Ein Professor verbrennt ein Bachelorzeugnis. Eine bessere Unterstützung hätten sich die Studenten der Ruhruniversitäten für ihren großen Protesttag gar nicht wünschen können. Am Dienstag wollen sie mit einer Großdemonstration in Düsseldorf eine neue Protestwelle starten. Und während die Studenten auf die Straße gehen, machen auch die Professoren an den Universitäten des Ruhrgebiets massiv Front gegen die Bachelor- und Masterstudiengänge. Vorreiter: Die Dekane der TU Dortmund. Acht von insgesamt 16 fordern die Rückkehr zum Diplom in ausgewählten Studiengängen – und stoßen bei NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) auf taube Ohren.
Der Initiator des Professorenprotestes ist Walter Krämer: „Bachelor und Master sind Micky-Maus-Abschlüsse, gesichtslos und nicht zu unterscheiden“, sagt der Professor, der zur Unterstützung seiner Argumente auch mal ein Bachelorzeugnis verbrennt. Krämer ist Dekan der Fakultät Statistik an der TU Dortmund. Ihn stört vor allem, dass die Studenten in Raster und Muster eingezwängt werden. „Diese Zwangsbeglückung geht mir gegen den Strich.“ Auch an den Universitäten Bochum und Duisburg-Essen ist der Protest groß: Viele Professoren klagen über die komprimierten Studiengänge, unnötige Einschränkungen und mangelnde akademische Qualität. Die Dekane der TU Dortmund haben nun eine konkrete Forderung an NRW-Wissenschaftsminister Pinkwart gestellt: Parallel zum Bachelor und Master soll das Diplom wieder eingeführt werden – mit den alten Diplomstudienordnungen, die noch in der Schublade liegen. Studenten der teilnehmenden Fachbereiche könnten sich dann aussuchen, ob sie auf Bachelor/Master oder Diplom studieren möchten. Der entsprechende Beschluss ist im Mai an der TU Dortmund verabschiedet worden.
Initiator Krämer ist sich sicher, dass die Rückkehr zum Diplom etwa im seinem Fachbereich Statistik mit geringem Verwaltungsaufwand möglich ist: „Wir sind da sehr flexibel, wir könnten schon zum nächsten Semester loslegen.“ Er macht sich sogar dafür stark, dass auch Bachelor Studierende in den Diplomstudiengang wechseln können: „Wir haben da schon Vorkehrungen getroffen. Das könnten wir in zwei Wochen regeln.“
Bochumer Professor fordert Diplom als Regelabschluss
Der Bochumer Professor Wim Kösters fordert sogar, dass das Diplom wieder Regel-Abschluss werden soll: „Wer früher ausscheiden will, soll den BA erhalten – so kommt jeder zu seinem Recht“. Kösters, der zum Vorstand des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) gehört und damit viele Kontakte zu Unternehmen hat, kritisiert vor allem die Verschulung des Bachelors. Sie führe dazu, dass die Studenten Scheuklappen aufgesetzt bekommen: „Ich sage den Firmen immer: Ihr werdet euch noch wundern, was für Produkte auf euch zukommen.“ Das Diplom dagegen biete die Möglichkeit, „die Persönlichkeit reifen zu lassen, außerhalb des Studiums Engagement an den Tag zu legen und dadurch die für den Beruf wichtige Selbstständigkeit zu erwerben.“
„Mit dem Bachelor direkt Hartz IV beantragen“
Bei vielen Studenten kommt die Initiative der Professoren gut an. Felix Bremer, Mitglied des Asta-Referates Hochschul- und Bildungspolitik an der Ruhr-Universität Bochum, hält den Vorstoß der Dortmunder Dekane für eine „super Idee“. Auch der Asta der Universität Duisburg-Essen begrüßt die Initiative der Professoren: „Wir würden uns über ein ‚Zurück in die Zukunft‘ freuen, sofern dieser Schritt fachintern und im Einzelfall geprüft wird“, sagt Daniel Lucas, Referent für Hochschulpolitik. Patrick Hinze von der Duisburg-Essener Fachschaft für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, warnt: „In der SoWi kann man mit dem Bachelorabschluss direkt Hartz-IV beantragen, ohne Master geht eh nix.“
Um jeden Preis zurück zum Diplom wollen aber nicht alle. Andreas Czylwik, Abteilungsdekan für die Elektro- und Informationstechnik an der Universität Duisburg-Essen, steht dem Bachelor zwar kritisch gegenüber: „Wir hätten das Diplom bei uns nie abschaffen sollen.“ Aber: Das Diplom parallel zum Bachelor wieder einzuführen, stifte „zu viel Verwirrung“. Denn: „Dann müsste man ja einen neuen Stundenplan erstellen und sich ein neues Konzept für die Vergabe der Creditpoints überlegen.
Pinkwart weist Forderung zurück
Die Chancen für ein Zurück zum Diplom sind offenbar gering. NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart erteilt den Plänen der Dekane eine Absage: „Die Landeswissenschaftskonferenz der Rektorinnen und Rektoren der nordrhein-westfälischen Universitäten hat erst kürzlich einmütig festgestellt, dass wir beim Bologna-Prozess auf einen sehr guten Weg sind.“ Ohne das NRW-Hochschulgesetz zu ändern, sei es ohnehin nicht möglich, Diplomstudiengänge wiedereinzuführen. Und eine Gesetzesänderung sei ausgeschlossen, heißt es offiziell aus Pinkwarts Ministerium: „Für eine Wiedereinführung der Diplom- und Magisterstudiengänge gibt es keine Veranlassung; sie widerspräche auch der hochschulpolitischen Verpflichtung, die Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Bologna-Prozesses eingegangen ist. Die Einführung von Bachelor und Master ist eine in der Kultusministerkonferenz sorgfältig erörterte Reform, die von allen Bundesländern getragen wird.“
Einschreibung für Diplom noch möglich
Von allen Bundesländern? Knackpunkt ist das so genannte Immatrikulationsverbot, das es Studenten untersagt, sich neu in einen Diplomstudiengang einzuschreiben. In NRW steht dieses Verbot im Hochschulgesetz, in anderen Bundesländern hingegen nicht. In Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gibt es noch nicht einmal verbindliche Vorgaben, bis wann der Bachelor als einziger Studiengang eingeführt worden sein muss. Im Bayerischen Hochschulgesetz heißt es nur, dass „die Aufnahme des Studiums in Bachelorstudiengängen ab dem WS 2009/2010 die Regel sein soll“. Solange sich die Gesetzeslage in NRW nicht ändert, sieht sich die Dortmunder Rektorin Ursula Gather jedenfalls machtlos. An die Adresse ihrer Dekane sagt sie: „Natürlich bleibt es jedem unbenommen, sich an die Politik, an die Parteien zu wenden“. Und auch der Initiator des Protests, Walter Krämer, hofft auf Mai 2010, wenn in NRW Wahlen anstehen. „Es ist alles eine Frage der nächsten Landtagswahl“, sagt er. „Wenn danach ein Mutiger sagt: Wir machen das mal anders und der Rest der Welt sieht, das ist ein Erfolg, dann machen‘s die anderen nach.“
Mehr zum Protest der Professoren ist auch in der aktuellen Ausgabe des Studierendenmagazins pflichtlektüre nachzulesen, oder auch online.
Foto: D.G.