Jürgen Rüttgers hat’s gut, Angela Merkel hat’s gut: Rechts und links nur willige Juniorpartner, und wer das nicht ist, also Die Linke, treibt ihnen ebenjene geradezu ins Himmelbettchen. Heute und morgen also Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90 / Die Grünen in Essen. Kann sich die Koma- sorry Klimakanzlerin auf gut aufgestellte und – im Gegensatz zur FDP – regierungsfähige Koalitionspartner freuen? Dazu die nächsten Stunden live und mit Updates aus der Messehalle West der Gruga.
17.00:
Inzwischen redet Barbara Steffens, verheiratet mit einem CDU-Regierungspräsidenten, zum Thema „Soziales NRW: Für Gerechtigkeit und Zusammenhalt“ und sagt (in dem Sinne): „Wer soziale Kompetenz in NRW mit der SPD gleichsetzt, hat nichts verstanden.“ Und um kurz nach vier ging folgendes aus einem Interview mit Renate Künast für „Bericht aus Berlin“ über die Ticker: “Eigentlich haben wir politisch die größten Schnittmengen mit der SPD, aber wir können nicht darauf warten, dass die SPD dann immer hinreichend groß ist, und eines ist sicher: der Machtinstinkt der Grünen ist groß.“ S.a. hier. Die Details hier wiegen schon nicht mehr so schwer wie die strategische Ausrichtung, aber es wird weiter tapfer freundlich gestritten. (Letztes Update)
16.20:
„Ökologisches NRW: Schutz für Mensch und Umwelt“. Keine großen Überraschungen. An dieser Stelle also lieber ein Interview von Ruhrbaron Marcus Meier mit Volker Beck.
15.40:
Spannende Fragen:
1) Wie teuer und schwierig wäre eine erneute Änderung der Pflichtschulzeit? Die Grüne Jugend spricht sich, neben anderen, für eine Wahlmöglichkeit zwischen acht oder neun Jahren bis zum Abitur aus, die Gegenposition spricht sich für langfristig umfassendere Änderungen aus, aber dagegen, sich nun so konkret festzulegen. Äußerst knappes Ergebnis, endlich mal so etwas wie Dynamik. Und damit dann doch zumindest eine kleine Überraschung: Nur ganz knapp setzt sich Grüne Jugend und Co. nicht durch.
2) Volker Beck redet für eine Kindergartenpflicht ab vier Jahren und eine Festlegung darauf im Wahlprogramm. Die Gegenredner/innen scheuen vor den Konsequenzen zurück, die ein Zwang zur Tagesstätte mit sich bringen würde: Welche Sanktionen müssten her? Soll die Polizei kommen, Zuwendungen gekürzt werden, etc.? Hier zeigt sich gut, wie die Frage „im Zweifel mehr Staat oder mehr Emanzipation“ immer noch für Kontroversen sorgen kann. Die Lösung heißt hier für die einen „durch mehr Staat mehr Emanzipation ermöglichen“, für die anderen „es sollten sich die Eltern freiwillig für die Tagesstätte entscheiden“. Knapp setzt sich der Antrag von Beck & Co. nicht durch.
14.20:
Antragsmodifikationen, Änderungswünsche, letztlich dann trotz mehrerer Anträge ein nahezu einstimmiges Abnicken des ursprünglichen ersten Kapitels des Landtagswahlsprogrammes namens „Zukunftsfähiges NRW: Grünes Wirtschaftswunder“. Es folgt: „Kluges NRW: Recht auf Bildung für alle“. Überraschungen, also das Durchkommen von Änderungsanträgen gegen die Landesspitze, sind bislang nicht abzusehen. Manches wird als sinnlos, manches als noch nicht ausreichend diskutiert zurückgewiesen. Aber schön, dass es besagte 740 Änderungsanträge gibt: Die Basis diskutiert und bringt sich ein, das freut die (zukünftigen) Politprofis der Partei natürlich. (Vieles, aber längst nicht alles an Material hier.)
13.10:
Claudia Roth wünscht „all das, was man braucht, um erfolgreich zu sein“. Die „alte Dortmunderin“ und „alte Bonnerin“ verspricht „Einbringung statt Nichteinmischung“. Sie fordert „Selbstbewusstsein“ und „Unterscheidbarkeit“ und erklärt Schwarz-Gelb in NRW im Nachhinein als „Blaupause“ für die Regierung in Berlin, betont also die Gemeinsamkeiten in der Ausgangslage der Grünen in NRW und im Bund. Die Bundesregierung sei „Handlanger der Lobbys“, die „Atompläne von Schwarz-Gelb“ sollen anscheinend nochmal etwas Angstpotential freisetzen, um zusätzliche Stimmen zu generieren. Warmer Applaus, ein grünes Herzensthema. Dann geht es zurück ins NRW-Ländle und gegen Kohlekraftwerke. Die SPD wird „Kohlebarone“ genannt, sehr schön. Roth wendet sich gegen „Steuersenkungen auf Pump“ und fragt, was die „wahren Christinnen und Christen“ dazu sagen, wenn „Millionen von HartzIV-Kindern“ Geld weggenommen wird. Sie spricht sich klar für einen Mindestlohn aus und nennt die Gesundheitspolitik neben der Bildungspolitik einen weiteren zentralen Bereich, in dem um mehr Gerechtigkeit gestritten werden muss, anstatt „ein solidarisches System zu zerschlagen“. Die Wahrheit über die Bundesregierung würde erst nach der NRW-Wahl ans Licht kommen, also soll jetzt schon mit einem Wechsel in Düsseldorf ein Signal für Berlin gesetzt werden. Gut, und welches? Gibt es schon Andeutungen zu Koalitions-Präferenzen? Bislang nicht von Frau Roth.
12.20:
Während einige Delegierte paraphrasieren und teils andere Akzente setzen, hier ein paar Ideen zu Koalitionsvarianten für NRW: Rot-Grün dürfte rechnerisch schwierig werden, Schwarz-Gelb wohl auch – immer gesetzt den Fall, Die Linke kommt ins Parlament. Wer sich daran klammert, dass letzteres nicht passiert, muss im folgenden nicht weiterlesen. Denn: Werden viele CDU-Wähler der FDP Leihstimmen geben, um Schwarz-Grün zu verhindern? Bestimmt nur bedingt. Wählt wer mit SPD-Hintergrund grün, um eine Große Koalition unwahrscheinlicher zu machen? Kaum.
Also: Was will WählerIn denn?? a) Die Linke an der Regierung verhindern? Ohne Schwarz-Gelb im Amt zu bestätigen? Geht eigentlich gar nicht (, versuchen aber viele herbeizureden). Außerdem ist eine rechnerische Option, nach der Rot-Grün-Rot (so heißt es hier) zwar klappen würde, dann aber nicht zustande kommt, für CDU und Grüne, die dann quasi koalieren „müssen“ (Große Koalition ohne Not? Wer will das denn?), auch nicht wirklich schlimm. Man kann schon vor sich sehen, wie weder SPD, noch Die Linke, noch die Grünen Rot-Grün-Rot wollen und sich eher darüber einigen müssen, wie das am elegantesten NICHT zustande kommt. Strategischer Vorteil der Grünen als selbsternannte „neueste Mitte“: Wer „die neuen Radikalen“, also FDP und Die Linke, nicht will, soll gefälligst die Grünen wählen. Ergebnis: Schwarz-Grün.
Wähler-Option b): Im Grunde soll die CDU weg, das mit der FDP ergibt sich dann automatisch (denn Jamaica oder Ampel sollen ja mit den Grünen nicht werden). Wer das will, hat irgendwie Rot, Grün oder Rot zu wählen, aber am besten Die Linke, denn nur das verhindert tatsächlich Schwarz-Grün oder Ampel. Rot-Rot allein erscheint unwahrscheinlich, insofern sind also durchaus Leihstimmen aus dem alternativen Millieu von Grün zu Die Linke logisch – ein Horrorszenario für Die Grünen. Ergebnis: Rot-Rot-Grün unter Schmerzen oder … Schwarz-Grün. q.e.d. (Um den Einwand vorwegzunehmen: Nein, Die Linke wird nicht so stark, dass letztlich eine Große Koalition herauskommt.) Unwort des Tages natürlich: Ampel. Wer Spaß haben möchte, sollte die Regierungswilligen mit diesem Begriff quälen.
11.30:
Nächste Stichworte: Der berühmte „green new deal“. Und mensch sagt es auch „mit christlichen Worten“: „Für den Erhalt der Schöpfung“. Und ist auch „die Bildungspartei“. Jürgen Rüttgers‘ „große Lebenslüge“ ist das dreigliedrige Schulsystem, die FDP steht für Zweiklassenbildung. „Wie sagte Kästner: Der Mensch soll lernen – nur die Ochsen büffeln.“ Dann soziale Gerechtigkeit, denn: „Nur Reiche können sich eine arme Kommune leisten.“ Die FDP, das seien die „wahren Staatsfeinde“, weil sie die Kommunen, also den Ort, wo die Menschen „tatsächlich leben“, „untergraben“. Schön, dass hier auch nach links geblinkt wird – aber das war ja durchaus ebenfalls zu erwarten. Jamaica wird ausgeschlossen, Tolerieren von Rot-Rot auch, eine Stimme für die Linkspartei sei „eine Stimme für Schwarz-Gelb“. Gleich mehr Wahlarithmetik, dann aber nicht mehr von Sylvia Löhrmann.
11.10 Uhr:
Recht pünktliche Begrüßung, Claudia Roth ist auch da. „Macht mehr möglich“ prangt groß als „Claim“ über allem, als Slogan für die NRW-Wahl. Livestream übrigens hier: http://essen2010.gruene-ldk.de/ (Auf dem Foto oben – alle Fotos: Grüne NRW – die derzeitige Landtagsfraktion.) Erster Applaus, als ein Demoaufruf gegen Atomstrom erfolgt. 740 Änderungsanträge zum Programmvorschlag gab es. Sofort bezeichnet mensch sich hier als „Programmpartei“ und kündigt die Programmdebatte an – die letzte Sitzung der Programmkommission hatte übrigens auch bis etwa 10:59 gedauert. Erster Redner jetzt: Rolf Fliß, der grüne Bürgermeister von Essen. Er kündigt einen „stürmischen Wahlkampf“ an, redet aber viel über Kulturhauptstadt, Zollverein und Folkwang, macht also brav Werbung für sich und seine Stadt. Dann fordert er „Hilfe“ von Land und Bund für seine „Notstandskommune“ an. Subsidiaritätsprinzip? Spannendes Thema. Dann sagt er noch, schwarz-grün sei wohl „leider vorbei“, da die CDU so schwach sei in den Umfragen derzeit. Jaja.