Dortmund: Klagen der Ehre wegen

Morgen wird die Dortmunder SPD-Fraktion die Liste der gegen Neuwahlen klagenden Genossen veröffentlichen. Danach geht es in die Fraktionsklausur.

Klar scheint zu sein, dass mehrere SPD-Ratsmitglieder gegen Neuwahlen klagen werden. Der Hauptgrund der meisten, die vor Gericht ziehen werden, ist die Rettung der sozialdemokratischen Ehre, denn die meisten der Klagenden haben wohl einen sicheren Direktwahlbezirk und müssen kaum um ihren Wiedereinzug in den Rat bangen. "Viele", so ein Dortmunder Sozialdemokrat zu den Ruhrbaronen, "sehen sich nicht als Wahlbetrüger und glauben auch nicht, dass eine Wahlwiederholung rechtlich in Ordnung ist. Das Wort "Ehre" fällt im Augenblick sehr oft, wenn es um die Frage der Klage gegen die Neuwahlen geht."

Aber der eigenwilliger Ehrbegriff ist nicht das einzige Motiv – bei einzelnen Ratsmitgliedern spielen auch taktische Überlegungen eine Rolle. Sie gehen davon aus, dass die SPD bei Neuwahlen ein noch schlechteres Ergebnis als im August erzielen würde. Schon im vergangenen Jahr fuhren die Genossen das schlechteste Ergebnis bei einer Kommunalwahl seit dem Krieg ein. Eine Machtverschiebung zu Lasten der SPD könnte zu einem längeren Verlust der Regierungsfähigkeit der Genossen in der Stadt führen – für Sozialdemokraten in der Tat keine angenehme Perspektive. Da ist die Verführung groß, auf ein mangelndes Gedächtnis der Wähler zu setzen und die Krise auszusitzen. Eine Milchmädchenrechnung.

 

Ein Blick nach vorne und zurück. Der Kindle

Foto: Flickr.com / Yaisog

Derzeit warten fast alle auf die Erlösung der Journalismus-Krise durch ein neues Medium. Der Ort der erhofften Offenbarung liegt in den Staaten, in San Fransisco, genauer gesagt auf einer Bühne im Yerba Buena Center for the Art. Als Termin hat der Schöpfer den 26. Januar festgelegt. Denn dann soll der iSlate vorgestellt werden. Eine Art großes iPhone, dass als elektronisches Lesegerät die Bücher und die Magazine und die Zeitungen revolutionieren soll. Ich nutze diese Zeit des Wartens, um einen Blick auf den Kindle zu werfen. Das Gerät von Amazon sollte vor kurzem noch das Geschäft mit den Print-Dingern auf neue Beine stellen. Nun überbringt das Gerät schon wieder eine Botschaft aus der Vergangenheit. Aber was verdammt heißt das?

Der englische Kindle 2 ist ein praktisches Gerät. Auf jeden Fall praktischer als dieses Ding von Sony, der eReader, den ich vor ein paar Monaten getestet hatte. Das Sony-Ding war zu langsam, zu schnell alle, zu unleserlich und was weiß ich. Unbrauchbar eben für eine elektronische Revolte.

Nun aber der Kindle 2 von Amazon. Das Gerät ist seit dem 19. Oktober hier im Handel. Es liegt sehr gut in der Hand, es hat eine schwarze Lederhülle, ich kann es wie ein schweres Buch halten. Die Lesekontraste sind OK, dunkelgrau auf hellgrau. Nicht perfekt, aber eben ein bischen steiler als das matschgrau auf matschgrau des Sony-Gerätes.  Die Buchstaben der elektroischen Tinte sind klar. Ich kann Seitenweise lesen, ohne Streß mit den Augen zu kriegen. Ich habe in Kneipen gelesen, in Restaurants, im Zug und im Flieger. Ich habe an Bushaltestellen gelesen und in der S-Bahn. Es ging. Ich wurde nie enttäuscht. Die Buchstaben konnte ich in einem guten halben dutzend Größenvarianten verstellen. Bis ich ein perfektes Verhältnis zwischen Bildschirmgröße, Buchstabenformat und Textmenge je seite gefunden hatte.

Vor allem der Zugang zum Internet war gut. Überall. Selbst in der Schweiz konnte ich Bücher mit UMTS-Geschwindigkeit über ein 3G-Modul runterladen. Und lesen. Es gab auch Zeitungen und Zeitschriften. Auch die konnte ich runterladen und lesen. Alles kein Problem. Ohne Zusatzkosten für einen Provider. Nur für den Lesestoff hätte ich zahlen müssen. Wenn ich ihn hätte kaufen wollen. Wollte ich aber nicht. Dazu später mehr.

Stattdessen habe ich dutzende Bücher angelesen. Denn das geht. Ich kann mir von einem Roman eine Textprobe über etwa 20 Seiten auf den Kindle runterladen. Das kostet mich auf meinen Kindle-Unter-Account in meinem amazon-Ober-Account keinen Cent. Ich kann 1500 Bücher speichern. Auf 1,5 Gigabyte.

Das waren die guten Nachrichten.

Jetzt kommen die schlechten. Keine ordentlichen Bilder. Keine Farbe. Alles in grau-in-grau. Wer braucht das?

Zudem hätte ich die Bücher alle aus dem amazon-store herunterladen müssen. Zu ziemlich hohen Kosten. Ein elektronisches Buch kostet dort nämlich ungefähr soviel wie ein Print-Stück – ohne Papierkosten. Also ungefähr vier US-Dollar weniger, wenn der Roman 14 Dollar kostet. Deutsche Bücher habe ich kaum gefunden, dafür aber 350.000 englische Werke. Aber das kann Zufall sein, weil ich so happy war, dermaßen viele spannende US-Books durchstöbern zu können, habe ich kaum nach deutschen Büchern gesucht.

Gekauft habe ich, wie gesagt, keines. Weil ich das zu teuer fand. Zudem hätte ich das erworbene Buch nirgendwo anders abspeichern können. Ich hätte es also nicht auf einem anderen Gerät lesen können. Zumindest habe ich keine Funktion gefunden, mit der das gegangen wäre. Vielleicht war ich auch zu doof. Vielleicht soll das auch gar nicht gehen. Aber was soll ich mit einem Buch, das ich nur auf einem Gerät lesen kann.

Spielen wir das mal durch. Ich investieren im Laufe eines Jahres etwa 600 Euro in Bücher. Wenn ich meinen Kindle nach drei Jahren verlieren würde, hätte ich damit nicht nur die Hardware verbummelt. Ich hätte eine Bibliothek vergeigt. Keine gute Idee. Davon ab ist das Blättern im Kindle genauso schlecht wie bei anderen elektronischen Readern mit der berühmten elektronischen Tinte E-Ink.  Es dauert einfach zu lange bis ich auf neue Seiten komme, das Umblättern um 30 bis 40 Seiten vorwärts oder rückwärts ist nervtötend, auch wenn ich mir vorher elektronische Eselsohren in die Seiten gestempelt habe. Was weiß ich am Anfang, was ich später nachschlagen will. Das muss ratzfatz gehen, das Blättern, sonst ist das Mist. Um es kurz zu machen.

Ich glaube zudem die Technik des elektonischen Papiers ist Unfug. In der Theorie hört sich alles topp an. Die Bildschirme haben keine Hintergrundbeleuchtung. Zudem kann E-Tinte auf E-Papier das Licht wie normales Papier reflektieren. Texte oder Bilder werden dauerhaft angezeigt. Das spart Strom. Der Kindle beispielsweise kam mit einer Ladung gut eine Woche aus. Und ich habe viel gelesen.

Das E-Papier kann sogar verbogen werden, ohne dass sich etwas an der Lesbarkeit ändert. Der Skiff Reader beispielsweise sieht ordentlich aus, ist riesig im Vergleich zum Reklambuchgroßen Bildschirm des Kindle 2. Und lässt sich dann noch zu einer Halbschale biegen und gleichzeitig lesen. Aber. Leider bleibt alles so verdammt schwarz- weiß. Und es dauert, bis sich ein neues Bild aufbaut. Und überhaupt: wer liest ein Buch oder eine Zeitung in Form einer Halbschale?

Das Problem trifft alle E-Ink-Geräte gleichermaßen. Also nicht die sinnlose Verbiegbarkeit des Bildschirms, sondern das schwarz-weiß-Prob. Der txtr-Reader und wie sie alle heißen. Sie haben alle einen Nachteil: Eine Darstellung, die ungenügend ist. Eigentlich muss ich das anders formulieren. Eine Darstellung, die besser geht. Denn schon auf meinen Telefon kann ich schöner Texte lesen, in bunt mit Bildern. Da hilft es auch nicht, wenn die E-Ink-Geräte nun mit dem Netz verbunden werden und ich wie mit dem Kindle frei und überall Bücher und Zeitschriften shoppen kann. (Deutsche Zeitungen auf dem Kindle? – Handelsblatt und Faz. That’s it.) Selbst das Aktenstudium ist auf den Geräten so lala. Ich kann PDF aufrufen, ja. Aber nicht drin rummalen. Schwer Eselohren setzen und ähnlichen Unfug machen. Vor allem nicht schnell genug blättern.

Deswegen glaube ich auch, dass der Weg woanders lang geht.

Mein Fazit nach dem zweiten E-Ink-Test: Die Geräte braucht niemand. Wir werden in späteren Jahren kein elektronisches Buch auf Basis des E-Ink haben. Das Papier als Medium wird weiterbestehen. Das ist das Beste für Bücher.

Daneben wird es Multimedia-Geräte geben, auf denen ich Bücher schön und leicht lesen kann, die jederzeit ins Netz können, um neuen Lesestoff zu laden. Auf denen ich aber auch Spiele spielen, im Netz surfen oder Zeitungen runterladen kann.

Ich weiß nicht genau wie das aussieht. Der iSlate scheint die Richtung zu weisen. Oder andere Tabloid-Rechner. Für Zeitungen und Magazine ist das sehr spannend. In eMags können Videos eingebettet werden, Hörspiele, Interviews im O-Ton und was weiß ich. Zudem wird das leicht abrechenbar sein, wenn sich Leute Applikationen runterladen oder direkt eMags einkaufen. Auch Bücher werden sicher über die neuen Geräte gelesen werden. Wenn sie Handschmeichler sind.

Der Vorteil neben den besseren Bildschirmen. Eine breitere Funktionalität. Der Nachteil des hohen Energieverbrauchs wird durch beigefügte Ladekabel ausgeglichen. Dann muss das Ding halt öfter an die Steckdose und fertig.

Aber am Besten lese ich mein Buch immer noch im Bett und in der Badewanne. Beides Orte, an denen ich mit so einem Technik-Dingen wenig anfangen kann. Und an denen ein Papierdingen schön tauglich ist. Seit Jahrhunderten.

Goosen und die Prilblumen: dat Ruhrgebiet im Färnsehn

Man kommt sich immer mehr so vor, als hätten die Europäische Union oder die Weltbank oder Abu Dhabi Millionen bereit gestellt, um Horden von Ethnologen (Volkskundlern) ins Ruhr2010gebiet zu schicken, die uns jetzt staunend entdecken und mal so richtig durchleuchten.

Das fühlt sich eigentlich ganz schön an, muss ich gestehen. An die Wertschätzung des neuen GEO Specials oder des ADAC Reisemagazins haben wir uns ja schon gewöhnt, und täglich filtern ja auch die Ruhrbarone Artikel aus fernen Städten und Ländern über uns heraus. Das ist oft lustig zu lesen, vor allem, weil die Autoren häufig Abtrünnige sind, die es hier nicht gepackt haben und dann nach Hamburg gehen mussten.

Nachdem nun auch die aktuelle ADAC Motorwelt ihre entsprechende Titelstory hat („Ruhr 2010: Revier der Ideen“) und in der ZEIT seit Wochen eine sehr lesenswerte Reihe mit tollen Ruhrgebietssagen auf der Kinderseite läuft (zuletzt: „Emscher Neck und Emscher Nixe“; zuvor u.a. „Der Barbarazweig“ oder „Der Raubritter Joost“, was mich an den Heimatkundeunterricht in meiner Volksschule in Bochum-Riemke erinnert, als wir vom Riesen auf dem Tippelsberg erfuhren), nach all diesen putzigen Annäherungs- und Wertschätzungsversuchen also ist leider die Woche fast wieder um, in der das ARD-Morgenmagazin seine Reporter auf uns hetzt und hier mal untern Teppich kuckt.

Heute morgen (aber da schlafen Ruhrbarone noch) ging es zu Frank Goosen nach Bochum. Der Mann ist nicht nur ein Töfften, der dicke Glatzenmann hat auch erheblich abgenommen, so viel, dass ich mir bei meinen eigenen Diätbemühungen bei diesem Anblick schon sage, dass ich es soo weit nun auch wieder nicht kommen lassen möchte. „Könnte glatt Skispringer werden“, flachste Sportmoderator Peter Großmann aus Dortmund-Bodelschwingh. Anyway, warum das Ganze wirklich witzig und mir zumindest neu war: Die eine Omma vom Goosen ist die „Omma Rathaus“, die offenbar früher eine Dienstwohnung im Rathaus bewohnte; Räume, die heute noch unverändert als Amtsstuben genutzt werden. Dass der kleine Frank in der Schule damit punkten konnte, dass seine Omma im Rathaus wohnte, kennt man aus seinen Geschichten; wie das aber da aussieht, lässt einem dat Härz aufgehen. Astreiner brauner Linoleumboden von Anfang der Siebziger (hatten wir in Dunkelgrün), im hellgelb gekachelten Badezimmer (heute der Kopierraum) noch die eigenhändig von Kinderhand angeklebten Prilblumen, und am Waschbecken sogar noch der orangefarbene Plastik-Rasiererhalter vom Oppa. Dazu die Omma am Tisch, die mit orginal Bochumer rauchiger Eckes-Edelkirsch-Stimme von früher erzählte. Herrlich, ich bin heute mit bester Laune und voller Stolz auf unseren Stamm vom Frühstückstisch aufgestanden. Danke, Frank!

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Metropolenträume ausgeträumt

RUHR.2010 startet und Häme wäre eine angemessene Reaktion – meinen unsere Gastautoren von der AG Kritische Kulturhauptstadt Viele der geplanten Projekte werden angesichts der Finanzierungsprobleme der Kulturhauptstadt und leerer kommunaler Haushaltskassen nicht realisiert werden.

In Bochum untersagte die Bezirksregierung eine weitere Verschuldung der Stadt, mit der der Bau des geplanten Konzerthauses finanziert werden sollte. Stattdessen soll nun ein umfassendes Sparprogramm helfen, den Haushalt soweit zu sanieren um auch am Bau eines Konzerthauses festhalten zu können. Wie üblich soll dabei besonders im sozialen Bereich an öffentlicher Infrastruktur gespart werden, was zeigt, dass im Ruhrgebiet Kritik und Protest statt Häme auf der Tagesordnung stehen müsste.

Der „Strukturwandel“ zur Kulturhauptstadt wird genauso an der Mehrheit der BewohnerInnen des Ruhrgebiets vorbei gehen wie schon die Technologieparks der 80er und 90er Jahre. Und mehr noch: Die von der Deindustrialisierung zurückgelassenen Menschen spielen für einen „Wandel durch Kultur“ auch keine Rolle.

Die Kulturhauptstadt 2010 agiert mit einem ausgrenzenden und instrumentellen Kulturverständnis. Kultur dient in erster Linie als Werkzeug zur Wirtschaftsförderung, von der nur eine Minderheit profitieren wird. Die Entdeckung der Kreativwirtschaft als trendige Urbanisierungsmaschine, die gefördert werden muss, reduziert Kreativität auf eine Geschäftsidee.

Ein solches Verständnis von Kultur als Standortfaktor kann im Ruhrgebiet nur scheitern. Schadenfreude ist jedoch unangebracht, sondern eher Wut über die Ignoranz gegenüber einer sozialen Alltagskultur, die sich hinter dem Wortgeklingel der Kulturhauptstadt und ihrem bunten Bespaßungsprogramm versteckt.

Was aber könnte „Strukturwandel“ für das Ruhrgebiet jenseits von „Kreativwirtschaft“ und Kulturhauptstadtmarketing bedeuten? Die Suche nach möglichen Anworten sollte sich vom Zwang der unbedingten ökonomischen Verwertbarkeit lösen. Die Milliarden, mit denen das unvermeidliche Sterben des Bergbaus hinausgezögert wurde, hätten sinnvoller eingesetzt werden können.

Eine Basisforderung hat jedoch auch heute noch unbedingte Gültigkeit: Wenn öffentliche Gelder im Ruhrgebiet investiert werden, sollten sie den Menschen zugute kommen, die hier leben. Das bedeutet, dass kulturelle Infrastruktur in erster Linie soziale Infrastruktur sein muss. Dazu gehört die Entwicklung von Bildungsangeboten, die nicht selektieren, sondern fördern, ebenso wie die Finanzierung von Stadtteilzentren, ein schneller bezahlbarer öffentlicher Nahverkehr oder Schwimmbädern.

Denn wer hier lebt, weiß: Das Ruhrgebiet ist keine Metropole und die Kulturhauptstadt keine Chance, sondern ein leeres Versprechen. Daher fordern wir dazu auf, sich ins Kulturhauptstadtspektakel einzumischen, sich Räume zu nehmen und mit den eigenen Wünschen zu füllen, Unsichtbares sichtbar zu machen, Fragen zu stellen und mögliche Antworten zu diskutieren.

AG Kritische Kulturhauptstadt

zwanzig10: Bloggen über die Kulturhauptstadt

Jetzt startet Ruhr2010. Für ein Jahr ist das Ruhrgebiet die Kulturhauptstadt Europas – und wir sind mit dabei.

Wir – dass sind eine ganze Reihe von Blogs die heute zusammen das Portal Zwanzig10.de starten: Coffee And TV, die ständige Reise, Gelsenkirchen Blog, Hattingen Eins, KochplattentellerHometown-Glory, Nur mein Standpunkt, Scudetto, der Zebrastreifenblog und hirnrinde, der Pottblog und die Ruhrbarone.  

Auf Zwanzig10.de laufen ab jetzt unsere Texte zum Thema Kulturhauptstadt zusammen. Weitere Blogs sind eingeladen mitzumachen, egal ob aus dem Revier oder von sonstwo. Interessenten können sich unter mitmachen (at) zwanzig10.de melden.

Was auf der gemeinsamen Seite zu lesen sein wird? Hymnen über die Weisheit der Kulturhauptstadtmacher natürlich! Orgiastische Zustimmung zum Programm!  Lob über den klugen und gerechten Umgang mit den Finanzen! Und natürlich unsere Begeisterung über die sich nun auftuenden Perspektiven für unsere arme, gebeutelte Region, das einstige Rusland, in dem bis gestern der Schnee schwarz wie die Kohle und die Sonnen gelb wie Schwefel war.

Vielleicht wird es aber auch die eine oder andere kleine kritische Anmerkung geben: Über das Programm, den Umgang mit Geld und noch scheiternden Projekten. Ihr werdet es ja sehen – wir auch. Und wie freuen uns: Auf Euch und das gerade begonnene Jahr.

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet.

Ruhr2010: Überraschung – Winter im Januar….Der Westen

Ruhr2010 II: Ey – Kundschaft…Zeit

Ruhr2010 III: Arbeitskreis Kreativquartiere startet…Hometown Glory

Ruhr2010 IV: Köhler will Kälte trotzen…RP Online

Ruhr2010 V: Bochumer Besucherzentrum eröffnet im März…Ruhr Nachrichten

Ruhr2010 VI: Anmelden für A40-Party…RP Online

Iran: Wie das Regime das Netz gegen die Opposition nutzt…Netzpolitik

Dortmund: Der Phönix kämpft mit der Asche…Deutsche Welle

Dortmund II: Wieder Ärger um Haushalt…Ruhr Nachrichten

Duisburg: Philosophieren mit Richard David Precht…Der Westen

Gelsenkirchen: Der Pro-Nachwuchs und das Reich…Indymedia

 Gelsenkirchen II: Lofts in alter Zeche…Der Westen

Wirtschaft: Virtueller Börsenboon?…Weissgarnix

Sicherheit: iNacktscanner…FIXMBR

Bildung: "Liebe NRW School of Governance"…Prospero

DSDS: Wenn das Ziel keinen Wert hat…Gelsenkirchen Blog

 

 

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Ruhr2010-Eröffnung – gerade gut genug für das Nachtprogramm

Wenn ich diese entrückten Halbkindergesichter da oben auf dem Foto sehe, das die Ruhr2010 zur Ticketwerbung nutzt, muss ich an Enttäuschung denken. Die Art von Enttäuschung, die man sieht, wenn man einem Dreijährigen einen Schoko-Keks in die Hand drückt, diesen VOR dem ersten Bissen wieder wegnimmt und als Ersatz eine Stange Rhabarber spendiert. Das Gesicht nach dem ersten und einzigen Bissen in den Rhababer. Das ist Enttäuschung. Anstatt in der Schalke-Arena mit 60.000 Menschen und Live-Übertragung wird die Kulturhauptstadt am Samstag vor irgendwelchen Politikern auf Zollverein eröffnet. Die Bürger müssen draußen bleiben. Im Wetterbericht wird Schneefall angekündigt – es ist die Rede von einem Temperaturstutz in Bodenlose.

Ok, jetzt präsentiert uns die Ruhr2010 unser Stange Rhababer, eine Methadon-Fernsehübertragung. Es geht um eine "Glück Auf, RUHR.2010!"-Show im ZDF. Aufgezeichnet am Freitag um 19.30 Uhr, ausgestrahlt um 22.35 Uhr. Kurz vor Mitternacht ist die Nummer zu Ende. Statt im Hauptprogramm ein Hit in der Nische eines Rentnersenders. TOLL!! Wir dürfen noch Fotos machen – vorher, mit den wichtigen Menschen. Also mit Pleitgen und den ZDF-Schranzen. Das stand in einer Pressemitteilung der Ruhr2010.

Es werden noch begeisterungsfähige Publikumsstatisten gesucht. Hier klicken, wenn Sie dabei sein wollen.

Ich denke bei der Nummer an die alten Ankündigungen. Können Sie sich erinnern?

Irgendwann vor einem Jahr oder so, wurde in der Arena auf Schalke vor einem UEFA-Cup-Spiel eine dreigeteilte Werbebande ins Bild einer ZDF-Live-Übertragung eingeblendet. Da stand drauf:

Wir sind Metropole – Kulturhauptstadt Europas – www.ruhr2010.de"

Und Ruhr2010-Chef Oliver Scheytt tönte:

Das ist ein Volltreffer. Die Aktion ist ein erster Testlauf für unsere Eröffnungsveranstaltung, die am 9. Januar 2010 in der VELTINS-Arena stattfinden wird.“

Später musste die vollmundig "jubelnd" angekündigte Eröffnungs-Show in der Arena gegen das Kaltbad auf Zollverein abgesagt werden. Aus Geldmangel. Versprochen – Wieder nicht eingehalten. So schafft man sich Freunde.

Aber jetzt gibt es ja die Nachtsitzung im ZDF mit dem Top-Moderator Schranz oder Hanz, oder wie der heißt.

RWE: „Unternehmerisches Handeln statt Theorien für den Klimaschutz“

Wir wollen hier bei den Ruhrbaronen über Klimaschutz diskutieren. Deswegen freuen wir uns, dass Ludwig Kons, Leiter der Klimaschutz-Aktivitäten bei RWE Power, einen Gastbeitrag für uns geschrieben hat, in dem er auf die Vorwürfe aus einem Gastbeitrag von Bärbel Höhn eingeht, den die energiepolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion – und ehemalige NRW-Umweltministerin, ebenfalls hier bei den Ruhrbaronen gepostet hat. Es geht um Klimaschutz-Projekte in Afrika und anderswo, die der Konzern hier in Europa nutzen kann, um seinen CO2-Ausstoß zu reduzieren. Höhn meint, Klimaschutz muss zu Hause anfangen. Der Konzern sagt, man muss das Ganze sehen. Doch genug der Vorrede: Das Wort hat jetzt unser Gastbaron Ludwig Kons:

Nach dem Kopenhagener UN-Klimagipfel ist die Ernüchterung allseits groß. Nicht minder bei RWE. Unser Unternehmen hätte sich die Weichenstellung für ein neues, international bindendes post-Kyoto Abkommen gewünscht. Wir benötigen Klarheit darüber, wie die Emission von Treibhausgasen in Zukunft sanktioniert werden soll. Die Industrie braucht diese Klarheit für viele unternehmerische Entscheidungen, bei denen der Faktor CO2 zunehmend eine Rolle spielt. Das betrifft Investitionsentscheidungen und Projekte in Europa und auf der ganzen Welt – von der Aluminiumhütte bis zum Windpark. Dies gilt natürlich ganz besonders für Investitionen in den Klimaschutz, vor allem für Projekte des „Clean Development Mechanism“ (CDM) und „Joint Implementation“ (JI), die der strenge Rahmen des Kyoto-Protokolls regelt.

In Anbetracht des Ergebnisses von Kopenhagen scheint es leider nicht wahrscheinlich, dass sich die Staatengemeinschaft auf absehbare Zeit auf einen globalen Emissionshandel einigen wird. Ein weltweites CO2-Handelssystem ist aus unserer Sicht aber notwendig, um der globalen Herausforderung des Klimawandels kosteneffizient zu begegnen. In Europa alleine kann das 2- Grad-Ziel nicht erreicht werden, und ohne weltweite Regeln besteht die Gefahr, dass der Ausstoß von Treibhausgasen nur verlagert statt vermieden wird. CDM und JI sind wichtige Schritte auf dem Weg zu einem solchen globalen CO2-Markt. Diese Mechanismen sind derzeit die einzige Möglichkeit, globalen Klimaschutz durch markt-basierte, streng kontrollierte Instrumente zu finanzieren und umzusetzen. Alleine dadurch heben sie sich positiv von vielen theoretischen Überlegungen zum zukünftigen Klimaschutz ab.

Darum irrt Frau Höhn, wenn sie internationale Klimaschutzaktivitäten von europäischen Energieversorgern wie RWE in Frage stellt. Wenn wir ein internationales Regime zum Klimaschutz, an dem alle Staaten und Unternehmen weltweit teilnehmen sollen, aufbauen wollen, dann sind CDM und JI die Instrumente, die derzeit zur Verfügung stehen. Sie sind ein Vorreiter dessen, was international erreicht werden soll. Und wenn politischer Konsens für eine Klimaschutz-Einigung auf globaler Ebene schwierig ist – siehe Kopenhagen –, dann sollte unternehmerisches Engagement in internationalen Klimaschutz nicht kritisiert, sondern unterstützt werden. Die praktischen Erfahrungen, die dabei gesammelt werden, sind eine wertvolle Basis für den Klimaschutz nach 2012, um den in Kopenhagen gerungen wurde.

Das Beispiel RWE zeigt, dass insbesondere europäische Unternehmen Klimaschutz sowohl auf lokaler und regionaler Ebene als auch international betreiben. Der Leitgedanke dabei ist, jeden Euro dort im Klimaschutz einzusetzen, wo er für dieses Ziel das meiste erreichen kann. RWE setzt das in der Praxis längst um: 6,5 Mrd. € investiert das Unternehmen jedes Jahr in den Neubau und die Modernisierung von Kraftwerken, den Ausbau der Stromnetze und der Erneuerbaren Energien. Das alles in Europa. Dies stärkt die europäische Energieversorgung und dient dem Klimaschutz. Zusätzlich engagiert sich RWE weltweit in 120 CDM- und JI-Projekten. Bis 2020 möchten wir mit diesen Projekten 100 Millionen Tonnen CO2 vermeiden. Das entspricht der Menge an Zertifikaten, die wir unter den Regelungen des europäischen Emissionshandels einsetzen dürfen Mehr CO2-Vermeidung täte aber dem Klimaschutz – und den Ländern, in denen CDM-Projekte entwickelt werden – gut.

Frau Höhn kritisiert außerdem, dass einige Projekte auch ohne den CDM-Mechanismus umgesetzt worden wären und daher nicht „additional“ seien. Richtig ist, dass die Vereinten Nationen ein CDM-Projekt nur unter strengen Auflagen genehmigen. Bevor ein Zertifikat entsteht, wird das CDM-Projekt zweimal durch unabhängige Dritte und mehrfach durch die UN geprüft. Schwerpunkt der Prüfungen ist der Nachweis der Additionalität. Der gesamte Prüfprozess ist transparent und alle Prüfschritte werden im Internet veröffentlicht. Die von Frau Höhn erwähnte Diskussion um chinesische Windparks ist kein Argument gegen CDM, sondern vielmehr ein Beweis für die sehr sorgfältige Prüfung durch die UN.

Bei der rein ökonomischen Betrachtung gehen andere, nachhaltige Effekte von CDM-Projekten leicht unter. Das ist bedauerlich. Denn sie führen auch zu Know-how- und Finanztransfer nach Asien, Latein- und Südamerika und Afrika. Viele CDM-Projekte haben zudem eine soziale Komponente und leiten eine Verbesserung der Lebensumstände in den Projektländern ein. Bei vielen Projekten erleben wir, dass CDM zum Umdenken in Sachen Umweltschutz führt.

So hat RWE kürzlich das erste CDM-Projekt eines Energieversorgers aus der EU in einem der ärmsten Entwicklungsländer in Afrika gestartet. 300,000 Menschen in Lusaka, der Hauptstadt Sambias, werden von neuen Kochsystemen für die Zubereitung ihrer Mahlzeiten profitieren. Diese Kocher werden mit Biomasse betrieben. Die Gesundheit der Menschen wird durch die Vermeidung von Holzkohlenutzung geschützt, der Wald von Abholzung verschont. und die Menschen haben mehr Zeit für andere Tätigkeiten, denn das Kochen geht nun viel schneller. Außerdem werden die Haushaltskassen durch niedrigere Energiekosten entlastet.

Eines unserer größten CDM-Projekte am Standort Abu Quir, die Lachgasvermeidung mit Hilfe modernster deutscher Technologie in der für Ägypten so wichtigen Düngemittelherstellung, führt neben der Vermeidung von Treibhausgas zur Verbesserung der lokalen Bedingungen. Dort können weitere Schadstoffemissionen wie Stickoxide vermieden werden. Lachgas selbst ist 310-mal klimaschädlicher als CO2. Junge ägyptische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen betreiben modernste Klimaschutz- und Monitoring-Systeme. Sie sind Multiplikatoren für die Idee eines globalen Umweltschutzes. Der EnviNOx®-Katalysator von KruppUhde, der das Lachgas aus dem Abgasstrom entfernt, kommt übrigens aus dem Ruhrgebiet.

Sollen solche Projekte und ihre positiven Effekte wirklich gestoppt werden? Wir sind der Meinung: Nein. CDM leistet schon heute vieles von dem, was in Kopenhagen angestrebt wurde: Klimaschutz, der sich nachweisen läßt; Finanz-, Technologie- und Know-how-Transfer; Verbesserung der Lebensumstände in Entwicklungs- und Schwellenländern. CDM zeigt heute schon praktisch, wie die globale Herausforderung Klimawandel durch weltweites, verantwortliches unternehmerisches Handeln angenommen werden kann.

Deshalb muss die Frage lauten: Wie kann CDM für den globalen Klimaschutz verstärkt genutzt und gleichzeitig weiterentwickelt werden auf dem Weg zu einem global bindenden, fairen CO2-Handelssystem? Wollen die Europäer weiter Vorreiter beim Klimaschutz sein, lässt sich diese Position nur dann durchhalten, wenn auf den bereits gewonnenen Erfahrungen weiter aufgebaut werden kann.