NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU und auf dem Foto links) ist der Verantwortliche im Umweltministerium.
Nach Monaten habe ich nun alles zusammen, um belegen zu können, wie das Korruptionsverfahren gegen den ehemaligen Abteilungsleiter im Umweltministerium Harald Friedrich begann. Am Anfang entspannen sich drei Fäden. Sie wurden zu einem Strick verwoben. Harald Friedrich musste wochenlang in Haft. Eine Firma wurde in die Pleite getrieben, Unschuldige verloren ihren Arbeitsplatz, über ein dutzend Personen wurden verfolgt, tausende Telefonate und Emails abgehört.
Wenden wir unseren Blick aber nun an den Beginn des Verfahrens, um zu klären, wer verantwortlich ist. Wenden wir unseren Blick in das Jahr 2006.
Faden 1:
Der erste Pfad ist kurz. Er führt in die Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Am 12. Juli 2006 faxte irgendwer aus dem Büro der dpa in Düsseldorf zwischen 10:47 und 15:48 drei Zeitungsberichte in die Staatsanwaltschaft. Einen Artikel des Kölner Stadtanzeigers vom 23. Juni 2006, einen Bericht der Welt am Sonntag vom 25. Juni 2006 und einen Artikel der Bild-Zeitung vom 12. Juli 2006. Alle Berichte hatten einen ähnlichen Tenor. Es ging um die Suspendierung von Abteilungsleiter Friedrich, es ging um mögliche Korruptionsvorwürfe aus dem Umweltministerium.
Am 13. Juli notierte Staatsanwalt Kumpa zu den Artikeln, bislang lägen aufgrund der Berichte keine ausreichenden Belege vor, die den Anfangsverdacht auf eine Straftat begründeten. „Es soll daher abgewartet werden, ob nach Prüfung des Sachverhaltes eine Strafanzeige vom Ministerium erstattet wird.“ Weiter ordnete Kumpa an, den Vorgang in die Registratur einzutragen. Die Sachen kamen also in die Akte: „50 AR 6/06“ Das Zeichen AR heißt dabei, dass es sich um eine Vorakte handelt, noch nicht um ein echtes Ermittlungsverfahren. Damit war dieser Faden gelegt.
Faden 2:
Auch das Korruptionsdezernat des LKA war auf die Presseberichte aufmerksam geworden. In der Woche zwischen dem 26. und 30 Juni 2006 nahm deswegen der Leiter des Grundsatzreferates im Dezernates M.* Kontakt mit der Stabsstelle für Korruptionsbekämpfung im Umweltministerium auf. Dort teilte man ihm mit, dass auch dort der Vorgang aufgefallen sei, man aber keine weiteren Erkenntnisse habe. M. lies den Vorgang ruhen.
Nachdem auch die Bild am 12. Juli berichtet hatte, rief der LKA-Beamte M. am gleichen Tag erneut in der Stabsstelle für Korruptionsbekämpfung im Umweltministerium an. Dort teilte man ihm mit, dass es eine Kommission im Haus gebe, die sich mit dem Fall beschäftige. Die Stabsstelle für Korruptionsbekämpfung sei nicht damit befasst. Das LKA möchte sich doch an den Leiter der Zentralabteilung im Ministerium, Herrn Henrich wenden.
Der zuständige Leiter der Abteilung 1 im LKA, Norbert Wagner, wurde über das Vorgehen unterrichtet.
Daraufhin nahm Wagner den Kontakt wieder mit dem Umweltministerium auf – er verabredete mit dem Juristen Günther für den darauf folgenden Tag ein Gespräch im Ministerium.
Das Treffen fand am 13. Juli 2006 statt. Anwesend waren auf Seiten des LKA der Leiter des Grundsatzreferates im Korruptions-Dezernates M. und der Leiter der Abteilung 1, Wagner. Auf Seiten des Ministeriums nahmen die Juristen Jörg-Michael Günther und Lucie Meyer-Mönnich teil.
Günther berichtete laut Zeugenaussagen detailliert über die zusammengetragenen Gerüchte aus dem Ministerium sowie über die Verdächtigungen durch die Belastungszeugin Dorothea Delpino. Dazu brachte Günther die angeblich fehlerhaften Vergaben vor und sprach über einen Laptop , den Friedrich als Gegenleistung für eine Auftragsvergabe erhalten haben soll.
Die Schilderung eines korruptiven Sachverhaltes vor Ermittlungsbeamten ist eine Anzeige. Wie so ziemlich jeder Jurist weiß. Günther bestreitet das, er sagte vor dem Untersuchungsausschuss, er habe keine Korruptionsanzeige gestellt. Er hat also mit seiner Schilderung eine Art Nicht-Gestellte-Korruptions-Anzeige gestellt.
Wie auch immer Jurastudenten in Grundsatzseminaren kommender Jahre die Spitzfindigkeiten des ministralen Juristen auslegen werden. Auf jeden Fall fertigte ein LKA-Beamter am nächsten Tag aufgrund der Günther-Angaben eine Korruptions-Anzeige. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal wurde als Schwerpunktstaatsanwaltschaft über den Vorgang informiert. Durch Vermittlung der Generalstaatsanwaltschaft wurde dem LKA zudem schnell bekannt, dass bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf ein Vorgang zur gleichen Sache geführt wird.
Die ersten beiden Fäden hatten sich damit verwoben. Die Ermittlungen auf Seiten der Strafbehörden begannen.
Faden: 3
Es bleibt der Pfad aus dem Umweltministerium. Und der führt tiefer zurück. Seit spätestens Ende Mai 2006 war der Entschluss in der Hausspitze gereift, den Abteilungsleiter zu entfernen. Als Rammbock im eigenen Haus wurde der Leiter der Diziplinarreferats Günther beauftragt und mit allen nötigen Vollmachten ausgestattet, Friedrich zu verfolgen. Günther trug das Material zusammen. Dabei holte er sich Unterstützung zweier weitere Juristen im Hause. Einmal schrieb Günther in einem Vermerk „Recht ist Kampf“.
Als Günther meinte, er habe genug zusammen, um Friedrich kündigen zu können, informierte er Umweltstaatssekretär Alexander Schink. Am 16. Juni 2006 wurde Harald Friedrich gefeuert. Die Suspendierung bekam dieser vom Pförtner in die Hand gedrückt. Am 18. Juni unterrichtete Schink in einem persönlichen Vermerk Minister Eckhard Uhlenberg. Eine Sprachregelung wurde festgelegt. Demnach soll die Kündigung nicht aktiv kommuniziert werden. Nur wenn es Nachfragen der Presse gibt, sollen ab dem 21. Juni 2006 die Dienstvergehen von Friedrich, auf Grund derer er gefeuert wurde, „näher konkretisiert“ werden. Man wollte also warten, bis sich die Story über den ersten gefeuerten grünen Abteilungsleiter in der schwarz-gelben Regierung Jürgen Rüttgers auf welchem Weg auch immer in der Düsseldorfer Landespressekonferenz verbreiten hatte und irgendwer im Ministerium anrief.
Und Journalisten riefen im Ministerium an. Die Sprachregelung wurde exekutiert. Die Artikel im Kölner Stadtanzeiger, in der Welt am Sonntag und in der Bild erschienen. Darauf kam es, wie erzählt, zum Termin mit den LKA-Beamten im Ministerium, wo Günther seine spitzfindige Nicht-Gestellte-Korruptions-Anzeige stellte.
Danach befeuerte der Ministeriumsmann die Ermittlungen, wo er konnte. Überreichte Unterlagen, schickte Vermerke und reichte Gerüchte durch. So schmierte er eifrig schon am 14. Juli 2006 den Ex-Abteilungsleiter Friedrich wegen angeblicher Reisekostenschummeleien an. Natürlich wie immer vorsichtig in seinem Eifer. Günther sagte: es gebe „Indizien für versuchte Falschabrechnung von Reisekosten.“ Er übersandte dem LKA auch die Aussage von Delpino wegen des angeblichen Geheimnisverrates. Weil Friedrich die Fragen für ihr Einstellungsgespräch ausgeplaudert haben soll – was dieser bestreitet.
Wie aggresiv und wage die Beschuldigungen vorgetragen wurden, soll folgender Auszug einer Aussage der Belastungszeugin Delpino verdeutlichen:
Frage LKA: Können Sie sich vorstellen, dass Herr Dr. FRIEDRICH für die Vergabe von Projekten Leistungen von den Ingenieurbüros, bzw. von den Universitäten eingefordert hatte.
Antwort Delpino: Nun, ich kann mir heute sicherlich einiges vorstellen. Herr FRIEDRICH lebte die Philosophie „keine Leistung ohne Gegenleistung". Eiwas Konkretes weiß ich hier nicht; ich weiß nur, dass er sich Ende 2005 ein neues Auto gekauft hatte. Darüber wunderte ich mich, zumal er häufig kein Geld hatte.
Die Fäden hatten sich in einem Strick zusammengewoben. Das LKA war auf die Spur gesetzt. Der Rest ist Geschichte…….
Im Uhlenberg-Untersuchungsausschuss des Landtages brüten heute die Abgeordneten über zehntausende Seiten Akten.
Hier kann der Interessierte Büger die zitierten Dokumente zum Verfahrensanfang herunterladen. Klick
* Ich hatte zunächst geschrieben, dass M. Leiter des Korruptions-Dezernates war. Das ist falsch. Er war und ist Leiter des Referates für Grundsatzfragen im Korruptions-Dezernat. Sorry für den Fehler.
Ich habe schon öfter über den Skandal berichtet. Hier gibt es mehr zum Thema:
Uhlenberg-Untersuchungsausschuss: Justiziar verwickelt sich in Widersprüche
Anfrage-Email wird im Uhlenberg-Untersuchungausschuss verteilt
LKA-Vermerk aus dem Uhlenberg-Ausschuss: “Hat Frau Delpino die Ermittlungen geführt?”
Uhlenberg-Skandal wird richtig übel
Dubiose Belastungszeugin präsentiert dubiose Belege
Der Untersuchungsausschuss “Uhlenberg” hat viel zu tun
Die Akte F – wie das NRW-Umweltministerium einen Ex-Mitarbeiter verfolgt
Berichte aus dem Sumpf, in dem Uhlenberg und das LKA sitzen
Abhörskandal im PFT-Fall
Mega-Lauschangriff in NRW
Der Fall F. – Ministerium erhält Einblick in Ermittlungsakte
Offene Akten für die Belastungszeugin
Verfahren Harald F – Pleite für die Staatsanwatschaft dräut