Heute laufen Meldungen durch die Gazetten und das Netz von Soldaten. Von Soldaten, die einem bizarren Kult frönen. Die Rede ist von Mißhandlungen und Demütigungen, von Dreck und Schmutz. Ich war überrascht. Nach den Geschichten aus Coesfeld im vergangenen Jahr hatte ich gedacht, die Armee hätte den Schmutz überwunden.
Dann habe ich mir die Vorwürfe mal genauer angesehen und nachgedacht. Die Rekruten des Gebirgsjägerbataillon 233 sollen gezwungen worden sein, Rollmöpse mit Frischhefe zu essen und rohes Fleisch. Zudem sollen sie unter Zwang Alkohol getrunken haben, bis zum Erbrechen.
Na und? Ich meine, im Kegelklub „Alle Neune“ aus Wanne Eickel trinken die auch jeden Freitag Alkohol, manche bis zum Kotzen, und wer nicht mitmacht wird ausgelacht. Rohes Schweinefleisch habe ich fast jeden Morgen auf meinem Brötchen. Das nenne ich Mett. Ist zwar nicht supergesund – aber lecker. Und Rollmöpse gekotzt, kitzeln in der Nase, aber ein Verbrechen ist das deutsche Sushi auch nicht.
Wenn man der russischen Armee mit solchen Kinkerlitzchen kommt, lachen die sich kaputt. Die schlagen in der Ältestenherrschaft die jungen Rekruten schon mal tot. Bei uns müssen die Armen saufen. Das zählt da als Belohnung.
Damit wir uns richtig verstehen. Erniedrigungen und Entwürdigungen sind tabu. Das ist kein Spaß. Wir wollen keine Tötungsmaschinen, sondern Bürger in Uniform. Aber trotz allem ist auch die Bundeswehr eine Armee. Die Soldaten sollen im Ernstfall einen Feind mit dem Bajonett niederstechen. Da darf man auch annehmen, dass die mal in eine rohe Schweineleber beißen können. Auch diese Aufnahmerituale sind bis zu einem bestimmten Grad OK. Die gibt es länger als jede Armee. Wenn jemand anerkannter Zimmermann werden will, muss der sich einen Nagel durch das Ohr schlagen lassen. Wer vernünftiger Drucker sein will, muss in ein Fass mit Schwärze tauchen. Ein Gebirgsjäger muss Rollmops kotzen. Ja mey… Ist zwar ziemlich seltsam, aber jetzt auch nicht so schlimm. Bis jetzt habe ich keine Vorwürfe gesehen, die ich richtig schlimm fand. Klar kann sich das ändern, aber im Moment ist da viel Geschrei, mehr nicht. Es geht darum, das Maß zu halten. Sollte es überschritten worden sein, muss man einschreiten. Ansonsten gilt es auch in der Empörung nicht zu überziehen.
Auch dieses Fuxzeug finde ich jetzt nicht wirklich Bahhh. Dass also der Neue erstmal der Arsch für die Älteren ist. Klar, der Knabe muss erstmal zeigen, wer er ist, was er drauf hat. Das ist auch bei einem Fußballverein so. Da wird auch nicht direkt der Neuling zum Kapitän gewählt. Bei den Soldaten kommt erschwerend hinzu, dass die sich auf ihre Leute verlassen müssen, wenn es zum Töten kommt. Da will ich auch wissen, wie der säuft, oder? Eine Armee aus protestantischen Pietisten braucht doch auch keiner.
In der Werkstatt von meinem Kumpel haben sie früher den neuen Kollegen Schmirgelpapier auf das Butterbrot getackert. Die haben Schuhe angenagelt. Die haben mit Druckluftbolzen rumgeballert. Das sind Jungs. Die machen sowas.
Nochmal, eine Erniedrigung, wie in Russland oder in Coesfeld ist sicher schlimm und nicht vertretbar. Aber Saufen bis zum Kotzen ist gerade noch OK. Da gibt es sicher Namen für, Treppensaufen oder was weiß ich. Das machen viele freiwillig. Das kann sogar lustig sein.
Ich hab übrigens damals verweigert. Das geht heute noch. Niemand muss zur Bundeswehr, wenn er nicht will.
Was sagen die Soldaten in den Blogs und Foren dazu? Bisher hab ich so wenig gesehen, dass ich als Ungedienter eine Lanze für die Armee brechen muss.