mehr gehört. Schlanges Augen glänzen wie zur Bescherung, Joswig seufzt verträumt. Tüdüdüdüdt – der Sechs-Millionen-Dollar-Mann reißt eine Tresortür auf. Tüdüdüdüdt – der Sechs-Millionen-Dollar-Mann springt vier Meter hoch. Tüdüdüdüdt – irgendetwas anderes Bionisches springt, schlägt, sieht, oder so.

Als Kind lief Schlange über den Schulhof, imitierte dieses Geräusch der sechs Millionen Dollar teuren Mechanik und fühlte sich jeder Herausforderung gewachsen. Heute Abend heißt die Herausforderung Endlos-Serien-Marathon.

Ihr Survival-Kit: zwei Flaschen Wodka, einen Kasten Oettinger, sieben Flaschen Magic Man (billigster Energydrink), je eine Tüte Zwiebelringe und Flips, eine Dose Erdnüsse, Grünkohl, legere Kleidung, Koffeintabletten, Kaffee. Nicht jeder kann eine Bionic-Leber und unermüdliche Hightech-Augen haben. Der Abend beginnt: Tüdüdüdüdt. Schlange und Joswig sind die 32,70-Euro-Männer.

„Ich bin mehr als die Summe meiner Einzelteile.“ (Steve Austin)

Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann ist der Einstieg für die Nostalgie-Nacht, die älteste Serie aus dem großen Fundus an filmischen Goldstücken, in den Siebzigern gedreht, erst ein Jahrzehnt später nach Deutschland gekommen. Insgesamt 29 Stunden Achtziger-Jahre-Geflimmer haben sich die zwei Serienjunkies(.org) gekauft.

Ein mondänes Ferienhaus in der Südsee. Steve Austin mixt sich mit freiem, gestähltem Oberkörper und rasierten Sixpack einen Moonshot. Hinter ihm klimpert eine brünette Schönheit mit ihren Plastikwimpern. Steve kommt beim Cocktailmixen ins Grübeln:

„Tiefe Empfindungen können Menschen nur gut tun. Das ist das, was uns von Maschinen unterscheidet – und von Institutionen.“

Die süße Maus tritt an ihn heran, legt ihren Kopf in den Nacken und haucht Steve von unten an: „Oh, das haben Sie aber schön gesagt. Ich muss gleich weinen.“

Steve: „Das gehört auch dazu, und jetzt ziehen Sie sich aus.“

Tüdüdüdüdt.

Steve Austin ist der zerrissene Held, halb Mensch, halb Maschine, Philosoph, knallharter Einzelkämpfer, Freigeist und doch immer nur Spielball des Geheimdienstes. Er ist ein sensibler Gigolo mit bionischen Gliedern.

Alles hat der geile Steve Austin vereint: heiße willige Schnecken im Seventies-Look, skrupellose und verlogene Geheimdienste, hinterlistige Ölaugenund romantische Gedanken zum Mond. Die richtigen Zutaten für einen köstlichen Action-Auflauf.

20:40 Uhr – vier Folgen rum, Bestandsaufnahme – Schlange: sechs Kippen, ein Glas Wodka-Magic Man, eine halbe Tüte Zwiebelringe. Joswig: fünf Kippen, eine Flasche Bier, eine halbe Tüte Zwiebelringe, einen Teller Grünkohl mit Wurst (Mett).

Während Joswig den A-Team-Piloten einlegt, mixt Schlange in der Küche zwei Magic-Wodka. Der Kultkracher ihrer Kindheit muss gebührend gefeiert werden.

Vor etwa 22 Jahren hat Joswig aus Schlanges Legosteinen auf dem Fußboden seiner Eltern den schwarzen GMC-Van nachgebaut – und behalten.

In der Grundschule steckte sich Schlange Schokoladen-Zigaretten in den Mund und knurrte „Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert“. Und Chucks sind nur zum Renner geworden, weil Murdock die coolste Sau war – jedenfalls für die damals Fünf- bis Fünfzehnjährigen.

Das A-Team (Titelmelodie)

1983-1987, Deutsche Erstausstrahlung 1987

Vier Männer einer militärischen Spezialeinheit wegen eines Verbrechens verurteilt, dass sie nicht begangen haben, seitdem von der Militärpolizei gejagt, helfen Sie anderen, die in Not sind. Moderne Musketiere, Helden der Unterdrückten, die Robin Hoods der amerikanischen Ghettos – kurz: das A-Team (gesprochen Ahhh-Team). Meisterstratege Colonel John „Hannibal“ Smith (George Peppard), Beau, Frauenschwarm und Hochstapler Lieutnant Tempelton „Faceman“ Peck (Dirk Benedict). Desweiteren das geisteskranke Flieger-Ass Captain H.M. „Howling Mad“ Murdock (Dwight Schultz) und der muskelbepackte, afroamerikanische Super-Mechaniker Bosco „B.A.“ (Bad Attitude) Baracus (Mr. T). Fünf Staffeln lang helfen sie Unterdrückten, erschwindeln auf Kosten gutgläubiger Menschen ihre Ausrüstung, schweißen aus Schulbussen und Tonnen von Stahl Panzer zusammen, verballern Munition wie zu besten Zeiten des Vietnam-Krieges und verletzen wider jeder Wahrscheinlichkeit niemanden. B.A. wird regelmäßig anästhesiert, weil er an Flugangst leidet, Murdock präsentiert jedes Mal einen neuen Tick, Faceman sieht einfach nur gut aus und Hannibal liebt es, „wenn ein Plan funktioniert“. Zur Anreicherung der Story gibt es zum Beispiel Gastauftritte von Hulk Hogan oder Boy George. Ein Geniestreich.

„Oh Mann, so n Scheiß fanden wir früher geil?“ Joswig sinkt in die Couch zurück und schaut Schlange an. B.A. erklärt gerade einem mexikanischem Dorf, dass es für seine Freiheit kämpfen müsse. Nichts werde einem geschenkt, man müsse sich gegen seine Unterdrücker auflehnen. Immer und überall. Thats the american way of life. Die Unterdrücker sind in diesem Fall zwei ungewaschene Bud Spencer-Verschnitte, die in der Nähe des Dorfes Marihuana anbauen (das gezeigte Anbaugebiet besteht aus einem Feld Birkenfeigen).

Schlange steckt sich eine Kippe an. „Ja, aber als Blag findeste das geil. Bauen, ballern und befreien. Jedenfalls fanden wir das großartig.“

„Mann, die Dialoge sind dämlich, die Handlung ist dämlich, Murdock unerträglich und es laufen nur zugeknöpfte Achtziger Jahre Schnecken durchs Bild.“ Joswig hat Recht: Beim A-Team brauchen Frauen keinen Bikini, um eine Rolle zu bekommen. Die Jungs sind einfach zu P.C.

Schlange gähnt.

Zeitgleich im TV: Hannibal, die Reporterin Amy und zwei weitere Protagonisten wurden von Guerillas in einen Holzkäfig gesperrt. Verkleidungskünstler Hannibal klebt ein paar von Amys abgeschnittene Haaren an sein Kinn, zieht einen Strohhut ins Gesicht und ruft nach den Wachen. Unverzüglich kommt eine, wundert sich, dass unter den vier Insassen plötzlich ein Mexikaner ist, öffnet den Käfig und wird prompt überwältigt. Das A-Team kann fliehen. Blöder Mexikaner.

Der Pilotfilm endet mit der Zerschlagung der Rebellen und der Befreiung des Dorfes. That’s America! Racheakte der gedemütigten Schurken erscheinen unwahrscheinlich.

Kollateralschäden gibt es leider in jeder Schlacht: Gewalt und Selbstjustiz wurden sauber verherrlicht und gutmütige Menschen bestohlen, eine hilfsbereite Flughafenmitarbeiterin um einen Privatjet sowie ein netter Hotelier um einen Schulbus, ein Flaggeschütz, mehrere Tausend Liter Ammoniak und vermutlich drei Tonnen Stahlplatten betrogen. „Also wenn Sie mal ein Problem haben und nicht mehr weiter wissen, suchen Sie doch das A-Team!“

Oder lassen Sie es besser sein und die Erinnerung in Frieden ruhen.

Schlange und Joswig verzichten auf eine weitere Folge und ziehen ihre Gläser leer.

„Scheiße, Mann. Ich würd mich jetzt echt gern abschießen.“ Tüdüdüdüdt. Schlange knallt sein Glas auf den Tisch. „Was hat Steve Austin noch immer gesoffen?“

Der Moonshot

„Zwei Teile Wodka für einen rasanten Start, ein Teil Brandy für die vortreffliche Umlaufbahn und ein Schuss Sekt mit Grenadine für die sichere Rückkehr zur Erde.“

Der russische Doppelagent und frühere Kosmonauten-Kollege, mixt Steve Austin einen Moonshot, bevor er ihn niederschießt, damit er ungestört von einem zwielichtigen Waffenhändler atomare Polarisraketen kaufen kann. (Folge drei und vier: Der Waffenhändler)

22:57 Uhr – Aschenbecher ausgeleert. Abgesehen von diversen Erdnuss-Flips keine außergewöhnlichen Einnahmen.

Trio mit vier Fäusten (Titelmelodie)

1983-1986, Deutsche Erstausstrahlung 1985

King Harbor, kalifornische Sonne, Mädchen in knappen Bikinis. Die beiden Vietnamkriegsveteranen Cody Allen (Perry King) und Nick Rider (Joe Penny) haben neben Frauen und Volleyball vor allem Verbrechensbekämpfung im Sinn. Zusammen mit dem liebenswerten Computer-Freak Murray „Boz“ Bozinski (Thom Bray) betreiben sie eine Detektei am Strand. Sie leben auf ihrem Kabinenkreuzer „Riptide“, besitzen ein Schnellboot namens „Ebbtide“ und den rosafarbenen, schrottreifen Hubschrauber „Screaming Mimi“. Sie flirten mit der durchweg knapp bekleideten Besatzung der ruppigen Kapitänin Mama Joe und kriegen von dem mies gelaunten Lieutenant Quinlan aufs Maul. Hilfreich bei ihren Ermittlungen ist der orangefarbene Superroboter Roboz, der mindestens einmal pro Folge ins Wasser fällt.

Der Mond spiegelt sich im Hafenbecken von King Harbor. Stille hat sich über die Bucht gelegt. Nick und Cody liegen in ihren Kojen. Dann ein Geräusch, Schritte. Lange, geschmeidige Beine schleichen vorsichtig die Treppe zu den beiden Jungs hinab. Rote Hotpants und hautenge Sport-Shirts. Besuch für Cody und Nick: Eine Blonde, eine Brünette. Durch die Bullaugen der Ebbtide fallen vereinzelte Lichtstrahlen auf ihre Brüste, die sich aufgeregt heben und senken.

Zur selben Zeit auf Mama Joes Schiff: Zwei zwielichtige Typen kidnappen die hübsche Zeugin, die zur Sicherheit auf dem Nachbarboot untergebracht ist. Geschrei, Gerangel an Deck. Das arme Mädchen wird nur mit dünnem Schlüpfer und Schlafhemdchen in einen Wagen gezerrt. Von dem Tumult alarmiert stürmen Nick und Cody aus ihren Kojen an den beiden Schnecken vorbei hoch in die Nacht. Im Dämmerlicht des Bootes werfen ihre Sixpacks dezente Schatten. Die Bösewichte flüchten, die zwei Sonnyboys hinterher. Keine Zeit sich anzuziehen. In weißen Feinripp-Unterhosen springen die Privatdetektive in ihr rotes Cabriolet und nehmen die Verfolgung auf. Nick am Steuer, Cody eine kurze Flinte in der Hand über die Windschutzscheibe gelehnt. Seine Brusthaare flattern, der Nachtwind umschmiegt seine Hüfte und verfängt sich im Eingriff. Die Jagd beginnt.

„Die Typen sind ja großartig!“ Joswig prostet Schlange zu. „So gut hatte ich die Serie überhaupt nicht Erinnerung.“

Schlange grinst: „Wir haben auch früher die Witze nicht gerallt. Mann, die Jungs liegen halbnackt in den Kojen und lesen ein Buch, während an Deck Murray, der Urvater aller Nerds, ne Perle klarmacht. “

„Hmm.“ Joswig nippt nachdenklich an seinem Glas. „Steckt nicht ein kleiner Nerd in jedem von uns?“

„Sicher. Aber die wenigsten outen sich.“ Schlange bläst einen Schwall Zigarettenrauch in die zähe Wohnzimmerluft. Joswig schaut ihn eindringlich an. „ Außerdem ma wieder scharfe Schnecken nach dem A-Team.“

„A wie asexuell.“ 

„Jipp.“ Die beiden nehmen zufrieden einen neuen Schluck und lehnen sich zurück.

Was zeichnet knallharte Männer aus?

Aussehen: Nick und Cody sind durchtrainiert und braungebrannt, echte Sunnyboys.

Wohnort: eine schwimmende Männer-WG am Hafen.

Hobbys: Gemeinsamer Wettkampf, sich in der Anzahl ihrer Nasenbeinfrakturen zu übertreffen (Stand Folge 3: Nick 7 / Cody 6, Schlange 1 / Joswig 0).

Prioritäten: Während leichtbekleidete Schönheiten neben ihnen das Deck schrubben, vertreiben sie Pelikane, die ihr Schnellboot vollkacken.

Entschlossenheit: siehe Verfolgungsjagd in Unterhosen.

Fortbewegungsmittel: u.a. ein rosafarbener Hubschrauber, ein feuerrotes Cabriolet.

Körperpflege: sauber gestutzter Schnauzbart (Cody), flauschig weiches Brusthaar (beide).

Sport: Nick und Cody stehen auf Volleyball.

Soziales Umfeld: In King Harbor patrouillieren die Bullen in kurzen Shorts.

Stammkneipe: das Straightaways. 

Nick und Cody sind nach nur drei Folgen Schlanges und Joswigs Helden geworden, glückliche Loser unter der kalifornischen Sonne, denen die braungebrannten Täubchen nur so in die Münder fliegen. Wahre Männerfreundschaft am Hafen. Harte Jungs, die sich mit Polizisten und Verbrechern hauen. Echte Männer, die Drinks prägen.

Nick und Codys Lieblingsgetränk: Der Singapore Sling

Gin, Kirsch-Brandy, Zitronensaft, Grenadine, Soda und Bénédictine (ein Kräuter- und Gewürzlikör)

Was Buntes für die Süßen.

„Das Leben besteht aus mehr als nur Mädchen und Volleyball.“ (Nick Rider)

1:31 Uhr – Schlange und Joswig jeweils eine Koffeintablette (Schlange hatte bereits eine zum Aufstehen). Bierränder auf dem Tisch, Flips-Krümmel auf der Couch, Asche überall.

Irgendwo in Mittelasien: MacGyver hängt mit einer roten Pudelmütze auf dem Kopf 900 Meter über dem Erdboden in einer Felswand und hält einen philosophischen Monolog über Apfelschimmel. Ethan Hunt aus Mission Impossible ist ein Scheißdreck gegen diesen Mann.

MacGyver (Titelmelodie)

1985-1991, Deutsche Erstausstrahlung 1987

Er baut aus Bambusstäben, alten Müllbeuteln, einem Betonmischer-Motor und etwas Klebeband ein Ultraleichtflugzeug. Aus Asche und Alkohol mixt er dir das beste Tränengas und mit Kaugummi fängt er kapitale Barsche. Angus MacGyver (Richard Dean Anderson) ist der Vorzeigeschwiegersohn unter den Superhirnen. Ein Naturbursche mit Flanellhemd, der in einer Sternwarte wohnt, und mit seinem kleinen schwarzen Freund unterm Teleskop Basketball spielt. Der Gutmensch der Achtziger-Serienlandschaft. Waffen benutzt er nie. Als Kind hatten er und seine Freunde mit einem Revolver gespielt. Ein Schuss löste sich und tötete einen von ihnen. Seitdem rettet er lieber sich und andere mit Hilfe seines Schweizer Armeemessers, etwas Klebeband und einer Büroklammer. Als Agent der Phoenix Foundation bekommt er dafür 139 Folgen lang Gelegenheit. MacGyvers Ideenreichtum ist unerschöpflich.

„Der Mann ist komplett gay.“ Joswig kippt seinen Wodka weg. Schlange zieht nach und stellt das leere Glas auf den Tisch.

„Und die Perle da in dem kurzen Rock ist doch nur Alibi.“

Joswig nickt. „Dann noch dieses ganze bekackte Gutmenschentum. Die drohende Klimakatastrophe, schachspielende Nobelpreisträger und übertriebenes Mitgefühl.“ Joswig holt Luft. „Die Toten werden betrauert, Mann. Und in sein Handtäschchen packt er keine Knarre sondern nur Sachen, die er findet. Bla bla bla.Wie bekloppt ist das denn? Sind wir hier bei Monkey Island, oder was?“

MacGyver entschärft im Piloten eine Cruise Missile mit einer Büroklammer, dichtet einen Schwefelsäuretank mit ein paar Tafeln Schokolade ab und baut aus etwas Natrium, einer Schnupfenkapsel und einem Glas Wasser eine Bombe, die eine komplette Felswand wegsprengt. Außerdem schützt er seine Hände mit Stoff, bevor er eine Glasscheibe einschlägt. Bemerkenswert.

2002 stand Schlange in nichts anderem als kurzer Hose und Chucks vor seiner Wohnungstür und hatte sich ausgesperrt. Anstatt mit Schuh oder Fußmatte die Scheibe einzudrücken, schlug er sie mit seinem Ellenbogen kaputt. Tüdüdüdüdt. Anschließend wickelte er einen Pullover um den blutenden Arm und fuhr mit seiner Mofa zu Joswig. Der versorgte die Wunden mütterlich mit Betaisodona und einem Haufen Pflastern und hält Schlange seitdem für alles andere als ein Erfinder-Genie.

„Frauen sind eine tolle Erfindung.“ (Steve Austin)

2:30 Uhr – Schlange und Joswig jeweils eine Koffeintablette, diverse Kaltgetränke.

Die Spezialisten unterwegs (Titelmelodie)

1985-1986, Deutsche Erstausstrahlung 1988 

Sie sind Freaks, Mutanten, wissenschaftliche Unfälle oder das Ergebnis riskanter Experimente. Außenseiter, die im Humanidyne Institut in Los Angeles eine neue Familie gefunden haben. Unter der Leitung des unkonventionellen und etwas verpeilten Doktor William „Billy“ Hayes (Dean Paul Martin) fährt das Team der „Misfits of Science“ mit einem Eiswagen von Fall zu Fall und schlägt dem US-Militär so manches Schnippchen. Doktor Elvin „El“ Lincoln (Kevin Peter Hall) ist ein 2.24 Meter großer Afroamerikaner, der sich Dank eines Schrumpfungsserums à la Charles Bukowski auf 20 cm verkleinern und für exakt 14 Minuten in Barbiekleidern gehüllt seine Freunde aus brenzligen Situationen retten kann. Gloria Dinallo (die junge Courteney Cox) ist das kleine telekinetische Mädchen im Team, hat mehrere Erziehungsheime durchlaufen, wird von ihrer Bewährungshelferin betreut und erinnert mit ihrer labilen Psyche an Stephen Kings Carrie. Den Rock ’n‘ Roller im Team mimt John „Johnny B.“ Bukowski (Mark Thomas Miller). Der Cuck Berry begeisterte Rockmusiker bekam bei einem Auftritt einen 20.000 Volt-Schlag ab und läuft seitdem als Elektrogenerator durch die Welt. Er ist super schnell und kann Blitze abfeuern.

„Alter, die Ghostbusters lassen grüßen.“ Schlange betrachtet fassungslos die nervige Sekretärin im Büro des Forschungslabors. Dauerwelle und Hornbrille. Nägellackieren statt Aktenwälzen. Hecktisch kommt Billy Hayes herein und fordert Unterlagen an. „Ist das nicht auch die Synchronstimme von Bill Murray?“

Die Misfits of Science decken die Zielgruppe der coolen Kids in den Eighties ab. Die kleine Courteney gibt das Emo-Mädchen, Johnny B. ist Jon Bon Jovi wie aus dem Gesicht geschnitten. Das Team trägt Basketballtrikots, hört hippsten Synthie-Pop und hat vermutlich den Gagschreiber von Eddie Murphy gekidnapped.

Niemand wurde in den Achtzigern vergessen – Eighties for everybody: Nick und Cody machen die Sunshine-Lovers, das A-Team die Underdogs, Kitt und Michael die weißen Ritter und MacGyver den pazifistischen Öko-Arsch.

4:50 Uhr – Schlange und Joswig jeweils eine Koffeintablette. Schlange einen Teller kalten Grünkohl ohne Wurst. Kippen.

„Dann liegt Ihnen also etwas an mir?“ Die Stimme klingt sanft aus dem bunt blinkenden Armaturenbrett. Der schöne Fahrer mit dem kräftigen Lockenschopf lächelt milde.

„Aber keinem verraten.“

Der Motor des schwarzen Trans Ams heult zufrieden auf.

„Okay“, haucht die warme Stimme aus der Instrumententafel. In der rotleuchtenden Sonne geht die Fahrt weiter die schmalen Serpentinen entlang.

Knight Rider – Ein Mann und sein Auto kämpfen gegen das Unrecht.

Knight Rider (Titelmelodie)

1982-1986, Deutsche Erstausstrahlung 1985 

Der Polizist Michael Arthur Long bekommt auf einer Undercover-Mission eine Kugel ins Gesicht geschossen. Wie der Zufall es will, findet ihn der todkranke Millionär Wilton Knight und bringt Michael auf sein Anwesen. Dank einer Metallplatte, die Michael seit dem Vietnamkrieg in der Stirn trägt, prallte die Kugel ab und zerfetzte sein Gesicht. Er kann in einer hochkomplizierten Operation gerettet werden und sieht seitdem aus wie David Hasselhoff. Beneidenswert. Wilton Knight macht den genesenen Michael zum Fahrer des Super-Autos K.I.T.T. (Knight Industries Two Thousand), einer One-Man-Show zum Schutze von Recht und Verfassung. Selbstjustiz auf der Überholspur. Seine Aufgabe ist es Verbrechen aufzuklären, die Unschuldigen zu schützen und dort zu richten, wo die Polizei versagt. Aus Dankbarkeit für seinen mittlerweile verstorbenen Retter nimmt er dessen Namen an und arbeitet als Michael Knight für die Foundation für Recht und Verfassung. Unterstützung erhält er von dem Leiter der Stiftung Devon Miles (Edward Mulhare) und der Elektronik- und Computer-Expertin Bonnie Barstow (Patricia McPherson).

„Turbobooooost!“

„Häh?“ Joswig schreckt von der Couch hoch und blickt Schlange entgeistert an. „Was ist los?“

„Ja. Turboboost. Hab ich immer meinem Vatter in den Nacken geschrien, als wir im Stau standen.“

„Und was soll das jetzt?“

„Och, ich brauchte mal n bisschen Action.“ Schlange zappelt unter seiner Wolldecke. Überdosis Koffein. 

Im Knight Rider-Piloten meistert K.I.T.T. ein Crashcar-Rennen, führt zwei Autoknacker an der Nase herum (natürlich ein Mexikaner und ein Schwarzer), befreit Michael aus einer Gefängniszelle, indem er durch zwei massive Betonwände fährt, springt durch einen LKW-Hänger (Turboboost) und fliegt über einen Lastwagen samt Aufhänger (ebenfalls Turboboost).

„Hast du nicht genug Action gesehen?“, mault Joswig und gähnt. „Ich mach ma zwei neue Drinks. Wieder Magic Man?“ (Turbobooze)

„Jipp. Und Kaffee. Ich brauch noch n Kaffee.“

Knight Rider liefert wieder klare Strukturen: der Frauenheld mit der geilen Karre. Die guten Mädchen – die hilflosen holden Maiden, die der fahrende Ritter aus ihrer Not errettet. Und die Gegenspielerinnen – erfolgreiche, karrieregeile Dinger, die an Michael und K.I.T.T. jedes Mal scheitern. Keine Verpflichtungen, keine Beschränkungen, kein Gesetz. Einzelgänger ist schon ein super Job.

„Ein Mann kann auf zwei Arten Krieg führen – mit einer Armee oder allein. Ich bin lieber allein.“ (Michael Knight)

6:20 Uhr – Schlange und Joswig jeweils eine Koffeintablette, Schlange einen Kaffee. Alkoholische Getränke. Rauchwaren.

Ein Schönling sitzt auf einem Polizeimotorrad, seine Uniform wird von einem roten Umhang und einem Helm mit Stars and Stripes ergänzt. Ein Polizist nimmt Wetten entgegen, weitere stehen um das Motorrad herum und jubeln. Dann gibt der Fahrer den Evil Knievel und springt über fünf Streifenwagen. Das ist Jesse Mach, der Straßenfalke.

Street Hawk (Titelmelodie)

1985-1986, Deutsche Erstausstrahlung 1986

Jesse Mach (Rex Smith) ist Motorrad-Cop, ein Draufgänger, ein verwegener Wilder. Er ist genau der richtige Mann für das Geheimprojekt Street Hawk, einem drei Millionen US-Dollar teurem Hightech-Motorrad des FBIs. Bevor er jedoch seinen Dienst antreten kann, geraten Mach und sein Partner skrupellosen Drogenhändlern in die Quere. Machs Partner wird ermordet, Jesse schwer verletzt. In einer hochkomplizierten vom FBI finanzierten Operation kann Machs zertrümmertes Knie wiederhergestellt werden. Seitdem gibt er tagsüber den verkrüppelten Schreibtisch-Offizier in der PR-Abteilung seines Reviers. Nachts rast er mit 300 Meilen pro Stunde als gnadenloser Rächer im schwarzen Motorraddress durch die Straßen der Großstadt. Unterstützung erhält er von dem trotteligen Computerexperten und Streethawk-Erfnder Norman Tuttle (Joe Regalbuto), der immer wieder an Jesses unorthodoxen Art verzweifelt.

Immer diese Supercomputer mit den tausend blinkenden Lichtern. Durch Street Hawk wurde die Technik-Gläubigkeit der Achtziger auf die Spitze getrieben. Zoom im Helm (bestimmt praktisch, um bei voller Fahrt die Straße im Blick zu behalten), Fliegedüsen unterm Moped, eingebaute Elektro-Laser-Blitz-Kanone mit blauen Strahlen, die sowohl Tore aufsprengen als auch Autos ohne Beschädigung lahmlegen kann. Und natürlich Geschwindigkeiten von über 480 km/h, bei denen Reaktionszeiten und scharfe Kurven kein Problem darstellen (Darstellung in altbewerter Tron-Optik). Highlight der Pilotfolge: Salto-rückwärts des Motorrads bei voller Fahrt. Physikalisch beachtlich.

„Dieser schwarze Motorradstrampelanzug ist aber auch alles andere als männlich.“ Joswig kratzt sich am Kinn. „Guck dir die geleckte Fönwelle doch mal an.“

Schlange putzt sich zitternd die Brille. „Jedenfalls hat jeder, der heute metrosexuell ist, in den Achtzigern Fernsehn geguckt.“ Er betrachtet nachdenklich seine Hände. „Meinste da ist noch n Kaffee in der Kanne?“

„Nein.“

„Sicher?“

„Ja. Ich geh jetzt pennen.“ Tüdüdüdüdt.

7:48 Uhr – Ende. Schlange und Joswig legen sich ins Bett. Physiologischer Tremor, innere Unruhe und Herzrasen.

Wilde Träume.

 

13.40 Uhr – Joswig und Schlange, Kaffee und Kippen.

„Colt Seavers war Schuld, dass ich in der Grundschule gehänselt wurde.“

Schlange weitet seine müden Augen und schaut Joswig verwundert an. Zwischen seinen Händen dampft eine Tasse Kaffee. Die zwei verschlafenen Gringos sitzen wieder auf ihrer Couch, die Mattscheibe läuft, der Schädel brummt. Joswig pult einen halben Erdnussflip aus der Couchritze und holt Luft. „Ich durfte ihn erst in der dritten Klasse gucken. Vorher konnte ich nie mitreden.“

„Verdammt.“ Schlange starrt in seinen Kaffee. „Dabei war Colt doch die coolste Sau. Ich sag nur: Whisky, Zigarre, Badewanne, Cowboyhut und Judy.“

Die zwei Gringos nicken in sich hinein und schlürfen gedankenverloren ihren Kaffee.

Als Joswig endlich in den Augen seiner Eltern alt genug für die Serie war, zeigte sich seine Begeisterung im Zertrümmern seiner Matchbox-Autos. Ein echter Stuntman braucht schließlich Crashcars. Colt Seavers – ein zwölf-Zylinder-Motor für die kindliche Phantasie.

Schlanges Vater war bei den gemeinsamen Spieleabenden immer auf Howie festgelegt, die Schnullerbacke. Wollte sein Daddy ein bisschen cooler sein, durfte er vielleicht mal die Judy geben.

Ein Colt für alle Fälle (Titelmelodie)

1981-1986, Deutsche Erstausstrahlung 1983

„Ich bin nur ein Hollywood-Stuntman zwischen zwei Filmen.“ Um sich seinen legendären Pickup, einen GMC Sierra Grande, zu finanzieren geht Colt Seavers (Lee Majors) nebenher als Kopfgeldjäger auf Verbrecherjagd. Cowboystiefel und Hut, eine Zigarre im Mund und immer einen coolen Spruch auf den Lippen – das ist Colt. Sein tollpatschiger Cousin Howie Munson (Douglas Barr) und die Göttin aller pubertierenden Jungendträume, die blonde Stuntschnecke Judy Banks (Heather Thomas) stehen ihm zur Seite. Wilde Verfolgungsjagden, unzählige Schrottautos und spektakuläre Stunts. Irre.

Colt tut gut. Nach 14 Stunden Männerknackärschen in engen Jeans lässt ein Cowboy dieses Experiment versöhnlich ausklingen. Es war hart, die Mode gewagt und auf den Leib gegossen – jedenfalls bei den Typen. Stretch statt Schlag. Es bleiben weitere Erkenntnisse:

Die Titelmelodien in den Achtzigern konnten einiges. Punkt.

Zweitens: Die ständig wechselnden Gespielinnen unserer Helden waren nur drin, weil es in den Achtzigern abgeschlossene Episoden gab. Happy End garantiert. Keine weiterführenden Problematiken, der Plot blieb immer gleich. Heutzutage sind solche Serien-Casanovas rar. Ein Jack Bauer kann nicht jede Stunde eine andere nageln und sie anschließend aus seiner Serie schmeißen. Da vermittelt das heutige TV der Jugend viel bessere Werte. Foltern ja, Fremdgehen nein. Jede Tat hat schließlich seine Folgen.

Nächste Erkenntnis: Männer sind gesetzlose Wölfe, Helden müssen einsam sein. Einzelne Männer können etwas bewegen, können die Welt retten. Wenn du für die Gerechtigkeit kämpfst, heiligt der Zweck jedes Mittel. In ca. 44 Minuten Sendezeit musst du für nichts gerade stehen.

Die Glotze war eine unserer Sozialisationsinstanzen. Männerbilder, Frauenbilder, Heldenbilder. Die Botschaften waren klar und verständlich. Das Fernsehen hat uns die Wirklichkeit gezeigt. Sie war unser Höhlengleichnis – Platons Grotten-TV. Die Serien gaben uns Idole. Wir wurden Sie. Anarchistische Möchtegern-Frauenhelden ohne Weitblick für die Konsequenzen.

Was sind deine Wurzeln? Zurück in die Vergangenheit – oder besser zurück in die Zukunft?

Tüdüdüdüdt, Ihre Wattenscheider Schule

Facts for Geeks:

Der Sechs Millionen Dollar Mann

  • Lee Majaors war 1973 bis 1982 mit der Schauspielerin Farrah Fawcett (Drei Engel für Charlie) verheiratet. Im Pilotfilm zu Ein Colt für alle Fälle hat sie einen Gastauftritt.
  • Das bionische Auge besteht aus Flugzeugcockpitscheiben. Grund: Bei Pilotenunfällen habe sich gezeigt, dass dieses Material nicht vom menschlichen Körper abgestoßen wurde.

Das A-Team

  • Das Verbrechen, das sie nicht begangen haben: Bankraub in Hanoi zum Ende des Vietnam-Krieges, Beute 10 Millionen Yen
  • George Peppard (Hannibal) wurde in den Sechzigern durch den Film Frühstück bei Tiffanys mit der kleinen Audrey Hepburn berühmt. 1994 starb Peppard im Alter von 65 Jahren.

Trio mit vier Fäusten

  • – Wenn Murray zuschlägt, hat er immer seinen Daumen in der Faust. Verletzung vorprogrammiert. Deshalb Trio mit VIER Fäusten.
  • Joe Penny versucht sich neben der Schauspielerei auch als Sänger.

MacGyver

  • Für technisch raffinierte Lösungen bei wissenschaftlichen Problemen hat sich mittlerweile der Begriff MacGyverism eingebürgert.
  • MacGyvers Schweizer Armeemesser hat seinen ersten Auftritt im Pilotfilm nach 4:10 Minuten. Mac schmeißt es aus vier Metern Entfernung und es bleibt im Holzstab eines Käfigs stecken. Perfekt austariert.

Die Spezialisten Unterwegs

  • Mark Thomas Miller (Johnny B.) war vor seiner Schauspielkarriere Türsteher im Studio 54 und Bodygard von VanHalen.
  • Kevin Peter Hall (Elvin Lincoln) starb 1991 im Alter von ebenfalls 35 Jahren an Aids.
  • Max Wright, der bei den Misfits of Science den Leiter des Forschungsprogramms spielt, ist als Willy Tanner aus der Serie ALF bekannt geworden. Zuletzt machte er Crack rauchend auf einer Schwulen-Party von sich redend.

Knight Rider

  • Michael Arthur Long hat im Pilotfilm braune Augen. Nach dem Schuss in die Fresse und der wundersamen Wandlung zu David Hasselhoff besitzt Michael Knight blaue Augen.
  • David Hasselhoff hat mit seinem Song „Looking for freedom“ die Berliner Mauer zu Fall gebracht – jedenfalls glaubt er das.

Street Hawk

  • Der Soundtrack zur Serie stammt von der deutschen Gruppe Tangerine Dream.

Ein Colt für alle Fälle

  • Lee Majors sang die Titelmelodie „The unknown Stuntman“ selbst. In Deutschland landete er damit in den Charts. Sein Kommentar: „I don’t know why but everybody has a hit in Germany. You know, David Hasselhoff had a hit in Germany, a number one. I had a number one in Germany. I guess they just don’t know much about music over there.“

Koffein

  • Koffein gleicht keinesfalls die durch Alkohol beeinträchtigte Leistungsfähigkeit aus, im Einzelfall besteht die Gefahr der beschleunigten Aufnahme (Resorption) von Alkohol. (siehe Packungsbeilage)