Die Kommunalwahl in Dortmund soll wiederholt werden – empfiehlt ein von der Stadt beuftragter Gutachter.
Unter Druck: Dortmunds OB Sierau
In dem Gutachten heißt es zusammenfassend: "Wir sind nach alledem der Überzeugung, dass es bei der Kommunalwahl in Dortmund Unregelmäßigkeiten im Sinne des § 40 Abs. 1 b) KWahlG gegeben hat, die auf das Ergebnis der Wahl des Oberbürgermeisters, der Wahl des Rates und der Wahl der Bezirksvertretungen von entscheidendem Einfluss gewesen sein können. Wir empfehlen deshalb dem Wahlprüfungsausschuss und dem Rat der Stadt Dortmund, die vorgenannten Unregelmäßigkeiten förmlich festzustellen, die Wahl des Oberbürgermeisters, des Rates und der Bezirksvertretungen für ungültig zu erklären und entsprechende Wiederholungswahlen anzuordnen."
Das Gutachten schießi sich damit der Ansicht der kommunale Aufsichtsbehörde für Dortmund, dem Regierungspräsidium in Arnsberg, an, dass die Rechtmäßigkeit der Wahl bezweifelt hatte. Der Grund: Während des Wahlkampfs war unter anderem von OB-Kandidat Sierau die Haushaltslage der Stadt geschönt dargestellt worden. Keine 24 Stunden nach Schließung der Wahllokale verhängte der damalige OB Gerhard Langemeyer eine Haushaltssperre. Eine Hausaltsloch in dreistelliger Millionenhöhe war "plötzlich" aufgetaucht.
Das, so die Gutachter, hätte Einfluss auf die Wahl genommen: "Auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.04.2003 ist davon auszugehen, dass eine unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung auch dann in einer bewussten Täuschung durch Vorenthalten von wahlkampfrelevanten Informationen liegen kann, wenn dabei nicht gegen eine einfachgesetzliche Informationspflicht verstoßen wird."
Und das sei in Dortmund geschehen, so die Gutachter weiter: "Der Vorwurf der Bezirksregierung Arnsberg, den Rat und die Öffentlichkeit trotz Kenntnis von den sich abzeichnenden Jahresfehlbeträgen nicht zutreffend darüber informiert zu haben und zu Sitzungen des Haupt- und Finanzausschusses vom 18.06.2009 und 26.08.2009 unzutreffende Informationen über die Haushaltslage gegeben zu haben, steht in zeitlich und räumlich engem Zusammenhang mit der Wahl. Er weist auch einen sachlichen Bezug zur Wahl auf, da sowohl eine Falschinformation über die Haushaltslage, als auch das Vorenthalten von Informationen über ein erhebliches Defizit des städtischen Haushalts eine Thematik berühren, die für die Willensbildung eines durchschnittlichen Wählers im Rahmen einer Kommunalwahl vernünftigerweise erheblich sein können. Die städtischen Finanzen stellen unzweifelhaft ein wichtiges Thema des Kommunalwahlkampfs dar. (…) Die Unterrichtung des Haupt- und Finanzausschusses durch schriftliche Stellungnahmen des damaligen Oberbürgermeisters zur Sitzung vom 18.06. 2009 und 26.08.2009 war geeignet, den Wähler über die tatsächliche Haushaltslage zu desinformieren und intern bereits erkannte, von der Kämmerin umfassend dargelegte Haushaltsrisiken zu verschleiern und zu bagatellisieren."
Nun werden die Fraktionen am 9. Dezember im Wahlausschuss entscheiden, ob sie sich der Ansicht des Gutachtens anschließen oder nicht – wahrscheinlich ist, dass FDP, Union und Grüne sowie andere Fraktionen und Gruppierungen sich für Neuwahln aussprechen. Der Entscheidung wird dann der Rat folgen – oder auch nicht. Dagegen wird die SPD dann Rechtsmittel einlegen.
Das Gutachten war von der Stadt Dortmund in Auftrag gegeben worden. Ein von der SPD in Autrag gegebenes Gutachten kam zu einer anderen Auffassung.
Hier das Gutachten als PDF…Klick
Update
Mittlerweile gibt es die ersten Reaktionen auf das städtische Gutachten:
Helmut Stahl, Fraktionsvorsitzender der CDU-Landtagsfaktion in NRW: "Demokratie schlägt die Arroganz der Macht. Dass alle vier Fraktionen, also auch die SPD, das Gutachten in Auftrag gegeben haben, ist ein starkes Signal. Heute ist Dortmund dabei, ein Stück Demokratiegeschichte zu schreiben." Stahl appelliert an die politisch Gestaltenden in Dortmund, mit diesem hohen Gut verantwortlich umzugehen.
Olaf Radtke, Sprecher der Dortmunder SPD-Fraktion im Wahlprüfungsausschuss: „Dass zwei hochkarätige Verwaltungsrechtler zu derart gegensätzlichen Ergebnissen kommen, ist schon sehr überraschend. Wir werden uns jetzt die nötige Zeit nehmen, die einzelnen Argumente zu bewerten und dann Anfang nächster Woche unsere juristische Position darlegen. Ein Gutachten, dessen Erstellung mehrere Wochen in Anspruch genommen hat, kann nicht seriös innerhalb von einer Stunde bewertet werden.“