Wir waren gestern bei der Eröffnung der Kulturhauptstadt auf Zollverein. Und wir hatten ein Paar aus Köln dabei. Eine Bericht über Rheinländer, Fischer und Neutöner. Ganz viele Fotos und zwei Videos gibt es hier…Klack
14.50 Uhr Wir haben uns entschlossen das Auto stehen zu lassen – Sommerreifen. Fred und ich treffen uns am Bochumer Hauptbahnhof. Die vorhergesagte Schneekatastrophe führt zu ersten Versorgungsengpässen: Bei Tacos & More gibt es kein Fleisch mehr. Ich weiche zu McDonalds aus. Der Big-Rösti war grauenvoll, aber wann werde ich wieder etwas Warmes zu essen bekommen? Der Katastrophenschutz hat immerhin zur Vorratshaltung aufgerufen.
15.00 Uhr Treffe Fred in der Bahnhofshalle. Gleich soll der Zug fahren. Wenn Daisy uns keinen Strich durch die Rechnung macht.
15.08 Uhr Die Bahn nach Gelsenkirchen kommt. Jetzt weiß ich auch wie Schneekatastrophen aussehen: Es fällt etwas Schnee vom Himmel. Wir schätzen unsere Überlebenschancen mittlerweile etwas optimistischer ein.
15.40 Uhr Auch Gelsenkirchen steht noch und sieht schneebedeckt sogar ganz gut aus. Wir nehmen die Straßenbahn Richtung Essen. Bei Schneekatastrophen scheint sogar der Nahverkehr zu funktionieren.
16.10 Uhr Wir sind auf Zollverein angekommen. Voll ist es noch nicht und auf Videoleinwänden sieht man Musicalausschnitte. Später erfahre ich, dass das die Eröffnungsveranstaltung war. Nichts verpasst.
16.30 Uhr Wir sind im Pressezentrum. Vorher noch eine lauwarme Wurst am Stand von Schweine-Heiner gegessen. Christoph Schurian sitzt an seinem Mac und simuliert hektische Betriebsamkeit. Macht er gut. Eine erste kleine Meldung für die Ruhrbarone entsteht.
16.40 Uhr Es hat aufgehört zu schneien. Mit der anbrechenden Dunkelheit legt sich ein Zauber über das weitläufige Zollverein Gelände. Die Gebäude sind illuminiert. Klanginstallationen. Wir gehen zu Pact-Zollverein. Dort steht ein Schachtzeichen-Ballon. Wenn er auch später von innen beleuchtet sein wird, wird man zumindest einige von ihnen von einer Halde aus als Schachtzeichen erkennen können. Sehr schön ist das Ballon-Labyrinth. Später wird es überfüllt sein, jetzt geht es noch.
17.00 Uhr Wir treffen auf Sebastian und seine Freundin Sylvia. Sie sind aus Köln zur Eröffnung der Kulturhauptstadt gekommen. Zum ersten Mal stellt sich uns die Frage: Was wollen wir uns hier überthaupt anschauen?
17.30 Uhr Der Veranstaltungsplan ist kryptisch. Ein abgeschlossenes Semiotikstudium wäre jetzt hilfreich. Um Kurz nach 18.00 Uhr läuft in Halle 2 „Sieben Blicke auf das Ruhrgebiet.“ Gemacht wurden die Filme von Studenten der Kölner Kunsthochschule für Medien. Klar, dass wollen die Kölner sehen.
18.00 Uhr Halle 2 ist dicht. Die Veranstaltung ist voll. Wir gehen ins Casino einen Kaffee trinken – es funktioniert: Wir bekommen sofort einen Tisch, obwohl es langsam voll wird auf Zollverein und suchen uns die nächste Veranstaltung aus: Performances in Halle 5. Dort haben auch unsere Freunde vom 2010lab ihren Stand. Also hin.
18.20 Uhr Wir kommen sofort in der Halle. Sylvia: „Oh, ByteFM hat einen Stand. Ich wusste gar nicht dass. die aus dem Ruhrgebiet sind.“ Wir erklären ihr das ByteFM nur für ein Jahr ein Studio in Bochum hat und leider die Campus-Radios des Ruhrgebiets wohl nicht genutzt wurden, um einen Sender aufzubauen. Sylvia wundert sich: „Ich dachte die Kulturhauptstadt sollte dafür sorgen zu zeigen was das Ruhrgebiet alles kann. Mich hat schon gewundert, dass das Design von KNSK kommt.“ Naja, erkläre ich leicht beschämt der Kölnerin, die Agentur Oktober aus Bochum hätte immerhin einen Pitch gewonnen, sei aber als zu klein für den Auftrag befunden worden. Die Ruhr2010 GmbH ist wohl mit sich, aber nicht der Szene im Ruhrgebiet zufrieden. Kopfschütteln bei Sylvia.
In der Halle zwei Rapper. Sebastian sagt, dass er jetzt wieder dieses Gefühl im Bauch hat, das vom Fremdschämen kommt. In einer Ecke gibt es einen Malstand. Auch junge Menschen mit hippen Wollmützen und kleinen Bärtchen sitzen an den Zeichentischen. Sebastian und ich stimmen darin überein, dass die Teilnahme an der Zeichenaktion der wohl beste Weg, ist eine angehende Grundschullehrerin anzugraben.
18.40 Uhr Fred und ich schwärmen Sebastian und Syliva von dem Ballon-Labyrinth vor. Da wollen sie nun hin. Wir gehen. Sylivia hat Hunger. Pommes. Die gibt es am Nordsee-Stand. „Hat auch nichts mit dem Ruhrgebiet zu tun“, mosert Sylvia. Wir widersprechen: Bergmann, Stahlarbeiter und Fischer seien früher die klassischen Berufe im Ruhrgebiet gewesen. Sebastian erklärt seiner Freundin, dass die Frauen aus dem Ruhrgebiet einstmals die Krabben unter Tage gepult hätten. Sylvia wirkt nicht überzeugt.
18.50 Uhr Fred verabschiedet sich und geht auf einen Geburtstag. Wir drei erst in Labyrinth, das wirklich wunderschön ist und dann auf einen Vortrag zum Thema Off-Off Kultur. Beispiel: HipHop. Wir sehen eine Video der Ruhrpott-Battle und lernen, dass das Internet ohne HipHop nicht denkbar wäre und HipHop nicht ohne das Internet. Klar, die Jungs von Run-D.M.C. waren schon in den frühen 80ern bekannte Systemadministratoren und bei den WWW-Entwicklern im CERN redeten sich sowieso alle nur mit „Yo“ und „Brother“ an. Unvergessen ihr Leibniz-Gemeinschafts-Rap: „Wir sind vom CERN und bei Leibniz sind nur Luschen / Wenn wir forschen müsst ihr kuschen!“
20.00 Uhr Wir haben uns aufgewärmt. Auf der Hauptbühne läuft seit Stunden so etwas wie die Lokalzeit nur ohne Kochen mit Luger. Sebastian will zum Feuerpfad und der beste Teil des Tages beginnt. Wir stapfen durch den Schnee vorbei an Stationen mit Schauspielern. Kleine Gruppen von Menschen stehen um sie herum und es herrscht eine absolut schöne Atmosphäre. Habe ich das Wort „Zauberhaft“ schon benutzt? Egal. Das trifft es. Wir gehen weiter zur Kokerei. Dort bekommen wir an der Eisbahn die Uraufführung des Stücks „Klangstraße“ von Wolfgang Hufschmidt mit und sind begeistert. Neutöne sind nicht meine Sache, aber hier passt alles: Die Musik, das Ambiente. Hunderte stehen herum und hören sich eine Musik an, die die meisten zu Hause nicht hören würden. Auf dem Rückweg kommen wir an zwei Feuer-Performances vorbei. Das passt hier hin. Die Stimmung ist auch hier gut und locker. Die Künstler reden mit dem Publikum. Als ein Schlagzeuger aufhört auf brennende Fässer zu hauen und erklärt er könne nicht mehr, weil es so anstrengend sei, ruft einer aus dem Publikum: „Du hass aber nix inne Arme.“ Alle lachen miteinander. Ruhrgebiet as its best.
21.30 Uhr Jetzt ist es doch etwas kühl geworden. Wir waren lange draußen und wollen jetzt nach Hause. Wir treffen Stefan von Hirnrinde, plaudern ein wenig über unser gemeinsames Projekt Zwanzig10 und dann sind wir weg. Auf der Rückfahrt klappt alle: Busse fahren alle paar Minuten und kostenlos zum Hauptbahnhof. Es war ein schöner Tag. Vor allem abseits des Hauptveranstaltungsortes gab es viel zu entdecken. Auf der Hauptbühne war das Programm arm – das hätte man besser machen können. Ärgerlich auch, dass viele Hallen für VIP-Veranstaltungen gesperrt waren. Aber Zollverein in der Dunkelheit, illuminiert und die vielen kleinen Kunstaktionen – das hatte was.
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