Petition gegen Nacktscanner vor dem Scheitern

nacktscannerDie Online-Petition gegen den Einsatz von Nacktscannern in Deutschland droht zu scheitern. Nur knapp eine Woche vor Ende der Zeichnungsfrist haben erst rund 16.000 Menschen die entsprechende Liste des Bundestages unterzeichnet, und so den Petitionsausschuss aufgefordert, elektronische Entkleidungsgeräte an Flughäfen zu verbieten. Damit die Diskussion den Bundestag auch erreicht, müssen aber bis zum 23. Februar mindestens 50.000 Menschen die Petition unterschreiben.

Die Liste wurde von Norbert Hense aufgesetzt. Der Mann ist für die Piratenpartei unterwegs. Aber auch das sollte nicht stören, die Petition mit zu unterschreiben. Meiner Ansicht nach verletzten die Nacktscanner die Würde des Menschen.

Einfach so – ohne Verdacht – Leute auszuziehen, kann nicht OK sein. Ich finde, wir dürfen nicht für einen totalitären Sicherheitsbegriff unsere letzten Intimsphären offenbaren. Hier ein längerer Text zum Thema: „Unsere Würde ist antastbar“

Ich fände es gut, wenn noch Leute bei der Online-Petition unterschreiben.

Dazu muss man sich zwar beim Bundestag registrieren. Aber das sollte in diesem Fall Ok sein.

Wenn die Petition durchkommt, hat ihr Anliegen durchaus Aussicht auf Erfolg. Denn die FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist mit kritischen Kommentaren zum Nacktscanner aufgefallen. Sollte sie Unterstützung im Netz finden, wird sie ihren Kurs gegen diese Intimscanner sicher beibehalten. Der Einsatz der Würdebrecher dürfte dann fraglich sein.

Wenn allerdings die Unterzeichnergeschwindigkeit nicht erhöht werden kann, ist das Scheitern der Petition absehbar. Dies würde den Rechtspolitikern signalisieren, dass nur Querulanten etwas gegen den Einsatz von elektronischen Nacktmacher haben.

Vielleicht ist das ja sogar so. Festzustellen ist jedenfalls, dass bislang viel zu wenig Menschen die Petition unterzeichnet haben. Das bedeutet, die Nacktscanner gehen den meisten wohl am Arsch vorbei.

Der Text der Petition lautet:

Der Deutsche Bundestag möge sich dafür aussprechen keine Ganzkörperscanner (auch Nacktscanner genannt) an deutschen Flughäfen zuzulassen.

Begründung:

Der Einsatz von Nacktscanner ist ein tiefer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Flugreisenden und ein Angriff auf die Menschenwürde die durch Artikel 1 des Grundgesetzes besonders geschützt ist.

Wer mitzeichnen will, muss hier klicken.

Eine Diskussion der Petition gibt es auch auf der Webseite des Bundestages.

Netzpolitik unterstützt ebenfalls die Petition.

Und Fefe hat einen schöne Stelle gefunden, an der ein Physiker erklärt, wie man den Nacktscanner austrickst.

Bildnachweis: Transportation Security Administration / WikiMedia Commons

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Peter Sloterdijk im Interview – „Daniel Jonah Goldhagens Einwürfe zum Völkermord sollte man freundlich ignorieren“

sloterdijk3Ich treffe Peter Sloterdijk an einem eisigen Samstagmorgen am Dortmunder Hauptbahnhof. Während wir auf den ICE nach Berlin warten, betreten die Spieler von Hertha BSC unter lautstarken Schmähgesängen jugendlicher BVB-Fans den Bahnsteig und sehen ob dieser Erniedrigung aus wie geprügelte Hunde. Interessiert folgt der Philosoph des „Trainingsplans“ und der „menschlichen Höchstleistungen“ diesem Schauspiel. Nach einem Gespräch über den politischen Islam, Antisemitismus und Goebbels Klumpfuß steige ich in Bielefeld aus und fahre, bestückt mit den Samstagsausgaben der FAZ, SZ, WELT und BILD aus der ersten Klasse, mit der Regionalbahn zurück nach Dortmund.

Herr Sloterdijk, was halten Sie vom Vorschlag des amerikanischen Politologen Daniel Jonah Goldhagen, ein Kopfgeld in Millionenhöhe auf die Anführer von Völkermorden auszusetzen?

Goldhagen würde mit seinem moralistischen Interventionismus immensen Schaden anrichten, sollte er politisch ernst genommen werden – was Gott sei Dank nicht geschehen wird. Das Beste, was man mit solchen Einwürfen anfangen kann, ist sie freundlich zu ignorieren. Die unvermeidliche Konsequenz seines Vorschlags wäre die Entstehung einer internationalen Moralmafia, die sich die Rolle des jüngsten Gerichts auf Erden anmaßt.

Was wäre ein besser geeignetes Vorgehen, um Völkermorde zu verhindern?

Allgemein gilt, dass Völkermorde dort stattfinden, wo es zu viele junge Männer gibt, die um Positionen kämpfen und die im Stellengitter ihrer Gesellschaft keine Anschlüsse finden. Daher weichen sie in terroristische Karrieren aus. Goldhagen selbst ist von seinem Temperament her einem Offizier in einer Jungmännerbrigade zu vergleichen, der einen spektakulären Einsatzort und eine glänzende Karrierechance sucht. Im übrigen gilt: Die adäquate Antwort auf Völkermorde ist maßvolle Populationspolitik, das heißt die Zurückführung von gefährlichen Geburtenüberschüssen auf zivilisierte Maßstäbe. Es ist eine Tatsache, das Genozidphänomene in einer Kultur mit zwei Geburten und weniger pro Frau nicht auftreten. Das zeigt die Perspektive auf, die man wählen muss, um aus der Misere herauszufinden. Nach dem Rückzug der Israelis aus dem Libanon wurde ein erneuter blutiger Bürgerkrieg prognostiziert, der aber wegen der niedrigen Geburtenrate im Land nicht stattfand. Es war ganz einfach niemand da, um so einen Krieg zu führen. Bei einer Geburtenrate von unter zwei Kindern pro Frau gibt es nicht genügend junge Männer, um sich in langen Kriegen gegenseitig abzuschlachten: Jeder einzelne wird für die normale Reproduktion gebraucht – und so soll es sein. Kriege werden immer mit den Überschüssigen geführt.

Goldhagen vertritt die These, dass die gefährlichste genozidale Bewegung der Gegenwart der politische Islam sei, der eine totalitäre Vision hat, wie Gesellschaften regiert werden sollten. Zu ihr gehört die Eliminierung all jener, die diese Vision nicht akzeptieren.

Goldhagen gehört nicht zu den Autoren, die man zitieren muss, wenn es um eine Erklärung des politischen Islam geht. Es gibt eine Reihe von ausgewiesenen Orientalisten wie Gilles Kepel oder Olivier Roy, die hierüber gesagt haben, was zu sagen ist. Die hysteroiden Projekte im Islam, auf die sich Goldhagen bezieht, repräsentieren nur eine kleine Minderheit, die sich durch apokalptische Ideen verführen läßt. Im übrigen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, Goldhagen schriebe vor allem für ein deutsches Publikum und spekuliere auf den Erfolg, den seine Thesen nur hierzulande haben können.

Wie Goldhagen beschäftigen auch Sie sich in Ihrem neuen Buch mit totalitären Systemen. Bei Ihrer Erklärung des Nationalsozialismus spielt der Begriff des Krüppelexistentialismus eine zentrale Rolle.

Der Existentialismus ist im wesentlichen eine Philosophie für Verlierer. Bei der Formulierung der von mir Trotzexistentialismus genannten Philosophie spielte die Selbsterfahrung des behinderten Menschen die entscheidende Rolle. Nietzsche war ein typischer Vertreter des Behindertenexistentialismus, nicht zuletzt aufgrund seiner damals unerkennbaren und unbehandelbaren chronischen Krankheit. Vor solchem Hintergrund haben sich Kompensationstheorien entwickelt, aus denen bis heute viele Menschen Kraft ziehen, wenn sie sich in einer schwierigen Lage befinden. In den 1920er Jahren stellte sich heraus, dass Trotzphilosophien dieses Typs leicht von politischen Protestbewegungen unterwandert werden können.

Der Nationalsozialismus als pervertierte Form des Existentialismus?

Ja. Der Nationalsozialismus hat seine Anhänger aus einem Feld rekrutiert, die Dostojewski die Erniedrigten und Beleidigten genannt hat, obschon die Betroffenen sich selber lieber in Bildern von Stolzen und Starken erkennen wollten. Unter eklatanter Abwandlung der trotzphilosophischen Doktrinen legte die nationalsozialistische Bewegung ihren Akzent auf Gesundheit und Vitalität – dabei waren die Behinderungen der Nazi-Führer mit Händen zu greifen. Goebbels wurde in der zeitgenössischen Literatur als exemplarischer Vertreter des „Deformationskrüppeltums“ präsentiert. Adolf Hitler wäre als psychologischer Krüppel zu charakterisieren gewesen, ein Mensch, der völlig beziehungsunfähig war und sich nur durch hysteroide Entladungen bei Reden vor großer Menge Befriedigung verschaffen konnte. Um von Göring als personifiziertem Sucht-Krüppel mit schwerer Adipositas-Komponente zu schweigen. Auf der Ebene des Führungspersonals ist leicht nachzuweisen, dass der Nationalsozialismus eine sich selbst verleugnende Behindertenbewegung war.

Sie haben sich im Rahmen Ihres Werkes intensiv mit jüdischen Denkern beschäftigt. Welche waren für Sie besonders prägend?

Um diese Frage richtig zu beantworten, müsste ich ein dickes Buch schreiben, denn meine Lektüre jüdischer Autoren und Philosophen ergibt einen Roman für sich. Ich habe im Alter von vierzehn Jahren begonnen, mir die Welt der Literatur und der Philosophie zu erschließen, darunter eine Fülle jüdischer Autoren. Ich habe ein altes und kompliziertes Verhältnis zu Adorno und ebenso lange und zerklüftete Beziehung zu Ernst Bloch. In jungen Jahren habe ich viel Husserl und Wittgenstein gelesen, ohne je daran zu denken, daß sie der Herkunft nach Juden waren. Und was sollte ich über Kafka und Hermann Broch sagen – eine Zeitlang war vor allem der letztere mein Held. Später kamen Autoren wie Emmanuel Levinas und Jacques Derrida ins Blickfeld – über letzteren habe ich in den letzten Jahren zwei kleine Bücher geschrieben.

Welchen Stellenwert hat für Sie der 1987 verstorbene Philosoph Jakob Taubes, mit dem Sie in Kontakt standen?

Auf der persönliche Ebene war er für mich von hoher Bedeutung, eine umstrittene und abgründige Person, überdies ein erbitterter Gegner von Gershom Scholem und einer der wenigen Denker, die mit existentiellem Ernst über den Preis des Messianisus und über die Rolle des Paulus in der spirituellen Weltgeschichte nachgedacht haben. Taubes war ein bekennender Apokalyptiker – er favorisierte die Idee, dass es mit dieser Welt nicht mehr lange so weitergehen kann. Wenn man sich vor Augen führt, dass die Welt nach allem, was geschehen ist, noch immer ungeniert fortbesteht, erscheint einem der Glaube an die Möglichkeit eines baldigen Ende als Ausdruck eines unerschütterlichen religiösen Optimismus.

Nun ist der Antisemitismus bekanntermaßen nicht allein eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts. Haben Sie im Laufe Ihrer intellektuellen Karriere so etwas wie eine Theorie entwickelt, die den zeit- und kulturübergreifend existenten Judenhass zu erklären vermag?

Ich glaube, man erweist dem Wahnsystem des politischen Rassismus zu viel Ehre, wenn man seinen stupiden Grundbegriff „semitisch“ bzw. „antisemitisch“ blindlings weiterbenutzt. Um so wichtiger ist es, die anderen Formen der Feindschaft gegen Juden und Judentum unter die Lupe zu nehmen, die aus älteren Quellen stammen und sich aus diversen Gründen regeneriert haben. Mir scheint, man kommt auf diesem Gebiet voran, wenn man die Phänomene beachtet, die Yuri Slezkine in seinem Buch „Das jüdische Jahrhundert“ beschreibt. Ausgehend von der Geschichte des Milchmanns und seiner Töchter in dem Musical „Anatevka“ rekapituliert er das Epos des Judentums des 20. Jahrhunderts, das er das jüdische nennt, in einem großen Zeitgemälde, indem er zeigt, daß es Juden waren, die in entscheidenden Vorgängen des 20. Jahrhunderts eine wesentliche Rolle gespielt haben. Ob es die russische Revolution war oder die Schaffung der amerikanischen Unterhaltungsindustrie – häufig sah man jüdische intellektuelle Akteure an vorderster Front. Slezkine zeigt sehr suggestiv, wie die „merkuriale“ jüdische Existenz den modus vivendi der Bodenständigen chronisch irritierte.

Das Interview erschien auch in der Wochenzeitung “Jüdische Allgemeine”.

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RWE bekommt neuen Konzern-Betriebsrat

Foto: RWE-Holding / Flickr.com

Die Arbeitnehmer beim Energiekonzern RWE stellen sich neu auf. Wie die Ruhrbarone erfahren haben, wollen die Betriebsräte der zahlreichen RWE-Tochtergesellschaften einen Konzernbetriebsrat gründen. Dieser soll in Zukunft zentral die Belange der Angestellten und Arbeiter im RWE vertreten. Das besondere daran?

Bislang gab es beim RWE nur eine so genannte Arge. Das war die Arbeitsgemeinschaft der RWE-Betriebsräte. Die Arge hatte kaum strukturierte Macht, sondern war mehr ein Ausgleichsorgan. Die wirkliche Macht der Arbeiter lag in den Betriebsräten der beiden wichtigsten Zwischenholdings. Also im Betriebsrat der RWE Energie oder bei RWE Power. Doch mit dem Umbau der RWE AG und der Auflösung der RWE Energie unter Vorstandschef Jürgen Großmann verschoben sich die Gewichte. Nun wollen die Arbeitnehmer mit einer neuen eigenen Struktur diesen Wandel nachvollziehen.

Nach Informationen der Ruhrbarone soll Uwe Tigges im April den bisherigen Chef der Arbeitnehmer beim RWE Günter Reppien ablösen und damit erster Vorsitzender des ersten RWE Gesamtbetriebsrates werden. Tigges firmiert als Gesamtbetriebsratschef der RWE Vertrieb AG, der früheren Westfalen-Weser-Ems. Reppien war bislang Chef des Gesamtbetriebsrates von RWE Power, der Kraftwerkstochter des Konzerns.

Auch Reppien soll nach seinem Ausscheiden dem RWE erhalten bleiben. Wie es heißt, soll er seinen Platz im Aufsichtsrat der RWE Holding zunächst für einige Monate behalten, bevor er in Rente geht. Kurioserweise hat die Arbeitnehmerbank mit Reppien derzeit im RWE Aufsichtsrat sogar die Mehrheit, da nach dem Rücktritt von Thomas Fischer Ende Januar ein Platz der Arbeitgeberbank vakant ist. Er wird erst auf der kommenden Hauptversammlung neu besetzt.

Für den gesamten RWE-Konzern wird die neue Struktur der Arbeitnehmervertretung keine besonders große Sache werden, nehme ich an. Es werden lediglich die Entwicklungen der letzten Jahre nachvollzogen. Spannend könnte das Ganze höchstens für RWE Power werden. Denn dieser Konzernbereich wird geschwächt, wenn die Arbeitnehmervertreter sich eher an dem Gesamtbetriebsrat orientieren. Zudem verlässt mit Reppien der führende Vertreter von RWE Power eine Schaltzentrale der Macht. Damit nicht genug: Auch die IG BCE wird mit der Gründung des Gesamtbetriebsrates weiter geschwächt. Auch momentan ist die Gewerkschaft schon im RWE längst nicht mehr so stark wie früher. Die entscheidende Rolle spielt Verdi. Wenn jetzt noch der Betriebsrates von RWE Power, in dem die IG BCE noch stark ist, zurückstecken muss, wird die Position der Bergarbeitergewerkschaft weiter marginalisiert.

Dies kann langfristig bedeutsam sein, wenn mal daran gedacht werden sollte, RWE Power wie RWE Energie aufzulösen. Schon jetzt wurden mit dem Teilkonzern RWE Technology bedeutende Teile aus der Kraftwerkstochter herausgelöst.

Vom Personal her muss sich wohl kein Arbeitnehmervertreter Sorgen bei der Besetzung des ersten Gesamtbetriebsrates beim RWE haben. Wie ich höre, wird das Gremium zunächst riesig, um alle Ansprüche auf Posten zu befriedigen. Erst nach und nach, soll der Gesamtbetriebsrat auf eine normale Größe verkleinert werden.

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Update: Der MSV Duisburg, der Bauunternehmer Hellmich und das Geld

hellmiWir haben eine Geschichte, die ist spannend für die Fans vom MSV Duisburg, von Alemannia Aachen und den FC St. Pauli. Es geht um einen Sonnenkönig vom Rhein. Es geht um den Bauunternehmer Walter Hellmich. Er baute das Stadion der Alemannia, er baut das Stadion des FC St. Pauli und er ist Präsident des MSV Duisburg.

Wir werden heute zunächst über Hellmich und den MSV berichten. Später werden wir über Hellmich und die anderen Clubs schreiben.

Zunächst also zum MSV aus Meiderich. Wie immer beim Fußball geht es um Hoffnungen, aber auch um Geld. Beides suchen die Fans der Zebras im Umfeld des 65-Jährigen Hellmich. Sie setzen darauf, dass Hellmich dem Club ein stabiles Fundament gibt, um im Oberhaus der Liga bestehen zu können. Doch damit liegen sie wohl daneben. Hellmich scheint nämlich auch ein Interesse daran zu haben, den MSV für sich zu nutzen, und nicht nur Geld für die Kicker zu spenden, wie unsere Recherchen nahe legen. Aus Unterlagen, die den Ruhrbaronen vorliegen, geht hervor, dass der MSV seinem Präsidenten Hellmich schon als Kreditgeber diente und zudem ausgerechnet die Marketingfirma des Präsi-Sohnes die lukrativen Sponsorenrechte mit einer großzügigen Provisionsregel verwalten darf.

Doch der Reihe nach: Nachdem Hellmich im Jahr 2002 zum Präsidenten gewählt wurde, sah zunächst alles glänzend aus. Ein neues Stadion wurde gebaut und prominente Trainer und Kicker verpflichtet. Unter Trainer Norbert Mayer gelang sogar der Aufstieg. Die Euphorie des Beginns verflog allerdings schnell, als der MSV sich nicht in der ersten Bundesliga halten konnte. Wieder wurde es mit dem Geld eng. Zuletzt verzichtete der Manager Björn Bremer darauf, seinen Vertrag in Meiderich zu verlängern. In dieser Situation scheint es interessant, zu sehen, wer alles von den Einnahmen des Clubs profitiert.

Und da kommt ausgerechnet die Hellmich Marketing Managment (HMM) GmbH zum Zuge. Die Firma gehört Marc Hellmich, dem Sohn des MSV-Präsidenten.

Das 1997 gegründete Unternehmen war bis 2002 vornehmlich mit der Vermarktung des Tennisclubs Blau-Weiß Dinslaken beschäftigt. 2002 kam mit dem MSV ein weiterer Kunde dazu. Und was für einer: Marc Hellmichs Unternehmen bekam alle Vermarktungsrechte am Fussballclub, und kann seither unter anderem den Haupt- und Trikotsponsor aussuchen, die Bandenwerbung vermarkten, Logen und Business-Seats vermieten und auch die Namensrechte am Stadion veräußern. Für jeden von ihr ausgehandelten Sponsorenvertrag erhält die HMM zusätzlich 20 Prozent Provision. Selbst für die Zukunft hatte man vorgesorgt: Wenn eines Tages die zentrale Vermarktung durch den DFB fallen sollte, darf Hellmichs Sohnemann auch mit den TV-Rechten des MSV handeln.

1.250.000 Euro zahlte die Firma für nahezu alle Vermarktungsrechte an den Club. Zudem gewährte die Compagnie dem MSV ein Darlehen über eine Million Euro – zurückzahlbar in Raten zu je 114.000 Euro am 1. Juli über neun Jahre lang, wie aus vertraulichen Papieren des Clubs hervorgeht.

Soweit so gut. Spannend wird es aber, wenn man sieht, wie die Firma des Hellmich-Sohnes nicht nur für ihre Arbeit entlohnt wird, sondern auch noch direkt am Erfolg des MSV beteiligt ist: zehn Prozent der Nettoeinnahmen aus der zentralen Fernsehverwertung der Fußballrechte gehen beispielsweise direkt als Provision an den Vermarkter, wenn der MSV zweitklassig spielt. Das steht in den internen Vereinsdokumenten. Damit hängt der Hellmich-Spross direkt an der wichtigsten Einnahmequellen des Clubs. Das bleibt auch so bei einem Aufstieg in die erste Liga – mit einem leicht sinkenden Prozentsatz. Sollte der MSV allerdings im Laufe der Vertragslaufzeit bis 2012 dreimal nicht aufsteigen, kann sich der Hellmich-Zögling trotzdem freuen. Laut Vertrag steigt dessen Anteil an den TV-Einnahmen dann auf üppige 15 Prozent: Eine Belohnung bei Misserfolg? Der Sinn hinter der seltsam anmutenden Vereinbarung könnte auch sein, die absoluten Provisionen für den Vermarkter selbst bei sinkenden Gesamteinnahmen stabil zu halten.

Auf die Frage, warum das so ist, wollten weder der Duisburger Zweitligisten noch die Marketing Management GmbH eine Antwort geben. Genauso wenig wollten die Manager erklären, warum der Vertrag zwischen dem Präsidenten-Sohn und dessen Fussball-Club im Jahre 2008 frühzeitig bis 2017 verlängert wurde, ohne auch nur ein neues Angebot einzuholen. Die fehlende Ausschreibung verblüfft vor allem deswegen, weil die Hellmich Marketing Management GmbH nicht zu den großen Namen im Sponsoring zählt.

Auch die Sponsorenliste des MSV-Duisburg zeugt nicht von großen Erfolgen, die eine überlange Vertragslaufzeit rechtfertigen könnten: Mit der Sparkasse, dem Duisport Logport und den Stadtwerken kommen gleich drei der neun wichtigsten Sponsoren aus dem direkten städtischen Umfeld – dazu mit dem Hauptsponsor Rheinpower die kommunale Stromfirma, deren Energieangebot schon im nahen Köln nicht mehr zur Verfügung steht. Auch die anderen Sponsoren kommen zum größten Teil aus Duisburg: Sinalco, Klöckner oder die Hellmich Gruppe selbst – keine Unterstützerliste, die nicht auch ein anderer zusammenbekommen könnte.

Ohnehin scheint das Verhältnis der Hellmichs zum MSV eher pragmatisch zu sein. Während ein Unternehmer wie Dietmar Hopp seinen Heimatverein TSG Hoffenheim mit Millionen unterstützt und auch Schalke Präsident Clemens Tönnies den finanziell angeschlagenen Blau-Weißen hin und wieder Kredite gibt, diente ausgerechnet der notorisch klamme MSV dem Bauunternehmer Hellmich mindestens einmal als Darlehensgeber. Wie aus einem Testat der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young hervorgeht, gewährte der Fußballverein der Baugesellschaft Walter Hellmich GmbH 2005 ein Kredit in Höhe von 500.138,89 Euro, dass Hellmich bis zum Jahresende nicht zurückgezahlt hatte. Nur um das klar zu machen. Hellmich hat nicht dem Verein Geld gegeben, sondern der Verein Hellmich.

Dabei könnte der MSV einen finanzstarken Präsidenten gut brauchen: denn in Duisburg droht ein Sparpaket der Kommune, die Hauptsponsoren des Vereines auszutrocknen. Könnte schon sein, dass in Zukunft das Geld aus den Stadtwerken eher in Schulen als in Spieler gesteckt wird.

In der nächsten Folge unserer Berichterstattung über Hellmichs Aktivitäten werden wir uns der wirtschaftlichen Situation des Bauunternehmens widmen und wie das so in Aachen und Pauli aussieht.

Update:

Mittlerweile hat der MSV reagiert:

MSV-Chef Walter Hellmich weist Zeitungsbericht zurück
MSV-Chef Walter Hellmich weist die Inhalte eines Zeitungsberichtes zurück, in denen über dubiose Verträge beim MSV Duisburg berichtet wird. „Ich möchte klarstellen, dass der MSV zu keinem Zeitpunkt Kreditgeber für die Baugesellschaft Walter Hellmich GmbH war. Zum Zeitpunkt des Kreditvertrages hatte mein Unternehmen eine finanzielle Forderung von über fünf Millionen Euro an den MSV, die aus dem Stadionbau resultierte. Die Hellmich Unternehmensgruppe unterstützt den MSV zudem seit vielen Jahren finanziell und hat ein Sponsoringaufkommen in Millionenhöhe,“ stellte Hellmich die Sachlage am Sonntag klar.

Zudem verweist der Aufsichtsratsvorsitzende darauf, dass der Vermarktungsvertrag zwischen dem MSV und der Hellmich Marketing GmbH in einer völlig korrekten Ausschreibung zu Stande gekommen ist. Zu diesem Zeitpunkt war Walter Hellmich noch kein Aufsichtsratsvorsitzender beim MSV. Im Bereich der Vermarktung ist die Hellmich Marketing GmbH einer der erfolgreichsten Marketingpartner in der 2. Bundesliga.

Also: …dass der MSV zu keinem Zeitpunkt Kreditgeber für die Baugesellschaft Walter Hellmich GmbH war. Zum Zeitpunkt des Kreditvertrages hatte…

Seit dem 3. Juli 2002 ist Hellmich Vorstandsvorsitzender des MSV Duisburg. Der Vertrag mit der Firma seines Sohnes ist seit dem 1. Juli 2002 gültig und wurde 2008 vorzeitig verlängert.

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