Schalker Finanznöte. Ein Report aus dem Reich der Gelsenkirchener Kickertöchter

Foto: flickr / cerberusofcologne2008

Wenn ich in den letzten Tagen und Wochen über Schalke nachdenke, dann muss ich immer an einen Catenaccio der alten Schule denken. Alles was nicht offensichtlich ist, wird bestritten. Dazu werden Nebelkerzen gezündet und Vertuschungen gestartet. Was schlimm ist und was nicht, kann kaum einer sagen. Nur soviel ist sicher, es gibt eine finanzielle Krise. Wie diese genau aussieht, dazu schweigen die Manager des Vereines. Statt detailliert aufzuklären, wird mit Gegendarstellungen gedroht. Es heißt immer nur wieder, die Lage sei nicht schön. Aber man werde das schon schaffen.

Allerdings fängt der Abwehr-Riegel an zu wanken. Die Not ist einfach zu groß. Die ersten Insider reichen Dokumente des Vereins weiter, aus dem Aufsichtsrat, aus den Bilanzen und den Büchern. Daraus geht hervor, dass die sich auftürmenden Schulden weit höher sind als bisher bekannt. Es geht um ein vereinsnahes Firmengeflecht, um ein dubioses Verrechnungskonto und nicht zuletzt um die Position von Aufsichtsratschef Clemens Tönnies. Denn der Fleischtycoon aus Rheda-Wiedenbrück wacht auf Schalke über alles.

Das Bild, das sich aus den Dokumenten ergibt, ist schwierig. Das Spiel beginnt irgendwann im vergangenen Winter, als Bargeld auf Schalke wieder knapp wurde. Gerade erst war der Vertrag mit Manager Andreas Müller verlängert worden. Ihm wird aufgetragen, den Kader zu verkleinern, damit er in der kommenden Saison finanziert werden kann. Maximal 47 Mio. Euro dürfe die Mannschaft und das drumherum kosten, heißt es. Müller nimmt die Aufgabe an. Er verkauft den Mittelfeld-Spieler Fabian Ernst, verleiht den kostspieligen Einkauf Albert Streit und löst die Verträge mit Gustavo Varela und Peter Lövenkrands. Das ist sichtbar auf Schalke.

Im Hintergrund aber beginnt eine weitere Geschichte. Vertraulich suchen Verantwortliche rund um den damaligen Schalke-Präsidenten Josef Schnusenberg den Kontakt zum Londoner Finanzmakler Lawrence B. Schechter.

Der Mann ist auf Schalke kein Unbekannter. Im Auftrag des Clubs hatte sein Büro schon zwei große Deals durchgezogen. Schechter hatte den Schalkern eine Anleihe über insgesamt 85 Mio. Euro besorgt und zudem dabei geholfen, die gesamten zukünftigen Fix-Einnahmen aus dem Sponsorvertrag mit Gazprom im Gesamtwert von 44 Mio. Euro zu versilbern. Nun wollte er den Sponsorenvertrag mit Adidas verkaufen.

Dazu sollte er ähnlich wie beim Gazprom-Deal die zukünftigen Einnahmen an einen Investor verkaufen. Das Geschäft ging plangemäß über die Bühne. Schalke hat rund 12,5 Mio Euro Bargeld bekommen. Dafür streicht ein amerikanischer Geldgeber in den kommenden vier Jahren nahezu alle Überweisungen von Adidas ein. Um die Millionen durchzureichen, wurde im April eigens eine Briefkastenfirma gegründet. Die FC Schalke 04-Service GmbH.

Doch Schechter sollte nicht nur diesen Deal vorbereiten. Die Schalker Manager um Schnusenberg übergaben dem Finanzmakler auch die bislang unveröffentlichte Bilanz der Arena Gesellschaft. Schalke selbst gehören rund 78 Prozent an der Stadion-Gesellschaft. Der Rest gehört der Stadt Gelsenkirchen oder auch Privatleuten, wie Clemens Tönnies, Josef Schnusenberg oder auch Rudi Assauer persönlich, sowie Freunden und Verwandten des Vorstandes. Schechter sollte sich überlegen, wie man aus der Arena Gesellschaft noch einmal möglichst viel frisches Geld pressen kann, berichten Insider.

Warum war das nötig? Schalke hatte sich in den erfolgreichen Jahren keinen Speck angefressen. Im Gegenteil. Aus dem Club wird berichtet, dass immer neue Spielereinkäufe Millionen verschlangen. Ein Beispiel nur ist der Transfer des Brasilianischen Kickers Ze Roberto II, der für rund drei Mio Euro geholt wurde. Insider berichten, dass Manager Müller den Mann nicht haben wollte, doch Schalkes damaliger Präsident Josef Schnusenberg habe darauf gedrängt, das Geschäft zu machen. Später saß Ze Roberto II meist auf Tribüne, bevor er zurück nach Brasilien geschickt wurde. Auch die Trainerwechsel auf Schalke kosteten immer wieder Millionen. Selbst nach ihrem Rauswurf muss der Club auf Jahre hinaus die Gehälter von Mirko Slomka und Fred Rütten zahlen. Zuletzt soll die Entmachtung von Manager Andreas Müller kurz nach dessen Vertragsverlängerung den Verein mehrere Millionen Euro kosten, wie ein Beteiligter berichtet.

Das besondere dabei, jeder Rauswurf muss direkt mit einer Rückstellung in der Höhe des noch zu zahlenden Gehaltes abgesichert werden. So wird das Bargeld automatisch in der kommenden Saison knapp. Wie eine Welle, die sich aufbaut.

Zudem müssen alleine für die von Schechter vermittelte Anleihe sowie Zinsen und Tilgungen für die Arena jedes Jahr über 20 Mio. Euro gezahlt werden. Das Bilanzloch je Saison wird im Schalke Umfeld auf bis zu 30 Mio. Euro geschätzt.

Investitionen außerhalb des Fußballs waren in den seltensten Fällen lukrativ. So brüstet sich der Schalke Vorstand oft damit, in eine Klinik am Stadion und damit in die Zukunft investiert zu haben. Doch nach dem aktuell vorliegenden Geschäftsbericht ist das Unternehmen mittlerweile bilanziell überschuldet. Gewinne wurden nicht eingefahren, dafür Verluste.

Um frisches Geld für den Kick zu besorgen, hat Schalke deshalb ein kaum zu durchschauendes Geflecht von Tochterfirmen geschaffen. Diese Firmen sind für den Stadionbetrieb verantwortlich oder für das Catering. Ein Unternehmen verwaltet die Rechte des Clubs. Ein anderes kümmert sich um die Ruine des Parkstadions. Kontrolliert werden diese Firmen fast alle von Schalke-Vorstand Peter Peters.

Wie aus den Bilanzen der Schalke-Töchter zu sehen ist, wurde rund um diese Firmen ein System geschaffen, in dem sich die einzelnen Unternehmen über ein Verrechnungskonto gegenseitig Darlehen geben oder Forderungen fällig stellen. Wie in einem Karussell. „Das Ziel war es, das Bargeld immer an die Stelle zu bringen, wo es gerade gebraucht wurde“, erzählt ein Insider. Am Ende sollte so der Verein selbst zuverlässig mit dem nötigen Cash versorgt werden, um problemlos die Lizenzbedingungen der Deutschen Fussball Liga (DFL) erfüllen zu können. Denn diese kontrolliert nur die Bilanzen des Clubs, nicht aber die der angeschlossenen Unternehmen.

Mittlerweile prüft die DFL die Finanzen von Schalke, sowie bei fast zwei dutzend anderen Clubs in einem Nachlizensierungsverfahren. Es drohen Punktabzüge oder Geldstrafen.

Über die Jahre wurden die Schalker Töchter ausgepresst wie Zitronen. Wenn es anders nicht ging, mussten die Firmen sogar eigene Kredite aufnehmen und das frische Geld an den Club weiterreichen. Gerade werden Darlehen des Vereines in Höhe von rund 10 Mio. Euro an die Arena Gesellschaft aufgelöst. Die Tochter muss nun an den Club zahlen. Ob es dabei zu Scheingeschäften gekommen ist, wie manche Insider sagen, lässt sich anhand der vorliegenden Konten nicht beweisen.

Auf diese Art und Weise türmen sich nach meinen Recherchen heute zusätzlich zu den etwa 137 Mio Euro Schulden, die Schalke in der Vereinsbilanz ausweist, weitere Schulden von weit über 100 Mio Euro auf. Wie hoch die Gesamtbelastungen sind, ist schwer zu sagen. Schalke stellt zwar eine Konzernbilanz auf, in der die ganzen Verrechnungen im Firmengeflecht aufgehoben werden müssten. Allerdings bleibt dieses Zahlenwerk unter Verschluss. Das letzte Mal wurde eine Zahl für das Jahr 2006 öffentlich. Damals sagte Finanzchef Schnusenberg, die Schalke-Gruppe sei mit 66 Mio Euro bilanziell überschuldet. Es ist unwahrscheinlich, dass die Lage seither besser wurde.

Wie eng es bei den Töchtern mitunter zugeht, zeigt eine Momentaufnahme. Die meisten Schalker Unternehmungen werden über die FC Schalke 04 Holding GmbH & Co. KG gesteuert. Diese Firma hat laut der zuletzt veröffentlichten Bilanz am Stichtag 31. Dezember 2007 Schulden von 36,1 Mio. Euro ausgewiesen. Auf den Barkonten der Firma befanden sich damals noch exakt 385 Euro und 24 Cent.

In der laufenden Saison hat sich die Situation nun verschlimmert. Schalke hat es nicht in die internationalen Wettbewerbe geschafft. Gleichzeitig leistet sich Schalke einen der teuersten Kader der Liga. Die gesamten Personalkosten des Clubs lagen laut Bilanz zuletzt bei 69 Mio. Euro. Verträge von Leistungsträgern wie Heiko Westermann oder Benedikt Höwedes wurden zu erhöhten Bezügen verlängert. Und obendrauf kommt der neue Manager Felix Magath mit seinem Stab. Aus dem Schalker Aufsichtsrat ist zu hören, der gesamte Tross koste etwa 10 Mio. Euro im Jahr. Für Magath alleine seien sechs Mio. fällig.

Der Club muss also wieder neues Geld besorgen. Es kam die Idee auf, die Arena zu versilbern. Der Finanzprofi Schechter machte zusammen mit dem damaligen Schalker Rechtsanwalt Theo Paeffgen nach Studium der Unterlagen der Arena Gesellschaft einen ambitionierten Vorschlag. Er wollte die Arena in einen so genannten REIT überführen. Das ist eine Immobiliengesellschaft, deren Anteile frei gehandelt werden können. Die Arena sollte an der Düsseldorfer Börse notiert werden. Dort hätten Fans, aber auch institutionelle Investoren die Scheine des Stadions wie Aktien kaufen und verkaufen können. Ein entsprechender Vorschlag wurde Verantwortlichen des Clubs „streng vertraulich“ vorgelegt, wie es aus dem Verein heißt.

Doch das Vorhaben ist nicht ganz trivial. Die Arena gehört unter anderem der Stadt Gelsenkirchen. Die Kommune hat rund 10 Mio. Euro über eine stille Beteiligung und weitere fünf Mio. Euro über eine kommunale Tochter in der Halle stecken. Auf das Geld oder die Gegenwerte für die Millionen kann die klamme Gemeinde kaum verzichten. Sondierungen zum Thema sollen trotzdem laufen. Bestätigt wird das allerdings weder von der Stadt noch vom Verein.

Und auch wenn Schalke sagt, die Arena sei das große Vermögen des Vereins, so stimmt das nur bedingt. Aus der Bilanz der Arena für das Jahr 2008 geht hervor, dass die Anlage zwar noch einen Buchwert von knapp 130 Mio. Euro hat, demgegenüber stehen aber Schulden von insgesamt rund 110 Mio. Euro. Selbst die technische Einrichtung in der Arena wurde schon an Banken verpfändet. Jahrelange Verluste der Firma sorgten zudem dafür, dass vom Eigenkapital der Gesellschaft zur Zeit nur noch etwa 15 Mio. Euro vorhanden sind – auch wenn die Arena im vergangenen Jahr einen Gewinn von 1,1 Mio Euro gemacht hat.

Man kann die Situation von Schalke mit einem Häuslebauer vergleichen, der einen Palast auf Pump gebaut hat. Noch fühlt er sich als Besitzer – aber will er seinen Palazzo Prozzo verkaufen, muss er seine Bank und die Nachbarn um Hilfe bitten. Und wenn erst Raten ausbleiben, verliert er alles und sitzt auf der Straße.

Tja, und dann gibt es noch ein Problem. Auch Schalkes Aufsichtsratschef Clemens Tönnies ist laut Arena-Bilanzen mit einer stillen Beteiligung eingebunden. Das Geld des Metzgers sei als Kapitalspritze gedacht gewesen, heißt es aus dem Schalker Karussell. Ein älteres Darlehen sei so umgewandelt worden, damit kein Bargeld fließen musste. Tönnies selbst hat dazu auf Anfrage nichts gesagt. Im Jahr 2006 lag die stille Beteiligung bei zwölf Mio. Euro, das steht in den Papieren. In der aktuellen Bilanz der Arena KG ist die Beteiligung mit 5 Mio. Euro notiert. Schalke-Vorstand Peters sagt, Die stille Beteiligung sei Teil des „Finanzierungskonzeptes für den ARENA-Neubau.“

Der Plan die Arena in einen REIT zu verkaufen, ist vorerst gescheitert. Tönnies und seine Getreuen auf Schalke wollten oder konnten die Umwandlung nicht mitmachen. Rechtsanwalt Theo Paeffgen wurde das Mandat entzogen, das Verhältnis zu Schechter auf Eis gelegt. Es hieß, Paeffgen habe die Vollmacht über die Schalker Konten anstelle von Peters beansprucht. Dies sei nicht hinnehmbar gewesen.

Mittlerweile ist der Sturm auf Schalke deutlich zu spüren. Felix Magath soll jetzt den Club verteidigen. Er verspricht eine neue Transparenz und bessere Strukturen. Vor allen das Geflecht der Tochterfirmen will er durchforsten lassen. Sogar über den Verkauf der beiden wichtigsten Schalker Töchter, der Rechtefirma oder der Catering KG, denkt Magath nach. Und sein Co-Vorstand Peters sekundiert, eine Restrukturierung des Schalke-Konstruktes werde geprüft. Sollten die beiden Firmen abgestoßen werden, hätte Schalke nicht mehr viel Besitz. Die Sponsoreinnahmen auf Sicht verkauft, das Stadion verpfändet und dann auch noch die Rechte abgetreten. Mehr kann man kaum verkaufen.

Oder doch: Spieler. Auch wenn Magath öffentlich bestreitet, Kicker aus Not abgeben zu müssen, wird derzeit auf Schalke über den Verkauf von Mittelfeldstar Jermaine Jones oder Torhüter Manual Neuer spekuliert.

Warum das ganze? Es gibt ein großes Problem. Schechter hatte Tönnies und Getreue nämlich nicht nur ein Angebot gemacht. Er hatte auch eine Warnung im Gepäck. Um ihn zu „schützen“ habe er seinen „langjährigen Klienten“ Schalke darauf hingewiesen, dass es Probleme mit der Abwicklung der Anleihe geben könnte, sagte mir Schechter.

Was sich dahinter verbirgt, zeigt wieder ein Blick in Dokumente. Die Schalke Anleihe wird von der Londoner "Prudential Trustee Company Limited" kontrolliert. Diese Firma kassiert für ihre Kunden unter anderem von den beiden Schalker Konten "Ticket Collection A" und "Media Collection A" bei der WGZ Bank die Raten für die Anleihe. Einnahmen wie Fernsehgelder müssen laut Vertrag über diese Konten fließen. Nach den Bestimmungen der Anleihe dürfen die Konten niemals unter eine bestimmte Grenze geleert werden.

Tatsächlich aber hat sich Schalke in permanenter Geldnot wiederholt bei den Konten bedient und die Grenzen nach unten überschritten. Dies könne laut Schechter einen Vertragsverstoß darstellen. Nach meinen Informationen wollen die Verantwortlichen der "Prudential Trustee Company Limited" in den kommenden Tagen mit den Investoren beraten, ob die Anleihe deswegen gekündigt wird. In diesem Fall müsste Schalke auf einen Schlag rund 100 Mio Euro zahlen, hat Schechter festgestellt. Die "Prudential Trustee Company Limited" wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Vorgang äußern. Schalke bestreitet bisher öffentlich, dass es einen Grund für die Kündigung geben könne. Alle Zahlungen seien pünktlich abgegangen. Es werde nicht über die Anleihe verhandelt, sagte Peters.

Ein Rückzug der Investoren wäre für Schalke ein Desaster. Nicht nur, dass im Augenblick kaum daran zu denken ist, 100 Mio. Euro aus dem Ärmel zu schütteln. Für die Anleihe haften nach meinen Recherchen gleich die drei wichtigsten Schalker Tochterfirmen: Zunächst die Rechtegesellschaft und der Cateringbetrieb. Damit nicht genug: Schalke hat auch eine Grundschuld auf die Arena verpfändet, wie aus den vorliegenden Unterlagen hervorgeht.

Das Ende des Vereines muss trotzdem noch nicht nah sein. Der Berliner Wirtschaftsprofessor Joachim Gassen sagt: "Ein Fußballverein funktioniert nicht wie ein Konzern. Es kann immer noch jemand kommen, der dem Club ein paar Millionen Euro schenkt."

Im Fall von Schalke ist die Hoffung groß, dass Clemens Tönnies dieser Ausputzer sein könnte, der nach dem Fall der Abwehr als letzten Mann alles noch rettet. Seinem Metzgerimperium wird ein dreistelliges Millionenvermögen nachgesagt. Doch wie das Schicksal spielt, hat ausgerechnet Tönnies derzeit viel zu tun. Die Staatsanwaltschaft Bochum prüft eine Klage gegen ihn. Hintergrund: Tönnies soll unter anderem bei der Abrechung von Gehacktem betrogen haben, was dessen Anwälte allerdings energisch bestreiten. Sollte Tönnies verurteilt werden, dürfte sein Reichtum abschmelzen. Im modernen Fußball gibt es den letzten Mann ja auch nicht mehr.

Netzneutralität und Aus für Stoppschilder

Die Netzsperren werden auf Eis gelegt und Schwarz-Gelb will die Netzneutralität zur Not auch mit Gesetzen durchsetzen.

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist fertig. Im Online-Bereich kann er sich sehen lassen: Zumindest für ein Jahr wird es keine Netzsperren geben – die FDP hat sich mit "Löschen statt sperren" durchgesetzt: "Wir sind uns darüber einig, dass es notwendig ist, derartige kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Wir werden daher zunächst für ein Jahr kinderpornographische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes nicht sperren. Stattdessen werden die Polizeibehörden in enger  Zusammenarbeit mit den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft wie der  deutschen Internetbeschwerdestelle sowie dem Providernetzwerk INHOPE die Löschung kinderpornographischer Seiten betreiben.
Nach einem Jahr werden wir dies im Hinblick auf Erfolg und Wirksamkeit evaluieren und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse ergebnisoffen eine Neubewertung vornehmen. Vor Abschluss der Neubewertung werden weder nach dem Zugangserschwerungsgesetz noch auf Grundlage der zwischen den Providern und BKA abgeschlossenen Verträgen über Internetsperren Sperrlisten des BKA geführt oder Providern übermittelt."

Die neue Bundesregierung will auch die Netzneutralität gewährleisten: "Wir vertrauen darauf, dass der bestehende Wettbewerb die neutrale Datenübermittlung im Internet und anderen neuen Medien (Netzneutralität) sicherstellt, wer den die Entwicklung aber sorgfältig beobachten und nötigenfalls mit dem Ziel der Wahrung der Netzneutralität gegensteuern."

Auch künftig soll der Internetzugang für allzu eifrige Runterlader nicht gesperrt werden: "Wir werden keine Initiativen für gesetzliche Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ergreifen."

Tja, Schnarri hat wirklich keinen schlechten Job abgeliefert. Besser als die Gesetze der Großen Kolaition sind die Eckpunkte im Koalitionsvertrag zum Thema Internet allemal.

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Opel: Platzt der Magna-Deal?…Spiegel

Bund: Regierung steht…Welt

Bund II: Das neue Kabinett…FAZ

Bund III: Koalition will Steuern senken…FTD

Unperfekthaus: Speakers-Corner 2.0…Ruhr Digital

Rechte: Demo vor Naziladen…Der Westen

Dortmund: Kein Jamaika…Der Westen

2010: 360 Grad Film…Ruhr Nachrichten

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Limbecker Platz: Schlecht essen im Einkaufszentrum…Genussbereit

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Kabarett: Schichtbeginn für Showtheater…Bild

Terrorisierter Priester verlässt Bochum

Foto aus dem Privatarchiv von Ribakovs

Alexejs Ribakovs (33) ist ein IT-Manager von Beruf und ein russisch-orthodoxer Priester von Berufung. Er wohnt mit seiner Frau und zwei Kindern in einem Mehrfamilienhaus im Bochumer Stadtviertel Querenburg. Nun will Ribakovs die Stadt an der Ruhr verlassen, weil er als Priester in seiner Nachbarschaft terrorisiert wird.

 Als er am Sonntagabend, den 18. Oktober, in seiner schwarzen Soutane vom Gottesdienst kam, wurde Ribakovs von drei jungen Männern bedrängt. Ein Jugendlicher spuckte ihm mitten ins Gesicht und schlug ihm mehrfach auf die Brust. Die Männer haben Ribakovs als einen "Scheiß-Priester" beschimpft. Als der Geistige sein Handy rausholte, um Polizei zu rufen, flüchteten die Angreifer.

Das war kein Einzelfall. Laut Ribakovs spürt er die Bedrohung von den jungen Nachbarn schon seit etwa vier-fünf Jahren. Unbekannte haben ihn mehrmals auf der Straße beschimpft. Sein Auto wurde mit Erbrochenem und Fäkalien beschmiert.

Das Moskauer Patriarchat hat die Angreifer gerügt. Die Bochumer Polizei hat am Donnerstag einen Tatverdächtigen ermittelt. Es handelt sich um einen türkischstämmigen Jugendlichen (17), den Ribakovs auf der Polizeiwache auf einem Foto wieder erkannt hat.

Ruhrbarone haben mit dem russisch-orthodoxen Priester gesprochen.

Vater Alexejs, haben Sie sich fest entschieden, Bochum zu verlassen?

Ganz fest. Ich habe es mir schon früher einige Male überlegt, etwa als mein Auto beschädigt wurde. Der letzte Angriff brachte das Fass zum Überlaufen. Ich will so schnell wie möglich weg.

Sie wohnen seit zehn Jahren in Bochum…

Ja, und ich habe viele Freunde hier. Es ist schade, diese Stadt zu verlassen. Ich habe Bochum immer gemocht, weil es nicht so groß wie Köln oder Düsseldorf und weil es sehr grün ist. Ich wohne am Rande eines Waldes. Frische Luft ist gut für meine Kinder. Die hiesige Schule ist auch gut… Nun muss meine Tochter die Schule wechseln. Für den Sohn müssen wir auch noch einen Kindergartenplatz im neuen Wohnort finden. Das wird nicht einfach.

Erzbischof Longin von Klin, Vorsteher der Mariä-Obhut-Kirche in Düsseldorf, wo Sie regelmäßig Gottesdienste feiern, hat einen Brief an die Bochumer Stadtregierung geschickt, mit der Bitte, die Täter schnellst möglich zu finden. 

Der Erzbischof hat diese Tat sehr ernst wahrgenommen. Er hat mir gesagt, dass der Überfall nicht gegen mich als Person, sondern gegen mich als einen Vertreter der christlichen Religion gerichtet war. Die Jugendlichen haben sich nicht für mein Handy, das silberne Kreuz oder meine Sachen interessiert. Das war nur ein Zeichen im Sinne: „Das ist unser Territorium, geh weg von hier“.

In Deutschland ist die Diskussion über die Integration von Muslimen in letzter Zeit sehr scharf geworden…

Muslime sind ein breiter Begriff. Es gibt Sunniten, Schia, Drusen, Jesiden und andere Glaubensrichtungen im Islam. Man sollte nicht pauschalisieren. Unsere Nachbarn von unten sind aus Irak, sie sind Muslime. Sie haben die Nachricht über den Überfall auf mich mit Trauer aufgenommen. Noch eine Etage tiefer wohnt ein alter türkischer Mann. Wir grüßen uns immer herzlich und haben ganz gute Beziehung. So sind die meisten Menschen. Aber es gibt auch Hohlköpfe. Sie gibt es überall. Es ist traurig, dass sie jetzt unser Viertel unter Kontrolle halten. Diese Leute verstehen nur die „Sprache der Dschungel“. Das einzige Argument für sie: Mit einer schweren Keule über den Kopf. Höfliche Ansprache nehmen sie als Zeichen der Schwäche wahr.

Soll sich die Regierung oder die Gesellschaft mit dem Problem beschäftigen?

Man kann lange Reden über die finanzielle Unterstützung der Integration führen. Ob das was bringt? Ich bin ehrlich gesagt nicht bereit, meine Steuer für die Integration derjenigen, die sich gar nicht integrieren wollen, zu zahlen. Für diese Leute ist mein Aussehen als Priester ein rotes Tuch. Sie hassen alles, was sie nicht verstehen können. Viel Zeit ist leider verloren gegangen, die man in die Lösung des Problems investieren sollte.

Generell soll die Menschenwürde nicht nur auf Papier, sondern auch in der Realität geschätzt werden. Die erste Frage, die mir die Polizisten gestellt haben, die zum Tatort gekommen sind, war, ob ich die sichtbaren Spuren der Verletzung auf dem Gesicht habe. Nein? Dann ist es nur leichte Körperverletzung und keine einfache Körperverletzung, haben sie gesagt.

Was wollen Sie den Jugendlichen, die sie überfallen haben, sagen?

Ich will ihnen sagen, dass sie mir leid tun. Sie haben keine Zukunft. Ich bin kein Prophet, aber ich kann jetzt schon sagen, wie ihr Leben enden wird. Sie werden wohl wegen einer Überdosierung von Drogen an einem dreckigen Ort sterben. Deswegen tun sie mir sehr leid.

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Theater: Keiner kennt das Ruhrstadt-Abo…Ruhr Nachrichten

Dortmund: Rot-Grün am seidenen Faden…Der Westen

Bochum: Aus für DHL…Pottblog

Shopping: Essen will Kunden aus Düsseldorf…RP Online

Duisburg: Finanzierung des Landesarchivs unklar…Der Westen

Urheberrecht: Schwarz-Gelbplant dritten Korb…Netzpolitik

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IT: Open-Access-Woche…Ruhr Digital

Kuboshow: Kunstmesse in Herne…Hometown Glory

Fürth: Und wieder Strukturwandel…FAZ

 

 

…und noch eins

Die Eröffnung des Centros 1996 war eine Sensation. Die Fertigstellung des Limbecker Platzes macht klar, dass das Konzept Einkaufszentrum im Ruhrgebiet an seine Grenzen stößt.

Limbecker Platz Foto: ECE

Die Innenstädte im Ruhrgebiet sind nicht für ihre Schönheit bekannt. Im Krieg fast vollständig zerbombt und in den 50er und 60er Jahren zum größten Teil von einer Generation geschmackloser und weitgehend talentfreier Stadtplaner wieder aufgebaut, sind sie fast alle von einer seltsamen Monotonie. Die städtebaulichen Traditionen der Vorkriegszeit wurden begeistert aufgegeben. Noch in den 70er und 80er Jahren kam es aus heutiger Sicht zu unvorstellbaren Planungssünden: Die Abrisse von einstmals die Innenstädte prägenden Gebäuden wie dem alten Rathaus in Essen, dem Stadtbad in Bochum oder dem alten Hauptbahnhof in Gelsenkirchen zeigten, dass viele Planer und Kommunalpolitiker im Ruhrgebiet nicht die schnellsten waren, wenn es darum ging, aus den Fehlern der Nachkriegszeit die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die Begeisterung für alte Industriegebäude, pompös zur Industriekultur verklärt, lässt sich nur mit der Belanglosigkeit der Städte erklären – auch in anderen Teilen Deutschland gibt es alte Industriegebäude – aber normalerweise markieren sie nicht die architektonischen Glanzpunkte.

Und während die Innenstädte der meisten Revierstädte zusehends verödeten, begann schon in den 60er Jahren der Boom der Einkaufszentren im Ruhrgebiet. Nach dem Main-Taunus-Zentrum vor den Toren Frankfurts eröffnete 1964 mit dem Ruhr-Park das zweite Einkaufszentrum der Republik  in Bochum. Heute ist der Ruhr Park mit einer Fläche von 126.000 Quadratmetern, 18. Millionen Besuchern und einem Umsatz von 350 Millionen Euro das größte Einkaufszentrum Deutschlands. Den Preis dieser Erfolgsgeschichte kann man in der Bochumer Innenstadt sehen: Seit Mitte der 90er Jahre gibt es in Bochum kein Kaufhaus mehr, auch in guten Lagen sind 1Euro-Shops auf dem Vormarsch, und der erst vor zwei Jahren eröffnete  Massenbergboulevard sieht vor allem  an Werktagen wie ein dröger, grauer Fluss aus. Allein das lange Zeit von den städtischen Planern übersehene Bermudadreieck verströmt urbanen Charme.

Ein noch größeres Desaster lässt sich in Oberhausen betrachten. Gut, auch vor der Eröffnung des Centros 1996 war die Oberhausener Innenstadt kein Schmuckstück – die öde Marktstraße konnte nie mit Essen oder auch Duisburg mithalten, doch das Centro gab ihr den endgültigen Todesstoß. Hat das Centro wenigstens für neue Jobs gesorgt? Nein, neueren Untersuchungen nach halten sich die Gewinne und Verluste an Arbeitsplätzen die Waage.

Und nun der Limbecker Platz: Angebliches Metropolenshopping in 200 Läden. Ein Metropolenshopping, wie es jede zweitklassige US-Mittelstadt auf der grünen Wiese bietet: Von aussen wirkt das neue Einkaufszentrum kalt und abweisen, die Innenausstattung ist von erschreckender Beliebigkeit und ein Großteil der Ladenlokale sind von den ewig gleichen Ketten besetzt. Metropolenshopping? Hat das nicht etwas mit ausgefallenen, exklusiven Läden zu tun? Mit Angeboten, die man nicht an jeder Ecke bekommt?
Der Verlierer wird, wie meistens, wenn ein neues Einkaufszentrum eröffnet, die Innenstadt sein. Die Mieten werden fallen, die Leerstände zunehmen und die Ramscher ihre Zahl erhöhen. Und die Innenstädte der kleineren Nachbarstädte werden den Limbecker Platz auch schon bald spüren.

Aber hätte Essen auf den Limbecker Platz verzichten sollen? Nein, denn Essen hatte keine Alternative. Im Ruhrgebiet gibt es ein Wettrüsten der Städte: Der Ruhrpark wird ausgebaut, der Limbecker-Platz Betreiber ECE baut in Dortmund ein Zentrum, Recklinghausen und Bochum planen ebenfalls neue Malls – und auch viele kleinere Städte wollen nachrüsten. Werden all diese Zentren erfolgreich sein? Sicher nicht. Die paar Mal, die ich im Limbecker Platz war, fand ich es leer. Kaputte Innenstädte und leere Einkaufszentren – keine schöne Vorstellung.

Auch im Bereich des Einzelhandels wird man sich im Ruhrgebiet endlich zusammen setzen zu müssen, um die Schäden des Shopping-Center-Wettrüstens zu begrenzen. Und vielleicht sollte man einmal anfangen sich darüber Gedanken zu machen, wie Innenstädte in schrumpfenden Städten, in einer Region die bald schon 400.000 Einwohner weniger haben wird, an Attraktivität gewinnen können. Denn so bleiben wie es ist sollte es auch nicht.