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Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Ruhr2010: Das ganze Programm…Süddeutsche

Ruhr2010 II: Local Heroes…Hometown Glory

Ruhr2010 III: AGD startet Ruhrpost 2010…Designerinaction

Duisburg: Musikschule in Gefahr…xtranews

Dortmund: Ex-OB Langemeyer äussert sich zu Betrugsvorwürfen…Pottblog 

Dortmund II: OB- und Landtagswahl an einem Tag?…Der Westen

Dortmund III: SPD will nicht betrogen haben…Ruhr Nachrichten

Uni-Protest: RUB-Rektor diskutiert im besetzten Audimax…Bo Alternativ

Loveparade: Was kostet die Liebe?…Der Westen

Bochum: Konzerthausbefürworter auf der Suche nach Lösung…Ruhr Nachrichten

Hartz IV: Ein Grund zum Feiern…Zeit

Pop: Listenreste 2009…Coffee & TV

Pop II: Helge Schneider…Gelsenkirchen Blog

Pop III: Fluxus lebt…Bo Alternativ

BP: 400 Jobs in Bochum weg…Der Westen

Debatte: Der Bürger als Aktionär des Staates…Mediaclinique

NRW: Auch SPD-MdL mogelte wie Wüst…Der Westen

Buch: Kritisches Jahrbuch ist da…Zoom

Blogger: Treffen in Duisburg…Prospero

Bermudadreick: Der neue Lidl ist da…Genussbereit

 

Medien: Linke MdB Jelpke empfiehlt Genossen zu schweigen

Die Dortmunder Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke weiß wo der Feind der Linkpartei sitzt: In den Redaktionen von WAZ, Spiegel und Focus.

Presseopfer Lafontaine

Ulla Jelpke hat Probleme mit der Pressefreiheit. Die führt ihrer Ansicht nach dazu, dass viele Journalisten mit der Linkspartei so rüde umgehen. Es läuft aber auch alles schief, wenn die Medien nicht mehr dem Staat gehören. Jelpke: "Zeitungen und Zeitschriften gehören in der Regel entweder zu Konzernen oder Verlegerfamilien – allesamt kapitalistische Unternehmen."

Und da der Kapitalistenknecht heimtückisch ist, macht er Propaganda gegen die Linkspartei, erklärt Jelpke auf der Internetseite der Linkspartei-Ströumg Antikapitalistische Linke. Die Journalisten (Jelpke : "Journaille") erwähnen die Partei entweder überhaupt nicht oder geben alles falsch wieder: "Nachdem die NRW-Linke am 8. Oktober ihren Entwurf für ein Wahlprogramm vorgestellt hatte, wußte Bild.de schon, daß es »selbst eigenen Genossen zu radikal« ist. Als Kronzeuge dafür wurde der Linke-Politiker Bodo Ramelow angeführt, der aber lediglich kritisiert hatte, daß die Genossinnen und Genossen an Rhein und Ruhr den Religionsunterricht durch das Fach Ethik ersetzen wollten. Das der WAZ-Gruppe gehörende Online-Portal »Der Westen« hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen veritablen »Richtungsstreit« ausgemacht: »Linkspartei entsetzt über Programm der NRW-Kollegen«. In der Berliner Parteizentrale gingen bei Wortmeldungen des NRW-Landesverbandes manche Funktionäre »instinktiv in Deckung«, hieß es, hinter vorgehaltener Hand werde vieles als »wortradikaler Mist« bezeichnet. Wer war die Quelle? Ein Parteivorstandsmitglied, ein Sachbearbeiter oder eine Sekretärin? Der Verdacht liegt vielmehr nahe, daß diese Zitate frei erfunden sind."

Besonders übel spielen die bürgerlichen Medien dem ehemaligen Bild-Autor Oskar Lafontaine mit: "Regelmäßig wird ihm angebliche Unberechenbarkeit aufgrund seines konsequenten Rücktritts von der neoliberalen Schröder-Regierung 1999 und »Populismus« unterstellt. Als Kronzeugen werden dann gerne Politiker des Reformerflügels der Linkspartei mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten herangezogen." Schon in seiner Zeit als saarländischer Ministerpräsident war der ja schon ein Opfer der Medienhetze – wusste sich aber mit einem zünftigen Presserecht zu wehren, dass erst nach seinem Abgang wieder normalisiert wurde.

Aber Jelpke hat bis zur Überführung der Medien in die starken Hände der Arbeiterklasse eine Empfehlung an alle Genossen – vor allem wenn es um parteiinterne Diskussionen geht – Klappe halten: "Für Mitglieder der Linkspartei aber sollte die Springer Presse ebenso wie die »Nachrichtenmagazine« Spiegel und Focus für den parteiinternen Diskurs absolut tabu sein."

Gorny: „Konzerthaus Bochum wäre ein Solitär“

Ruhr2010 Direktor Dieter Gorny glaubt nicht, dass das umstrittene Konzerthaus Bochum für die weitere Entwicklung des Bochumer Viktoriaquartiers  zu einem Kreativquartier ein prägender Faktor wäre.

Das Viktoriaquartier um das Bermudadreieck sei allein durch das Schauspielhaus und den City Hörsaal der Ruhr Uni immer Wortlastig gewesen. In dieses Umfeld passe die Investition des Bochumer Gastronomen Leo Bauer und des Schriftstellers Frank Goosen ein Kleinkunst-Theater neben dem Riff zu errichten gut. Die Konzerthauspläne der Stadt, deren Umsetzung im Augenblick unwahrscheinlich ist, sieht Dieter Gorny eher skeptisch: "Das Konzerthaus wäre ein Solitär. Es schadet nicht, aber es wäre kein prägender Faktor für die weitere Entwicklung des ViktoriaQuartiers. Das haben wir (Die Ruhr2010. die Redaktion) immer deutlich gemacht."

Überhaupt sieht Gorny den weiteren Ausbau der Subventionskultur skeptisch: "Man muss sich die Frage stellen, ob Investments in diese Art von Kultur mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung überhaupt noch Sinn machen. Ob ein Konzerthaus das richtige Mittel ist, die Menschen im Ruhrgebiet zu halten die wir zukünftig brauchen und die Region für jungen Kreative attraktiv zu machen, wage ich zu bezweifeln. Wir müssen erkennen, dass ein großer Teil der Bevölkerung sich kulturell anders ausgerichtet hat, als es die Formen von Kultur vorgeben, die mit Subventionen am Leben erhalten werden. Es sind doch die Menschen, die in den Off-Theatern sind, die eigene Bands gründen, Galerien eröffnen oder auf eine andere Art und Weise selbst kreativ tätig werden, die eine Region lebendig werden lassen. Diese Leute muss man halten, man muss sie unterstützen und ihnen die Freiräume geben, die sie benötigen. Das ist allerdings immer noch das Gegenteil von dem, was man unter normaler Kulturpolitik versteht."

Pikant:  Die Stadt Bochum versucht im Moment den Bau des Konzerthauses mit Verweis auf dessen Bedeutung für die Entwicklung des Viktoriaquartiers zu einem Kreativviertel zu begründen. Regierungspräsident Helmut Diegel hält es wegen der prekären Lage des Bochumer Haushaltes nicht für Verantwortbar ein solches Gebäude zu errichten. Generell sind Gornys Aussagen eine guter Anlass für die Kulturpolitiker des Ruhrgebiets die Honoratiorenorientierung der Kulturpolitik zu überdenken und neue Wege zu gehen, anstatt kulturelle Strukturen anderer Städte zu kopieren.

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Update der Internetsperre: WDR feiert erst einmal Karneval

NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter hat dafür gesorgt, dass die Mitarbeiter ihres Ministeriums nicht mehr auf das Internetangebots des Westdeutschen Rundfunks zurückgreifen können. Die Personalvertretung ist erbost – der WDR indes schweigt.

Bislang konnten laut FR-Online die Mitarbeiter des NRW-Justizministeriums über die automatische Startseite der Ministeriums-Rechner, Justiz-NRW, auf das Angebot zugreifen.

Damit ist nun Schluss: Denn das NRW-Justizministerium verweigert Kritikern aus dem eigenen Haus den vollen Zugang zum Netz: Der WDR ist für Bediensteten der Justiz ab jetzt Tabu, wie aus einem internen Schreiben aus dem Justizministerium hervorgeht, das den Ruhrbaronen vorliegt. Die Ursache könnte sein, dass auf WDR.de nach dem Ausbruch von zwei Schwerverbrechern aus einem Aachener Gefängnis immer wieder heftige Kritik von Forums-Schreibern an Ministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) veröffentlicht wurde. Das Ministerium bestreitet den Zusammenhang.

Offiziell heißt es, der WDR habe gesperrt werden müssen, weil die Justiz-Mitarbeiter während ihrer Arbeitszeit zu viel gesurft hätten. „Die Tunnellung zum WDR ist aufgegeben worden, weil Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass während der Dienstzeit in mehr als nur unerheblichem Umfang dienstfremder Beschäftigung nachgegangen worden ist“, steht in der Mitteilung. Bislang konnten die Mitarbeiter von ihrer „Justiz-NRW“-Startseite auf verschiedene Seiten zugreifen, zum Beispiel auf Wikipedia, die gelben Seiten und „meinestadt“. Der öffentlich-rechtliche Sender WDR gehörte traditionell zu den Top-Links, er wurde nun als einziger gesperrt.

„Hier wird ganz klar Zensur geübt“, sagte mir Manfred Evers, oberster Personalrat beim Oberlandesgericht Düsseldorf. Unliebsame Kritik an der Ministerin solle totgeschwiegen werden. „Die Kollegen sind sauer über eine Ministerin, die für Personalnot und tausende Überstunden verantwortlich ist“, sagte Evers. Seit 33 Jahren arbeite er beim OLG, aber „diese Ministerin topt mit ihrer Untätigkeit alle Vorgänger“, so Evers.

Das Ministerium weist eine politische Zensur von sich. Es gebe keinen Zusammenhang zu der Kritik auf WDR.de, sagt Sprecher Ulrich Hermanski. Die Seite habe zu „dienstfremden Beschäftigungen“ geführt und dienstliche Belange beeinträchtigt. Konkrete Einzelfälle habe es aber nicht gegeben.

„Dienstfremd“ waren in diesem Fall vielleicht auch die mehr als hundert Foreneinträge. Meistens berichten die JVA-Beamten unter Pseudonym von ihrem stressigen Arbeitsalltag. „Die Ministerin ist eine Zumutung“, schreibt einer. Auf den Fluren stapelten sich die Akten und Fristen könnten längst nicht mehr eingehalten werden. Ein anderer Teilnehmer schreibt, die Ministerin würde „immer weiter auf Kosten der Sicherheit Personal sparen, um es den Knackis noch gemütlicher zu machen.“

Seit vor zwei Wochen die beiden Schwerverbrecher aus dem Gefängnis ausbrechen konnten, steht die Juristin Müller-Piepenkötter unter Druck. Nur scheibchenweise informierte sie die Öffentlichkeit über die Vorgeschichte des skandalträchtigen Ausbruchs: Inzwischen ist bekannt, dass ein Vollzugsbeamter bei der Flucht geholfen haben soll. Zehn Tage vor der Flucht seien gegen den Mann Ermittlungen wegen Bestechlichkeit eingeleitet worden.

Die Opposition forderte erneut den Rücktritt der CDU-Dame: "Es kommen immer neue Hinweise über katastrophale Missstände an der JVA Aachen an die Öffentlichkeit“, sagt SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger. Die Ministerin gebe aber immer nur das zu, was sich nicht mehr leugnen ließe. „Sie klammert sich an ihren Ministersessel“, so Jäger. Schon an diesem Mittwoch muss MüPi, wie sie in Düsseldorf genannt wird, vor dem Landtag wieder Rede und Antwort stehen. Die Mitarbeiter aber wird der Zensur-Versuch sicherlich nicht von ihrer Kritik abhalten: Von ihrem privaten Rechner aus können sie weiter ihre Forumsbeiträge absetzen.

Bei der WDR-Presestelle will man sich  zu dem Vorgang nicht äussern und verschickt indes lieber eine Pressemitteilung zum bunten Karnevalsprogramm des Senders: "Der Westdeutsche Rundfunk präsentiert auch in der Session 2010 ein kunterbuntes, jeckes Karnevalsprogramm in Fernsehen, Hörfunk und Internet."

3 FÜR 7 – Diesmal ohne Tipps

Sorry. Diese Woche wird der Joker gezogen, der da heißt: Der Autor dieser Zeilen möchte gar nichts empfehlen, was mit Veranstaltungen zu tun hat. Anderes vielleicht. Aber nicht (z.B.): Weihnachtskonzerttraditionen, Prominentenschaulaufen, Geburtstagspartys.

Mag ja sein, dass die Show immer weiter gehen muss, jedes Tierchen sein Pläsierchen bekommen soll und sich über Geschmack vortrefflich streiten lässt. Ich frage mich gerade, ob es in Afghanistan schon Charts gibt. Nicht dass wir uns missverstehen: Deutschland hat seinen Anteil daran, dass das Attentat auf das WTC stattfinden konnte; das Militär schlägt mal so einfach derbe zu und freut sich, dass geschaffene Fakten für sich sprechen (erinnert mich an manche Argumentationsmuster beim letzten Militärschlag Israels gegen Palästina); Steinmeier und Struck sind aus der medialen Schusslinie, Schröder und Fischer eh, zu Guttenberg ist habhaft. Alles geschenkt in diesem Moment, auch dass die parlamentarische Opposition nur Machtpolitik betreibt. Aber dieses Hineinsickern von Kriegsmentalität in die Gesellschaft… Irgendwie hört der Schreiber dieser Zeilen z.B. nie mehr (natürlich zufällig) Metallica, ohne daran zu denken, dass das Soldaten gerne beim Töten hören. Was hören eigentlich die deutschen Soldaten? Kreator? Oder so sexy Cunt Rock? Jedenfalls sind all die Heavy Metal Festivals rund um das größte Fest der Christenheit (samt Teufel und was sonst noch so dazugehört) dieses Jahr No-Go-Area. Anti-Tipp.

Huppert war da, Lucy schaut auch mal rein. Irgendwann im Verlauf des nächsten Jahres wird es schon aufgrund des irre tollen Prominentenaufkommens jedeR denkbare KritikerIn des werten Kulturhauptstadtgebahrens schwer haben. Die Kameras richten sich ja irgendwie auf alle Ruhries, und selbst die Haltung "Wir sind fast pleite! Was soll all der Glam!?!!" wird zur Mentalitäts typischen Folklore erklärt werden. Auf dass bloß nicht daran gerührt wird, dass der Standort ja anscheinend viele Investoren braucht, deren Lebensinhalt es ist, immer wieder Karten für Veranstaltungen mit Promibeteiligung zu ergattern. Ruhm kostet ja nichts, und ein wenig Sexyness wird auch schon abfallen, fein. Eigentlich noch schlimmer: Die dazugehörige dankbare Haltung, weil die Region hier so etwas ja sooo nötig hat! Die Kultur wird Beiwerk sein für unverbesserliche Schöngeister, der Rest macht Sehen und Gesehen Werden, "realpolitik", wie es mittlerweile ja auch im Englischen heißt – und nicht erst seit irgendein Oberst die Drecksarbeit für Obama (und andere) macht. Erschreckend, wie das große Ganze manchmal verschütt gehen kann, und alle haben ja genug mit sich selbst zu tun oder so.

Und so feiert die hehre Christenheit also Kindergeburtstag, und auch diese und jene Diskothek, so mancher DJ, etc. Am letzten Wochenende hatte der Schreiber dieser Zeilen die Ehre, gleich drei dieser Veranstaltungen besuchen zu dürfen und ist jetzt schon richtig satt, aber es wird weitergehen. Überall reden die Leute über Pop, Erfolg und … Idiosynkrasien, tatsächlich. Und natürlich trifft sich die Meute, die Szene, der Kiez auch immer einfach gerne noch einmal gen Jahreswechsel oder kurz danach, wie bei anderen Firmenveranstaltungen ja fast auch. Das Schlimme: Es wird im Ruhrgebiet vielleicht das ganze nächste Jahr über so weitergehen! (Der Autor schickt den Artikel ab und schüttelt sich.)

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Vorratsdatenspeicherung: Heute mündliche Anhörung…Netzpolitik

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Kuschelige Kreative

Das Empirica-Institut befragte 48 ausgewählte Unternehmen der Kreativbranche im Ruhrgebiet  nach ihren Bedürfnissen und den Gründen für die Standortwahl. Das Ergebnis: Die Kreativen im Revier mögen es gerne kuschelig und scheuen den Konkurrenzdruck.

Die Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet gilt als einer der Hoffungsträger der Wirtschaft im Ruhrgebiet – zumindest bis zum Ende des bald beginnenden Kulturhauptstadtjahres.

Nun schaute sich das Empricia-Institut im Auftrag der Ruhrgebiets-Wirtschaftsförderung die Kreativen im Revier etwas genauer an.

Nach der Umfrage sind die meisten Unternehmen der Branche klein – nur wenige haben mehr als fünf Mitarbeiter und jeder fünfte Kreative arbeitet von seiner Wohnung aus. Die Schwerpunkte der Kreativwirtschaft im Revier liegen in Dortmund, wo 36 Prozent der Kreativunternehmen des Reviers beheimatet sind, Essen (21%) und Duisburg (15%) folgen auf den Plätzen zwei und drei. Auf den billigen Rängen finden sich dann Bochum (10%) und Dinslaken (6) wieder. In Gelsenkirchen, Oberhausen und Mülheim sind  gerade einmal je 4 Prozent der Kreativen tätig.  

Größtes Segement innerhalb der Kreativwirtschaft im Revier ist nach dieser Untersuchung mit 26 Prozent die Designwirtschaft, gefolgt vom Kunstmarkt (24%) und der Werbung (10%).

Und was lieben die Kreativen? Ein Umfeld mit netten Cafés und Kneipen und billigen Räume. Über sieben Euro den Quadtratmeter möchte und kann kaum jemand zahlen. Die Gründe im Ruhrgebiet zu arbeiten sind eher pragmatisch und zeugen von einem geringen Wachstumspotential:  Man war schon immer hier – und schätzt den Mangel an Konkurrenz, der man ja in Köln oder Berlin begegnen könnte: "Als Gründe für die Zufriedenheit mit dem Standort Metropole Ruhr wurden vor allem die weniger große Konkurrenz durch andere Kreativunternehmen und die dadurch erfahrene erhöhte Aufmerksamkeit genannt."

Eine Branche die den Konkurrenzdruck scheut als Hoffnungsträger der wirtschaftlichen Entwicklung? Warum nicht. Es soll ja auch Fußballprofis mit Schweißallergie geben.

Umfrage als PDF zum Download: Klick

Das nächste Jahrzehnt

Vor zehn Jahren ungefähr stand ich auf einem Dach in Berlin Prenzlauer Berg. Es war der erste Januar des neuen Jahrtausend. Wenige Minuten nach null Uhr. Es war nebelig, kalt und glatt. Raketen zischten in den Himmel – zu sehen war fast nichts. Der Nebel wurde dichter. Nur hier und da hörte ich die verhaltenen Detonationen der Böller. Selbst unten am Brandenburger Tor soll nichts zu sehen gewesen sein, schon gar nichts von der angekündigten Lichterschau. Später hieß es, das war wohl ein seltener Wettereffekt.

Foto. flickr.com / slipper buddha

Zehn Jahre sind jetzt um. Ich bin fast vierzig. Ich habe zwei Kinder, eine Frau. In meinem Beruf konnte ich mich durchsetzen, darüber bin ich froh. Damals, ich kann mich gut erinnern, war ich gespannt, was das neue Jahrtausend bringt. Als Kind in den Achtzigern habe ich immer gedacht, im Jahr 2000 wird alles gut. Wenn ich nur so alt werde, das zu erleben, werde ich in einem Sessel sitzen und meinen Enkeln erzählen, was wir damals für ein Elend hatten. Manchmal kam ich mir selbst vor, als würde ich auf einer Rakete in die Zukunft geschossen.

2001 im September habe ich beim Time Magazin gearbeitet. Es war ein schöner Spätsommer in New York. Bis die Flugzeuge in den Türmen explodierten. Ich habe den Brand damals über den Hudson ziehen sehen, weit über Long Island hinaus, bis auf den Atlantik und weiter. Ein Mann stand da neben mir, während wir auf herabregnende Akten in der Wall Street blickten. Er sagte mir, bald werde ein Staat von der Landkarte verschwinden. Welcher war damals fast egal. Die New Yorker Boulevard-Blätter titelten: „WAR“ Und genau das war das Gefühl. Und genau das war die Botschaft in das neue Jahrzehnt.

Ich war am "Ground Zero" damals. In dichten Stößen stieß da der Rauch aus den Spalten. Es stank erbärmlich nach brennendem Plastik. Ich bin eine ganze Woche unterwegs gewesen. Ein paar Hush-Puppy-Schuhe hab ich in der City kaputt gelaufen. Meine Haut war seltsam gerötet, ich konnte nur schwer durch die Nase atmen. Eine Bekannte sagte, das komme vom Trümmerdreck in Manhattan. Ich hatte keine Staubmaske auf.

Tausende Menschen wurden vermisst. Wenige hundert Tote wurden geborgen. Eine Freundin sagte, der Rest sei zu Asche verbrannt. Die Temperatur in den brennenden Twin Towers seien größer gewesen als in einem Krematorium.

Ich krame in meinen Notizbüchern. Immer wieder habe ich mir Namen notiert, die auf den Flugblättern in der ganzen Stadt hingen. Hinter jeden Namen habe ich die Etage geschrieben, in der das Opfer gearbeitet hat. Nie die Telefonnummer des Suchenden. Ein paar Flugblätter sehe ich immer noch vor Augen. Wie das von Dr. Sneha Ann Phillip, 106. Etage. Es klebte einsam an einem Laternenpfahl an der Ecke Broadway und 50. Straße. Auf dem Flugblatt sind vier Fotos, drei farbige, eines in Schwarzweiß. Unter den Fotos ist ein Steckbrief abgedruckt. Augen: braun. Haare: schwarz. Hautfarbe: oliv. Ron Lieberman bittet um Rückruf, falls jemand Frau Phillip gesehen hat.

Auf den Fotos lächelt Sneha Ann. Sie spielt mit einer getigerten Katze. Ein anderes ist vor uralten Säulen aufgenommen, ein feines Relief ist zu erkennen. Sneha Ann schaut direkt in die Kamera – als suche sie die Person dahinter. Auf dem Schwarzweißfoto sind ihre Augen weit geöffnet, die Lippen feucht. Der Kopf ist vorgeneigt, eine Locke hängt ihr ins Gesicht. Es sieht so aus, als sei Sneha Ann verliebt.

Ich kann mich erinnern, wie mir die Erkenntnis kam. Es war später irgendwann, ich habe mir wieder an die Nase gefasst und versucht den Dreck rauszuniesen, der sich beim Brand am Ground Zero festgefressen hatte. Ich habe erkannt. Das war der Staub aus dem Krematorium der Türme. Ich hatte wohl Leichen geatmet.

Die Tage in New York haben mich verändert, sicher. Ich habe Angst davor gekriegt, dass der Krieg uns frisst. Ich habe heute Angst um meine Söhne, dass sie irgendwann in so einen Krieg ziehen müssen, der im Nebel stattfindet, über den Leute erzählen, es würden Tankwagen zerstört, wenn es darum geht, Menschen am lebendigen Leib zu verbrennen.

Das aber ist nicht alles, was das vergangene Jahrzehnt gebracht hat. Mit dem Krieg und meinen Kindern kam die Sorge um den Planeten zurück. Ich habe in den Achtzigern gegen Treibhausgase demonstriert. Damals ging es um die Mittel aus dem Spraydosen, ich war vielleicht fünfzehn oder so. In meinen zwanziger Jahren habe ich mir gedacht, was soll es, ich will Leben. Die Statistiken gingen mir zwar nicht aus dem Kopf, von den aussterbenden Arten, von den verbrannten Wäldern, von den vergifteten Flüssen. Ich habe nur gelernt, das alles zu ignorieren. Mehr nicht.

Nun aber habe ich es wieder gesehen. In den vergangenen Jahren. Die leeren Gletschertäler, in denen das Eis fehlt. Die ausgebrannten Hügel, auf denen Urwälder standen. Ich habe auch die dreckigen Flüssen gesehen und die toten Fische. Es ist alles eingetreten, vor dem ich als Kind Angst hatte.

Heute wird verhandelt über ein neues Klimaabkommen in Kopenhagen. Es wird wenig zurückholen, von dem was verloren ist. Vielleicht wird es im kommenden Jahrzehnt irgendetwas retten. Ich weiß es nicht.

Ich denke an eine Schneewiese, die ich als Kind gesehen habe. Frisches, glattes, kitschiges, reines Weiß. An meiner Grundschule. Es ist früher Morgen, ich bin der erste hier. Alles neu, Kristalle glänzen, wie Märchenfunkel. Ich will nicht weitergehen. Ich will nur sehen. Sekunden später werfen die anderen Bälle, sie jagen sich. Lachen. Irgendwo hinter meinem Rücken. Ich gehe ein paar Meter, schaue in die kahlen Bäume. Und das reine Weiß. Ich werfe mich auf den Boden und wedele mit meinen Armen und Beinen. Ich will ein Adler werden. Wenn ich aufstehe, kann ich den Adler auch tatsächlich sehen. Ich atme Raureif. Meine Nase ist kalt. Meine Backen glühen. Ich bin wohl glücklich.

Dann drehe ich mich um. Die Schneewiese ist verschwunden. Jetzt ist es grauer, verdreckter, steiniger Matsch. Kinderfüße, Erdbrocken. Ich kann mich an die Stiche in der Brust noch heute erinnern. An meine Tränen in der Nase. Etwas war im Spiel zerstört zu Bruch gegangen, das ich in wenigen Minuten so geliebt hatte.

Später gingen wir dann in die Klassen. Ich habe aufgehört zu flennen. Und stattdessen rechnen gelernt. Und schreiben.

Ich habe heute Hoffnung für das neue Jahrzehnt. Ich weiß nicht, wie es wird. Ich weiß nicht, was wird. Aber ich sehe, dass es Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen Menschen gibt, die daran arbeiten, dass alles besser wird. Wir werden vor Problemen stehen, die unüberwindbar erscheinen. Es wird um reines Wasser gehen und um warme Häuser. Wir werden Angst haben, vor neuen Krankheiten und vor alten Feinden. Vielleicht werden viele Menschen sterben. Aber es wird immer einer überleben.

Aids können wir behandeln und manchmal sogar Krebs heilen. Es gibt Spülmaschinen und Elektroautos. Speicherkarten und das Internet. Sprachförderung und Kindergärten, Erdbeeren im Winter und Latte Machiatto.

Das Ende der Welt war niemals nahe. Es war manchmal hart und manchmal beschissen. Aber es ging immer weiter.

Vielleicht müssen wir mehr auf Gott vertrauen. Und darauf, dass die Menschen in der Not immer den richtigen Ausweg finden. Nicht für alle. Aber für die meisten. Ich denke mit meiner Frau gerade drüber nach, eine Wohnung zu kaufen. Als Altervorsorge. Riestern ist ja wohl nichts. Und irgendwas muss man ja tun.

Damals vor zehn Jahren in Berlin sind wir nach ein paar Stunden auf dem blinden Dach zurück in die Wohnung geklettert. Wir haben auch dort nicht in die Zukunft gesehen, selbst beim Bleigießen nicht. Aber wir hatten es warm und gemütlich. Ich meine wir haben Glühwein getrunken. Und Zigaretten geraucht. Scheiß drauf, wir waren noch jung. Jetzt werde ich alt. Das neue Jahrzehnt beginnt.