Getretener Quark wird breit, nicht hart

Gut, ich will hier über das Manifest sprechen, dass heute im Netz erschien. Ich glaube das Manifest ist keine Sahne, sondern Quark, und der wird beim Strampeln nun mal eher breit als hart.

Das denke ich aus folgenden Gründen. Journalismus hat nichts mit Technik zu tun. Technik hilft, unterstützt, OK. Das Internet gleicht insofern den Brieftauben der Agentur Wolf, dem Telegraf des Herrn Reuter oder dem Telefon. Das Internet bringt Fortschritt – ja. Es macht es leichter zu arbeiten – das auch. Aber es verändert nicht die Hauptaufgaben eines guten Journalisten.

Und das ist: Geschichten machen. Fragen. Mit Menschen reden. Nachfragen. Akten suchen. Behauptungen überprüfen. Nachlegen. Journalismus ist vielleicht auch Haltung. Eine Perspektive. Ist Unterhaltung. Ja, das alles. Aber Journalismus ist keine Datenübertragungstechnik.

Ich denke jetzt an die Großen des Fachs. An David Crawford vom Wall Street Journal beispielsweise.

Ich glaube David freut sich, dass er das Internet benutzen kann und einen Computer. Aber nimm ihm die Technik weg, dann ändert er sich deswegen nicht. Er beschwatzt Leute, ist charmant, sucht und findet Vertrauen. Und kriegt so die Papiere in die Hand, die beweisen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin Vorteile von der Dresdner Bank annahm. So bekommt er seine Bestätigung ON RECORD von der Dresdner Bank, dass die Story stimmt. So geht guter Journalismus.

Nebenbei: das Stück ist nicht mal frei im Internet für lau zu lesen, weil das Wall Street Journal Zugang zu seinem Archiv nur gegen Cash zulässt. Soviel zum Thema Bezahl-Content.

Ich zieh mal mit meinen Worten meine Lehre aus der Nummer: Scheiß auf die Technik. Besorg Dir die großen Nummern und Du kriegst im Zweifel auch Geld für Deine Arbeit. Egal ob Du ein iPhone hast oder eine Holzschreibmaschine.

OK, das hätten wir also.

Dann geht es in dem Manifest um Medien. Klar macht das Internet die Geschichten schneller, das Publikum zum Mitspieler und jeden zum potentiellen Autoren, der um Leser buhlt. Das ist die Nummer mit dem Imperium aus der Westentasche.

Aber die dicken Schlachtschiffe bleiben die dicken Schlachtschiffe. Hier und da regt sich einer auf, wenn eines der großen Medien einen Fehler macht. Aber im ernst, wie viele Fehler machen Blogs?

Es geht darum, mehr richtig, als falsch zu machen. Und da sind die großen Medien einfach stark. Das muss man hinnehmen. Die haben Rechtsabteilungen, Fachleute und clevere Redakteure.

Denken wir an Geschichten wie mit Jako und Trainer Baade. Der Blogger wird an den Rand des Ruins getrieben. Die dicken Schiffe könnten sich in so einem Fall wehren und Jako abprallen lassen. Klar funktioniert hier und da die Solidarität, aber öfter siegt der Anwalt gegen einen Schwachen. Gerade weil Blogger auch echte Fehler machen.

Deswegen denke ich, sollte man nicht vorschnell die alten Medien verurteilen. Sie bringen harten Stoff ins Netz und haben die Kraft diesen Stoff gegen Anfeindungen zu schützen. Die schwärzen nichts einfach so, weil irgendwem eine Aussage nicht paßt. Die kämpfen.

Ich rede von den großen Geschichten, den harten Enthüllungen. Wer aus den Reihen der viel gerühmten Internetöffentlichkeit hat schon was enthüllt. Hat einen Skandal aufgedeckt. Ich mein was echtes, was starkes? Kommt nicht oft vor. Die meisten Enthüllungen stehen immer noch in den „Mainstreammedien“.

Womit ich beim Thema vom Amateur und dem Profi bin.

Das war schon immer so: ein Profi kennt die Wege, die man zu einer guten Geschichte gehen muss. Er geht sie. Und er macht die Story. Ein Amateur träumt von der Bundesliga und spielt Kreisklasse. Ein Profi kann im besten Fall von seiner Arbeit leben, ein Amateur muss Möbel packen, Schornsteine fegen oder Pizza ausliefern.

Was da steht im Manifest von Freiheit, Links und Öffentlichkeit, erscheint mir wie viel heiße Luft und wird seit der Erfindung des Kopierers in immer neuen Varianten wiederholt. Das Internet gibt mehr Schreibern, Chancen gehört zu werden, und mehr guten Schreibern, die Chancen auf ein größeres Publikum. That’s it. Aber Heribert Prantl kann das noch viel schöner sagen. Zitat:

Man sollte auch aufhören mit dem Gerede, dass der „klassische“ Journalismus in einem Bermuda-Dreieck verschwinde. Der gute klassische ist kein anderer Journalismus als der gute digitale Journalismus. Die Grundlinien laufen quer durch diese Raster und Cluster: Es gibt guten und schlechten Journalismus, in allen Medien. So einfach ist das.

Deswegen verweise ich auf die Rede von Prantl zum Thema, hier nach dem Punkt. Klick

Ich komm mal zum Schluss: Und da will ich was zur Haltung beim Schreiben sagen. Wir brauchen eine Debatte über Korruption unter den Bloggern. Über die Grenzen der gekauften Öffentlichkeit im Netz. Über die Manipulationen, Schleichwerbung und wie man damit umgeht. Das wäre wichtig. Denkt mal nur daran, wie die Vodafone-Debatte lief. Mit Sascha Lobo als Werbeikone des Telefonimperiums.

Wurden hier Grenzen überschritten? Die einen meinen Ja, die anderen Nein. Ich bin mir in dem Fall gar nicht mal so sicher.

Aber ich frage mich, wo fängt Bestechung an und wo hört sie auf. Ich hab mal hier bei den Ruhrbaronen die Frage nach der Bloggerkauferei bei Parteitagen gestellt. Mit gemischtem Erfolg.

Diese Debatte über Ethik fände ich aber spannender als das Geschwurbel von einem Journalismus, der sich verpflichtet die neuen Techniken wie Twitter ernst zu nehmen. Pfuhhhhh….

Im ernsthaften Journalismus gibt es die Debatte über die Trennung von PR und Journalismus schon länger. Sie wird hart geführt. Und sie würde den Internet-Schreibern besser tun, als die gut gemeinten Worte aus Berlin.

Die Internetschreiber sind so was wie die neue schreibende Bürgerlichkeit. Sie schaffen Öffentlichkeit. Und das ist gut, um die Gesellschaft zu entwickeln. Aber sie erfinden nicht die Feder der Schreiber neu.

E.ON-Kraftwerk Datteln: Baustopp beantragt

Für E.ON wird es in Datteln ernst.

Nachdem in der vergangenen Woche vom Oberveraltungsgericht in Münster der Bebauungsplan für das im Bau befindliche Steinkohlekraftwerk in Datteln für ungültig erklärt wurde, ging heute Nachmittag bei der zsutändigen Bezirksregierung in Münster ein Antrag auf Baustopp eingegangen. Die Bezirksregierung hat die Antragsprüfung unverzüglich aufgenommen: "Wann eine Entscheidung in der Angelegenheit getroffen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Die Bezirksregierung weist darauf hin, dass die Urteilsbegründung des OVG derzeit noch nicht vorliegt", so die Bezirksregierung in einer ersten Stellungnahme.  

Ufos über dem Ruhrgebiet

Ich habe es ja schon immer geahnt – es gibt SIE. Und auf YouTube habe ich den endgültigen Beweis gefunden: Ufos über dem Ruhrgebiet. Der Text zu diesem sensationellen Videobeweis: "Aufnahme gelang einem Bekannten im Sommer 2009 im Ruhrgebiet /Essen mit der Handycam. Möglicherweise sind das Ufos." Möglicherweise? Garantiert. Was denn sonst!

Wofür sterben unsere Soldaten – und wofür töten sie?

Foto: Flickr.com/Canada en Afghanistan

Die Debatte über den Bombenangriff auf zwei Tanklastzüge im afghanischen Kunduz rollt noch – Verteidigungsminister Franz Josef Jung sagt jetzt, die überwiegende Anzahl der getöteten Menschen seien Taliban gewesen und es hätte nur einige, wenige Unschuldige getroffen – da meldet die New York Times unter Berufung auf mehrere Quellen, dass Unterstützer des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai bei den Präsidentenwahlen vor ein paar Wochen hunderte Wahllokale erfunden hätten, die es nur auf dem Papier gegeben habe. Aus diesen Fake-Wahllokalen seien dann tausende Stimmen für Karsai nach Kabul gemeldet worden. Diese Stimmen hätten den Sieg Karsais bei den Wahlen garantiert.

Toll. Wir stehen also in Afghanistan auf der Seite eines Mannes, der Drogendealer und Korruption beschützt und bei Wahlen bescheisst. Super.

Dafür kämpfen unsere Soldaten also. Was sagen die eigentlich dazu? Ich würde mich freuen, wenn ich Kommentare von Soldaten lesen könnte.

Gerne auch an meine private Email david.schraven (at) ruhrbarone.de

Hier debattieren wir bei den Ruhrbaronen gerade über den Sinn des Krieges: klack

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„Der Protest der sogenannten Zivilgesellschaft war schlapp.“

Die Nazis hielten Reden auf einem  Parkplatz, gut 6.000 Demonstranten und die Polizei hatte alles im Griff. Trotzdem: Es fehlte die breite Öffentlichkeit.    

Am 4. September kommenden Jahres wollen die Nazis wieder in Dortmund demonstrieren. Und sich nicht, wie in diesem Jahr,  auf einen Parkplatz abschieben lassen.  Die Chancen dafür stehen gut, denn dass die eher semiprofessionell wirkende Verbotsbegründung der Polizei vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand haben würde, war keine Überraschung: Als Begründung für ein Demonstrationsverbot sind zum Teil Jahre alte anonyme Zitate aus dem Internet schwache Argumente. Auf dem juristischen Feld  hat die Polizei Handlungsbedarf. Ihre Taktik am Samstag indes ging weitgehend auf: Es kam nur zu kleineren, eher folkloristisch anmutenden Auseindersetzungen weit unterhalb des üblichen Heimspielniveaus, die Beamten hatten die Nazis im Griff und zeigten in der Stadt eine starke Präsenz. Trotzdem wirkte Dortmund im Vergleich zu Bochum im vergangenen Herbst nicht wie eine Stadt im Belagerungszustand. Es war ein weitgehend friedlicher Protest.

Ein Erfolg für die Nazigegner war die hohe Zahl an Teilnehmern die an den verschiedenen Demonstrationen und Kundgebungen im ganzen Stadtgebiet. Nur knapp 700 Nazis kamen nach Dortmund  – über 1000 waren angekündigt worden. Allerdings wurde  der  Protest, je weiter vom Stadtzentrum er sich entfernte, auf den vielen Veranstaltungen immer kleiner, Und das ist das Problem in Dortmund gewesen: Ein Friedensfest mag ein paar Konzertbesucher locken ebenso wie ein paar Wurstbuden und Stände auch immer ihre Publikum finden,  allerdings ist so etwas kein politisches Statement. Anders als in Bochum im vergangenen Jahr gab es keine große gemeinsame Demonstration der Parteien, der Gewerkschaften und der Kirchen – sie wäre das Signal gewesen, das in Dortmund fehlte. Nun sind die Gräben zwischen allen Parteien und Organisationen in Dortmund tiefer als in anderen Städten, aber darf das als Begründung ausreichen? Ein Sprecher des S5 Bündnisses brachte es auf den Punkt: "Der Protest der sogenannten Zivilgesellschaft war schlapp."

Ruhrpilot

Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet

Demo: Dortmund setzte buntes Zeichen…Ruhr Nachrichten

Demo II: Tausende zeigten Flagge…Der Westen

Demo III: Am Hafen geparkt…taz

Wahlkampf: Merkel als Verstärker…FTD

Rüttgers: Auf ein Wort…Welt

Fortschritt: Der Fernseher ist tot…Tagesspiegel

Dortmund: RP will Verwaltung kontrollieren…Der Westen

Petition: Wir wollen Fußball…Pottblog

Ausstellung: Glasmeier und Freunde…Hometown Glory

Protest: Freitheit statt Angst…CCC

Community: Termine…Ruhr Digital

Zeltfestival: Amy Macdonald…Ruhr Nachrichten

 

Afghanistan: Truppen nach Hause, Taliban in den Schurken-Club

Foto. flickr.com / army.mil

Am Freitag hat die Bundeswehr in Afghanistan mit einem von ihr angeforderten Luftangriff viele Dutzend Menschen getötet. Das passiert, wenn man im Krieg ist. Aber ist dieser Krieg nötig? Wegen des Wahlkampfes wollten deutsche Politiker das bisher kaum diskutieren. Immerhin hat der Bundespräsident zu einer gesellschaftlichen Debatte aufgerufen. Auf geht’s.

Warum sind wir in Afghanistan? Zu dieser Frage, und damit unseren Zielen, müssen wir erstmal zurück. Die Antwort: Weil am 11. September, vor mittlerweile acht Jahren, zwei Flugzeuge ins WTC geflogen sind. Es ging darum, innerhalb weniger Wochen die Präsenz von Al-Qaida in Afghanistan zu beenden, und damit weitere aus dem Land geplante Terroranschläge zu verhindern. Dazu mussten die Taliban besiegt werden, die Al-Qaida duldeten.

Dieses ursprüngliche Ziel ist seitdem ziemlich ausgefranst. Ziviler Aufbau, Demokratisierung, Staatlichkeit, Menschenrechte, Bekämpfung des Opiumanbaus kamen Stück für Stück hinzu. Ich halte diese Ziele für unerreichbar, schon gar nicht durch westliche Intervention. Eine ausländische Armee kann Tanklaster in die Luft jagen – aber Stammesdenken, fehlende Aufklärung, Korruption, Klientelstrukturen, mangelnde Staatlichkeit kann sie nicht überwinden.

Zurück also zum ursprünglichen Ziel: wie sorgen wir dafür, dass es in Afghanistan keine Terrorlager gibt, in denen ein Anschlag auf Deutschland geplant wird, ohne dass wir davon mitbekommen? Im letzten Teil der Frage liegt schon ein Teil der Antwort. Wir sollten zurück zu einer Sicherheitspolitik ohne Militäreinsatz, und das ist leider reine Realpolitik. Eine Lösung könnte so aussehen: ein Deal mit den Taliban, Geheimdienste, ein regionaler Politik-Ansatz.

Im Zentrum steht ein politisches Abkommen mit den Taliban: wir ziehen unsere Truppen ab, und ihr habt es nur noch mit der afghanischen Armee zu tun, lasst im Gegenzug Al-Qaida nicht zurück ins Land und sorgt dafür, dass die bestehenden Terrorlager aufgelöst oder zumindest nicht ausgebaut werden.

Um unser eigentliches Ziel zu erreichen, Terroranschläge auf eigenem Boden zu verhindern, setzen wir auf unsere Geheimdienste. Die Welt hat sich seit 9-11 verändert: die wissen mittlerweile, wo Afghanistan liegt. Seitdem hat es zwar Anschläge in Europa gegeben, aber nicht mehr im Maßstab 9-11.

Pakistan spielt eine ebenso große Rolle für die Taliban und Al-Qaida und kann andersrum viel für die Stabilisierung Afghanistans tun. Das Land sollte in den Fokus der Bemühungen rücken. In Afghanistan überschneiden sich außerdem zur Abwechslung mal iranische und westliche Interessen. Eine entsprechende Zusammenarbeit würde die Region ebenso stabilisieren und insbesondere dem Opiumschmuggel weh tun.

Als Joker für alle Weltverbesserer, denen nackte Realpolitik zu nackt ist, kann man es ja weiterhin mit Entwicklungshilfe probieren. Die ist aber ein Thema für sich und schon an wesentlich aussichtsreicheren Kandidaten gescheitert.

Durch diesen Mix würden die Taliban durch ihre militärische Stärke vermutlich wieder die Macht in Afghanistan übernehmen (ich glaube nicht, dass die afghanische Armee es mittelfristig mit ihnen aufnehmen kann – man könnte sie ja aber trotzdem unter der Hand unterstützen, ohne das beschriebene Abkommen mit den Taliban zu verletzen). Über diese letzte Konsequenz sollte von Anfang diskutiert werden. In der Logik westlicher Außenpolitik ist sie aber zweitrangig.

Denn es ist ja nicht so, dass ein Deal mit den bösen Taliban ein Präzedenzfall wäre. Man müsste eher sagen: willkommen im Club! Schurken in aller Welt werden von Europa auch nach dem Ende des Kalten Kriegs noch akzeptiert, weil sie westliche Interessen vertreten. Wir stellen uns gut mit dem Hause Saud und dem Kollegen Ghaddafi, weil wir deren Öl brauchen. Warum nicht auch mit den Taliban, weil wir keine Terrorangriffe mehr wollen? In Sachen Menschenrechten, insbesondere Frauen, nehmen die sich alle nicht viel.

Bleibt noch die Sachen mit der Opiumproduktion, die angeblich Terrorismus finanziert. Aber die hat uns vor 9-11 nicht interessiert und rechtfertigt auch jetzt nicht die Präsenz ausländischer Truppen (die sie ja bisher auch nicht wirklich in den Griff bekommen haben). Es ist in Afghanistan eben nicht alles so schwarz und weiss, wie man es gerne hätte: die Taliban bekommen mittlerweile Gelder aus US-Entwicklungshilfe, und die Behörden verdienen genauso kräftig am Opium wie alle anderen.

NRW-Rüttgers macht Rumänenschelte mit System

Noch am Freitag hatte sich NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) für seine Beleidigungen gegenüber Rumänen im Wahlkampf entschuldigt. Gestern hat die SPD dann ein weiteres Video veröffentlicht, in dem Rüttgers mit ähnlichen Tönen erneut die Rumänen beleidigt hat. Die Aufnahme wurde Ende August in Münster gemacht. Sie ist also noch vor der Entschuldigung von Rüttgers entstanden. Er sagt – Zitat:

Die kriegen die Produktion in Rumänien nicht in den Griff. In Rumänien kommen die Arbeiter nicht wie unsere Arbeitnehmer hier in Nordrhein-Westfalen morgens um sieben Uhr und bleiben solange wie der Betrieb ist. Und wenn’s sein muss, machen sie auch noch Überstunden. Die kommen, wann sie wollen, und gehen, wann sie wollen, und deshalb kriegen sie auch die Handys nicht mehr zusammengebaut."

Ich finde nicht erstaunlich, dass die politischen Gegner vermeidliche Skandale des politischen Gegners anprangern. Das ist normal. Es ist gut, dass die SPD dies hier im Fall von Rumänen-Rüttgers öffentlich tut, und die Story nicht hintenrum lanciert. Das ist gut.

Wir können uns also mit den Inhalten von Rüttgers Rumänen-Schelte beschäftigen. Und hier fällt mir auf, dass Rüttgers die Beleidigungen als eine Art rhetorische Formal in seine politischen Ansprachen eingebaut hat. Er wird also ähnliche Aussagen im Wahlkampf öfter gemacht haben. Er wird sie vor Publikum getestet und ziemlich sicher ihre Wirkung abgewogen haben. Gerade deswegen finde ich, kann man über diese Aussagen nicht einfach hinweggehen. Hier wird mit völkischen Ressentiments gespielt. Das darf ein deutscher Ministerpräsident nicht tun.

Die dahinter liegende Geisteshaltung der überlegenen deutschen Arbeitskraft über die faulen Balkanvölker teilen sicherlich viele. Deswegen ist es aber trotzdem falsch, an diese Geisteshaltung im Wahlkampf zu appelieren, den so verkommen die politischen Sitten. Unter dem Vorwand einfach Wähler am rechten Abrgund abzufischen, wird den Faschisten der Weg zurück in den Mainstream der Politik eröffnet.

Ich hoffe mit der Entschuldigung von Rüttgers verschwinden diese Formulierungen in Zukunft für immer aus den Wahlkämpfen in Nordrhein-Westfalen.

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Der Mantel des Schweigens beim WDR

Nur ganz selten kommen Skandale aus den öffentlich rechtlichen Sendern ans Licht. Nur ganz selten kann man sehen, was auch mit Gebührengeldern passieren kann. Derzeit wird etwa der Fall der NDR-Fernsehchefin Doris J. Heinze in der Öffentlichkeit verhandelt. Die überaus kreative 60-Jährige hatte offenbar nicht nur unter einem Pseudonym eigene Drehbücher an ihren Sender verkauft, wie der NDR bekannt gab, sondern auch noch Skripte ihres Mannes angenommen und bezahlen lassen. Das ist nicht toll und man stellt sich die Frage ob so was auch woanders möglich ist. von Marvin Oppong und David Schraven

Wir haben herausgefunden, dass es auch beim WDR in Köln einen ähnlichen Fall gab. Doch anders als in der Causa Heinze wurde dieser nicht in der Öffentlichkeit verhandelt, sondern in aller Stille bereinigt. Beim WDR mag man das Schweigen wohl.

Es geht um den ehemaligen Kopf der WDR-Programmentwicklung Karl-Heinz Angsten. Dem Mann werden hausintern Geschäfte mit seiner Ehefrau und einer verbandelten Firma nachgesagt. Die Innenrevision ermittelte, Angsten musste gehen, doch nach außen wird die Sache bis heute runtergespielt. Auf Nachfragen reagiert der Sender genervt. Es reiche aus, wenn gegenüber den Gremien Auskunft gegeben werde, heißt es. Auf Nachfragen der Presse antworte man daher nicht.

Vielleicht wäre Offenheit besser. Der 54-Jährige Karl-Heinz Angsten hat als Ex-Abteilungsleiter bei VOX und früherer Redaktionschef bei „Schreinemakers live“ jede Menge TV-Erfahrung. 2005 holte ihn der damalige WDR-Programmdirektor Ulrich Deppendorf als Chefentwickler zum WDR. Angsten sollte frischen Wind in den öffentlich-rechtlichen Sender bringen.

Doch schon bald begannen die Probleme. Tief in den WDR-Innereien murrten Redakteure über die Angsten-Ideen. Sie warfen dem Entwickler vor, schlicht Privatformate in den Gebührensender zu importieren. Etliche sahen ihren staatlichen Bildungsauftrag bedroht, sollten sich erst Coaching-Sendungen nach dem Motto „Hier-werden-Sie-geholfen“ durchsetzen. Schnell stießen einige Redakteure auf Merkwürdigkeiten.

Angsten war früher Teilhaber und Geschäftsführer der TV-Firma Good Times. Nach seinem Ausschieden verblieb Angstens Ehefrau Sylvia Fahrenkrog-Petersen an der Spitze der Firma. Und: die Good Times wurde als Produzentin für den WDR aktiv. Die kritischen Redakteure mutmaßten, Angsten habe seiner Frau Aufträge verschafft. Zum Schluss machte die Good Times immerhin noch rund 600.000 Euro im Jahr mit dem Kölner Sender.

Angsten sagt, die Verbindung zur Good Times war den Verantwortlichen im WDR bekannt. Er selbst habe sich nie für Projekte der Good Times eingesetzt.

Aber stimmt die Aussage von Angsten? Um der Wahrheit näher zu kommen, muss man sich tiefer in das WDR-Umfeld wühlen. Da ist zum Beispiel die Sendung „Der Große Finanz-Check“. In diesem Trainingsformat soll klammen Menschen dabei geholfen werden, einer Schuldenfalle zu entkommen. 2006, kurz nach Angstens Dienstantritt, wurde das Format im WDR etabliert.

Produziert wurde der Finanzcheck von der Firma Together Productions, die im Januar 2006 erst kurz vor dem Projektstart zum großen Finanzcheck gegründet wurde. Die Firma bekam im Laufe der Zeit weit über eine Million Euro vom WDR überwiesen.

Nach Auskunft von Angsten und seiner Frau Sylvia Fahrenkrog-Petersen ist die Together Productions ein gänzlich unabhängiges Unternehmen.

Doch das kann man so einfach nicht sagen. Wie unsere Recherchen zeigen, gibt es deutliche Verknüpfungspunkte zwischen der Together Productions, der Good Times und Karl-Heinz Angsten. So taucht beispielsweise in den Dokumenten der Together Produktions der Name von Angsten als Autor des Konzeptes der Sendung Finanzcheck auf. Er selbst sagt, er habe im Rahmen seines WDR-Auftrages das Konzept mitentwickelt, weil er die Idee für gut befunden habe. Geld habe er für seine Hilfe von der Together Productions nicht bekommen.

Gründer der Together Productions ist Benjamin Mandal, zuvor Mitarbeiter von Fahrenkrog-Petersen in der Good Times. Das Startkapital der Firma lag bei 25.000 Euro. Aus vorliegenden Unterlagen, geht hervor, dass Mandal mit seiner Firma Together Production Untermieter der Good Times war, man teilte sich sogar einen gemeinsamen Telefonanschluss. Damit nicht genug.

Anhand von vorliegenden Rechnungen lässt sich ein Geldfluss von der Together Productions zur Good Times rekonstruieren. Demnach zahlte die Together Produktions an ihren Vermieter Good Times monatlich bis zu 40.000 Euro. Dieses Geld wurde als Gebühren für die Nutzung von Schnittplätzen ausgewiesen. Dies bestätigt Fahrenkrog-Petersen.

Allerdings sei der Finanzcheck nicht bei der Good Times geschnitten worden. Mandal selbst sagt, bei der Together Productions handele es sich um ein „reines Redaktionsbüro“, das damals über keine eigenen Schnittplätze verfügt und deshalb die Kapazitäten der Good Times genutzt habe.

Zusammengefasst heißt das: Der WDR-Programmentwickler Angsten betreute einen Ex-Angstellten seiner Frau, mit dem diese wirtschaftlich verbandelt war, bei dessen Einstieg in den WDR.

Angsten, seine Frau sowie Mandal bestreiten, dass es sich dabei um illegale Geschäfte gehandelt habe.

Trotzdem ermittelte die WDR-Innenrevision in dem Fall. Es dürfe nicht der Geruch einer unrechtmäßigen Bereicherung entstehen, hieß es. Angsten wurde gedrängt, den Sender zu verlassen. Obwohl er sich nach eigenen Worten nichts zu Schulden hat kommen lassen, unterschrieb er zum Ende März 2008 eine unbezahlte Beurlaubung. Seither hat er einen Schreibtisch bei der Good Times.

Vor kurzem fiel die Firma übrigens auf, weil ihre Angestellten angeblich Mädchen für eine Sendung zu Schlägereien angestiftet haben sollen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte. Fahrenkrog-Petersen bestritt die Vorwürfe. Am Ende stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ohne Anklage wieder ein.

Wie dem auch sei: Auf jeden Fall blieb Angsten mit dem WDR verbunden. Nach wie vor musste er seine Programm-Ideen zunächst dem Sender anbieten. Noch im Januar stand Angsten im internen WDR-Telefonverzeichnis. Erst vor wenigen Wochen kündigte der Programmentwickler aus der Beurlaubung heraus seinen Job.

Der WDR verweigert bis jetzt Auskünfte zu dem Verfahren.

Wir können das nicht verstehen. Entweder ist an den Vorwürfen etwas dran, dann muss der Sender seine Belege auf den Tisch legen und den Fall öffentlich aufklären. Oder aber an den Vorwürfen ist nichts dran, dann muss der WDR Angsten öffentlich entlasten.

Das Unterdrücken von Problemen scheint dabei Methode im Sender zu haben, als ob man dort Angst habe, dass noch mehr Dreck aufgewirbelt werden könnte.

Vor wenigen Monaten etwa wurde nach unseren Recherchen öffentlich, dass gegen die Firma TVT.Media wegen des Verdachtes auf Schleichwerbung beim WDR intern ermittelt wurde. Laut WDR hat die TVT.Media in der Beratersendung „Servicezeit: mobil“ Autos getestet und Hinweise für den Kauf von Neuwagen gegeben. Dabei habe die Firma Filmmaterial eines Autoherstellers genutzt, ohne dies dem WDR mitzuteilen oder darauf im Beitrag hinzuweisen. Die „Servicezeit: mobil“ gilt wegen ihrer angeblichen Unabhängigkeit als eines der wichtigsten Ratgeberformate in der Autobranche.

Die TVT.Media bestreitet bis heute gegen Regeln verstoßen zu haben. Erstaunlicherweise verzichtet der Sender auch hier darauf, seine Anschuldigungen zu untermauern. Stattdessen wird der Revisions-Bericht zur Sache unter Verschluss genommen und die Firma aus dem Sender gedrängt. Der WDR teilt dazu mit, die „Vertraulichkeit zivilrechtlicher Verträge“ müsse gewahrt bleiben.

Die Öffentlichkeit darf also weiter die Rundfunkgebühren bezahlen, ohne näheres über deren Verwendung zu erfahren.

Selbst nach dem in NRW gültigen Informationsfreiheitsgesetz gibt die WDR-Intendantin Monika Piel keine Auskunft über Firmen, die mit dem Sender Handel treiben. Und das, obwohl die Landesdatenschutzbeauftragte das Recht auf Auskunft befürwortet. Eine Auskunftsklage des Autoren Oppong gegen den WDR ist anhängig.

In Zukunft dürfte der Sender sogar noch verschlossener werden. Die Landesregierung NRW bemüht sich derzeit, den Auskunftsanspruch gegen den öffentlichen Landessender einzuschränken. In einem Entwurf zur Novelle des Landesmediengesetz NRW heißt es: „Das Informationsfreiheitsgesetz findet auf den WDR nur Anwendung, soweit nicht journalistisch-redaktionelle Informationen oder Informationen, die im Zusammenhang mit der Herstellung und Lieferung von Programmen stehen, betroffen sind.“ Hinter diesem Gummiparagraphen kann man fast jedes Sender-Geschäft verstecken.

Wir bleiben dran. Hinweise bitte an david.schraven (at) ruhrbarone.de oder marvin.oppong (at) ruhrbarone.de

Ruhrpilot

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