Einenkel: „Das sind hier nicht nur die Chefs von morgen.“

Seit Donnerstag ist der Audimax der Ruhr Universität Bochum besetzt. Heute Mittag fand dort vor 300 Studierenden eine Solidaritätsveranstaltung statt.

OK, 300 in einem Saal in dem locker 3.000 Personen Platz finden ist keine beeindruckende Kulisse – aber es gab einen guten Grund mit der Solidaritätsveranstaltung im Audimax zu bleiben, wie einer der Organisatoren erklärte: "Wenn wir den Audimax räumen kommen wir nicht mehr rein."

Joachim Beyer, Personalrat der RUB, Vorsitzender des Fachbereiches Bildung, Wissenschaft und Forschung bei ver.di Bochum – Herne; Rainer Einenkel, Betriebsratsvorsitzender der Bochumer Opel-Werke; Michael Hermund, der hiesige DGB-Vorsitzender; Brigitte Ponath, vom Paritätischen und Rolf Geers vom  Kinder- und Jugendringes Bochum kamen um den Studenten bei ihrem Protest zur Seite zu stehen.

Den Studenten? Sind das für einen altgedienten Betreibsrat wie Einenkel nicht die Chefs von morgen? "Nein, dass sind hier nicht alles künftige Chefs. Viele werden später als Entwickler arbeiten oder in der Verwaltung von Unternehmen und dann sind es ja Kollegen." Und ohnehin gäbe es im Ruhrgebiet einer traditionelle Verbundenheit zwischen den Arbeitern und den Studenten: "Viele der Studenten kommen ja aus einfachen Verhältnissen. Für sie ist es wichtig ohne Studiengebühren studieren zu können und viele müssen noch neben der Uni durch Arbeit ihre Ausbildung finanzieren. Das fällt ihnen unter dem Druck der neuen Bachelor und Masterstudiengänge schwer."

 

Billy The Kid hat Geburtstag

Heute wäre Billy The Kid  150 Jahre alt geworden – wenn Pat Garret ihn nicht erschossen hätte und er immer gesund gelebt hätte. Tja, so kann es gehen. Die Szene im Video stammt aus dem Film "Patt Garett jagt Billy The Kid" aus dem Jahr 1973. Der schon damals nicht ganz so junge Kris Kristofferson spielt den Billy, Pat Garett wird von James Coburn gegeben. Die Filmmusik stammt von Bob Dylan, der auch mitspielt.

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Sperr-Vermerkte: Details aus den Verhandlungen…Netzpolitik

Gaspreise können fallen – wenn Sie das wollen

Sie zahlen viel Geld für ihre Gasheizung? Das könnte sich bald ändern. Denn der Mechanismus, der bislang bei Millionen Kunden für schlechte Laune sorgte, könnte bald Geschichte sein. Jahrelang wurden das Gas durch die Bindung an den Ölpreis Jahr für Jahr automatisch teurer. Nun ist das Gasgewerbe im Umbruch. Millionen Menschen – vielleicht auch Sie – könnten davon profitieren.

Tatsächlich steht die Ölpreisbindung auf der Kippe. Derzeit untersucht der Bundesgerichtshof etwa gleich in zwei Verfahren, ob Versorger automatisch die Tarife für Heizungsgas anheben dürfen, wenn die Preise für Schweröl steigen. Gleichzeitig bricht auch an den Großhandelsmärkten die Ölpreisbindung auf. Immer mehr Importeure versuchen, ihre Langfristigen Verträge entsprechend zu ändern. Sie wollen das Gas billiger weiterverkaufen. Der Grund für die unerwartete Bewegung: Neben neuen gesetzlichen Bestimmungen bringt der einsetzende Wettbewerb auf dem freien Markt erste Erfolge. Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen sagt bereits: „Die Ölpreisbindung hat sich überlebt.“

Um zu verstehen, wie rasant sich die Bedingungen verändern, muss man zunächst nach Argentinien blicken. Dort diskutierte auf der Welt-Gaskonferenz im Oktober der Chef von Europas größtem Gasimporteur E.on Ruhrgas, Bernhard Reutersberg, mit dem Vorsitzenden des russischen Staatskonzerns Gazprom, Alexej Miller, auf offener Bühne. Unerwartet war vor allem die Schärfe mit der Reutersberg eine Flexibilisierung der Lieferverträge verlangte. In einer sich ändernden Welt könne es nicht sein, dass man starr an überholten Mechanismen festhalte, sagte er vor hunderten Gasmanagern.

Der Hintergrund der Ansprache ist schnell erklärt: Zunächst wurde der Gashandel in England und Holland liberalisiert. Gleichzeitig sorgten gesetzliche Bestimmungen in Großbritannien dafür, dass große Mengen Gas auch tatsächlich über die Börsen gehandelt werden müssen. Die Norweger zogen deshalb eine neue Pipeline durch die Nordsee, um am interessantesten Gasmarkt der Welt teilhaben zu können. Allerdings sorgten zeitweilige Überangebote in Britannien für fallende Preise. Das Gas wurde weiterverkauft an holländische Handelsplätze, die über Pipelinen mit England verbunden sind. Gleichzeitig setze auch in Deutschland der Gashandel über Börsen ein. Das half nun neuen Wettbewerber Gas auf dem freien Markt einzukaufen – ohne langfristige Verbindungen – und hierzulande um Endkunden zu buhlen. Neben kompletten Newcomern ohne Erfahrung drängten auch holländische Unternehmer mit jeder Menge Know-How ins Geschäft. Die Versorger in Deutschland reagierten und machten eigene Billigangebote.

Damit war die Grundvoraussetzung für den freien Wettbewerb geschaffen: zunächst der freie Einkauf über Börsen und Handelsplätze, an denen große Mengen Gas zur Verfügung stehen und dann der Kampf um Endkunden.

Noch ist der freie Markt holperig und zäh. Preisentwicklungen an den Börsen werden langsam nachvollzogen. Die meisten Kunden scheuen sich ihren Anbieter zu wechseln, obwohl der Tariftransfer ähnlich unkompliziert ist, wie im Stromhandel. Dazu gibt es immer noch vertragliche Bindungen, die den Wettbewerb behindern. So fußen etwa die Verträge von Millionen Gasheizern immer noch auf den alten Mechanismen der Ölpreisbindung.

Doch laut Verbraucherschützer Krawinkel besteht hier Hoffnung, dass sich das bald ändert. Derzeit verhandelt beispielsweise der Bundesgerichtshof über die Ölpreisbindung in etlichen Gaslieferverträgen für Endkunden. Der Bund der Energieverbraucher hält diese Klauseln für unzulässige Preistreiberei. Die Verbraucherschützer glauben, es gehe den Versorgern nur darum, eigene Risiken aus dem Gashandel abzuwälzen. Steigt der Importpreis über die Ölpreisbindung in den Langfristigen Lieferverträgen, könnten die Mehrkosten dank der angegriffenen Verträge auf die Verbraucher abgewälzt werden. Sollte der BGH diese Klauseln aufbrechen, könnten Millionen Verbraucher auf sinkende Preise hoffen.

Denn auch auf den Großmärkten stehen die Tarife unter Druck. Der Grund: Europa wird derzeit von Gas überschwemmt. Die Internationale Energieagentur IEA rechnet bereits damit, dass sich aufgrund der Situation schon in den kommenden Monaten völlig neue Preismechanismen herausbilden. Die Gründe für das Überangebot sind vielfältig. Zunächst können dank neuer Fördertechniken alte Gasfelder in der Nordsee länger profitabel ausgebeutet werden. Nur ein Beispiel: der Energiekonzern E.on erschließt seit Oktober ein bislang nicht wirtschaftliches Gasfeld vor der Küste Englands. Dabei bohren die Techniker ein kilometerlanges Loch in dichtes Gestein tief unter dem Meeresspiegel, legen Sprengladungen und blasen nach den Explosionen in die entstehenden Felsrisse mehrere Milliarden Reiskorngroße Glasperlen, damit sich die Lücken nicht mehr schließen. Aus dem so aktivierten Gestein kann das bislang gebundene Gas ausströmen und kostengünstig gefördert werden. Ähnliche Projekte gibt es überall in Europa.

Dazu kommt auch das einsetzende Geschäft mit Flüssiggas in Südeuropa. Gas aus Asien kann dort per Schiff angeliefert und in die Pipelinennetze eingespeist werden. Gleichzeitig hat die Wirtschaftskrise auch noch die Nachfrage nach Gas gedrosselt. Unternehmen verbrauchen schlicht weniger Energie, um zu heizen oder zu produzieren.

Damit steht der grundsätzliche Mechanismus für sinkende Preise: Neue günstige Quellen und eine sinkende Nachfrage sorgen an den Spotmärkten für ein Überangebot. Wenn nun der Ölpreis anzieht, interessiert das im Gashandel niemanden mehr. Wer auch immer versucht, sein Gas entsprechend der Ölpreise teurer zu verkaufen, findet an den Börsen keine Abnehmer mehr. Er wird schlicht unterboten.

Unter dieser Situation leiden vor allem die großen Energiekonzerne. Sie sind mit langfristigen Importverträgen an Konzerne wie Gazprom gebunden. Zieht der Ölpreis an, müssen sie mehr Geld nach Moskau überweisen. Zudem haben sie Mindestabnahmemengen in ihren Verträgen stehen. Wird das Gas nicht gebraucht, interessiert das die Russen nicht. E.on Ruhrgas und andere Riesen sollen trotzdem Milliarden Euro überweisen.

Kleine Versorger ohne Importverträge freut das. Sie kaufen auf dem Spotmarkt billiges Gas ein und verkaufen es in Deutschland weiter. Wie Schnellboote jagen sie den großen Tankern die Kunden ab. Die Verbraucher freut das. Jeder der den Anbieter wechselt, kann sich günstig mit Gas für den Winter eindecken.

Damit geraten aber die Konzerne noch stärker unter Druck. Sie müssen nicht nur Gas zu überhöhten Preisen in Russland kaufen, sie verlieren zudem Kunden an Wettbewerber.

Um aus der Zwickmühle zu entkommen, setzen Riesen wie E.on Ruhrgas oder die italienische ENI nun Gazprom massiv unter Druck. Sie fordern eine Flexibilisierung der Lieferverträge, um ebenfalls an das günstige Gas an den Börsen zu kommen. In seltener Offenheit forderte etwa E.on-Chef Wulf Bernotat Mitte November die Russen öffentlich auf, von ihrer starren Haltung abzuweichen und E.on zu erlauben, bis zu 10 Prozent über die Spotmärkte handeln zu lassen. Die Energieagentur IEA folgert: „Sollten die großen Exportländer einknicken, wären tiefere Preise die Folge.“

Tiefere Preise, die laut Verbraucherschützer Krawinkel an die Endkunden weitergeben würden.

Drei Schritte zu einer billigeren Gasrechnung:

Schritt 1: Notieren Sie sich Ihre bisherige Kundennummer und die Nummer ihres Gaszählers sowie den Namen Ihres bisherigen Lieferanten. Suchen Sie sich einen neuen Anbieter aus – etwa über Preisvergleiche im Internet. Geben Sie Ihrem neuen Anbieter die Daten durch.

Schritt 2: Ihr neuer Gasanbieter übernimmt die Wechselformalitäten. Die Umstellung erfolgt in etwa vier bis zehn Wochen. Die Rechnung erhalten Sie in Zukunft vom neuen Versorger. Zähler und Leitungen verbleiben aber im Besitz des örtlichen Netzbetreibers, der auch weiterhin die Zählerstände ablesen lässt.

Schritt 3: Der Wechsel geschieht, ohne dass Sie es merken. Per Gesetz ist es unmöglich, dass sie eine Sekunde ohne Gas dastehen. Sollte es beim Wechsel zu einer zeitlichen Verzögerung zum neuen Anbieter kommen, ist der lokale Grundversorger verpflichtet, Sie zu beliefern. Der Wechsel ist für Sie kostenfrei.


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Aktuelle Gaspreise können Sie bei Idealo recherchieren.


Ran Ans Geld! Wer wirklich von den RAG-Subventionen profitiert

Foto: Klingemann

Seit Gründung der Ruhrkohle AG vor 40 Jahren sind gut 140 Milliarden Euro Steuergelder in den Steinkohlebergbau geflossen. So viel Subventionen hat in Deutschland sonst keiner bekommen. Doch niemand kann kontrollieren, ob diese Zahlungen  berechtigt waren. Vielmehr hat die RAG selbst die Regeln geschaffen, nach denen sie kontrolliert wird. Zudem hat sie über Jahrzehnte zu den Milliardengewinnen ihrer ehemaligen Gesellschafter Hoesch, Thyssen Krupp Steel, EON und RWE beigetragen. Und sie tut es noch immer.

Es war eine schnelle Geburt. Innerhalb weniger Wochen wurde im November 1968 die Ruhrkohle Aktiengesellschaft ins Leben gerufen. Sie sollte ein unkontrolliertes Zechensterben im Revier verhindern und die Jobs tausender Kumpel retten, was ihr zweifellos auch gelang. Aber was da vor mehr als 40 Jahren aufgebaut wurde, ist auch ein System, das den Steuerzahler noch heute Jahr für Jahr Milliarden kostet. Mit dem Geld sollten nicht nur die Jobs der Bergleute und die Energieversorgung der Republik gesichert werden, hieß es. Ganze Regionen, wie das Ruhrgebiet oder das Saarland, sollten gerettet werden. Doch richtig profitiert haben nach unseren Recherchen die Gesellschafter der RAG: Hoesch, Thyssen Krupp, RWE, E.on und die jeweiligen Vorgängerbetriebe. Über komplizierte Mechanismen landeten Milliarden an Subventionen in ihren Taschen. Und die Konzerne profitieren noch immer.

RAG-Kunden bestimmten Preise

Mechanismus Nr. 1: Die Eigentümer der RAG waren gleichzeitig die Kunden der Zechenfirma. Ihr Interesse war es nicht, gute Kohlepreise für die RAG zu erzielen, sondern möglichst billig einzukaufen. Denn die Verluste der RAG wurden vom Staat gedeckt. Früh wurde der Webfehler entdeckt. RAG-Vorstand Hubert Grünewald etwa notierte in einem internen Vermerk im Februar 1970 über die Zwickmühle seiner Firma: „Unsere Vertragspartner sind überwiegend unsere Aktionäre. Die Vertragsschließenden haben mit Wissen und Kenntnis der auf Ruhrkohle AG übergehenden Verpflichtungen Leistungen festgelegt und vereinbart, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses offenkundig nicht erfüllbar waren.“ Mit anderen Worten: Die Eigentümer wussten, dass sie zu Dumpingpreisen einkauften, im Vertrauen auf die Zahlungsbereitschaft des Staates.

Dreistellige Millionenverluste

Mechanismus Nr. 2: Vor allem bei den Lieferverträgen für Hochhofenkoks, der zur Stahlerzeugung benötigt wird, waren die RAG-Eigentümerkunden kreativ. Nur ein Beispiel: zwischen 1997 und 2005 verlangten sie von den Kokereien Prosper und Kaiserstuhl Rabatte. Diese Rabatte berechneten die Eigentümerkunden so: Die Kokereien sollten die Nebenprodukte bei der Kokserzeugung, wie Teer, verkaufen. Die Erlöse sollten sie dann von den Kokspreisen abziehen, um den Koks billiger zu machen. Dass es deswegen zu Verluste der Kokereien kommen konnte, wurde hingenommen. Denn diese Verluste sollten ja wie immer die Steuerzahler über die Subventionen ausgleichen. Das erscheint schwer nachzuvollziehen, doch Kokereidirektoren berichten, dass besonders über den Verkauf von Koksgas die Preise gedrückt wurden. So soll der Eigentümerkunde Hoesch (heute Thyssen-Krupp-Steel) verlangt haben, dass für das minderwertige Koksgas die Preise für hochwertiges Erdgas als Rabatt gewährt wurden; obwohl tatsächlich nur die niedrigeren Preise für Koksgas gezahlt wurden. Intern wird aus der RAG heraus von dreistelligen Millionenbeträgen berichtet, die so vom Staat getragen werden mussten.

"Wer klagt schon gegen seine Mutter?"

Mechanismus Nr. 3 Eine andere Masche aus dieser Zeit war der Import von günstigem Koks zu Forschungszwecken. Eigentlich waren die Konzerne aufgrund der Subventionsgesetze gezwungen, Koks ausschließlich bei der RAG zu kaufen. Nur zu Testzwecken durften geringe Mengen Koks aus dem Ausland importiert werden. Davon unbeeindruckt, importierten die Hütten große Mengen Koks aus Billigländern. Diese Riesenmengen wurden einfach als Forschungskoks deklariert. Die RAG-Führungsebene war Anfang der 90er Jahre über die Einnahmeverluste „in Millionenhöhe“ so sauer, dass sie eine Klage gegen ihre Kundeneigentümer in Erwägung zog, berichten Kokereidirektoren. „Wir sahen die Züge mit Koks aus Polen an unserem Fenster vorbeifahren.“ Man habe nur von den Klagen abgesehen, weil man ja „nicht gegen seine eigene Mutter klagen kann“ sagten die Direktoren, die an den Gesprächen in der RAG beteiligt waren. Die Verluste, die der Staat ausgleichen musste, hätten wieder in dreistelliger Millionenhöhe gelegen. Genaue Zahlen kann keiner vorlegen, da Studien über die Importmengen fehlen. 

Entwicklung der Produktionskosten nicht nachvollziehbar

Mechanismus Nr. 4: Die Stahlkonzerne und Stromriesen sollten und sollen im internationalen Wettbewerb keinen Nachteil bekommen, wenn sie Deutsche Kohle verbrennen. Deswegen soll die RAG nur den Preis berechnen, den die Konzerne auch für Kohle aus dem Ausland zahlen müssten. Dies ist der so genannte Drittlandskohlepreis (DKP). Die Differenz, zwischen Produktionskosten und Drittlandskohlepreis, sprich die Verluste der RAG, gleichen die Behörden aus. Doch das reichte den Konzernen nicht aus. Im Geflecht der Kundeneigentümer der RAG entstand ein jahrelang aktives Rabattsystem auf den DKP. So berichtet der Bundesrechnungshof, die RAG-Kunden hätten zwischen 1998 und 2004 regelmäßig Ermäßigungen zwischen 10 und 20 Prozent bekommen. Die Gründe für die Rabatte seien schwer nachvollziehbar gewesen, steht in dem internen Bericht des Rechnungshofes. Es hieß etwa, die Kohle sei minderwertig oder schwer brennbar. Oder die Kunden hätten Aufgrund ihrer Monopolstellung geringere Preise durchgesetzt. Warum auch immer: Allein aufgrund der Rabatte fielen die Subventionen allein in diesem Zeitraum von sieben Jahren um rund 1,5 Mrd. Euro höher aus als nötig. Dies lässt sich aus dem Bericht der Bundesrechnungshof ermitteln. Gleichwohl werden mit diesen Argumenten bis heute die Kohlepreise der RAG gedrückt.

"Es gibt keine effektive Kontrolle"

Wie waren all diese Tricksereien überhaupt möglich? Der Landtagsabgeordnete der NRW-Grünen Reiner Priggen bemüht sich seit Jahren, Klarheit zu bekommen. Es fällt ihm schwer. Er nennt die RAG „ein System der organisierten Intransparenz“, indem niemand Interesse an Aufklärung hat. So berechnet die RAG ihre Produktionskosten selber. Ein Mitarbeiter des Bundesrechnungshofes erklärt den Effekt. Die RAG hat kein Interesse an Einsparungen, die Personal kosten würden, da Verluste sowieso ausgeglichen würden. Also bleiben die Kosten hoch. Die Stahl- und Stromkonzerne liefern die Daten, auf deren Basis der Drittlandskohlepreis ermittelt wird. Je niedriger die Konzerne die Auslandpreise ansetzen, umso billiger kriegen sie Kohle und Koks in Deutschland. Eine Kontrolle des Systems durch Angebot und Nachfrage ist nicht möglich.Denn der Markt ist durch die Subventionsgesetzgebung abgeschottet. Für die Kontrolle der Angaben und Argumente ist das Bundesamt für Ausfuhrkontrolle BAFA zuständig. Hier heißt es, die Angaben der RAG und ihrer Kunden zum Kohlepreis würden auf Basis von „Erfahrungswerten, Quervergleichen und Ermittlungen“ überwacht. Allerdings hat die zuständige BAFA-Abteilung nur sieben Mitarbeiter, die hunderte Vorgänge kontrollieren sollen. Ein Mitarbeiter des Bundesrechnungshofes sagt dazu: „Es gibt keine effektive Kontrolle. Keiner geht auf die Halden und überprüft die Qualität der Kohle. Wenn RAG und RAG-Kunden Qualitätsabzüge melden, wird das so hingenommen“. Auch die Überprüfung der für die Subventionen entscheidenden Produktionskosten ist mangelhaft, kritisieren Mitarbeiter des Bundesrechnungshofes. So beauftragt das BAFA zwar externe Gutachter mit der Überprüfung der von der RAG angegebenen Kosten. Allerdings werden diese Gutachten nicht vom BAFA, sondern von der RAG selbst bezahlt. Die Beurteilten bezahlen also ihre Beurteilung.

RAG schafft die Fakten

Eine öffentliche Kontrolle findet kaum statt. Die Gutachten sind, wie hunderte andere Unterlagen in Sachen Steinkohle, geheim. Weder Journalisten, noch die für die Subventions-Kontrolle verantwortlichen Politiker können Original-Prüfgutachten über die entscheidenden Produktionskosten offen einsehen. Dabei gibt es Auffälligkeiten, die kontrolliert werden müssten: In einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages hat der Bundesrechnungshof festgestellt, dass die Produktionskosten der RAG immer dann steigen, wenn der Drittlandskohlepreis steigt, und sinken, wen die Preise im Ausland runter gehen. Sorgt die RAG so dafür, dass die Subventionen auch in wirtschaftlich guten Jahren möglichst voll ausgeschöpft werden? Die parallele Entwicklung jedenfalls verhindert eine Kürzung der Subventionen. Zur Überprüfung der Preise durch Gutachter sagt ein Mitarbeiter des Bundesrechnungshof: „Da können Sie hunderte Gutachter schicken. Die finden nichts. Die RAG hat die Zahlen und schafft damit Fakten.“

RAG-Posten für Politiker

Manuel Frondel, Energieexperte beim RWI, fordert aufgrund der undurchsichtigen Subventionspraxis, eine Änderung im System. „Es wäre so einfach: Die RAG müsste einen fixen Betrag bekommen und wäre dann selbst daran interessiert, ihre Kosten unter Kontrolle zu halten, um mit dem Geld auszukommen.“ Doch solche Vorschläge bleiben ungehört. Zu eng ist die Politik mit der Kohlewirtschaft verwoben. Dutzende Bundes-, Landes- und Lokalpolitiker standen oder stehen auf den Gehaltslisten der Kohlefirma. Im Kuratorium der RAG-Stiftung sitzt der NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Michael Vassiliadis. Selbst die SPD hat noch einen Job. Joachim Poss, zuletzt finanzpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, sitzt im Aufsichtsrat der Zechengesellschaft RAG – Deutsche Steinkohle.Die Folgen sind erheblich. Die RAG meldet ihren Subventionsbedarf an, die Finanzministerien in Bund und Land stellen die Zahlen in die Haushalte ein. RWI-Mann Frondel berichtet, dass der Staat in der Vergangenheit oft darauf verzichtet habe, zu viel gezahlte Subventionen von der RAG zurück zu holen. „Da geht es um Milliarden.“

Weitere 21 Milliarden bis 2018

Nun haben Bundestag und NRW-Landtag beschlossen, noch einmal bis zu 21 Mrd. Euro in den Bergbau zu stecken, bis das Kohlekratzen 2018 aufhören soll. Und wieder ist nicht klar, ob die Summe korrekt ist. Wieder stammen die Annahmen allein von der RAG. So heißt es in einem Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, 13 Mrd. Euro müssten für den Ausstieg aus dem Kohlebergbau gezahlt werden, es geht um Kosten für Bergschäden, Pensionsverpflichtungen und die Wasserhaltung, damit das Revier nicht absäuft. Der Bundesrechnungshof hat bemängelt, dass die Angaben und Planungen der RAG nicht kritisch durchleuchtet wurden. „Plausabilisierungen, Prüfungen oder technische Einschätzungen sind auftragsgemäß nicht durchgeführt worden“. Der Bundesrechnungshof drängte im Herbst 2007 auf Nachverhandlungen, doch der Bund „hat einer Gewährleistung über eine Schadenssumme zugestimmt, deren Höhe nicht einschätzbar ist“. Wer trägt das Risiko? Die ehemaligen RAG-Eigentümerkunden haben mit Stilllegungskosten nichts mehr zu tun. Vor zwei Jahren haben Thyssen-Krupp-Steel, EON, RWE und Arcelor Mittal ihre Anteile für einen Euro an die RAG-Stiftung übertragen, die den Bergbau nun bis 2018 abwickeln soll. Damit haben sich die Konzerne der Verantwortung für Folgeschäden entledigt, ihrer vertraglichen Vorteile freilich nicht. Noch immer bezieht RWE Kohle mit Rabatten aus dem Bergwerk Ibbenbüren. Angeblich weil die dortige Anthrazitkohle „schlechte Brennwerte“ im nahe gelegenen Kohlekraftwerk habe. E.on kauft das Kokereigas auf. Und die Stahlfirmen bekommen den Koks aus der Kokerei Prosper zu günstigen Tarifen.

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